Fünf Tage waren verstrichen seit Juvenos Rückkehr in sein altes Leben. Tage die er brauchte um sich zu erholen, um das geschehene etwas zu verarbeiten und seinem Vater zu erklären was geschehen war, wobei er die Wahrheit Sicher für sich hütete.
Doch nun hielt Juveno es nicht mehr aus in den Räumen seines Vaters Haus`, die zwar Licht durchflutet, geräumig und bequem waren, aber nur belebt wurden von seines Vaters sorgenvollen Worten, wie Blicken, und zwei Bediensteten. Immer mehr loderte in ihm wieder das Gefühl auf: Eingesperrt zu sein, und nach der Erlebten endlos scheinenden Leere lechzte sein ganzes Sein nach Leben.
Dennoch wäre ihm das rege Treiben bei Tage auf den Straßen zu viel gewesen. Er hatte sich an die dunkle Ruhe gewöhnt und wählte deshalb für einen Spaziergang die Nacht, hüllte sich wie deren Sohn in schwarzen Samt, an dem silberne Ornamente den Saum zierten. Aber statt seines Schwertes begleitete ihn ein neuer Gehstock, der sein Gebrechen stützen konnte, der aus Ebenholz und dessen Knauf in Silber einen Dolch in sich barg. Gebrochene schlichte Eleganz. Dunkles für ein zerschmelzen mit der geliebten Nacht, so sein erster Schritt vor die Tür - ja doch zögerlich. Dafür sein erster Atemzug - wie der eines ertrinkenden, sehnsüchtig des Lebens Windes saugen.
Ein zweiter Schritt in die dunkle Nacht, auf die graue von Schatten bemalte Straße und weitere Schritte folgten, während seine Sinne sich genüsslich labten an dem gedämpften nächtlichen Leben.
Jeder Windhauch wurde von seiner Haut mit einem Schaudern begrüßt, dabei er des Windes Säuseln wie eine wohl bekannte Melodie empfand, in der ein Chor des Lebens sang - raschelnde Blätter, ächzenden Äste, bellende Hunde, dem Gejammer von liebes tollen Katzen, zirpende Grillen, Rufe von Nachtvögel, rhythmisches Schallen Eisen beschlagener Hufe von schnaubenden Pferden, die eine Kutsche zogen und noch vieles mehr sang in der Windesmelodie. Auch allerlei Betörende, aber auch abstoßende Düfte trug der Wind mit sich zu ihm.
Juvenos Schritte führten ihn durch ein Schattentheater, das geboren aus den Lichtern der Zaubermuscheln auf den Straßen und den Kerzen, die in den Fenstern der Häuser standen, dabei Juvenos Schattenbild zu einem seiner Statisten machte. Körperlose Gestalten, deren Schattenfratzen ihm entgegen lachten, tanzten zuckend in den Lichter, warfen ihre Mäntel über seinen Körper, um ihn behütend zu geleiten in der allein ihnen schmeichelnden Dunkelheit.
Er fühlte sich wohl unter den Mänteln der Schatten, schmiegte sich in sie, um so fast ungesehen in Ruhe durch die Straßen gehen zu können. Selig alleine, damit dem nächtlichen Leben zu lauschen, es fühlen und beobachten zu können. So wich er jedem aus, der ihm entgegen kam, bis sich eine ihm wohlbekannte Gestalt aus der Nacht schälte, er das sanfte Funkeln ihrer schuppigen Haut erkannte und er wie angewurzelt einen Augenblick stehen blieb, denn er traute seinen Augen kaum: ...war es denn möglich, das gerade sie es war ? ... sie, die als einzige wusste ... die das Werkzeug meines Todes war. Doch es gab keinen Zweifel, denn umso näher sie kam, umso deutlicher wurde ihre Gestalt und er hätte seine Augen lügen strafen müssen.
Eine Art Übelkeit gepaart mit Angst wallte in ihm auf, drückte in an die kalte Wand, noch tiefer in die dunklen Schatten, während sich seine Gedanken überschlugen: ... noch hat sie mich nicht gesehen ... Juv, lass sie einfach vorüber gehen !!! ... bleib im Schatten ... doch wenn sie aus einem anderen Munde erfährt das ich lebe ? ..., und dabei erschufen seine Gedanken, bildlich jenen Moment: als ihr Körper ihn Umschlang, sie ihn so mit sich in die Tiefe des Sees riss und ihre Hände, kurz vor seinem Ertrinken, sein Genick brachen: ... ja doch es war erlösend ... dankbar sollte ich ihr sein ... den Dank zollen mit Ehrlichkeit aus meinem Munde ... wovor Angst ? ... sie tat nur, zu was ich sie getrieben hab ... was mein Wunsch war ... nicht mehr, nicht weniger...
Er atmete einmal tief durch, ehe sich seine Schultern spannten, seine Hand die Kapuze von seinem Kopf strich. Doch nicht gebrechlich wollte er vor sie treten, so fasste er seinen Gehstock in der Mitte, um ihn an seiner Seite zu tragen. Sein Kopf ruckte etwas in die Höhe, als müsse er aus dem Schatten, in dem er stand, auftauchen. Sie war schon fast an ihm vorüber, er musste sich eilen:... Schritt um Schritt ... bloß nicht straucheln ... sie wird meine steifen Schritte hören ... nein ... Worte sollen sie begrüßen und nicht der Anblick eines gebrechlichen Geistes...
Doch etwas angespannt zerriss nun Juvenos Stimme die Nacht: "Guten Abend Zarasshin "