Gedenke, dass du sterblich bist

  • Zarasshins Sehnsucht hatte sich für einen Moment der Schwäche demaskiert. Das Weiche, das stets gestaltlos, unterdrückt und vermummt sein musste, hatte sekundenlang eine bestimmte Gestalt angenommen, die nun durchschimmerte und eine Yassalar, die es fürs Erste nicht zurück zu drängen wusste. Die gespaltene Persönlichkeit, die innere Schwester, wie Zarasshin sie nannte, die schon immer ihren Schatten durch die Haut warf – einen bleichen, verschwommenen, aber doch erkennbaren Schatten: auf die rechte Seite der Brust, auf die herzlose Hälfte – schwieg erfreulicherweise dazu. Diese verdammte nämlich das Weiche, das in dieser Rasse der Welt nichts zu suchen hatte, das sich in Ruhe bringen, ja vielleicht auch blenden ließ von einer Fremden. Doch lasst euch nicht täuschen: Zarasshin war immer wachsam.
    Syrrlithe hatte sich von den Worten mitnehmen lassen, hinunter auf den Grund des weiten Ozeans, wirbelten anscheinend Bilder hinter ihrer Stirn; Zarasshin konnte es beinahe erahnen, wie die Stadt der Yassalar Form dort ebenso annehmen wollte, doch wenig Ansatz für ihre Wirklichkeit finden konnte. Was griffen da alles an Gedankensträngen ineinander, welche Erkenntnisse und welche Frage tollten da über das Gesicht? Zarasshin wusste es nicht zu sagen und fragen würde sie nicht. Und als die Mondschöne den Kopf schüttelte, bewegte auch die Yassalar leicht das Kinn, nein, das Sternenmeer bleibt dir auf ewig verwehrt – und kurz strömte ihr ein unbekanntes Bedauern in den Bauch, das daraus resultierte, dass sie sich flüchtig vorstellte, was ihr selbst bliebe, wenn die brillante Stadt ihr auf einmal versagt wäre.


    Ich habe von Feuer geträumt und es trieb mich hinauf zu den Sternen“, beantwortete Zarasshin ehrlich die Frage für die heutige Nacht; daran war nichts verwerflich, nichts Dunkles, geringfügig Spannendes. Was ihr Volk ferner dazu trieb an Land zu gehen, nun, dies bliebe verschwiegen, war hier nicht von Bedeutung … in Wahrheit: war es nicht für fremde Ohren bestimmt.
    Da war es noch, nicht ganz betäubt, griff es nach ihr, tastete es nach dem Sinnen unter ihrer Haut, von dem Zarasshin vielleicht selbst nicht einmal wusste, dass es vorhanden war; wie Atemzüge tief drinnen, die nach Luft schnappten, während alle einen für tot hielten. Ihre Gedanken ließ die Dunkelheit ringsum noch dichter erscheinen … ich bin ein Fäulnisschimmer in der Schwärze eines Sumpfes, dachte die Yassalar ins Ungewisse.
    Sekundenbruchteile empfand sie die ganze Trostlosigkeit, die ganze Vergeblichkeit, die ganze Müdigkeit … aber auch jeglichen Schmutz, mit dem ihr todbringendes Ich durchtränkt war, und die scharfen Gerüche verzweifelter, untergangstrunkener Angst des Traumes dieser Nacht. Todesschweiß, roch sie ihn zwischen ihren beiden Geisterleibern? Den Alptraum hatte sie mit ins Erwachen genommen. Hoffnungslos sog Zarasshin den widerlichen Geruch ein und aus und schickte den erbärmlich schwachen Fetzen wieder sterben.


    Langsam ließ sie die Handkante zu Boden sinken, so langsam, um Syrrlithes Blick darauf zu ziehen. Eine filigrane Ranke aus Erde ließ sich, gleich einem Wurm, von der sich hebenden, schwarzen Hand mit nach oben nehmen – weniger Tuireanns Erdmagie, mehr die Magie der Erbauer von Zesshin Doraz, wie es den Yassalar bereits stark in die Wiege gelegt wurde. Dies hier benötigte wenig an Kraft, nur Konzentration und … eine geringfügige Prise an Zuneigung.
    Dem schwarzen Finger mit der krallengleichen Zuspitzung folgte der, nur scheinbar instabile Trieb, ließ sich krümmen und in einen Bogen führen, Dornen wuchsen ihm dann aus der Spitze, eine Krone, die lebendig wuchsen, bis sie sich strudelnd ineinander flochten.
    Zufrieden belächelte Zarasshin das kaum eine Handlänge hohe Ding und die innere Stimme grunzte nun fletschend fragend, was die Spielerei hier sollte. „Manches Mal, Syrrlithe, muss man sich abwenden, um die Heimat schätzen zu können.“ Die Gedanken klären vom Schlick, um wieder zu wissen, zu was man zurückkehrt.

  • Was meinte sie damit? Syrrlithe presste die Lippen aufeinander, schaute die andere wortlos an und versuchte ihre Worte zu verstehen. Ihr fielen einige Erklärungen zum möglichen Sinn Zarasshins Antwort ein. Trotzdem konnte sie nicht sagen, ob überhaut und wenn ja, welche davon zutraf. Sprach sie von einem Alptraum? Sie konnte sich vorstellen, dass Feuer nicht gerade das Element war, mit dem sich die Yassalar am wohlsten fühlte. Und die Sterne.. unbewusst hob die Schattenfrau den Blick und sah zur dunklen Kuppel hinauf, die sich irgendwo über ihnen über das Land spannte, über das sie wandelte. Sie kannte Sterne nur aus Geschichten und Legenden, hatte sie aber noch nie mit eigenen Augen gesehen. Gerade deshalb waren sie so geheimnisvoll für sie und übten eine unbekannte Faszination auf sie aus, wann immer ihr von den kleinen, funkelnden Punkte am Himmel hoch über ihnen erzählt wurde. Sie würden wohl so unerreichbar für sie bleiben wie die Stadt der Dunkelhäutigen. Und damit nie an Reiz verlieren.


    Sie sah zurück zu eben jener, gleichvoll reizvollen und geheimnisvollen Frau, und ihr Blick glitt wie beabsichtigt auf ihre Hand als sie auf die Bewegung aufmerksam wurde. Sie vermutete schon, dass sich mehr hinter dieser Geste verbarg, aber nie hätte sie mit dem gerechnet, was folgte! Sprachlos öffnete sich der Mund wie von selbst als sie dem magischen Spiel unter Zarasshins Hand zusah. Noch etwas, das ihr verwehrt blieb. Syrrlithe konnte nur staunen über die Fähigkeiten, die Zarasshin besaß. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich ehrliche Verblüffung ab. Neugierde und Interesse hatte ihre starren, verhaltenen Züge erweichen und das Schauspiel der Yassalar die Maske nun endgültig bröckeln lassen.
    "Das ist unglaublich", raunte sie und starrte die kleine Pflanze an, als hätte sie nie etwas Vergleichbares gesehen. "Wie macht Ihr das?", fragte sie, ungeachtet der Worte, die sie sprach. Nur mit Mühe konnten sich die mitternachtsblauen Augen von den schwarzen, schlanken Fingern mit den spitzen Nägeln an den Enden, lösen. Und was sie trieb, war allein eine Erklärung für dieses Rätsel zu finden. Sie sah sich um, an Zarasshin vorbei, vor sich, neben sich und hinter sich. Wie war das möglich? Sie musste eine Fee besitzen, aber wo war sie? Und wo war sie, wenn sie sich nicht an Land befand?


    Syrrlithe wusste keine Antwort darauf und konnte nicht das entdecken, was sie suchte. Vermutlich wusste Zarasshin schon, welche Frage als nächstes folgen würde. "Wo ist eure Fee, Ihr habt doch eine oder?" Auch wenn sie versuchte, nicht zu zeigen, wie sehr sie Zarasshins Fähigkeiten interessierten und wie unglaublich es für sie war, hatte sie Mühe, das Erstaunen darüber zu unterdrücken und nicht in voller Gänze nach außen hin auszustrahlen.
    Das war unglaublich interessant. Bisher war sie nur sehr wenigen begegnet, die solcherlei Zauberei beherrschten. Sie war dann zwar genauso fasziniert wie jetzt von den Zaubern gewesen, weil es nichts Alltägliches für sie war, aber sie war nie lange in der Nähe des Magiers geblieben, um genug Interesse für seine Kräfte zu entwickeln. Keiner war bisher interessant genug gewesen und hatte kaum die Anziehung besaß, wie die Schwarzhäutige neben ihr.

  • Zarasshin bemerkte zwar den Blick nach oben, folgte ihm aber nicht nach, denn dort gab es ohnehin nichts zu betrachten. Mehr war sie gebannt von der Ranke und starrte darauf, so dass ihr jetzt leider der erstaunte Ausdruck entging, den sie ebenso hervor gezaubert hatte. Doch sie überhörte nicht den beeindruckten Hauch von Neugierde in der Stimme Klang. Unglaublich – wie wahr. Aber auf diese Frage gäbe es keine Antwort.
    Sie lachte leise und der Spott war nicht zu überhören, denn sie lachte tief in ihrer Kehle und mit schnaubender Luft darin, als es dann auch jäh verstummte. „Zu viel der Fragen!“, erwiderte die Yassalar grob und zerschlug mit flacher Hand das Gebilde. „Vielleicht, vielleicht auch nicht.“ Sie sprang auf. Wie klang dies alles? – gelogen!
    Erfasste Zarasshin sie, das Wesen, das so harmlos aussah, die dunklen Haare, die jungen Züge, in Menschlichkeit verharrt. Man kann viele Fehler machen, wusste sie, ein ungewisser Rest blieb trotz reiflichen Nachdenkens, auch wenn man glaubte, alles bedacht zu haben – der größte Fehler jedoch wäre die Neigung die Stärken der anderen Rassen nicht anzuerkennen oder sie überhaupt nicht wahrnehmen zu wollen. Und heute Nacht war wenig bedacht worden; diesen Schlag nahm die törichte Närrin, die sie war, ohne ein Wimpernzucken an, mehr läuterte er alles in eine Schärfe, die sehr ernüchterte.


    Stolz richtete Zarasshin sich auf, ihr Kinn hob sich in der Anmaßung eines Wesens, das sich allem erhaben fühlte, an keine Regel gebunden, keinem Gesetz verpflichtet, niemandem zugehörig und in keiner Stadt zuhause, als der der Yassalar.
    Ihr Gefühl sagte ihr, dass andere Kräfte am Werk waren, sie anzuziehen, während ihr Instinkt sie fliehend machen wollte, Zarasshin hingegen verstand es nicht. Obwohl sie es sich wirklich fest vorgenommen hatte, sperrte ihre vertraute Geisteshaltung sich gegen sie, bauschte sich dicker, schob sich wie Watte zwischen ihren Willen Abscheu und Engstirnigkeit zu fühlen, als wäre ihren Gefühlen die Richtung nicht sicher, die ihre Art ihnen vorgab: sie mochte diese.
    Und Zarasshin mochte niemanden, hegte kein Vertrauen, sie zürnte allem und jedem, sie verachtete, in ihr lagen weder unbewusste Zuneigung, noch emotionale Freundlichkeit – und eben hier lag der Fehler. Eben da stimmte etwas nicht.


    Langsam, Schritt für Schritt, glitt sie zur Seite, neigte still den Kopf in der Betrachtung, um in den Rücken der Mondschönen zu gelangen. Ihre Augen trugen Reflexionen, deren Zucken wie ein Schwarm aufgescheuchter Bienen war, der sich orientierend oft reglos in der Luft hielt, bevor er wieder niederbrach. „Weshalb glaube ich Euch auch zaubern?“, fragte sie ganz beherrscht, weshalb habe ich das Gefühl wachsam sein zu müssen und kann es jedoch nicht?

  • Der Zauber erlosch schlagartig. Mit einem Satz und einer Geste schlug Syrrlithe eine Abfuhr entgegen, die ihr ein Funkeln in die Augen trieb. Ein zorniges und kaltes Funkeln. Ihre Mine versteinerte sich. Die zuvor noch offene Faszination wurde hinter dicken Mauern verschlossen und zurück blieb nur noch ein Gefühl der Scham, da sie sich so sehr hatte gehen lassen, der Yassalar unbeabsichtigt einen Blick hinter die Maske gestattet hatte und nun so zurück gewiesen wurde, wie es ihr nur selten wiederfahren war. Das Interesse erlosch und Zorn loderte auf. Wie konnte diese Yassalar ihr die Worte verbieten? Was nahm sie sich heraus, sie mit solcher Art und solchem Nachdruck zurückzuweisen und nichts von dem Wissen preiszugeben, das sie begehrte? Niemand tat dies mit der Schattenfrau Syrrlithe. Und wenn sich doch jemand zu solcher Taten erdreistete, so zeigte die Vergangenheit, immer nur einmal.


    Syrrlithes Augen wurden zu schmalen Schlitzen, sie fletschte die Zähne und verfolgte die Bewegungen der Schwarzhäutigen, die langsam um sie herum schritt, aus den Augenwinkeln. Dachte sie nun, ihr ein Ende bereiten zu können? Feige hinter ihrem Rücken agieren zu können? Syrrlithe spürte das Drängen in sich, das Ziehen, die Lust, diesen Gefühlen einfach nachzugeben. Es war so schwer, sich nicht einfach die Kräfte der Meeresfrau zu stehlen und sie auf diese Weise den Tribut für ihre dreiste Art zahlen zu lassen. Sie zitterte leicht und es sah so aus als würde sie sich einem Raubtier gleich auf einem Sprung vorbereiten. Alle Muskeln spannten sich und die Nägel an den schlanken Fingern gruben sich in die Handflächen als die Fäuste sich ballten.


    Zarasshin stand nun direkt hinter ihr, ihrem Blickfeld verborgen, was Syrrlithe zunehmend nervöser machte. Doch sie wirbelte nicht direkt herum. Still verharrte sie, lauschte den Geräuschen der schlanken Yassalar, die ihr nicht viel verrieten, da sie so leise und bedacht waren. Mit den Worten der Schwarzhäutigen erhob sich Syrrlithe. Langsam und beherrscht, streng die Züge und eisig der Blick. Als sie stand, wandte sie sich leichtfüßig herum in die herrschende Stille nach Zarasshins Worten.
    "Ihr verlangt wirklich, was Ihr selbst verwehrt? Ihr hegt eine lächerliche Hoffnung." Der Versuch, die Stimme zu beherrschen, misslang und so traten ihre Worte einem Knurren gleich zwischen den zarten Lippen hervor. Syrrlithe war gekränkt. Und hinfort war die Neugierde und vergessen das Gefühl, sie als Gleichgestellte behandeln und Interesse an ihr bekunden zu wollen.


    Trotzdem beruhigten die Worte der Yassalar sie ungewollt. Sie ahnte also um ihr Wesen und kam nicht hinter dieses tödliche Geheimnis. Etwas, das Syrrlithe widerwillig erfreute, denn eigentlich hatte sie sich darauf konzentrieren wollen, dem Wesen vor sich die Konsequenzen ihres Handelns aufzuzeigen. "Beantwortet meine Fragen und ich Euch Eure ... Vielleicht, Zarasshin." Nur ein Hauch war ihr Name und der spottende Klang nicht zu überhören, der ihrem von eben gewollt sehr nahe kam.
    Doch um die Antworten ging es ihr schon nicht mehr. Lauernd stand sie vor ihr, der Absprung der Raubkatze war noch nicht erfolgt, aber der Drang dazu immer da. Sie wollte Zarasshin provozieren, das zeigte auch das kurze, verspottende Zucken des Mundwinkels. Sie wollte ihr Verhalten vergelten und damit deutlich zeigen, dass sie sich dieses nicht einfach so gefallen ließ und am Ende stillschweigend darüber hinweg sah.

  • Seltsamerweise war sie an ein Buch erinnert, das sie einmal in den Händen gehalten hatte, irgendwo an einem trockenen Ort. Ein Buch aus Papier, dessen Seiten aufgeklappt sich voneinander lösten, als der Sturm anhob, so dass die Finger dazwischen fahren konnten, jedes beliebige Blatt berühren, um den Inhalt den Augen zu offenbaren, damit man die Gedanken haften oder auch fliegen lassen ließ. Der Anfang und das Ende der Geschichte lägen bereit, wenn man erfahren wollte oder lieber unwissend zu bleiben wünschte. Sie hatte darin gelesen, die Hauptbeschäftigung der Weisheit bestünde darin, dass man das Gute und das Böse wohl unterscheiden vermochte.
    Endlich, endlich glaubte Zarasshin Seiten für sich geöffnet, das Schloss fiel klirrend zu Boden – nein! Dies spräche von Gewalt, hingegen es ihr dargeboten wurde wie hervor gelockt: eine dunkle, grollende Staubwolke erhob sich daraus. Zarasshin hatte verstanden, dass diese hier nicht alles hinnehmen würde; der Inhalt der Seiten zeigte sich, wenn man bereit dafür sei.
    Da haben wir es also, raunte die Schwester zufrieden. Als würde der Wind Seite um Seite bewegen, erhaschte sie verschwommen Schrift, las einzelne Worte nur … Es schien: mit aller Kraft schlugen die Versuchungen gegen die Härte des Einbandes und festigten das Gewebe mehr. Syrrlithes grollender Wille vermehrte den Schwung der Seiten, ihrer beider Vermessenheit klatschte die Überschriften hinzu, und die Intelligenz ihrer Weiblichkeit, vereint mit der Gewalt des stolzen Blutes, schuf eine elektrische Kraft … und die Yassalar bewunderte deren Geschick sich selbst zu zügeln: in den Muskeln, in dem Zittern des Leibes, da sah sie das Temperament der Yassalar in dieser zu hellen Gestalt. Bestaunte Zarasshin die bebende Beherrschung ihrer Stimme, die nicht allein physischer Natur war, sondern mehr wie ein Überlaufen viel zu reicher Gefühle, fand sie in den schönen Zügen nur Zufriedenheit.


    Zarasshins Daseinsberechtigung bestand nicht nur in ihrer kraftvollen und kämpferischen Ausstrahlung, sondern auch darin den Yassalar ihren Anteil an Hoffnungen und Täuschungen zu geben, hinter deren geopferten Wirklichkeiten ein Sieg stand, der ihnen gebührte. Manche dürstete es nicht nach Wahrheit, von den Tatsachen wandten sie sich ab, wenn sie ihnen nicht zusagten, um sich dann lieber verführen zu lassen. So, auch wenn sie stets um die Gewissheit wusste, dass sich vielleicht eine Täuschung darüber lagern wollte, tat sie oft ihr Bestes, diese zu nähren. Merkwürdigerweise musste sie nicht glauben, was sie wusste, warum also nicht ein wenig der Hoffnung hingeben? Ein Vielleicht war hier schon mal ein Anfang, nicht wahr? – und Zarasshin zufrieden es bekommen zu haben, denn wie oft wäre es schon um sie geschehen gewesen, wäre da nicht ein Tropfen gewesen, der Zuversicht versprach?
    Zarasshin, die leise lachte. Einmal dieses Unenträtselbare und nie wieder von hier an, eine Regung für diesen Morgen, ein Zoll, der entrichtet wurde für das Schöne, das man bewundern durfte. Die Erwartung platzte ihr fast die Haut, ihre Lippen, ihre Augen atmeten die Drohung ungezwungen ebenso ein sowie wieder aus. Es war ein vollkommener Moment, ein kostbarer Augenblick, in dem ihr Lachen auch wieder verklang.
    Zarasshin, die den Schwall der Bedrohung mehr ahnte, als empfand, der aus der Mondschönen lauerndem Verstand schoss, brandete er nur wie Wellen um sie herum, die der Stein in der Brandung war. Wie immer war es ihr eine Wohltat Macht zu beobachten, die herausschoss, packen, zerreißen, niederbrennen und vernichten wollte, alles beseitigen, was im Weg stand. Wenn es auch andere Lösungen gab, die Befriedigung lag immer nur darin, steigerte sie die Sicherheit; Macht, die ihr Schauder gönnte, als würde ihre Haut mit Säure übergossen – bei Zi'llail, sie kannte es ja. Es war herrlich anzusehen! Das Schicksal lächelte ihr selbst durch diese Gefährlichkeiten zu, flüsterte zu Zarasshin von Glück dieses Geschöpf heute Nacht getroffen zu haben. Die Äste der Bäume zeigten ihr die einzige Bewegung, deren Blätter den einzigen Ton.
    Kurz genoss Zarasshin noch einmal ihr eigenes Entsetzen, das sie tiefgründig für Syrrlithe empfand. „Gewiss tue ich das“, antwortete sie mild, sich dies nicht anmerken lassend, „warum auch nicht?“ Glied um Glied entspannte sie die Muskeln darin, zuletzt „Ich habe wohl genug erfahren.“ – und dir gezeigt von meiner Gabe, erzählt von meiner Stadt.
    Zarasshin beendete ihren Weg um Syrrlithe herum, bis sie seitlich zu ihr wieder stehen blieb. Knisternd war deren Feuer, wie es in ihrer Brust ein tosend-perlendes Echo fand. Standen hier etwa zwei Gegensätze, die sich glichen? „So wie Ihr es verlangt, handele ich nicht.

  • Ihre Augen wurde noch ein Stück schmaler und ihr Kopf ruckte leicht, als sie die andere mit den dunklen Augen fixierte, als könne allein ihr Blick sie an Ort und Stelle halten und ihr ihre Bewegungen versagen. Der Ton ihrer Stimme übte eine seltsame Wirkung auf sie aus. Zwar blieb sie noch immer angespannt, aber das Gefühl, die Schwarzhäutige jetzt und hier zerfetzen zu wollen, wurde mit jedem Atemzug schwächer. Was wohl nicht nur an dem Klang, sondern auch den Worten an sich lag. Anders als erwartet ging die Yassalar nicht auf ihre Provokation ein. Keine giftige Erwiderung auf ihre eigenen Worte und keine Hand und keine Waffe schnellte vor und wies sie in ihre augenscheinlichen Schranken. Syrrlithe war enttäuscht, aber gleichermaßen blieb sie wachsam. Was hatte die andere vor? Sie wurde misstrauisch und fragte sich einen Moment, ob sie zu impulsiv gehandelt hatte. Nein, das beschloss sie für sich. Nur reagierte die andere nicht so, wie erwartet, keine vorhersehbare Reaktion, nichts verriet ihre Gedanken.


    Sie hatte genug erfahren? Das hieß wohl nur, dass sie keine weiteren Fragen beantworten wollte. Syrrlithe sah gar nicht ein, dass sie schon mehr über sie wusste als andersherum. Sie wollte mehr über diesen Zauber erfahren. Sie spürte die Spannung zwischen ihnen nur zu gut und sog die Luft zwischen den Zähnen ein, als Zarasshin nun endlich neben ihr zum Stehen kam.
    "Und wie handelt Ihr dann?", wollte sie wissen, mit nun mehr leiser Stimme, die man ihr ob der Anspannung eben noch vielleicht nicht zugetraut hätte. Fließend machte sie einen federnen Schritt auf die andere zu, überwand den letzten Abstand, sodass nur noch eine handbreit sie voneinander trennte. Syrrlithe spürte das Knistern brennend auf ihrer Haut und schloss einen Moment die Augen, ehe sie Zarasshin unter einem dunklen Wimpernkranz hervor anschaute und die Lippen sacht zu einem Lächeln verzog. "Ich bin keine Zauberin", verriet sie dann, als wäre es eine Enthüllung, die von so großer Wichtigkeit war, um das Flüstern zu rechtfertigen, mit dem es über ihre Lippen drang. Das zumindest konnte sie wissen, hüllte diese Aussage sie selbst doch in einen dunkleren Schleier und Syrrlithe mochte es Dinge zu verschleiern. Wenn sie ihr nur endlich von ihrem Zauber erzählte.Gespannt sah sie sie an, wollte genauso mehr über die Hintergedanken ihrer Worte erfahren, obwohl sie schon davon ausging, dass sie auch hinter diese leider nicht kommen würde. Die Meeresfrau würde wohl ein Geheimnis bleiben, gewann an Reiz, wie ein Rätsel, das man endlich lösen wollte.



    ot: Entschuldige die lange Wartezeit und den sehr kurzen, unkreativen Post auf deinen sehr schönen. Aber besser so als noch vier Wochen warten hoffe ich :/

  • Wenn es am schönsten ist, soll man sich abwenden. Dieses Sprichwort gab es auch im Sternenmeer: die kostbaren Momente bewahren, bevor sie vergingen und man nur noch den schlechten gedachte, die folgten. Ich darf Mitleid haben. Eine grollende Trauer um sie, der eine sonderbare Begegnung mit mir zuteil wurde. Aber ich darf mir nicht die Freiheit einräumen, eine Verantwortung zu fühlen für ihr Schicksal. Denn das lag nicht in Zarasshins Hand, ebenso wenig wie ihres in der Mondschönen Beschluss.
    Keine logische Erklärung, kein mathematisches Gesetz, noch physikalische Zusammenhänge griffen hier ihr zu helfen zu verstehen, was ihnen hier geschah – sie sich hatte hinreißen lassen zu tun, zu sagen und zu zeigen. Immerhin keinen trockenen Atemzug wollte sie gelten lassen, dass sie ihren Vorteil aus den Augen verloren hätte, nur um zu spielen und zu genießen. Yassalar-Ehre, versteht sich; nichts gab es unentgeltlich auf dieser Welt. Immer wird man bezahlen müssen, fortwährend sehen, wo man bliebe. Deshalb lächelte Zarasshin, heute Nacht nicht. Nur dieses Mal gab es etwas unentgeltlich. Und bevor sich die Götter ein anderes überlegten, hieße es gehen, abtauchen und erinnern. Manchmal eben wurde das Sein auch transparent und dann schimmerten vergessene Wünsche und Ängste durch die Haut eines jeden, so auch bei der Yassalar: für kurze Augenblicke geweckt, war die unbekannte und freundliche Regung lediglich … zu gefallen und sich über Syrrlithes staunenden Blick zu freuen. „Anders als erwartet, mh?“, folgerte sie daraus sowie aus dem Laut, der zwischen den Zähnen pfiff, aber sie wich vor der jähen Nähe nicht – und noch, bevor sie mehr sagen konnte, entfloh ihr ein herzliches Lachen, ob der fadenscheinigen Enthüllung. „Gleich, was Ihr auch seid, Syrrlithe“, antwortete die Schwarze in einem spitzzahnigen Grinsen, „Es wird Zeit – für mich abzutauchen.
    Und doch fiel es ihr schwer sich loszusagen, so anziehend blieb die geheimnisvolle Gestalt. Kämpfe, erhebe dich, trotze! Ihr Wille warf nur aufgebracht den Stein ab, den man ihr aufgeladen. Es war nicht ihre aufgellende Enttäuschung, die sie über sich hinweg plätschern ließ, sondern etwas Unscheinbares – allein dort unten, entzückt in der Tiefe war, wonach es sich lohnte zu forschen und die Zeit alles zu überdenken. Möglich war es dann zu spät, wahrscheinlich nie wieder zu finden. In einer anderen Nacht sollte dies gelöst werden, vielleicht auch niemals mehr. Allein, sie wollte ihrer Schwäche trotzen, denn es war Unrecht, was die Natur sich dieses Mal hatte erdreistet.


    Schon stand mit einem Schritt ein Fuß im Nass des süßen Sees und es machte sie stärker als alles, was es sonst auf dieser Welt gab. Es waren nicht der Fremden Gedanken, die sie fürchtete, es war das Vernehmen des pochenden Rufs in ihrer Brust als Antwort auf Verlockungen … zu bleiben. Schmerzhaft, unbefriedigend und närrisch; während ihre Kiemen bereits erwartungsvoll flatterten. Geräuschlos und überzeugt von ihrer Kraft drehte sich Zarasshin nach einem letzten Augenaufschlag hinein. Und da war kein Zweifel mehr, nichts als Vollkommenheit, im Sein und Glauben.



    +++



    OT
    … und deshalb schreibe ich Zarasshin raus *umarm* es erscheint mir nicht richtig, dass du nur schreibst, weil du glaubst, du musst.
    So darf das nicht sein ;o) hab Freude am Schreiben und vielleicht fällt es dir mit jemand anderem leichter.

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