Die Türme der Magie (alt)

  • Sie sind ein ehrfurchtsgebietender Anblick – die Türme der Magie, die magische Akademie von Nir’alenar, die im Philosophenviertel an eine Krone erinnert.
    Die sechs Türme stehen frei ohne eine sichtbare Verbindung untereinander. Nebengebäude wurden zwischen ihnen erbaut und bieten Platz für die profaneren Belange der Akademie und Wohnräume für die Schüler. Jeder Turm ist einem Element gewidmet und ihre Anordnung ist dem Kreis der Elemente nachempfunden. Sie alle mögen aus dem gleichen schwarzen Marmor erbaut worden sein, doch keiner von ihnen gibt den Blick auf das ursprüngliche Material frei.
    So scheint der Turm der Erde von dichten Ranken bewachsen, die sich an ihm emporschlängeln. Der Turm des Feuers ist in permanente Flammen gehüllt, die ihn erglühen lassen, als bestünde er aus reiner Lava. Der Turm des Wassers wird von dem klaren, spiegelnden Nass umspielt, das einer Wand aus Wasser gleicht und einen dichten Sprühnebel in seine Umgebung schickt. Wirbelstürme umtosen den Turm des Windes und verwehren jedem Unbefugten den Zutritt. Der Turm des Lichts glüht, als sei er die Sonne selbst und bildet einen scharfen Kontrast zum Turm des Schattens, der sich in vollkommene Schwärze kleidet.
    In jedem von ihnen wird eine bestimmte Richtung der Magie gelehrt und beinahe ist die Aura der Macht greifbar, die über diesem Ort liegt. Es erstaunt nicht, dass die Türme der Magie ein ständiger Hort der Rivalitäten sind, die zwischen den Schülern der Elemente herrschen. Konkurrenz und Auseinandersetzungen sind an der Tagesordnung und erschüttern häufig das magische Schutzfeld, das ebenso dafür sorgt, dass nichts Gefährliches nach draußen dringt, wie auch dafür, dass niemand Zutritt erlangt, der nicht in diese Umgebung gehört. Wer hier studiert, erhält ein magisches Sigel, das ihm Einlass gewährt. Wer dieses nicht besitzt, kann das Schutzfeld nicht durchdringen. Vor beinahe 100 Jahren ist die Akademie fast vollkommen zerstört worden, als einige Schüler in der Nacht den Versuch unternommen haben, Dämonen zu beschwören. Seitdem sind die Sicherheitsvorkehrungen wesentlich strenger geworden.
    Die Akademie der Magie ist eine eigene Welt, die sich nicht vor Machtkämpfen und Intrigen scheut und hinter deren Mauern allerlei Geheimnisse und Gefahren lauern. Allein, um Zutritt zu den riesigen und streng bewachten Bibliotheken und den Laboren zu erlangen, in denen allerlei magische Tränke hergestellt werden, würde so mancher eine Dummheit begehen. Das hier lagernde Wissen ist unglaublich, ebenso wie die Sammlung magischer Artefakte, die in geschützten Räumlichkeiten ausgestellt werden und zu denen nur ausgewählte Persönlichkeiten Zutritt haben. Auch eine Abschrift der Listen, auf denen die Identität und der Aufenthaltsort aller Elementmagier Beleriars vermerkt sind, kann im persönlichen Arbeitszimmer des Leiters der Akademie, Rhovan Varanor, gefunden werden.

  • Der alte Tsa'Orl hatte sich eine sehr gute Erinnerung an die magische Akademie von Nir'alenar bewahrt. So fiel es Zeciass nicht schwer, die imposanten Türme am Flussufer anhand seiner Erzählungen ausfindig zu machen.
    Im schwach werdenden Tageslicht glich der Turm des Feuers einer Fackel, die weithin sichtbar über den Dächern der Stadt loderte. Zeciass hatte anfangs im Wasser und später auch an Land gelauert und das Treiben um die Türme mit wachsender Ungeduld beobachtet. Zahlreiche Magier hatten die unsichtbare Barriere passiert, sodass er anhand der kurzen, bläulichen Entladungen arkaner Energie bestimmen konnte, wo die genaue Grenze verlief.


    Im Schutz der aufsteigenden Schatten trat Zeciass näher an den Rand der Barriere, den er vor seinem geistigen Auge festgesteckt hatte. Kaum jemand war in diesem Moment noch an der Uferseite der Akademie unterwegs und während Zeciass die Hand an die Barriere hob, schaute er sich um, ob sein Handeln Blicke auf sich zog.


    Die unsichtbare Grenze fühlte sich warm an und ein kaum merkliches Pulsieren glitt über ihre Oberfläche. Zeciass schöpfte Atem und erhöhte den Druck seiner Hand. Ein rasender Schmerz ließ seinen Arm zurückschnellen. Wo sie auf der Barriere gelegen hatte, stieg kurz Dampf von seiner schwarzen Handfläche auf. Ein kaum erträgliches Prickeln zog hoch bis zu seiner Schulter.
    Er hatte Tsa'Orls Schilderung der Schutzvorkehrungen für Übertreibung gehalten.


    Zeciass wich von der energetischen Wand zurück und nahm auf der Ufermauer Platz. Nachdenklich ließ er die Beine schaukeln und beobachtete wie am gegenüber liegenden Ufer eine singende Gestalt die Lichter in den Zaubermuscheln weckte.

  • Kyreia war erst vor ein paar Tagen in Nir’alenar angekommen. Sie hatte schon viel über diese Stadt gelesen und Geschichten von Reisenden voller Interesse gelauscht. Doch sie hatte sich nie erträumen lassen, dass die Stadt von solcher Größe war. Sie konnte nicht verhindern, dass eine gewisse Unsicherheit und etwas Unwohlsein jede ihrer Schritte begleitete.


    Viele Nordelfen vor ihr hatten den Weg in die Hauptstadt gefunden und nach Antworten gesucht, auf die Frage wie Sahea zu retten sei. Dennoch hatte Kyreia beschlossen, hierher zu kommen. Womöglich hatten die anderen etwas übersehen? Und auch wenn sie sich leicht unwohl fühlte zwischen all dem Trubel in der Stadt, spürte sie dennoch eine Neugierde auf alles, was es hier zu entdecken gab. Und sie erwartete hier Vieles zu erleben, zu lernen und ihr Wissen und ihre Fähigkeiten auszubauen. Darüber hinaus wollte sie Gutes tun, wo immer es ihr möglich war.


    Bisher hatte Kyreia ihre Zeit damit verbracht, die Stadt zu erkunden. Und nun hatte es sie zu den Türmen der Magie verschlagen. Jenen magischen Ort über den so viel geschrieben stand. Auch wenn sie selbst die Magie der Elemente nicht beherrschte, so reizte sie doch der Reichtum an Wissen, den es dort zu entdecken gab. Sie hoffte, dass es ihr irgendwie möglich sein würde, in die Bibliothek zu gelangen.


    In ihr nachtblaues Priestergewand gehüllt, dessen silberne Verzierungen auch das schwächer werdende Sonnenlicht noch reflektierten und beinahe strahlten, näherte Kyreia sich mit langsamen, eleganten Schritten den Türmen der Magie. Ihr schwarzes Haar hatte sie wie immer hochgesteckt, würde ihr bei dieser städtischen Hitze, die sie nicht gewohnt war und die ihr unerträglich schien, sonst noch heißer. Sie ging an der Ufermauer entlang, in ehrfürchtigem Abstand zur magischen Akademie und blieb gegenüber stehen.


    Ihre eisblauen Augen ruhten auf der Akademie. Solange, bis der Gesang einer Gestalt am anderen Ufer ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Da sie ohnehin darüber nachdenken wollte, was sie nun tun würde, kehrte sie der Akademie den Rücken und trat auf die Mauer zu, um sich zu setzen. Sie wollte sich gerade neben der dort sitzenden Gestalt niederlassen, als sie mit Schrecken deren schwarze Haut bemerkte. Sie verharrte augenblicklich und griff nach dem Liaril-Anhänger um ihren Hals. Sie erinnerte sich an die Geschichten über Yassalar, den Kindern Zi'llails, hatte aber bisher noch nie einen getroffen. Hatte er sie bemerkt? Was sollte sie nun tun?

  • Der Sänger zog weiter und überließ dem Fluss die Untermalung der herantreibenden Nacht.
    Zeciass tauchte seinen Blick in die dunklen Wasser zu seinen Füßen. Allein die Stille machte es ihm möglich, die leisen Schrittgeräusche hinter sich wahrzunehmen.

    Leicht. Gleichmäßig.


    Zu leise für einen gerüsteten Krieger und zu laut für einen Trockenen, falls dieser sich in mörderischer Absicht an ihn heranschleichen wollte. Ein Kind womöglich, das nicht ahnte, dass es dadurch mit seinem Leben spielte.

    Der Yassalar rang mit sich, ob seine Vermutungen es wert waren, einen möglichen Hinterhalt zu riskieren. Er war noch nicht lange genug an Land, um Freund oder Feind zweifelsfrei am Klang von Schritten erkennen zu können. Gegen einen präventiven Angriff sprach jedoch die Richtung, aus der sich die Schritte näherten.
    Womöglich hatte er durch die defensive Entladung die Aufmerksamkeit eines Magiers erregt. Vorschnelles Handeln könnte ihn in diesem Fall nicht nur eine Chance, sondern sein Leben kosten.

    Zeciass beruhigte seinen Puls und lauerte auf ein verdächtiges Geräusch. Ein leises Klimpern genügte ihm, um über die Schulter zu blicken.

    Es würde sich jetzt zeigen, ob er sein Leben für 'platte Perle' aufs Spiel gesetzt hatte.


    Eine hellhäutige Frau in dunklem Gewand fing seinen Blick. Sie wirkte recht erschrocken für jemanden, der gerade noch kühn mit dem Tode getanzt hatte. Dass sie in Ehrfurcht vor seinem perfekten Antlitz erstarrt war, erschien ihm dagegen verständlich. Kurz überflogen seine Augen ihre Auffälligkeiten, verweilten dabei länger auf ihren spitzen Ohren.

    „Ihr seid eine Tochter Liarils“, stellte er dunkel fest. „Seid Ihr gekommen, weil ihr meine schwarze Haut mit dem Nachthimmel verwechselt habt?“

    Noch einen Moment länger blieben seine Brauen unheilvoll zusammengezogen, dann lächelte er jedoch, sodass seine weißen Zähne im schwächer werdenden Licht aufblitzten.

  • Er hatte sie bemerkt, hatte sich zu ihr umgedreht und musterte sie nun von oben bis unten. Kyreia war durchaus bewusst, dass ihr Priestergewand sie sofort als Anhängerin Liarils verraten würde. Wie gingen Yassalar damit um? Würde er sie nun angreifen, auch ungeachtet der Tatsache, dass sie sich in einer Stadt mit vielen Wachen aufhielten? Die Nordelfe kannte die Geschichten über die schrecklichen Gräueltaten, die Yassalar nur zu bereitwillig begangen. Und zudem waren die Yassalar die Kinder der Göttin Zi'llail, die für Rache und Hass steht und somit für gänzlich gegensätzliche Werte als sie selbst.


    Kyreia umklammerte ihren Anhänger noch ein bisschen stärker bis ihre Knöchel weiß hervortraten. Darüber hinaus bemühte sie sich jedoch darum ihre Gefühle nicht zu zeigen. Sie wollte dem Yassalar keinen Grund geben, sie anzugreifen, auch wenn dieser gewiss eine Bestrafung verdient hätte. Einen unnötigen Kampf wollte sie im Moment lieber vermeiden.


    Sie war gerade im Begriff fortzueilen, als der Fremde sie plötzlich ansprach. Sie sollte ihn mit dem Nachthimmel verwechselt haben? Kyreia kam nicht umhin anzunehmen, er mache sich über sie und ihre Göttin lustig. Normalerweise wurde ihr mit Respekt und Ehrerbietung begegnet. Dies war ihr völlig unbekannt. Sie fixierte den Yassalar mit ihren kühlen Augen. Wenigstens hatten die Worte etwas von Kyreias Anspannung genommen. Sie konnte zwar nicht wissen, ob er nicht doch noch versuchen würde, sie anzugreifen, aber er hatte dies offensichtlich im Moment nicht vor. Und wenn, dann würde sie sich zu verteidigen wissen. Auch wenn ihr dies nicht lieb wäre.


    Dennoch spürte sie noch immer das Bedürfnis wegzugehen. Tief in ihrem Inneren vernahm sie jedoch zugleich eine Neugier dem fremden Volk gegenüber. Sie hatte viel gehört und das meiste dürfte der Wahrheit entsprechen. Aber waren alle Yassalar so grausam? Womöglich gab es auch unter ihnen Weise und Heiler, die ihr vielleicht Antworten würden geben können. Warum sonst sollte ein Yassalar die magische Akademie aufsuchen?


    Während Kyreia darüber nachdachte, was sie nun tun sollte, vergingen einige Sekunden, in denen ihre Augen ausdruckslos auf dem Yassalar ruhten. Lediglich ihre leicht angespannte Haltung und die Hand, die ihren Anhänger fest umklammerte, verrieten ihr Unwohlsein. Trotz dieser beschloss sie, es zu wagen und ihrem Gegenüber zu antworten. Dass dieser plötzlich sogar lächelte, gab ihr weiteren Mut, auch wenn dieses Lächeln etwas Unheimliches an sich hatte.


    "Ihr macht euch über eine Priesterin der Liaril lustig? Niemals könnte ich die tief schwarze Haut eines Yassalar mit dem wunderschönen Nachthimmel verwechseln." Sie trat einen Schritt auf die Mauer neben dem Fremden zu. "Aber was tut Ihr hier? Die Türme der Magie sind der letzte Ort, an dem ich einen Yassalar erwartet hätte. Liegt euer Interesse nicht vielmehr bei der Kriegsführung?" Kyreia überlegte kurz, ob sie sich setzen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Sie würde im Stehen schneller handeln können, sollte der Yassalar doch noch eine Dummheit versuchen. Der Griff um ihren Anhänger lockerte sich allerdings etwas.

  • Zeciass behielt seine Mimik unter Kontrolle.
    Innerhalb weniger Herzschläge verwarf er seine komplette Strategie. Bei Zi'llail, eine Priesterin der Liaril. Er wusste, wann es an der Zeit war, sich in die wilden Gewässer der Improvisation zu stürzen.


    Mit einem lächelnden Kopfschütteln hob er eine Hand zur Stirn. „Als hätte ich noch einen Beweis gebraucht, dass Zi'llail mich verlassen hat“, sprach er bitter lächelnd und blinzelte unter der Hand zu seiner Gesprächspartnerin hoch. Es schien, als überlege er sich seine nächsten Worte sehr gründlich.
    „Den Krieg habe ich in meiner Heimat zurückgelassen. Zumindest dachte ich das...“, antwortete er und strich sich die weißen Haare zurück, ehe er die Hand wieder auf seinen Oberschenkel sinken ließ.
    „Mein Name ist Zeciass.“ Sein Lächeln verschwand und man sah, dass seine Augen einen harten Glanz annahmen. Die Stille hing für einen Moment geradezu greifbar in der Luft.
    „Und Ihr seid also hier, um mich zu töten.“

  • Zi'llail hatte ihn verlassen? Was sollte dies bedeuten? Die Göttin war die Mutter der Yassalar und wurde, soweit Kyreia wusste, von diesen ohne Ausnahme verehrt. War in dieser Aussage ein Anflug von Bitterkeit zu hören? Hatte er etwas getan, um Zi'llail zu verärgern? Kyreias Neugierde wuchs.


    Ruhig lauschte sie seinen nächsten Worten. Er hatte den Krieg zurück gelassen? Meinte er damit, dass er diesen nicht gut hieß? Womöglich interpretierte die Priesterin zu viel in die Worte des Yassalars. Wunschdenken. Aber vielleicht war ebendies der Grund, dass Zi'llail ihn verlassen hatte?


    Und Ihr seid also hier, um mich zu töten. Bei diesen Worten zog Kyreia unwillkürlich und beinahe unmerklich die Augenbrauen zusammen, bevor sich ihre Gesichtszüge wieder glätteten. Wie konnte er so etwas annehmen? Liarils Priester wurden häufig gebeten Urteile in bestimmten Belangen zu fällen und führten Gerechtigkeit herbei, auch in Form des Todes, wenn dies notwendig war. Doch sie taten dies nie ohne Anklage oder ohne alle beteiligten Personen zuvor befragt zu haben. Nie würde sie einen Yassalar töten, nur weil sie annahm, dass er in seiner Vergangenheit etwas Böse getan haben musste. Auch wenn dies wahrscheinlich der Fall war.


    Aus seinen Worten schloss sie, dass er seinerseits keine Absicht hegte, sie anzugreifen. Es schien vielmehr, als habe er dieselben Bedenken wie sie selbst. Streit war offensichtlich nicht das, was er suchte. Kyreia entspannte sich. Vielleicht würde sie tatsächlich nützliche Informationen aus ihm heraus bekommen?


    Die Nordelfe neigte leicht den Kopf, als sie ihm im Gegenzug ihren Namen nannte: "Kyreia Al'shae. Ihr könnt mich Kyreia nennen." Mit diesen Worten nahm sie nun doch neben dem Yassalar Platz, achtete dabei jedoch auf genügend Abstand. "Ich schließe aus euren Worten, dass Ihr noch nicht all zu oft auf eine Priesterin der Liaril getroffen seid? Darf ich fragen, warum Ihr annehmt, ich würde euch töten wollen?"
    Sie machte eine kurze, nachdenkliche Pause, bevor sie hinzufügte: "Und, wenn ich offen fragen darf, warum beteiligt Ihr euch nicht an eurem Krieg? Zi'llail sieht dies wahrscheinlich nicht gerne, oder?" Kyreia lächelte weder, noch zeigte sie eine andere Gefühlsregung. Ihr Blick war jedoch durchaus offen auf den Yassalar gerichtet. Sie hoffte, dass sie noch nicht zu viel gefragt, noch nicht zu viel gewagt hatte.

  • Er hatte schon so manches sadistische Spiel mit stoischer Miene ertragen, manch harten Sieg errungen ohne eine Miene zu verziehen, doch als sich die Liaril-Priesterin neben ihn setzte, hatte er Mühe, nicht aufzulachen.
    Ihm war nicht entgangen, dass sie sich zu beherrschen wusste. Kaum ein Muskel in dem zarten weißen Gesicht verriet eine Regung. Zu seinem Glück war sie auf diese Weise einer Yassalar ähnlicher, als sie ahnte.


    Abwartend schenkte er ihr die Zeit, ihre Fragen zu formulieren.
    "Eure Fragen sind nicht so leicht zu beantworten, Kyreia", gestand er mit gerunzelter Stirn und schaute sie eine Weile abwägend an. Schließlich lockerte sich seine angespannte Mimik.
    "Ich bin erst gestern nach Nir'alenar gelangt. Und das bin ich nur, weil ein verrückter alter Yassalar einfach nicht aufhören konnte, von euer Welt zu schwärmen. Diesem...", er machte eine vage Handbewegung "...Paradies, wie er es nannte. Vermutlich bin ich noch verrückter als er, aber irgendetwas an dem wirren Gerede hat mir zu schaffen gemacht. Als vermischten sich zwei verschiedene Strömungen in meinem Kopf. Bevor ich überhaupt darüber nachdachte, hatte ich die Gitter eines Sklavenkäfigs geöffnet und den geschändeten Gestalten einen Weg nach draußen gezeigt."


    Zeciass' dunkle Augen sprangen auf das andere Ufer. Dunkelblau wölbte sich dort die Kuppel über den Hausdächern. "Ich sitze hier und versuche den Göttern eine Erklärung für meinen Irrsinn abzuringen." Seine Schultern begannen zu beben, als er unterdrückt lachte. "Und von allen möglichen Göttern ist es Liaril, die mir eine Antwort schickt!
    Eine solch bittere Ironie hätte ich Zi'llail zugetraut. Ein besonderes dummer Tod für einen besonders dummen Verräter."
    Er schaute zurück zur Priesterin und schien in ihren Augen zu forschen. „Aber da hatten die Götter wohl andere Pläne. Weswegen seid ihr also hier, Kyreia?"


    Er wusste, es war ein gewagtes Spiel, seine Vergangenheit neu zusammen zu dichten. Gleichzeitig musste er wissen, wo seine Grenzen lagen. Gelänge es ihm, ihr Zutrauen zu erringen, käme er der Erfüllung seines Schicksals einen bedeutenden Schritt näher.


    Doch noch ein anderer Gedanke verfing sich langsam in seinen Überlegungen...
    Wie sich wohl solche Lippen anfühlten, die nie Salzwasser gekostet hatten?

  • "Ihr habt Sklaven befreit." Es war keine Frage, sondern eine einfache Feststellung. "Womöglich ist dies der Grund, dass ausgerechnet eine Priesterin der Liaril auf euren Weg geführt wurde. Ich würde diese Tat nicht als Irrsinn, sondern als gerecht bezeichnen. Kein Wesen sollte als Sklave gehalten werden. Das, was Ihr getan habt, war richtig." Kyreia hielt inne und dachte einen Augenblick nach. Sie war doch immer wieder überrascht, auf welch merkwürdige Wege die Götter sie führten. Dieser Yassalar dachte, er hätte seine Göttin mit dieser Tat verraten. Wahrscheinlich traf dies für Zi’llail durchaus zu. Aber andere Götter wussten diese Tat durchaus zu schätzen, insbesondere wenn sie aus Nächstenliebe geschehen war.


    Als Kyreia bemerkte, wie sich leichte Sympathie für den Fremden in ihr regte, spannte sie die Schultern an. Sie durfte einem Yassalar nicht trauen. Nach allem, was sie je gehört, je gelesen hatte, konnte es durchaus sein, dass Zeciass sie zum Narren hielt.


    Und dennoch konnte es sich bei diesem Yassalar nicht doch um einen hilfsbereiten, gerechten Vertreter seines Volkes handeln? Kyreia war hin- und hergerissen, wusste einen Moment nicht mehr, was sie nun tun oder sagen sollte. Dann sprach Zeciass weiter und fragte nach ihren Absichten.


    Sie konnte sich doch die Möglichkeit, wichtige Informationen zu erhalten, nicht entgehen lassen, beschloss sie. Dennoch wählte sie ihre nächsten Worte mit Bedacht, um nicht zu viele Informationen oder ihre wahren Absichten preiszugeben. "Als Priesterin ist es meine Aufgabe Bedürftigen zu helfen. Deswegen reise ich und biete meine Hilfe an, wo ich kann." Sie machte eine kurze Pause und blickte Zeciass fest in die Augen, als ob sie so die Wahrheit darin entdecken könnte. "Und natürlich versuche ich meine Fähigkeiten auszubauen und Wissen anzusammeln. Seid Ihr in der Magie oder der Heilkunst bewandert?"

  • Ausdruckslos lauschte er Kyreias Sicht zu seinem gerechten Vergehen.


    Kein Wesen sollte als Sklave gehalten werden?
    Es verwunderte ihn nicht mehr, dass sein Volk Gebiet um Gebiet eroberte. Seiner eigenen Ansicht nach wäre es vollkommen unverantwortlich, die Schwäche anderer nicht auszubeuten. Wo käme ein gesundes Volk hin, wenn es Dummheit, Faulheit und Unfähigkeit tolerieren würde?
    Tsa'Orl hatte oft von dieser unerklärlichen Eigenart gesprochen. Eine freie Gesellschaft, die sich auf Mitleid und Mitgefühl gründete und deren höchstes Ideal es war, gleiches Recht für alle zu schaffen.
    Haarsträubender Unsinn. Sie konnten sich vielleicht einreden, frei zu sein, aber es war das Gesetz der Götter und der Lauf der Welt, dass die Starken sich an den Schwachen vergingen. Ein Erfolgsprinzip, das seit dem Zeitpunkt ihrer Erschaffung galt, konnte sich unmöglich irren.
    Vor ihren Blicken verborgen erklang die Stimme eines weiteren Sängers, dieses Mal auf ihrer Seite des Flusses. Matt aufglimmend reagierten die Zaubermuscheln auf die noch entfernten, leisen Töne.
    "Ja, ich bin ein Magier", erklärte Zeciass ernst und Stolz blitzte in seinen Augen. "Allerdings bringt mir das ohne einen Elementargeist so gut wie gar nichts", fügte er finster hinzu. Sein Daumen deutete über die Schulter. "Mein Mentor hat einst hier studiert. Als erster und einziger Yassalar, soweit ich weiß. Vermutlich auch als letzter, wenn es mir nicht gelingt, mir eines dieser verfluchten Siegel zu beschaffen."


    Er ballte die Hand zur Faust, die er sich an der Barriere verbrannt hatte. Der beißende Schmerz ermahnte ihn, dass er zum Erreichen seines Ziels einen wohl überlegten Plan brauchen würde.
    "Ohne Siegel gelangt niemand durch die arkane Barriere, die diese Akademie umgibt. Aber selbst wenn ich einen der Magier außerhalb des Geländes abfangen könnte..." Er schüttelte den Kopf. "Ich bin und bleibe Yassalar. Eher würden diese Luftschädel einen lebenden Stachelfisch verschlucken, als mir Einlass zu gewähren."


    Nachdenklich glitt sein Blick über die Gestalt der durchaus hübschen Priesterin und eine Idee begann hinter seiner Stirn an Form zu gewinnen. "Ihr seid an Wissen interessiert, sagtet Ihr?" Seine Stimme senkte sich verschwörerisch, als er sich näher zu ihr neigte. "Schließt das das Wissen aus uralten, geheimen und sehr mächtigen magischen Folianten mit ein?"
    Etwas Anziehendes strahlte von seinen dunklen Zügen aus. Etwas Undefinierbares, das vor wenigen Augenblicken noch nicht da gewesen war. Es begleitete den Klang seiner Worte, beruhigte den Herzschlag und ließ die Umgebung unmerklich in den Hintergrund treten.

  • Zeciass war also ein Magier ohne Elementargeist. Für einen Augenblick spürte Kyreia eine leichte Enttäuschung. Bisher hatte noch kein Nordelf aus Kasrai auch nur einen winzigen Hinweis darauf gefunden, wie Sahea zu erretten wäre. Aber die Nordelfe war überzeugt, dass dies ausschließlich mit starker Magie möglich sein würde. Wie konnte ein Magier ohne Elementargeist ihr also nützlich sein? Ihre Augen wandten sich für einige Augenblicke von ihm ab. Verschwendete sie doch ihre Zeit? Ihr wurde bewusst, wie merkwürdig diese Situation war. Sie, eine Priesterin der Liaril, saß im schwächer werdenden Sonnenlicht zusammen mit einem Yassalar auf einer Ufermauer und unterhielt sich. Für einen Moment fühlte sie sich lächerlich. Sie könnte ihre Zeit durchaus besser nutzen. Ihr Blick huschte hinüber zur magischen Akademie. Wenn sie doch nur in die Bibliothek gelangen und dort in den alten Büchern voller Weisheiten stöbern könnte.


    Trotz ihrer Gedanken vernahm sie die Worte Zeciass'. Er wollte ebenso in die Akademie wie sie, wenn auch aus einem völlig anderen Grund. Ein Yassalar, der dort studierte. Kyreia spürte, wie sie dieser Gedanke beunruhigte. Sie wandte sich wieder zu ihm um. "Wie hat euer Mentor die Magier der Akademie damals dazu gebracht, ihn aufzunehmen?" Wollte sie die Antwort wirklich wissen?


    Als die Priesterin Zeciass' nächste Worte vernahm, blitzten ihre kühlen Augen kurz auf. Uralte, geheime und sehr mächtige magische Folianten? Genau solche suchte sie. Sie vergaß für einen Augenblick ihre Bedenken und ihr Misstrauen dem Yassalar gegenüber. Auch die magische Akademie und all ihre anderen Gedanken traten in den Hintergrund. Sie verfing sich in seinen Worten, in seinen durchdringenden Augen und wurde von ihm angezogen, auf eine Art, die sie nicht verstand. Mit gesenkter Stimme antwortete Kyreia ihm: "Könntet Ihr mir Zugang zu diesen Folianten verschaffen?"

  • "Ich kann und ich werde", nickte Zeciass und seine Worte ließen nicht den Hauch eines Zweifels zu. "Wenn Ihr im Gegenzug für mich bürgt. Das Wort einer Priesterin wie Euch dürfte dazu genügen."


    Der Muschelsänger erschien hinter einigen Bäumen zu ihrer Linken. Im nun hell aufleuchtenden Schein der Lampen fügte er hinzu. "Sobald ich drin bin, bekommt Ihr Zugang zu Allem, was diese Archive zu bieten haben."
    Kämen sie überein, wäre dies ein beiderseitiger Sieg. Er spürte seine Zuversicht wachsen, dass er schon in Kürze Meister eines eigenen Elementargeistes sein würde. Zi'llail zum Dank hatte sie ihm eine Priesterin zugespielt, deren Wissensdurst seinem Machthunger in nichts nachzustehen schien.


    Es kostete ihn einiges an Konzentration, sie nicht aus seinem Einfluss zu verlieren. Was für eine Magie diese Sänger auch immer nutzten, um die Muscheln zum Leuchten zu bringen - sie vertrug sich nicht gut mit seinen Fähigkeiten. Er musste die Kontrolle über den Moment beibehalten, denn er brauchte die Sicherheit, von keinem selbstgerechten Luftatmer-Magier vor die Tür gesetzt zu werden.
    Wer wusste schon, ob ein zweiter Versuch überhaupt möglich sein würde.

  • Die Antwort auf ihre erste Frage blieb aus. Doch Kyreia war so gefesselt von seinen Worten, die ohne Zweifel waren und ihr neue Hoffnung gaben, dass sie dies kaum bemerkte. Wie gebannt blickte sie in die Augen des Yassalars. Gerade wollte sie zustimmen, wollte sich voller Zuversicht darauf einlassen, als ein anderer Gedanke sich langsam, aber unaufhaltsam, zu formen begann.


    Wie würde sie, eine Liaril-Priesterin, einem Yassalar helfen können? Kyreia blinzelte und entzog sich einen Moment von der starken Anziehung Zeciass', die sie nicht leugnen konnte. Was sollte sie nun tun? Ihre innere Unruhe wuchs. Wieder wurde sie, wie bereits so oft zuvor, vor die Wahl gestellt, musste sich entscheiden, ob sie ihrem König oder ihrer Göttin dienen sollte.


    Kyreia wandte sich schnell von Zeciass ab. Sie durfte die Fassung nicht verlieren, wollte ihrem Gegenüber ihre Gefühle nicht zeigen. Sie zwang sich, ihre Konzentration auf den sich nähernden Sänger zu richten und ihre Gedanken zu ordnen.


    Was sollte Liaril dagegen haben, dass sie für den Yassalar bürgte? Womöglich belügte sie sich selbst, doch sie redete sich ein, dass Zeciass sich bisher nicht so verhalten hatte, wie sie es von einem Vertreter seines Volkes erwartet hätte. Hatte er nicht Sklaven befreit? Hatte er nicht Angst gehabt, dass sie gekommen war ihn zu töten statt dies seinerseits zu versuchen? Und auf diesem Wege würde sie in die Bibliothek gelangen. Vielleicht wurde ihr auch auf anderem Wege Zutritt gewährt. Doch konnte sie riskieren, dass dies nicht der Fall wäre? Sie hatte bisher noch nicht viel von den Sicherheitsvorschriften der Bibliothek gehört. Womöglich war sie für Priester nicht ohne Weiteres zugänglich?


    Sie fasste einen Entschluss, den sie gleichzeitig schon bereute. Dennoch richtete sie ihren Blick wieder fest auf Zeciass. "Ich werde für euch bürgen, Zeciass." Mit diesen Worten stand die Nordelfe auf und ging einige zielstrebige Schritte auf die Akademie zu. Auf halbem Wege schaute sie fragend zurück, ob Zeciass ihr auch folgte. Vielleicht war sie zu voreilig gewesen und er hatte noch etwas zu erledigen, bevor sie zur Akademie gingen?

  • Als ihm die Konzentration entglitt, war der Sänger fast auf ihrer Höhe angelangt. Nicht jetzt! Nur noch einen Augenblick!


    Sie drehte sich weg und Zeciass biss sich vor Wut auf die Unterlippe. Verflucht bei allen Göttern!
    Die Niederlage brannte in seinen Fingerspitzen. Noch einmal ballte er unbemerkt mit aller Kraft die Faust und der Schmerz brachte seine Sinne zurück. Beherrschung!
    Der Bann war zerstört und solange der Sänger noch nicht verschwunden war, war ein zweiter Versuch aussichtslos... und gefährlich, denn es würde den anderen Hunger wecken...


    Gerade erst entspannte er sich, um es noch einmal mit anderen Argumenten zu versuchen, als sie sich ihm wieder zu wandte. Ihre Zusage war befreiend und befremdlich zugleich. Ihr plötzlicher Aufbruch überraschte ihn nicht minder. Hatte sie etwas bemerkt? Waren ihre Worte Täuschung und ihr abruptes Aufstehen eine Flucht? Nein, das waren unsinnige Gedanken. Natürlich hatte sie nichts bemerkt.
    Nie hatte eines seiner Opfer etwas bemerkt.


    Zeciass deutete ihren Blick als Aufforderung und erhob sich ebenfalls. Im Lichtschein erweckte er den Eindruck eines Fleisch gewordenen Schattens, wären da nicht einige Konturen, die das Licht in das Schwarz modellierte. Die Nacht war hereingebrochen und grell flackerte nun am anderen Ende der Akademie der Feuerturm, während der Schattenturm bereits vollends mit dem Dunkel verschmolzen war.

    Während er auf sie zu schritt, gespannt, ob sie ihre Worte nun sogleich in die Tat umsetzen wollte, beurteilte er noch einmal ihre äußerliche Gestalt. Eine asketische Erhabenheit strahlte von ihrer schlanken Erscheinung aus. Der Blick kühn und kontrolliert, als könne keine Macht sie aus der Ruhe bringen. Unauffällig leckte sich Zeciass über die blutig schmeckende Bissspur an seiner Lippe.
    Sie rief unwissentlich Reaktionen hervor, die er sonst im Zaum hielt. Eine Eigenschaft, die ihn bei einer Yassalar durchaus erregt hätte. Bei ihr hingegen forderte es ihn geradezu heraus.
    "Vorsicht", riet er ihr mit ruhiger Stimme im Näherkommen. "Die Barriere ist nicht ungefährlich. Wollt ihr Euer Wort etwa noch heute Nacht in die Tat umsetzen?"

  • Als Zeciass aufstand, um ihr zu folgen, nahm Kyreia sich zum ersten Mal die Zeit ihn wirklich zu betrachten. Seine schwarze Haut, die silbrigweißen Haare, der athletische Körperbau. Ihr Blick glitt beinahe unmerklich von seinen Augen an ihm hinab und wieder hinauf. Ihr wurde noch einmal mehr bewusst, wie sehr sie sich von ihm unterschied. Zwei Gegensätze. Und dennoch fühlte sie sich in seiner Gegenwart nicht unwohl. Sie hatte sich gezwungen misstrauisch zu bleiben, aber wenn sie ehrlich mit sich selbst war, empfand sie dieses Gefühl mittlerweile mehr und mehr als unbegründet. Der Yassalar hatte durchaus etwas Anziehendes an sich, dessen sie sich nicht erwehren konnte. Dennoch würde sie versuchen, ihm nicht vollkommen zu trauen. Sie wollte in die Bibliothek. Alles Weitere war unbedeutend. In ihrem Herzen gab es ohnehin nur Platz für Liaril und ihren König. Freunde oder gar Liebhaber würde sie sich nie erlauben.
    Und dennoch... die Elfe war froh, ihn an ihrer Seite zu wissen.


    Als er sie fragte, ob sie sofort in die Akademie gehen wollte, verunsicherte sie dies für einen Moment. Kyreia neigte dazu ihre mit Bedacht getroffenen Entscheidungen schnell und voller Tatendrang umzusetzen. Sie wartete nachdenklich bis Zeciass zu ihr aufgeschlossen hatte. "Ich kann es kaum erwarten in die Bibliothek zu gelangen", gestand sie ihm. "Aber wahrscheinlich habt Ihr recht und wir sollten bis zum Morgen warten." Ihr Blick glitt sehnsüchtig zur Akademie. "Aber vielleicht sollten wir es einfach versuchen. Womöglich ist noch jemand da, dem wir unser Anliegen schildern können?" Kyreia schaute Zeciass erwartungsvoll an. Letztendlich würde sie sich nach ihm richten.

  • "Je eher, desto besser", nickte der Yassalar.
    Es gefiel ihm, dass sie es so eilig hatte. Wer wusste schon, ob sie auch Morgen noch zu ihrem Wort stehen würde.



    Eines der Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite war ihm bereits zuvor aufgefallen. Ein verwittertes Schild an der Hauswand hatte es als 'Vorzimmer der Akademie von Nir'alenar' ausgewiesen. "Dort drüben", deutete er zu der entsprechenden Stelle. "Sie haben die Lichter noch nicht gelöscht. Sehen wir es als gutes Zeichen."
    Ohne weitere Zeit zu verschwenden, machte Zeciass sich auf den Weg.


    Einige abgetretene Stufen führten zu der Eingangstür empor, die man nur schwerlich dem Prunk der magischen Akademie zuordnen konnte. Ein Druck gegen die Tür zeigte, dass sie verschlossen war und so hob Zeciass die Faust, um mehrmals kraftvoll anzuklopfen.

  • Erleichtert folgte Kyreia Zeciass zu dem Gebäude, auf das er kurz zuvor gedeutet hatte. Am unteren Ende der Treppe hielt sie kurz inne und betrachtete die abgetretenen Stufen und die wenig prunkvolle Tür. Waren sie hier tatsächlich richtig? Nachdenklich betrachtete sie das Schild an der Hauswand. Auch wenn dieses Gebäude nicht zu dem Erscheinungsbild der Akademie passen wollte, so waren sie hier wahrscheinlich an der richtigen Stelle, um ihr Anliegen vorzubringen.


    Als Zeciass klopfte, nahm auch die Elfe die restlichen Stufen und schloss zu ihm auf. Wie gebannt starrte sie auf die Tür. Bei Liaril, hoffentlich würde jemand sie öffnen, hoffte Kyreia.


    Und tatsächlich konnte sie kurz darauf im Inneren des Gebäudes leises Murmeln und leichte Schritte hören. Kyreia erkannte das Klimpern eines Schlüsselbundes und vernahm mit wachsender Erregung, wie ein Schlüssel in das dazugehörige Loch gesteckt wurde. Wenig später öffnete sich die Tür langsam. Kyreias Aufregung wuchs und unwillkürlich trat sie einen Schritt auf Zeciass zu, sodass sich ihre Arme beinahe berührten. Sie wusste nicht warum, doch seine Nähe gab ihr Zuversicht.


    Als die Tür sich noch weiter öffnete, konnte die Priesterin endlich denjenigen erkennen, der dies tat. Ihr Blick musste dafür jedoch weit hinab sinken, stand doch tatsächlich ein Gnom vor ihnen. Mit einiger Überraschung betrachtete Kyreia ihn. Soweit ihr bekannt war, wollten Gnome nichts mit der Magie der Elemente zu tun haben. Aber dieses Gebäude stand außerhalb der Akademie und wer hier arbeitete musste nicht zwingend Magier sein, sagte Kyreia sich. Und als sie den älteren Gnom betrachtete, konnte sie tatsächlich nichts Magisches an ihm erkennen. Auf seiner Nase saß eine Brille, die etwas zu groß wirkte, hinter seinem Ohr steckte noch eine Schreibfeder und seine Hände waren tintenverschmiert. Sie hatten ihn offenbar bei seiner Arbeit gestört.

    Der Gnom musterte sie und ihren Begleiter nicht unfreundlich, nickte knapp, dann drehte er sich wieder um und kehrte ins Innere des Gebäudes zurück. Während er erneut einige unverständliche Worte vor sich hin murmelte, winkte er mit der rechten Hand. Offenbar sollten sie ihm folgen.

  • Der Innenraum bestand aus einem hohen, schlecht beleuchteten Flur, aus dem zwei Türen führten. Ein zur Hälfte mit Mänteln behängter Garderobenständer und einige Bilder, die an Bauzeichnungen erinnerten, waren die einzige Dekoration. Hinter der geöffneten Tür flackerte es hell und beim Betreten des nächsten Raumes war rasch zu erkennen, dass es sich um das Arbeitszimmer des Gnoms handelte.


    Die kurzbeinige Gestalt mit dem viel zu großen Kopf trippelte voraus. Es kostete den Gnom einiges an Mühe, auf den Stuhl zu kraxeln, um hinter einem der Schreibtische Platz zu nehmen. Zwei von diesen Arbeitstischen nahmen den Großteil des Raumes in Anspruch und die säuberlich darauf aufgetürmten Dokumente ließen darauf schließen, dass in letzter Zeit viel Arbeit liegen geblieben war. Zu ihrer Linken prasselte ein Kaminfeuer und spendete neben einigen Kerzen das einzige Licht im Zimmer.


    Die trockene Hitze war unangenehm und Zeciass brauchte einige Atemzüge, um mit der drückenden Luft klar zu kommen.
    Indes schob sich der Gnom ein Monokel vors Auge, ordnete raschelnd seine Papiere und blinzelte sie danach fragend an. "So spät schon also raus mit der Sprache. Wenn es sich allerdings um Beschwerden handelt, ist das nicht mein Fachbereich." Er wedelte mit der kleinen Hand in Richtung des anderen Schreibtisch. "Mumunkio ist dafür zuständig, aber der ist erst morgen früh wieder hier."


    Zeciass räusperte sich und erklärte entschlossen: "Ich bin Zeciass Raphis und dies ist Kyreia, Priesterin der Liaril. Ich bin hier, um der Akademie beizutreten. Wer ist dafür zuständig?"

  • Die Elfe war Zeciass und dem Gnom hinein gefolgt und wartete bis dieser sich auf seinen zu großen Stuhl gehievt hatte. Derzeit schaute sie sich um. Der Gnom und sein Kollege, der offenbar normalerweise an dem anderen Schreibtisch sitzen musste, hatten anscheinend viel Arbeit. Kyreia hoffte, er wäre nicht zu beschäftigt, um sich ihr Anliegen anzuhören. Sie befürchtete, er würde es direkt ablehnen, wenn er hörte der Yassalar wolle der Akademie beitreten. Womöglich hatte er keine Zeit für sowas.


    Und tatsächlich wirkte der Gnom leicht ungeduldig, als er die beiden aufforderte den Grund ihres Kommens zu erklären. Kyreia zögerte nur einen Moment und schon war Zeciass ihr mit seiner Antwort zuvorgekommen. Er hatte es offenbar ebenso eilig in die Akademie zu kommen, wie sie selbst. Als er geendet hatte, fasste sie Mut und fügte noch schnell hinzu: "Ich bürge für Zeciass. Als Priesterin der Liaril kann ich vers...".
    "Ihr bürgt für ihn?" Der Gnom lachte so heftig, dass sein Mononokel von seiner Nase rutschte und beinahe im Tintenfass gelandet wäre, wäre nicht das Bändchen gewesen, das es hielt. Als er sich wieder etwas gefasst hatte, betrachtete er Zeciass und Kyreia neugierig und tippte mit dem Ende seiner Schreibfeder auf den Tisch.
    Kyreia wurde unwohl zumute. Vielleicht hatten schon vor ihnen Viele versucht auf diese Weise in der Akademie aufgenommen zu werden. Der Gnom würde sie sicher gleich nach Draußen verweisen.


    Doch das tat er nicht. Schmunzelnd kramte er in seinen Unterlagen, bis er zufrieden das fand, was er suchte. "Bürgen will sie...", murmelte er vor sich hin und lachte noch einmal kurz, dann wandte er sich erneut dem Yassalar zu. "Es spricht im Grunde nichts dagegen, dass Ihr der Akademie beitretet. Ihr braucht niemanden, der für euch bürgt. Rhovan Varanor, der Leiter der Akademie, ist zuständig dafür. Wir können gleich einen Termin vereinbaren, damit Ihr bei ihm vorsprechen könnt." Erneut tippte er mit seiner Schreibfeder auf das eben gefundene Dokument. "Wann würde es euch passen?" Mit diesen Worten schob er sein Mononokel wieder zurück auf die Nase und schaute Zeciass abwartend an.

  • Gute Überraschungen waren ihm immer lieb. Wer hätte gedacht, dass es so einfach sein würde?


    "So bald wie möglich", antwortete Zeciass ernst. Gleichzeitig durchströmte ihn Erleichterung.
    Der Gnom griff sich Feder und Tinte und schrieb etwas auf Papier nieder. "Darf ich Sie bitten, ihren Namen zu buchstabieren, Herr Raphis?" Während er dem Gnom half, warf er Kyreia einen kurzen Blick zu, um zu sehen wie sie auf diese Entwicklung der Dinge reagierte. Würde Sie auf ihren Handel bestehen?


    "Ich werde Meister Varanor eine Nachricht zukommen lassen, dass Ihr ihn so bald wie möglich zu sprechen wünscht", nickte der Gnom geschäftig und verfasste die letzte Zeile. "In welchem Gasthaus werde ich Sie erreichen?"


    Bisher hatte Zeciass nicht über eine Unterkunft nachgedacht. Vielleicht sollte er das noch einmal in Erwägung ziehen. Zumindest diese mickrigen Landbewohner schienen keinerlei Vorbehalte gegen sein Volk zu haben.


    "In keinem. Ich werde mich in den Nähe aufhalten und mich selbst erkundigen", beschloss er.

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