Eine fremde Welt

  • "Du hast doch nicht...", erstaunt sah Tári den jungen Mann an. Tatsächlich hielt er einen Moment später einen kleinen silbernen Ring in den Fingern. Wie machte er das nur? Aufmerksam folgte die junge Frau Tamrins Erzählung wie er zu dem Ring gekommen war. "Das ist doch nicht nötig...", wisperte sie leise. Sie konnte doch nicht ein Erinnerungsstück tragen, was ihr junger Verlobter von seiner Mutter erhalten hatte ... Oder vielleicht doch? Sie hatte keine Ahnung was sie fühlen oder gar sagen sollte.
    Tamrin steckte ihn ihr an den Finger, er passte. Wie konnte das sein? Diese Geste wärmte sie wie nie gekannt von innen heraus und ihr Herz wollte sich weiten vor Zuneigung für den jungen Mann vor ihr. Es war so untypisch für sie und nie hätte sie sich freiwillig einen Ring an einen ihrer Finger gesteckt, aber diesen würde sie freiwillig nicht ablegen wollen und immer gut auf ihn acht geben.
    Er tat es wieder, seine warmen Lippen berührten ihre Hand und es flammte hell auf. Tamrin lächelte sie glücklich an und Tári fehlten die Worte vor Bewegtheit.
    Die junge Frau hätte ihren Verlobten am Liebsten geküsst, gerade noch so gelang es ihr mit letzter Kraft umzulenken während sie ebenfalls auf die Knie sank und fiel ihm stattdessen um den Hals. Ganz fest drückte sie sich an ihn. Es dauerte einen Moment ehe sie den Ring an ihrer Hand betrachtete. Er war sehr fein und filigran gearbeitet. Tári fand er passte irgendwie zu ihr und auch zierte ihn noch eine Feder. "Ich werde gut auf ihn acht geben!", flüsterte sie noch immer bewegt. "Für mich braucht es keinen anderen, er ist wunderschön ... Aber sag was ist ein Federfallring?" Tári löste sich etwas um Tamrin ansehen zu können, Federfallring sagte ihr gar nichts, war das etwas Besonderes?

  • Überrascht davon, dass Tári sich so freute, aber sehr glücklich darüber, umfing Tamrin sie ebenfalls mit den Armen und durchlebte den ihm nun schon vertrauteren Aufruhr von Körper und Geist dieses mal bewusster und intensiver als zuvor. Es schien den Rausch, sie so nah zu spüren, nur noch etwas süßer zu machen. Dennoch musste er leise auflachen als er Tári’s Worte hörte. “Eigentlich soll er auf Dich aufpassen.” gestand er schmunzelnd, ganz froh darum, etwas zu haben, auf das er seine Konzentration heften konnte und auf diese Weise überspielen zu können, was Tári’s Nähe in ihm auslöste. Glaubte er.


    “Er heißt so, weil er mit einem Zauber belegt ist. Einem Federfallzauber.” erklärte er. “Es ist ein Schutzzauber, der Stürze abmildert. Du fällst eher wie eine Feder als wie sonst mit dem vollen Gewicht. Und statt gebrochener Knochen hast Du vielleicht nur eine Prellung, wenn Du mit einem Pferd stürzt oder von einem Baum hinunter fällst.” Er sah auf ihre schmale Hand mit dem filigranen Ring hinunter. “Er sieht außerdem wunderschön an Dir aus. Ich wüsste nicht, wem ich ihn lieber gäbe.” Tamrin hatte es ausgesprochen, ohne lange über das nachzudenken, was er empfand. Erst jetzt kroch eine leichtes Schamgefühl in ihm hoch - aber es war tatsächlich einfach nur das gewesen, was er gerade aufrichtig fühlte, auch wenn er sich vor 10 Tagen womöglich noch vor Lachen gekugelt hätte, hätte ihm jemand das vorher gesagt. Ob das wohl auch dazu gehörte ? Dass man seine Liebste gern beschützt wissen wollte ? Das war nicht der Grund gewesen, weswegen ihm der Ring eingefallen war. Das war allein wegen der Verlobung gewesen und dies war schlicht der einzigste Ring, den er besaß. Aber dieses neue Gefühl war ebenfalls da. Vielleicht war es zuvor nur in der Flut anderer, mitreißenderer Gefühle etwas unter gegangen. Mit leicht verlegenem Lächeln suchte er Tári’s Blick.

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Tári glaubte sich verhört zu haben. Der Ring solle sie beschützen...? Ja klar, weil ein Ring das konnte. Sie wollte Tamrin schon fragen ob er sie auf den Arm nehmen wolle, aber er erklärte ihr wie er funktionieren sollte. "Ein Federfallzauber.", wiederholte sie und man hörte, dass sie von solchen Dingen keinerlei Ahnung hatte. Ein magischer Ring also, mit einem Schutzzauber? Magie ... kurz wollte sich ein leises Unwohlsein einstellen, aber das würde nicht nötig sein. Tamrin würde ihr nichts geben was sie nicht wollte und es klang auch mit Nichten so, als dass dieser Ring ihre Sinne beeinflussen würde. Tári nickte verhalten, immerhin hatte sie seine Worte verstanden, wenn sie schon nicht verstand wie das funktionieren sollte. “Aber sonst tut er nichts, oder?”, entfuhr es ihr dann aber doch.

  • Tári war ihm viel zu nah als dass er ihr inneres Zurückweichen nicht bemerkt hätte. Und auch ihre Worte zeigten abermals recht deutlich, dass sie diesem Bereich seines Lebens, der ihm so selbstverständlich war seit er denken konnte, mit großer Skepsis gegenüber stand. Sanft strich er mit der Rückseite seiner Finger über ihre Wange. Dass sie das spaßhafte Wortspiel ernst nahm ... …. er hätte es sich denken können. Aber was viel entscheidender war und was er in diesem Augenblick begriff, war, das Vertrauen nichts war, dass sich mit ein paar lieben Worten besiegeln oder gar erbitten oder versprechen ließ. Es war ein Ziel, eine Aufgabe, die sie beide würden bewältigen müssen, um es zu erreichen. Vielleicht war er mit seinem Vorschuss an Vertrauen nur etwas großzügiger, als die misstrauische kleine Frau vor ihm, weil es ihn nicht sofort aus der Bahn warf, wenn sein Vertrauen mal enttäuscht wurde. Er hatte aus der Erfahrung gelernt damit umzugehen in seinem bisherigen Leben. Tári schien diesbezüglich andere Erfahrungen gemacht zu haben. “Nein, nichts. Ich schwöre es. Nur der Ring ist verzaubert - aber er kann Dich nicht verzaubern, Tári. Er wird nichts tun und Dich auch nicht beeinflussen oder verändern. Es ist eigentlich einfach nur ein Ring, der einen kleinen Trick beherrscht. Wenn Du nicht wüsstest, dass er das kann, würdest Du es nicht einmal bemerken, wenn er wirklich mal helfen sollte.” Tamrin holte tief Atem. “Meinst Du, Du könntest ihn trotzdem tragen ?”

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Tamrin hatte ihr Zaudern wohl bemerkt und sich an ihre Vorbehalte gegenüber Magie erinnert. Seine beruhigenden, fast bittenden Worte sagten es der Halbelfe.
    Wie viele hätten an seiner Stelle wohl zornig oder beleidigt reagiert, weil sie so undankbar war und ihr Misstrauen die erste Freude über den Ring überlagert hatte.
    Weil sie so anders war wie andere, die sich wohl überschwänglich über so ein Geschenk gefreut hätten.
    Tamrin war nie so. Immer begegnete er ihr mit Verständnis - egal, ob sie komisch wegen einer anderen Frau reagierte, sterbende Fische ihr unerträglichen Schmerz bereiteten oder sie jetzt so unerwartet vor diesem Ring zurückwich. Seine Finger fuhren liebevoll über ihre Wange und Tári ergriff seine Hand, um sich etwas fester hineindrücken zu können. Sie musste sich wohl entscheiden, ob sie Worten Taten folgen lassen wollte. Ihren Instinkten und ihrem tief verwurzelten Misstrauen vertrauen wollte ..... oder sich Tamrin wirklich zu öffnen. Der jungen Frau war bis jetzt gar nicht bewusst gewesen, wie groß der Schatten tatsächlich war, über den sie würde springen müssen. Seine grünen Augen strahlten sie voller Wärme an und gaben ihr das untrügliche Gefühl, dass sie es sogar bleiben würden, wenn sie seinen Ring nun ablehnte. Tári fühlte, wie eine ihr zuvor gar nicht bewusste Barriere Öffnungen bekam. Es würde große Überwindung kosten, sie völlig hinter sich zu lassen ………. aber mit ihm schien es möglich zu werden. Sie fasste sich ein Herz.
    "Ja, ich will ihn tragen.", flüsterte sie leise aber mit fester Stimme. Táris Augen blieben an Tamrins Lippen hängen, die sich bei ihren Worten zu einem tiefen Lächeln geweitet hatten. So aufwühlende Gefühle lösten sie auf ihrer Haut aus. Und auch Tári lächelte, wenn auch noch etwas unbeholfen. Wie würden sie sich wohl erst auf ihren eigenen Lippen anfühlen?
    "Glaubst du, es wird noch sehr lange dauern bis du mich endlich küssen kannst?", fragte sie, ohne groß darüber nachzudenken.

  • “Ach Tári…” entfuhr es Tamrin und noch im Hochgefühl über ihr Einverständnis und die Überwindung, die es sie gekostet hatte, zog er sie nun doch auf seinen Schoß und schlang die Arme dieses Mal richtig um ihren Körper, sein Gesicht irgendwo zwischen ihren Haaren und ihrem schlanken Hals vergraben, pressten sich ihre Körper aneinander. Sollte sie doch spüren, wie heiß er sie begehrte.
    “Glaub mir, es gibt bei den Göttern nichts, was ich mir mehr wünsche als Dich endlich küssen zu dürfen.” murmelte er überwältigt gegen ihre seideweiche Haut. “Ich glaube nur nicht, dass ich es dann schaffe, wieder von Dir abzulassen. Und ich möchte doch Deiner Familie beweisen, dass ich der Richtige für Dich bin. Dass ich ihre Gebräuche achte und sie sehen, dass ich zuverlässig bin. Kein Taugenichts, der sich einfach nimmt, was ihm gerade in den Sinn kommt und dem Dein Ruf und Euer Name nichts wert sind. Ich möchte sie nicht so verächtlich behandeln und übergehen. Und Dich erst recht nicht. Es ist mir wirklich ernst. Auch wenn es mir unendlich schwer fällt zu warten.” Das Verlangen schmerzte und Tamrin begann wieder zu zittern als er nun endlich Luft holte, wo die Worte hervor gesprudelt waren.

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Die junge Frau umfing Tamrins Nacken mit den Armen und es raubte ihr ein wenig den Atem, das Verlangen seines Körpers zu spüren. Auch in der Luft hing es einmal mehr, seines und das ihre. Tári wusste längst, dass Tamrin ein anständiger junger Mann war. Zumindest das was ihre Familie als Anstand erachtete. Anscheinend musste das dann auch der Grund für die Angst sein, die sie an ihm wahrnahm. Er hatte Angst, ihre Leute würden ihn für unzulänglich halten, wenn er sich nicht mal an die Konventionen halten konnte. Wie ärgerlich und überflüssig das alles doch war! Am Liebsten würde sie ihren beiderseitigen Trieben gleich hier und jetzt nachgeben. Die tierischen Instinkte in ihr reizte es, ihn zu verführen und zu besitzen, gerade weil er so standhaft sein wollte. Gleichzeitig aber berührte es sie immer noch, dass er es richtig machen wollte und hemmte sie darin, sich einfach über das hinweg zu setzen, was ihm anscheinend so wichtig war.
    "Versprich mir, dass wir es tun werden", schnurrte sie sehnsüchtig zu ihm hinein und war sich bewusst, dass ihre Körper auch ihm bereits verraten hatte, dass sie längst nicht mehr nur das Küssen meinte damit.

  • Tamrin umklammerte sie noch ein wenig fester als er ihre verführerische Stimme nach dem bitten hörte, worauf sich sein ganzes eigenes Sehnen richtete. “Nichts und niemand wird es verhindern können, das wir einander gehören werden!”, flüsterte er beschwörend. “Egal, was ich dafür tun muss und was es mich kostet - ich könnte es nicht ertragen, dass Du bei einem anderen liegst.”, gestand er Tári mit bebender Stimme und der schier unwiderstehlichen Überzeugung seiner jungen Jahre. “Und ich habe noch nie zuvor so sehnsüchtig den übernächsten Abend erwartet.” Mit Tári in seinen Armen schienen sich alle diesbezüglichen Bedenken, Sorgen und Probleme wundersamerweise in Luft aufzulösen und ihr gemeinsamer Weg einladend und gerade vor ihm zu liegen. Tári’s Tante würde einverstanden sein, ebenso wie ihre Eltern. Tári hatte es selbst gesagt und Tamrin’s Leben war bislang einfach in zu beschaulichen Bahnen verlaufen als dass er Zweifel daran hegte, dass es sich letztendlich nicht auszahlen würde, wenn sie sich an die Regeln hielten. Wie schwer ihm das auch gerade fallen mochte. “Ich verspreche es!” hauchte er verliebt gegen ihre Haut.

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Seine Worte waren die Schönsten die sie je gehört hatte und sie empfand es auch so. Auch sie würde alles tun, um bei ihm sein zu können. Sie kuschelte sich noch enger an Tamrin, ihre Hände in seinen Haaren. Oh wie gern hätte sie all die Konventionen und gesellschaftlichen Zwänge über Bord geworfen. Es kostete sie unendlich viel Kraft seinen Hals nicht mit Küssen zu bedecken, ihn zu erkunden. Aber sie wollte warten, zumindest bis es endlich offiziell sein würde. Am übernächsten Abend dann, viel zu lange wie sie fand. Aber dann stünde ihnen nichts mehr im Weg, sie konnten dann zusammen sein wann und wie sie es wollten. Das Einverständnis ihrer Tante würde es offiziell machen und alle wären glücklich und zufrieden. Es gab nichts, was dagegen sprechen konnte. "Also bald.", sagte sie leise und seufzte befriedigt auf. “Dann will ich warten.”
    Tief sog sie den Geruch des jungen Mannes ein, es war so herrlich ihm Nah zu sein.

  • Tamrin’s Anspannung löste sich etwas bei ihren Worten und das Zittern verebbte. Ohne dass er darüber hatte nachdenken müssen, war ihm bewusst, dass Tári in diesem unbeschreiblichen Spiel die Leitung in den Händen hielt. Wenn sie es darauf angelegt hätte, hätte es ihn mitgerissen. Und er hätte es keine Sekunde bedauert in diesem Moment. Vielleicht später, wenn er wieder bei Verstand gewesen wäre. Aber nicht einmal darüber war er sich völlig sicher. Sicherer war er sich darin, dass er seine Standhaftigkeit wohl besser nicht noch sehr viel länger am Abgrund entlang wandeln lassen sollte. Sachte löste er sich etwas von Tári, behielt sie jedoch in den Armen. “Ich glaube, ich könnte einen Schluck Tee vertragen.” sagte er mit einem Lächeln, das ihm noch nicht wieder so ganz gelingen wollte. “Du hast nicht zufällig einen kleinen Kessel dabei, oder ? Ich muss auch noch ein paar Dinge zu Deiner Tante wissen, wenn wir uns nicht mehr sehen werden vorher. Nicht, dass ich etwas sage oder ein Thema anspreche, dass sie erzürnt. Oder zu einer ganz und gar unpassenden Zeit vor der Tür stehe.” Das Denken funktionierte wieder ein wenig besser, wenn sie ihm nicht mehr ganz so nah war, konnte er feststellen.

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Langsam lockerten sich die Arme von Tamrin und die Halbelfe tat es ihm im selben Maße gleich. Es war besser, wenn sie nun anderen Dingen nachgehen würden, als sich noch weiter in ihren Sehnsüchten zu verstricken. Auch wenn sie ihn nur ungern los ließ.
    "Tee, klingt gut. Und ja ich hab so ein altes Ding dabei, da sollten wir gute drei Becher kochen können. Du hast doch sicher Teeblätter mit?" Tári ließ sich von Tamrin in die Höhe helfen. "Du das Feuer und die Teemischung und ich Kessel, Becher und Wasser...?", fragte sie zwar, lief aber gleich los die Sachen aus ihrer Tasche zu holen, den Kessel mit frischem Wasser zu füllen und sich damit wieder zu ihm ans Feuer zu gesellen.
    Er wollte noch mehr zu ihrer Tante wissen, aber sie wusste selbst gar nicht sooo viel zu ihr. Die beiden Frauen hatten nicht gerade ein sehr vertrauensvolles Verhältnis.
    "Am Besten kommst du am frühen Abend. Tante Dilara ist immer sehr darauf bedacht bis zu dieser Zeit all ihre Aufgaben erledigt zu haben. Wenn nichts mehr ansteht ist sie immer um vieles entspannter.", begann Tári grübelnd. "Was man vielleicht besser nicht anspricht ist die Abwesenheit meines Onkels, darauf reagiert sie immer sehr reserviert ohne konkret darauf zu antworten wo er denn gerade ist." Tári hob sacht die Schultern. "Obwohl ich glaube, dass sie ihn besucht wenn sie über Tage verreist ist."

  • “Und den Umhang…” ergänzte Tamrin leise, aber Tári war schon voller Energie dabei, ihre Worte in die Tat umzusetzen, nachdem er erst sich selbst und dann Tári wieder auf die Füße gestellt hatte. Mit schmunzelndem Kopfschütteln breitete er den Umhang über einen Strauch ohne Dornen aus und suchte dann in seinem kleinen Berg nach dem Lederbeutel mit gelben Schnürchen bevor ihn sein Weg zurück zum Feuer führte. Ein letztes Mal leerte er die Stiefel und befüllte sie dann wieder mit den Steinen, die Tári über dem Feuer auf der Steinplatte zurück gelassen hatte. Vielleicht klappte tatsächlich, was sie sich da ausgedacht hatte, meinte er so, wenn er das Leder befühlte. Mit etwas Geschick und der Hilfe des Dolchs nahm er die auch die großen Steine vom Feuer und brachte es erneut vom Glühen zum Brennen. So machte sich das Holzsammeln dann doch noch bezahlt. Tári hatte offenbar über die Fragen zu ihrer Tante nachgedacht, denn kaum traf sie mit dem kleinen Kessel voll Wasser bei ihm ein, sprudelte es unverzüglich aus ihr heraus. Tamrin hob lachend die Hände und unterbrach sie. “Warte, warte.” beschwichtigte er sie. “Eins nach dem anderen.” und sah zu, wie sie den Kessel im Feuer platzierte, während er die gelben Schnüre entknotete. “Ist aber nur Zitronenmelisse.” warnte er sie vor. “Also - Deine Tante mag Besuch am Liebsten, wenn für sie keine Aufgaben mehr anstehen. Und um welche Zeit ist das etwa ? Oder erst nach dem Abendessen besser ?” griff er den ersten Punkt erneut auf.

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Eigentlich wollte Tári ihre Informationen nur los werden, sie konnte es nicht sonderlich gut leiden sich über solche Dinge Gedanken zu machen oder andere Leute zu analysieren. Bei Tieren war das einfach viel leichter. Sie kannten diese Scharaden der Menschenwelt nicht. Und Tári kannte sie auch nicht. Wut, Angst, Freude ... waren immer so wie sie es gerade empfand. Aber bei den Menschen, Elfen ... war es nicht immer so. Sie lachten, obwohl sie keinen Anlass dazu hatten oder gaben sich freundlich, wo sie es innerlich gar nicht waren - zumindest sagten das ihre Witterungen hier und da, die in der Luft lagen. In solchen Fällen versuchte Tári in der Regel sich still und unauffällig zu verdrücken.
    Sie nickte zu seinen bremsenden Worten. "Zitronenmelisse ist ein herrliches Kraut, so vielseitig.", lächelte sie ehe sie sich auf das Thema ihrer Tante konzentrierte. "So genau kann ich das gar nicht sagen." Sie hob etwas hilflos die Schultern. "Es kommt immer darauf an, was für den Tag ansteht und das ist nicht immer gleich oder im Vorfeld absehbar. Aber nach dem Abendessen klingt ganz gut, denke ich. Das ist fast immer um 19 Uhr ... wie wäre es mit 20 Uhr? Dann hat sie auch die letzten Instruktionen an die Angestellten des Hauses gegeben und den Kopf ganz sicher frei...?"

  • “Etwas nach 20 Uhr”, nickte Tamrin. “Gut. Es ist bestimmt besser, wenn ich sie nicht bei irgendwas störe und sie genervt ist deswegen. Sag, hat sie einen Titel ? Ihr Ehemann oder Eure Familie ? Sie mit dem korrekten Namen anzusprechen ist auch wichtig.”, grübelte der junge Mann vor sich hin. “Und Du sagst, sie legt Wert auf Umgangsformen ? Handkuss und solche Dinge dann, hm ?”

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • "Nein, keine Titel ... also mein Vater ist ein Gutsherr ...?", sagte sie unsicher und rutschte etwas unwohl hin und her "... Ihm gehört die Zucht, einiges an Land und die Gebäude ... Aber damit spricht ihn nie jemand an.", grübelte Tári vor sich hin. Das war doch auch kein Titel im eigentlichen Sinne? Was wenn das alles gar nicht stimmte, was sie meinte...? "Adel sind wir jedenfalls nicht.", sagte sie dann mit sicherer Stimme.
    Sie schloss einen Moment die Augen und holte sich unterschiedliche Szenen ins Bewusstsein, wie ihre Tante auf wen reagierte und was dieser jemand getan hatte. "Ja doch sie legt schon großen Wert drauf. Aber nicht zu übertrieben. Handkuss ja, aber eher nur angedeutet mit einer leichten Verneigung, oder so…" Tári wurde steif, zog eine Grimasse und sprach dann sehr gekünstelt “Werte Lady Amandil! Endlich werden wir einander einmal vorgestellt, ich habe schon sooo viel von Euch und Eurer reizenden Nichte gehört. Endlich kann ich Euch meiner großen Wertschätzung einmal persönlich versichern.” Finster sah sie zu Tamrin hinüber ehe sie erneut die Stirn runzelte. “Sie nicht unterbrechen wenn sie spricht. Seine Meinungen klar zum Ausdruck bringen..."

  • Das Thema stürzte Tári in Verlegenheit. Tamrin sah förmlich die Rauchwolken über ihrem blonden Schopf aufsteigen und musste unwillkürlich breit grinsen als sie ihm ihre Vorstellung zum Besten gab. “Gut - ich glaube, ich hab’s verstanden.” bemühte er sich um Ernsthaftigkeit, konnte das Glucksen aber nicht völlig verhindern. Aber es half ja nichts. Wenn er sich für Tári nicht so überzogen benehmen konnte, für wen denn sonst ? “Das kriege ich hin!” war er überzeugt. Unhöflich war er im Grunde ohnehin nicht und seine manchmal etwas schnelle Zunge war auch kein Problem, wenn er nervös war. Und das würde er sein, das spürte er jetzt schon. “Und Du sagst über Deinen Onkel spricht man besser nicht ? Gibt es ein Thema, das sie sofort an ihn erinnert und das ich besser ebenfalls vermeide ? Reisen ? Geschäfte ? Irgend so etwas ?”

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • "Na ja, nein über meinen Onkel Luca spricht sie schon, also da kannst du nichts falsch machen. Nur wo er sich derzeit befindet und warum und wann er wieder nach Hause kommt... diese Themen behagen ihr nicht und sie übergeht sie einfach. Ich habe Tante Dilara ein paar mal nach ihm gefragt. Immerhin ist er der Bruder meines Vaters..." Tári hob sacht die Schultern. "... und wenn ich schon mal hier bin, wollte ich auch auf ihn treffen. Aber er war schon vor meiner Ankunft verreist und es ist lange her, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte." Tári mochte ihren Onkel, auch wenn sie ihn nicht groß kannte. Er war ihrem Vater gar nicht so unähnlich und hatte sie als kleines Kind immer auf seine Schultern genommen oder sie durch die Luft gewirbelt.


    "Willst du die Melisse in die Becher geben oder in den Kessel?", fragte Tári bei dem jungen Mann nach, da dieser bereits zu dampfen begonnen hatte und leise zischte.

  • “In den Kessel. Wenn das Wasser kocht.” antwortete Tamrin mechanisch und reichte ihr den geöffneten Beutel, mit den Gedanken ganz woanders. Er wunderte sich ziemlich über diese Sache mit Tári’s Onkel. Andererseits ging es ihn zunächst ja nichts an, welchen Geschäften dieser nachging oder wo er sich deswegen nun gerade herumtrieb. Überhaupt hatte er schließlich nicht vor, in irgendein Geschäft einzusteigen, von dem er wahrscheinlich ohnehin nichts verstehen würde, ob es nun etwas seltsam war oder nicht. Auch wenn er natürlich schon irgendeinen gesicherten Broterwerb anstrebte. Der Onkel schien für den Augenblick jedenfalls nicht relevant zu sein, wenn er schon so lange fort war, dass selbst Tári ihn hier noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. “Dann spare ich ihn als Thema wohl besser ganz aus.” antwortete er nachdenklich. “Aber sag, sie würde ihn nicht irgendwie als Hinhaltetaktik benutzen, oder ? Also mir sagen, dass sie über meinen Antrag erst entscheiden könne, wenn Dein Onkel wieder da ist.” Ein wenig misstrauisch aufgrund dieses Gedankens sah er Tári dabei zu, wie sie die getrockneten Blätter ins Wasser gab.
    “Wird Deine Tante erwarten, dass ich mit ihr über irgendwelche Gesellschaften oder Adelige spreche, mit denen sie verkehrt ?” Jetzt wurde es langsam kniffelig. Er kannte nur den etwas wunderlichen rothaarigen Grafen und seine ……… tja, welche Stellung die launische Schlossdame nun eigentlich innehatte, wusste Tamrin noch immer nicht, fiel ihm beim Gedanken an diese erstaunlichen Begebenheiten wieder ein. Und ob das zählen würde für Dilara Amandil ?

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • "Vielleicht ist das besser.", mutmaßte sie und spähte in den Beutel hinein den Tamrin ihr gereicht hatte. Mit vorsichtigen Handgriffen holte sie den kleinen Kessel an den Rand der Glut, löste den Deckel und gab die Zitronenmelisse in das kochende Wasser hinein, ehe sie ihn wieder verschloss. Unglücklich sah die Halbelfe Tamrin an, was er alles von ihr wissen wollte bereitete ihr großes Unwohlsein. Wie sollte sie ihm solche Fragen nur beantworten können, war sie doch in einer solchen Situation noch nie gewesen. Tári seufzte und überlegte was ihre Eltern ihr zum Abschied gesagt hatten. 'Kind pass auf dich auf ... BITTE benimm dich ... du bist dort nicht mehr im Wald ... deine Tante wird gut für dich sorgen ... dir das Gesellschaftsleben der Stadt zeigen ... wie dort die Stallungen geführt werden, der Verkauf ...'
    "Ich weiß es nicht.", sagte sie zögernd. Doch dann erinnerte sie sich. Ihr Vater hatte sie gerade zum Abschied in die Arme geschlossen und ihr noch etwas ins Ohr geflüstert. 'Solltest du einen Mann kennen lernen, Tári und er um deine Hand anhalten, kann deine Tante diese Entscheidung treffen, wenn du das möchtest ...' Erst hatte sie leise geknurrt, als sie es gehört hatte, aber ihr Vater umarmte sie nur noch fester. Sie hatte in dem Moment das Gefühl, dass es ihm schwer gefallen sein musste, diese Aufgabe auf ihre Tante zu übertragen. Dennoch fand Tári diesen Gedanken damals alles andere als angenehm. Sie hatte ganz sicher keinen Mann in dieser Stadt finden und schon gar nicht heiraten wollen. Eigentlich hatte sie erst gar nicht dort hin reisen wollen. Und nun...? War alles ganz anders. Sie hatte einen jungen Mann gefunden und sie wollte ihn heiraten. Ihr Blick senkte sich auf ihre Hand, auf den Ring den Tamrin ihr angesteckt hatte und sie lächelte.
    "Mein Vater meinte meine Tante wäre berechtigt eine solche Entscheidung zu treffen, er sagte nichts von meinem Onkel.", sagte sie zuversichtlich. Zu seinen letzten Worten begann sie erneut zu überlegen. "Meinst du wirklich das wird sie in dem Moment interessieren?", fragte Tári etwas kläglich nach. [color=#006600]"Sag ihr doch einfach wie es ist... du bist nicht von hier und kennst den hiesigen Adel nicht...? Sie klatscht und tratscht schon sehr gerne, das aber auch nur in der richtigen Gesellschaft. Am Liebsten mit ihren 'Freundinnen' bei Tee und Gebäck."

  • Tamrin entsetztes Gesicht sprach Bände bei dem Gedanken an Klatsch und Tratsch mit Tante Dilara. Entgeistert schüttelte er den Kopf. “Nein, nein - so etwas meinte ich nicht.” beeilte er sich zu sagen und vergaß darüber seine Erleichterung, dass dieser dauerabwesende Onkel zumindest auch kein Hindernis darstellen konnte, wenn er schon kein Gesprächsthema sein sollte. “Es ist mehr eine Art Empfehlung. Oder Eintrittskarte, könnte man sagen.” bemühte er sich zu erklären. “Weißt Du, es ist gemeinhin einfach ein Unterschied, ob jemand Wildfremdes vor der Tür steht. Oder jemand, der sagt, dass die Lady Gabriella der Lenzenflur oder der Baron von Leuenfels ihm Deinen Namen genannt und Dein Haus als Anlaufstelle oder Quartier empfohlen hat.” Tamrin zuckte mit den Achseln. So war es ihm daheim jedenfalls immer vorgekommen - obwohl sein Vater da sehr schwer einzuschätzen gewesen war. “Man findet leichter in ein Gespräch, wenn man dabei auf gemeinsame Bekannte stößt. Möglichst mit gutem Ruf.”

    Tamrin Stirn’s wies steile Falten auf. Tári’s Einwand war so schlecht nicht - aber keinesfalls wollte er ihrer Tante sagen, dass er gar nicht aus Beleriar stammte. Am Ende glaubte sie noch, er würde sang- und klanglos verschwinden irgendwann und Tári mit einem Stall voller Kinder sich selbst überlassen ….. . Von irgendwo aus Beleriar war aber ohnehin schon nicht die Wahrheit. Ob es dann wohl darauf ankam, sich auch sonst etwas “passender” zu machen für die reiche Tante der begehrten Frau. Aber was würde Tári wohl dazu sagen ? Andererseits - wozu sollten dann die edlen Kleider gut sein ? Und würde ein junger Mann aus besserem Hause nicht zumindest iiirgendwelche Verwandte oder wenigstens Bekannte seiner Eltern dort haben, wohin ihn sein Weg führte ? Vielleicht die Grafen Imarkar ?


    Tamrin verschob diese Gedanken auf den morgigen Tag. Irgendwie machte es auch keinen Sinn, jedes Gesprächsdetail vorhersehen zu wollen. Das war unmöglich.
    “Sag, Tári ? Was sollen wir tun, wenn Deine Tante sich etwas Bedenkzeit erbittet und mir sagt dass sie mich auf bestimmten Gesellschaften zu treffen erwartet ?”, fragte er etwas ratlos und sah sich mit einigem Schrecken schon auf der Jagdveranstaltung des rothaarigen Grafen wieder…...

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!