Schon weithin hörbar sind die Klänge der Musik, zu deren Melodie sich die schwarzen Pferde des Karussells bewegen und die Tafel mit den goldenen Lettern, die daneben angebracht worden ist, verspricht eine Reise, die man niemals vergessen wird. Und wenn man sich die Zeit nimmt, die Geschichte zu lesen, die auf dieser Tafel geschrieben steht, so kann man nicht umhin, auch daran zu glauben.
So soll der König eines fernen, schon lange in Vergessenheit geratenen Landes das Karussell für seine geliebte Mätresse als Zeichen seiner ewigen Zuneigung in Auftrag gegeben haben. Und weithin wurde der phantastische Anblick der weiß-goldenen Pferde gerühmt, die Kunstfertigkeit mit der das Karussell erbaut worden war und die wunderbare Musik, die erklang, sobald es sich in Bewegung setzte. Zauberhaft war es, von einer unbeschreiblichen Schönheit geprägt, die das Herz berührte und die Gefühle des Königs beinahe spürbar machte.
Doch es gab ein Augenpaar, das nicht wohlwollend auf dieses Werk der Liebe und der tiefen Zuneigung blicken konnte. Die Königin, der die Liebe des Königs zu seiner Mätresse ein ewiger, schmerzender Dorn im Auge war, verbündete sich mit den Mächten der Dunkelheit und verfluchte das Karussell in jenem Moment, als die Mätresse des Königs zum ersten Mal ihren zarten Fuß auf die seine Bretter setzte.
Und ihr Fluch tat sein scheußliches Werk, als sich das Karussell endlich zu drehen begann. Denn die Pferde schienen gleichsam zum Leben zu erwachen, bäumten sich mit weit aufgerissenen Augen auf und schrieen in ihrer wilden Hysterie Furcht erregend, brachten das Blut in den Adern aller zum gefrieren.
Keiner der Anwesenden vermochte es, etwas zu tun. Keiner vermochte es, der Mätresse zur Hilfe zu eilen, als sie sich nicht mehr auf den Pferden halten konnte und schließlich abgeworfen wurde. Ein scheußliches Krachen machte dem Spuk ein Ende, die Pferde standen still, die Musik verstummte und das Licht in den Augen der Mätresse verlosch in den Armen des Königs, dessen verzweifelter Schrei durch das ganze Schloss zu hören war.
Und in diesem Moment, nachdem sein Schrei verklungen war und als die Stille so schwer auf allen lastete, die das Unglück mit eigenen Augen hatten ansehen müssen, verfärbte sich das ehemals so prachtvolle Karussell. Das reine Weiß der Pferde wurde zu dem tiefen Schwarz der Nacht, so als ob aller Frohsinn und alle Schönheit aus dem einst so wundervollen Kunstwerk gewichen war und sich in tiefe Traurigkeit verwandelt hatte. Und der König befahl, dass das Karussell zu vernichten sei. Nicht ein Splitter davon durfte in dem Schloss verbleiben und an seinen schmerzhaften Verlust erinnern.
Und so steht das Karussell heute auf dem Jahrmarkt der verlorenen Seelen, brachte es sein Erbauer doch nicht über das Herz, sein größtes Werk zu vernichten, so wie es ihm der König befohlen hatte. Heimlich verkauft und für Jahrhunderte vergessen, ist es endlich wieder zu neuem Leben erwacht.
Und auch, wenn seine einstige Schönheit nun verblasst ist, tiefe Kratzer das Holz zieren und sich schiefe, traurige Töne mit der Musik vermischen, so kann man immer noch seine einstige Pracht und Vollkommenheit erahnen. Und manchmal, ja, manchmal denkt man beinahe, dass sich eines der Pferde bewegt, man ein Zwinkern und Leuchten in seinen Augen wahrgenommen hat.
Doch sicher war dies nicht mehr, als eine Täuschung der Sinne...