Eine fremde Welt

  • Der Blick der jungen Frau fing in etwas Entfernung, hinein in die Gasse aus der sie Tamrin kommen vermutete, die Gestalt des jungen und winkendes Mannes auf. Ihre Füße wurden etwas schneller und so war der Abstand zwischen den jungen Leuten rasch überwunden. "Guten Morgen Tamrin.", grüßte sie ihn fröhlich lächelnd. Und auch er lächelte, wie sollte es auch anders sein. "Ich freue mich schon sehr. Los lass uns Pferde holen, der Weg ist weit und sie freuen sich sicherlich über die Bewegung." Tári stellte sich schon leicht in die Richtung in die sie weiter gehen mussten und streckte Tamrin ihre Hand einladend entgegen.

  • Mit flotten Schritten überwand Tamrin die letzte Distanz zu der jungen blonden Frau, die wie immer in Begleitung ihres großen grauen Hundes unterwegs war. Zumindest war er nicht zu spät dran, wenn sie auch gerade erst zum vereinbarten Treffpunkt gekommen war. Mit strahlenden Augen erwiederte er Tári's Morgengruß und ergriff auch die dargebotene Hand, um ihr zu folgen. Auf den Strassen ging es noch mehr als ruhig zu, aber vermutlich gab es genug neugierige Augen hinter den zahlreichen Fenstern. Aber andererseits war es wahrscheinlich so oder so nicht schicklich, dass sie zu so ungöttlicher Stunde nur zu zweit durch die Stadt liefen. Die Worte seiner Begleiterin irritierten Tamrin und er brauchte eine Weile, um das Stirnrunzeln zu überwinden. "Sag mal .......... hattest Du nicht gesagt, wir wollten nur nachholen, dass ich mir die Pferde einmal ansehe ? Weil wir es neulich nicht geschafft haben ?"

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    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Die Stadt schien Großteils noch zu schlafen und auch um die Marktstände herum war es schön ruhig und sie kamen rasch voran. Das war Tári viel lieber, als das Drängen um die Stände herum, auch wenn es Zuweil schlimmeres gab. Es kam auf die Begleitung an, dachte sie und schielte zu Tamrin hinüber.
    "Ja stimmt schon.", Tári lächelte fröhlich, woher sollte Tamrin auch ihre Gedanken erahnen können. "Aber wir wollen doch fischen gehen heute...und ich soll dir eine geeignete Stelle zeigen, nicht? Und es gibt eine ganz tolle Stelle." Sie konnte die Begeisterung nicht aus ihrer Stimme halten. "An der Gabelung eines Flussausläufers. Schöne Vegetation und auch schöne gesunde Fische", schwärmte die junge Frau Tamrin weiter vor. "Nur ist die Stelle leider nicht gleich vor den Toren der Stadt. Sondern ein gutes Stück entfernt. Und so dachte ich wir reiten, wenn wir eh schon dort vorbei kommen. Zu Fuß ist es zwar zu schaffen, aber wir wären doch eine sehr gute Weile unterwegs. Außer dir ist der lange Fußmarsch lieber...?"

  • Ein wenig verzaubert beobachtete Tamrin seine blonde Begleiterin, wie sie ihm mit blitzenden Augen, rosigen Wangen und einer Stimme, aus der sie den eigenen Übermut nicht wirklich heraushalten konnte, die Vorzüge genau dieser einen Stelle, die ihr vorschwebte, nahe zu bringen versuchte. Wie hätte er da zu wohl nein sagen können ? Kaum vorstellbar, dass sie vor nicht mal einer Woche als misstrauische Person mit harten verkniffenen Gesichtszügen vor ihm gestanden hatte - und jetzt, in dieser fröhlichen Unbeschwertheit, war sie so schön, dass es ihm den Atem verschlagen könnte.
    Er ertappte sich bei der Frage, was sie wohl gestern den ganzen Tag getan haben mochte und legte kurz unzufrieden die Stirn in Falten. Was bildete er sich nur ein ?
    "Nein.", antwortete er mit bemüht unbekümmerte Stimme und lachte. "Im Gegenteil. Mit den Pferden sind wir ja viel schneller. Und müssen auch nichts selbst zurück tragen. Wenn es für Euren Pferdehandel in Ordnung geht, dass die Pferde nicht da sind - dann ist es mir sehr recht. Ich bin schon recht lange nicht mehr geritten und bin wirklich gespannt, ob es noch klappt. Ich hoffe nur, Ihr habt ein braves Pferd da für mich." Kurz fiel ihm ein, dass er sie noch etwas fragen wollte - aber dafür war auch später noch genug Zeit, befand er.

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  • Leicht drückte Tári die Hand des jungen Mannes, einen Tag hatten sie sich nun nicht gesehen und es kam ihr viel länger vor. So etwas empfand sie normalerweise nicht und es verwirrte sie, noch immer leicht. Aber der Tag war viel zu schön, als solch Überlegungen nach zu hängen. "Schön, dann machen wir es so." Zufrieden sah sie kurz zu Tamrin auf. "Ich bin auch schon gespannt, aber so leicht verlernt man das ja nicht, oder?", fragte sie freundlich lächelnd. Denn geschickt war er immerhin auch. "Wir suchen dir schon ein ruhiges Pferd aus.", nickte sie bestätigend. "Brauchen wir eigentlich noch etwas?", fragte Tári nach. Sie hatte zwar so einiges in ihrer Tasche aber wie Tamrin fischte wusste sie nicht.

  • "Na - ich hoffe nicht.", gab der junge Mann grinsend zurück und überlegte kurz.
    "Also ich hab alles dabei, was ich brauche...... Fehlt Dir noch etwas ?"

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  • Tári grübelte kurz und schüttelte dann sacht den Kopf. "Nein, ich denke ich habe alles." Es ist schon seltsam, wie schnell der Weg dahin zu rinnen pflegte wenn man Spass und Freude an etwas empfand. Lange schon hatten die jungen Leute das Stadttor hinter sich gelassen. Sie näherten sich bereits den ersten Holzumzäunungen. Über den Wiesen lag der Nebel noch wie ein Schleier und nur dunkle Schemen waren darin zu erkennen. Die junge Frau atmete tief durch und genoss diese seltsame Stimmung in die sich der Morgen hier noch hüllte. Gemeinsam gingen sie zu dem Holzzaun und Tári setzte sich auf die obere Stange. Irgendwie leicht dumpf waren die Geräusche der Pferde, hier ein Stampfen, dort ein Schnauben... Die ersten Tiere hoben ihre Köpfe und kamen gemächlich und neugierig auf die beiden jungen Leute zu. Es waren fast zwei Hand voll Pferde und alle sehr unterschiedlich. Auch Kajika, das Pferd - welches besonders leise lief, kam dazu. "So nun sieh dich in Ruhe um... Das ist übrigens das Pferd von dem ich dir erzählt habe, Kajika.", sagte Tári und deutete auf den langbeinigen Dunkelfuchshengst. "Sie haben alle ein gewisses Temperament. Aber nicht bösartig, sie laufen einfach gerne." Vor ihnen standen also der Dunkelfuchs, ein Rappe, ein paar Braune, zwei Füchse sowie ein noch recht grauer Schimmel. Plötzlich drängten sich die Pferde etwas mehr von Tári weg und machten einem, im Vergleich zu den anderen Tieren, kleinem Pferd Platz. Es war ein Falbe mit dicker, schwarzer Mähne. Das kleine Pferd blieb vor ihnen stehen und schnickte einmal mit dem Kopf.

  • Da auch Tári nichts mehr besorgen musste, setzten sie ihren Weg durch die fast leere Stadt fort, zum Stadttor hinaus und in Richtung der Stallungen. Während die vielen Häuser und Leute und ihre Wärme in der Stadt keinen wirklichen Nebel zuliessen, stieg der Nebel hier draussen noch wie ein schweres nasses Tuch über den Wiesen auf und die vereinzelten Hüttchen oder Sträucher, die entlang der Stadtmauer und am Weg auftauchten, sahen beinahe ein wenig geisterhaft aus in der morgendlichen Stille, die nur vom leisen Geräusch ihrer Füße gestört wurde.
    Tamrin erinnerte sich noch an den Weg und war nicht überrascht als zu ihrer Linken der große dunkle Umriß der Scheune im Dunst zu erkennen war. Einige Augenblicke lang verweilten seine Augen und Gedanken dort und unwillkürlich glitt seine freie Hand zu seiner Schläfe und zu seiner Wange hinauf. War da etwa immer noch diese Hitze zu spüren ....... ?
    Er war ganz froh darum, dass Tári zielstrebig weiter ging und bald darauf die Umrise einer Holzumfriedung vor ihnen im Nebel auftauchten. Er lichtete sich mittlerweile fast sichtbar immer schneller und schneller. Es versprach, ein schöner Tag zu werden. Tári gab seine Hand frei und kletterte flink auf den stabilen Holzzaun, um sich auf die oberste Querstange zu setzen. Tamrin blieb davor stehen, verschränkte neben ihr die Arme und legte das Kinn darauf. Es dauerte einen Moment, bis die dunklen Pferdeleiber sich im Nebel herauskristallisierten. Eins, zwei, vier ... Tamrin hörte auf zu zählen. Immer mehr Pferde kamen auf sie zu und beäugten die frühen Störenfriede. Tári deutete auf eines der dunklen Pferde. Es war das Pferd, von dem sie ihm erzählt hatte. Das Pferd, das leise laufen konnte, wie Tamrin sich lächelnd erinnerte und er nickte.
    Tári hatte gerade begonnen ihm etwas über die Pferde zu erzählen, als noch eines bei ihnen eintrudelte. Es war ein recht kleines Pferd, wie Tamrin sah, mit zottiger Mähne. Dennoch wichen die größeren vor ihm zurück. Kess blieb es vor den beiden jungen Leuten stehen und nickte ausgiebig mit dem Kopf. "Guten Morgen!", sagte Tamrin höflich und sah dann zu seiner Begleiterin empor. "Was sagt es ?", wollte er wissen.

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  • "Das ist Chaska.", sagte Tári und streckte ihre Hand begrüßend nach ihm aus. Der Falbe ließ sich an der Stirn berühren. "Er sagte guten Morgen und wir sollen ja nicht ohne ihn gehen. Es ist ihm hier zu langweilig.", die junge Frau schmunzelte. Ja solche gab es auch und auch welche die ungern ihre bekannte Umgebung verliessen. Erneut begann der Falbe zu Schnicken. "Uuuuund...wir hätten ihm ruhig einen Apfel oder so mitbringen können..." Tári lachte leise. Immer war er so verfressen. "Als hätten sie nicht genug zum Fressen." Der Falbe schnaubte als hätte er die junge Frau genau verstanden und wand sich dann Tamrin zu. Jener wurde vorsichtig von oben bis unten, soweit der Falbe herankam beschnuppert. "Und was sagst du?"

  • Tamrin beobachtete die Interaktion zwischen Pferd und Frau, jedenfalls soweit sie für ihn sichtbar war. Er musste lachen als das kleine Pferd abermals ausgiebig zu nicken begann als wolle es Tári's Aussagen beipflichten. "Essen ist immer gut.", nickte er verständnisvoll und betrachtete die schnobernde Pferdenase vor sich, rührte sich aber ansonsten nicht.
    "Was ich sage ?" wiederholte er Tári's Frage.
    "Ich habe nichts dagegen, wenn er mit möchte. Die Fallhöhe finde ich auch ganz ansprechend, ehrlich gesagt." Tamrin's Lippen verzogen sich in leiser Selbstironie. Und vor allem: 'Jede Menge Mähne zum Festhalten.', nickte die Stimme seines Unterbewußtsein zufrieden und dämpfte die Nervosität etwas, die so langsam in dem jungen Mann aufzusteigen begann. Es war wirklich recht lange her, dass er zum letzten Mal auf einem Pferd gesessen hatte.

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  • "Schön! Er ist ein gutes Pferd, älter als die anderen und schon lange bei uns. Er wird dich sicher nicht verlieren. Auch wenn er etwas eigensinnig ist.", lächelte Tári fröhlich. Und in jungen Jahren hatte er es faustig hinter den kleinen Ohren, erinnerte sie sich. Der Falbe war weiterhin mit Tamrin beschäftigt und Táris Blick schweifte über die restliche Herde. Es war der Dunkelfuchs, auch wenn er hinten an stand, der sich in ihren Gedanken bemerkbar machte. Sie nickte zufrieden. "Wunderbar! Dann sind es Chaska und Kajika... Vorne am Tor hängen Stricke.", sagte sie und kletterte vom Zaun. Jedes der Tiere hatte einen Halsring um. "Putzzeug ist beim Stall. Brauchst du Sattelzeug?"

  • "Ist er zu klein, um ihn verkaufen zu können ?", fragte Tamrin neugierig. Er kannte Ponys. Zwerge und Gnome hatten auf Reisen oft solche kleinen Tiere dabei. Sie waren kräftig und zäh. Sein Sorgenkind beim Bäckermeister war weder das eine noch das andere - aber daran mochte er heute nicht denken. "Wenn er brav ist, werden wir schon miteinander auskommen.", sagte er zuversichtlicher als er sich fühlte und kletterte durch den Holzzaun hindurch. Der kräftige Falbe ließ sich geduldig über die Nase streichen und folgte ohne Widerstand als Tamrin den Halsring ergriff und Tári mit dem Pferd, dass leise laufen konnte, folgte. "Ja, brauche ich." antwortete er laut und nickte überdeutlich zu seinen Worten obwohl die blonde Frau es gar nicht sehen konnte. Für wen hielt sie ihn ? Nach so langer Zeit nahm er alles zum Festhalten, was er bekommen konnte. Am Tor angelangt ließ er sich einen Strick geben und legte ihn nach bestem Dafürhalten um Nase und Ohren des kleinen Pferdes. Sah etwas komisch aus, wie er selbst zugeben musste, aber den Falben schien es nicht zu stören und so passierten sie das Tor, dass Tári in der Zwischenzeit geöffnet hatte. Nach kurzem Warten ging es weiter. In Richtung der Stallungen, wie Tamrin vermutete.

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • "Nein daran liegt es nicht, denke ich.", schüttelte Tári sacht den Kopf. "Aber woran es nun genau liegt, weiß ich nicht. Er ist einfach immer irgendwie übrig geblieben, hat mein Vater erzählt..." Chaska und Tamrin machten sich mit einander bekannt und Tári hatte das unbestimmte Gefühl, sie würden gut miteinander zurecht kommen. Bedacht schlenderte sie zu Kajika und begrüßte ihn nochmal in Ruhe. Strich im über Stirn und Hals. Mit dem jungen Hengst ging sie voran in Richtung Tor. "In Ordnung.", gab sie fröhlich zurück. Die junge Frau reichte Tamrin einen Strick und schlang selbst einen um den Halsriemen ihres Pferdes. Tári schickte die anderen Pferde weg vom Tor, damit sie nach dem Öffnen in Ruhe passieren konnten. Sorgfältig wurde das Tor nun wieder verschlossen, als alle Beteiligten auf der anderen Seite standen. Im gemütlichen Tempo ging es den Stallungen entgegen. Ähnlich der Scheune waren auch die Unterkünfte der Pferde gehalten. Schlichtes, stabiles Holz, viele große Fenster und große Flügeltüren. An sehr ausgewählten Stellen, waren schöne Kästen mit zu Hauf bunter Blumen aufgestellt. Die Knospen waren noch geschlossen, aber wenn das Licht den Nebel endgültig durchbrechen würde, würden sie sich öffnen und einen schönen, farbenfrohen Anblick bieten. Es ging vor der langen Stallwand entlang. Nahe des breiten und noch geschlossenen Eingangs, stand ein großer stabiler Anbindebalken aus Holz. Die junge Frau steuerte direkt darauf zu. "Dort vorn können wir sie anbinden und für den Ritt herrichten.", sagte Tári ruhig. Es waren nur noch wenige Schritte, die junge Frau schlang den Strick durch einen Metallring, welcher neben einigen anderen fest in das Holz eingelassen war. Sanft strich sie dem Dunkelfuchs über den Hals und wand sich dann der Türe zu. Sie öffnete jene und wartete auf den jungen Mann, ehe sie in den Stall eintrat, in dem es fast so hell wie draußen war. Stille herrschte dort. Innen war er genauso gepflegt wie der äußere Eindruck es vermuten ließ. Es gab reichliche Boxen, deren Türen offen standen und sauberes Stroh den Augen des Betrachters frei gaben. Gleich links befand sich eine verschlossene Türe und die blonde Frau zückte einen Schlüssel aus ihrer Tasche um sie zu öffnen. Dahinter befand sich die Sattelkammer, alles in akkurater Ordnung gehalten. Halfter, Zäume, Sättel, hölzerne Schachteln mit Bürsten. Viele Schilder waren ohne Namen versehen. Aber in der Anzahl der vorhandenen Pferde waren die kleinen Schilder mit den jeweiligen Tiernamen beschriftet. Die Decken sauber ausgeputzt, das Leder weich und gepflegt. "Das sind die Sachen für deinen Hengst.", sagte Tári in angemessenem Ton, lächelte und legte kurz ihre Hand auf den Sattelkranz. Unter dem Sattel hing die Satteldecke, und neben allem das Zaumzeug. "Ich freue mich schon so.", klang die Freude hörbar in ihrer Stimme, ehe sie sich den Sachen für Kajika zuwand.

  • Bald schon tauchte ein weiterer großer Umriß aus dem Nebel auf. Ein weitläufiges Stallgebäude aus Holz. Alles war sehr luftig gebaut und es herrschte penible Sauberkeit, hier und dort gab es sogar etwas Blumenschmuck. Als sie ein Stück weit am Stall entlang gegangen waren, kam ein Anbindebalken in Sicht. Dort band Tamrin das kleine Pferd weisungsgemäß an einer Metalloese fest und folgte Tári in das Innere des riesigen Gebäudes. Auch hier war es auf's Peinlichste sauber. Es roch nach Pferd und Stroh - obwohl gar keine Pferde zu sehen waren. Auch in dem abgeschlossennen Raum, den Tári öffnete, lag nicht ein Krümmel irgendwo herum.
    So viel Reinlichkeit hinterließ ein flaues Gefühl in Tamrin's Magen. Er fühlte sich an seinen Besuch im Schloß Imarkar erinnert. So sah es an Orten aus, wo Reichtümer gehortet wurden. Das mussten immens wertvolle Pferde sein hier. Was war, wenn sich das Pferd bei diesem Ritt verletzte ? Oder sonst ein Unfall passierte. Er bereute es allmählich, dass er dazu so gedankenlos ja gesagt hatte. Mit leidvollem Blick nahm er die Putzkiste hoch, die bei dem Schild stand, dass Tári ihm gezeigt hatte - am allerliebsten hätte er sich die Frage abgerungen, ob sie nicht doch lieber laufen wollten. Aber Tári's Stimme klang so ungemein glücklich, dass er es nicht über's Herz brachte.
    Mit schwerem Gedabken um unschöne Szenarien ging er zurück zu dem kleinen Pferd, suchte sich zwei Bürsten, die ihm irgendwie geeignet erschienen und begann, das hellbraune Fell mit steifen und verkrampften Bewegungen zu säubern. Das Pferd schien sich daran nicht besonders zu stören. Es schaute in der Gegend rum, schnaubte hier und da einmal und verhielt sich ansonsten sehr ruhig. Tamrin putzte so aus giebig und lange, wie es nur irgendwie möglich war. Noch ein Bürstenstrich .... noch einer .... aber irgendwann mußte er einräumen, dass da einfach kein Staub mehr übrig war. Zögernd legte er die Bürsten in die Kiste, verschloss sie übertrieben sorgfältig und trug sie wieder zurück in die Kammer mit all den Sätteln und Trensen.

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  • Die junge Frau war sehr damit beschäftigt sich mit dem Dunkelfuchs vertraut zu machen. Sie kannten einander nicht, bis auf den kurzen Besuch vor einigen Tagen auf der Koppel. Sie freute sich sehr und ihr Inneres war beschwingt. Sorgfältig putze sie ihn und betrachtete ihn immer wieder ganz genau. Wie er reagierte, wenn etwas raschelte und auch sein Verhalten auf Celeb, der hier und da etwas herumstreifte in der Hoffnung es würde nun bald los gehen. Erst als Tarmin in den Stall ging, bemerkte sie wie lange sie nicht miteinander gesprochen hatten. Es war nicht unangenehm aber es war ungewöhnlich und auch hing etwas in der Luft was sie noch nicht benennen konnte. Chaska stand ruhig und es schien nicht als hätte er Tarmin geärgert zu haben. Schnell säuberte sie die Bürsten und richtet sie in die Kiste zurück, ehe sie dem jungen Mann folgte. Er machte einen bedrückten Eindruck auf sie. Hatte er sich denn nicht gerade noch einverstanden erklärt und sich auch gefreut? Ihre Sinne konzentrierten sich nun mehr auf den schwarzhaarigen Mann, welcher eigentlich fast immer ein Lächeln im Gesicht trug - aber nun? Tári stellte die Bürstenkiste zurück an ihren Platz und hielt inne in ihrem Tun und trat näher an Tamrin heran. Sein Geruch, den sie gerne um sich hatte, hatte sich verändert. Es lag Angst in ihm? Tamrin fürchtete sich vor etwas, aber wovor? Hatte er doch Angst davor das Chaska ihn absetzen würde? Die junge Frau berührte sacht den Unterarm des 'Fremden der viel lacht' und sah ihn freundlich an. "Willst du mir sagen was dich bedrückt?", fragte sie. "Noch sind wir nicht unterwegs und können umdisponieren."

  • Irgendwie spürte er ihre Nähe lange bevor sie behutsam die Hand auf seinen Unterarm legte und augenblicklich wieder diese intensive Hitzewelle auf seiner Haut auslöste. Tamrin verstand sich selber nicht mehr. Stundenlang konnte er, ohne das es komisch war, neben ihr sitzen, mit ihr reden, mit ihr lachen, mit ihr schweigen, beim Laufen ihre Hand halten, mit ihr tanz.......... nein.
    Das war entschieden nicht die Wahrheit und schuldbewußt senkte er den Kopf ein wenig. Das Tanzen war ihm alles andere als einerlei gewesen und etwas verschämt fragte er sich immer noch, ob Tári das wohl ... bemerkt hatte......


    Er verstieß diese unangenehme Frage tief in sein Innerstes. Aber sonst fühlte er sich einfach nur pudelwohl bei diesen ganzen Dingen, dachte er trotzig.
    Und jetzt wieder ......... Was tat sie da bloß immer ?
    Tamrin's Blick durchstreifte die Sattelkammer. Sein Zimmer passte hier mindestens zweimal hinein, wahrscheinlich eher dreimal. Der piekfeine Stall dort, die pieksaubere Kammer, mit dem edlen teueren Ledersachen, den Decken. Nie zuvor war ihm der Unterschied zwischen Tári's Welt und seiner eigenen so deutlich geworden, wie jetzt gerade. Nicht einmal als er in ihrem Haus gewesen war. Vielleicht, weil ihm dort so viel anderes im Kopf herum gegangen war. Er wußte es nicht zu sagen. Dieses plötzliche Bewußtsein machte ihm grade tatsächlich etwas Angst. Diese wertvollen Pferde...... Ställe, von denen seine Nachbarschaft als Häuser nicht einmal träumen konnte.


    "Was ist, wenn sich das Pferd verletzt, Tári ? Und nicht mehr geritten werden kann. Oder lange Zeit nicht geritten werden kann und deshalb nicht verkauft werden kann. Ich kann so ein Pferd unmöglich bezahlen, Tári. Nicht jetzt jedenfalls." Tamrin's Stimme stockte. Warum nur hatte er nicht vorher einmal daran gedacht. Das hier waren keine Pferde im Gegenwert vielleicht seines Schwertes, wie man sie an jeder Ecke kaufen konnte in seiner Heimat. Für diese Pferde reichten vielleicht nicht mal 5 Schwerter. Und es waren die Pferde von Tári's Tante. "Ich ......." hilflos sah er Tári an. Er wußte längst nicht mehr zu sagen, welche Angst gerade die Schlimmste war. Angst, ihr diese Freude zu verderben und sie zu enttäuschen. Angst davor, dass das Pferd sich verletzten könnte. Angst davor, dass diese Sattelkammer Tári gerade in eine für ihn scheinbar unerreichbare Ferne gerückt zu haben schien. Er wagte kaum, in diese grauen Augen hinein zu sehen.

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  • Táris Herz zog sich etwas zusammen, als sie sah wie unsicher der sonst so fröhliche junge Mann geworden war. Und sie hätte sich gern an jenes gegriffen. Was mochte nur hinter dieser Stirn vor sich gehen? fragte sie sich, während Tamrin noch schwieg. Seine Sorgen schienen ihr...verständlich? Aber glaubte er wirklich, sie würde ihn für so etwas verantwortlich machen? So etwas konnte passieren... Am Liebsten hätte sie sich ganz eng an ihn gedrückt. Wieder so ein Gefühl was sie verwirrte. Sie lenkte es etwas um. Ihre Hand glitt vom Unterarm zu seiner Hand hinunter und ihre Finger umschlangen die seinen. Ihr freier Arm den seinen. Dann schmiegte sie sich ganz sacht an ihn und begegnete ihm mit warmen, sanften Augen. "Tamrin das Schönste an diesem Tag für mich ist, dass DU bei mir bist. Wenn es Dir zu viel Verantwortung ist, ein Pferd zu leihen, ist das in Ordnung. Auch wenn deine Sorge unbegründet ist." Fieberhaft suchte sie nach einer Möglichkeit, seine Bedenken auszuräumen. "Wenn ich ein Packpferd mit mir am Strick führen würde ............. und Du wärest ..........", sie lächelte ihn atemlos und zaghaft an. Der Vorschlag war schon ein wenig ...... sie wußte es auch nicht so recht. In solchen Situationen ergriff sie normalerweise die Flucht, aber nicht bei ihm. Sie genoss es sogar dem jungen Mann nah zu sein.

  • Es war mehr als beängstigend, wie überdeutlich er ihren Körper wahrnahm, der sich sacht an seinen Arm drückte. Als hätten alle Sinneszellen seines Körpers ihre angestammten Plätze verlassen und sich dort versammelt, wo sie ihn berührte. Er spürte Tári noch viel intensiver als beim Tanzen - aber trotzdem ganz anders..... Vielleicht lag es am Wein. Wie konnte sich etwas so Schlankes Mageres nur so unendlich weich und anschmiegsam anfühlen, fragte er sich voller Unverständnis.
    Ihre Worten taten ihm gut. Sie verstand es. Und vertrieb damit einen großen Teil des flauen Gefühls aus seinem Magen. Zögerlich, ganz langsam, hob er den Kopd ein wenig und riskierte einen scheuen Blick in Tári's Gesicht.
    Ihre glänzenden Augen und die leise Röte auf ihren Wangen wurden augenblicklich in sein Herz umgeleitet, kam es ihm vor, denn es schien in seiner Brust etwas anzuschwellen und mit intensiven Schlägen wohlige Wärme in seinen Körper auszusenden.


    Solchermassen mit ganz anderen Dingen beschäftigt, dauerte es eine Weile, bis sein Gehirn Tári's nachfolgende Worte bearbeiten konnte und die Dechiffrierung an Tamrin weiterreichte. Und noch eine Weile, bis dieser sie verinnerlicht hatte. Ein klitzekleines Fünkchen Hoffnung blitze unter dem übermächtigen Wirrwarr von Gedanken, Gefühlen und Reaktionen auf.
    "Ich soll als Dein Gepächstück mitreiten ?" fragte er - etwas kläglich, etwas hoffnungsvoll, etwas verdutzt. Der Wirrwarr schien kein Ende nehmen zu wollen.

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

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  • Noch immer war die junge Frau auf Tamrin konzentriert, sie verließ sich auf Celeb der melden würde sollte es zu Unruhe bei den Pferden kommen. Es rührte immer mehr an ihr, wie bedrückt Tamrin zu sein schien. Das war sicherlich nicht ihre Absicht gewesen. Hätte sie Ähnliches geahnt, hätte sie eine andere Stelle gewählt oder sie wären gleich zu Fuß gelaufen. Aber nun...war die Angst vielleicht doch am Weichen? Und machte anderem Platz? Sie kräuselte einen Moment die Nase.
    Als er seinen Blick hob, war es eher scheu, wie er sie ansah und sie lächelte ihn aufmunternd an. Eine weitere Weile verging, in der sie noch immer versuchte die Situation zu erfassen, selbst aber durch die Nähe zu Tamrin abgelenkt. Nun wiederholte er in anderen Worten den von ihr hervorgebrachten Vorschlag. Am Liebsten wäre sie sofort im Erdboden versunken. Es klang...so... so... Aber es war... Sie musterte das Gesicht und er schien nicht verärgert und auch machte er sich nicht lustig darüber. Was Besseres war ihr nunmal nicht eingefallen. Sie gewann wieder etwas mehr Sicherheit und sah ihn ruhig und zutraulich an.
    "Ja.", bestätigte sie leise. So war es dann ihre Verantwortung sollte etwas mit dem 'Packpferd' passieren und nicht die seine. Es klang noch immer seltsam in ihren Ohren. "Und? Was hältst du davon?"

  • Ihm wurde bewusst, dass er Tári stundenlang ansehen konnte - es gab immer etwas zu sehen in ihren feinen geschwungenen Gesichtszügen. Betroffen wirkte sie, und atmete ein wenig schneller. Vielleicht, weil ihr der eigene Vorschlag ungeheuerlich vorkam, der auch ihre Wangen etwas gerötet hatte. Volle Aufmerksamkeit auf ihn, mit ermutigendem Lächeln. Dann ein heftiges Erröten, mit einem nachfolgenden etwas ängstlich-forschendem Blick in seine eigenen Augen. Was sie sah, schien sie wieder Mut fassen zu lassen und ihr 'ja' war zwar leise aber fest gesprochen.
    Aus seinem tiefsten Inneren stieg in Tamrin eine ganz andere Gewißheit in sein bewusstes Denken hinauf. Es war die Wahrheit, was sie gesagt hatte. Es ging nicht darum, dass Tári gerade anständig sein wollte. Oder unbedingt den Tag draussen im Freien verbringen wollte. Sie hätte einfach los reiten können. Und Fische konnte sie auch ohne ihn genug fangen. Die Götter mochten wissen, was sie in ihm gesehen hatte, um von morgens bis abends mit ihm durch diese Stadt zu laufen - aber jetzt war er sich ganz sicher, dass sie diesen übergeschnappten Vorschlag seinetwegen gemacht hatte. Sie hatte ihn gern, mehr als das, und deshalb wollte sie mit ihm zusammen den Tag verbringen. Eine Welle von Glückseligkeit schlug in ihm hoch und machte die trennende Umgebung um sie herum bedeutungslos. Am liebsten hätte er Tári gepackt und an sich gedrückt.
    Stattdessen lächelte er. Reichlich überfordert von sich selbst und ihren süßen Lippen, die noch weiter sprachen. Er lächelte immer noch glücklich und antwortete flüsternd "Du bist völlig verrückt. Zurr mich bloß gut fest, dass ich nicht verloren gehe unterwegs."

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