Wer aufmerksam und mit offenen Ohren durch das Künstlerviertel geht, dem wird das sanftes Schwingen und Klingen nicht entgehen, das sich mit jedem Schritt intensiviert, mit dem man sich dem Anwesen der Seherin nähert. Auf der Suche nach dem Quell dieses Klanges entdeckt man bald die vielen unterschiedlichen Klangspiele an der Dachtraufe und im Giebel des vorspringenden Daches des eleganten Gebäudes.
Lange, metallene Röhren und gestimmte Glocken bewegen sich frei im Wind und, je nach dem wie stark dieser weht, weben sie eine niemals endende, an- und abschwellende Symphonie aus reinen, feinen Klängen.
Die Grundmauern des Hauses bestehen aus naturbelassenem, weißem Gestein, während das obere Stockwerk eine strahlend weiß gestrichene Holzfassade besitzt und ein sanft geschwungenes, relativ steiles Dach trägt, welches mit rauen, schiefergrauen Schindeln gedeckt ist. Durch die hohen, spitz zulaufenden Spossenfenster wirkt das Haus trotz der soliden Mauern lichtumfangen, durchstrahlt und leicht. Ein kreisrundes, großes Buntglasfenster im Giebel zeigt ein von Blautönen dominiertes Hauswappen. Es wirft tagsüber strahlende Lichtflecken in den dahinterliegenden Schlafraum, während es nach Einbruch der Dunkelheit, wenn es von innen durchleuchtet wird, wie ein blauer Mond von der Fassade hinabsieht.
Spätestens bei diesem Anblick wird dem Betrachter klar, dass sich dieses Anwesen nicht in den in Nir'alenar vorherrschenden Baustil einfügen will und wer jemals die Stadt der Musik besucht hat, wird sich beim Anblick von Silenes Anwesen zweifelsohne an Yelindea erinnert fühlen.
Durch den dicht bepflanzen, großen Garten schlängeln sich sauber gefegte Wege, an einem schlanken, im Frühling weiß blühenden Kirschbaum vorbei und zwischen hellen Büscheln hoher, sommerblühender Gräser hindurch, die sich stets im Wind wiegen und an Dünengras erinnern. In der Sonne locken zwischen hellem Gestein Lavendel, silberblaue Kugeldisteln und Strandflieder viele Schmetterlinge und andere Insekten an, während an den schattigeren Stellen duftende Lilien, Iris, Fingerhut und Farne gedeihen.
Wenn der Wind durch diesen Garten streicht, erinnert das Haus und das Grundstück in allen seinen Details so intensiv an die windige, helle Stadt aus der Silene stammt, dass man manchmal, wenn man die Augen schließt und die Gedanken wandern lässt, sogar glaubt die Wellen zu hören, wie sie an spitze Felsen branden, die es mitten in Nir'alenar selbstverständlich nicht gibt.
Hat man den Garten durchschritten, gelangt man über fünf Stufen einer geschwungenen Holztreppe auf die hölzerne Eingangsveranda, von wo aus sich ein zart violett blühender Blauregen bis in den Giebel hinaufrankt und einen unsteten Schatten auf die Haustüre wirft. An dieser Türe ist ein Türklopfer in Form einer Hand befestigt, die eine silberne Kugel umschließt.
Die Räume im Inneren wirken kühl, sauber und hell und es duftet sachte nach dem zitronig-harzigen Weihrauch, den Silene hier verräuchert. Einige seltsam anmutende Gegenstände erzählen von ihrer Profession als Wahrsagerin, doch neben einer Küche und einem Teezimmer findet sich im Erdgeschoss auch eine kleine Instrumentenwerkstatt mit einem Holzlager, in der Silene hin und wieder ein Instrument restauriert. Über eine Wendeltreppe gelangt man in ein Schlafgemach und das daran angeschlossene Bad.
An die Rückseite des Hauses schmiegt sich schließlich ein kleiner, mit einigen Pflanzen und einem Schreibplatz gefüllter Glaspavillon, der Vorbeigehenden jedoch verborgen bleibt und in welchen sich Silene oft zurückzieht um zu arbeiten. In Sichtweite des Arbeitsplatzes, an einer der beiden Silberweiden, die an der hinteren Grundstücksgrenze stehen und in den Sommermonaten ihre fluffigen, weißen Samen wie Schnee durch den Garten treiben lassen, hängt ein Futterhaus für die Stadtvögel, welche sich mit ihrem Gesang perfekt in das Klangbild einfügen, das Silenes Haus stets umgibt.