Zarasshins Sehnsucht hatte sich für einen Moment der Schwäche demaskiert. Das Weiche, das stets gestaltlos, unterdrückt und vermummt sein musste, hatte sekundenlang eine bestimmte Gestalt angenommen, die nun durchschimmerte und eine Yassalar, die es fürs Erste nicht zurück zu drängen wusste. Die gespaltene Persönlichkeit, die innere Schwester, wie Zarasshin sie nannte, die schon immer ihren Schatten durch die Haut warf – einen bleichen, verschwommenen, aber doch erkennbaren Schatten: auf die rechte Seite der Brust, auf die herzlose Hälfte – schwieg erfreulicherweise dazu. Diese verdammte nämlich das Weiche, das in dieser Rasse der Welt nichts zu suchen hatte, das sich in Ruhe bringen, ja vielleicht auch blenden ließ von einer Fremden. Doch lasst euch nicht täuschen: Zarasshin war immer wachsam.
Syrrlithe hatte sich von den Worten mitnehmen lassen, hinunter auf den Grund des weiten Ozeans, wirbelten anscheinend Bilder hinter ihrer Stirn; Zarasshin konnte es beinahe erahnen, wie die Stadt der Yassalar Form dort ebenso annehmen wollte, doch wenig Ansatz für ihre Wirklichkeit finden konnte. Was griffen da alles an Gedankensträngen ineinander, welche Erkenntnisse und welche Frage tollten da über das Gesicht? Zarasshin wusste es nicht zu sagen und fragen würde sie nicht. Und als die Mondschöne den Kopf schüttelte, bewegte auch die Yassalar leicht das Kinn, nein, das Sternenmeer bleibt dir auf ewig verwehrt – und kurz strömte ihr ein unbekanntes Bedauern in den Bauch, das daraus resultierte, dass sie sich flüchtig vorstellte, was ihr selbst bliebe, wenn die brillante Stadt ihr auf einmal versagt wäre.
„Ich habe von Feuer geträumt und es trieb mich hinauf zu den Sternen“, beantwortete Zarasshin ehrlich die Frage für die heutige Nacht; daran war nichts verwerflich, nichts Dunkles, geringfügig Spannendes. Was ihr Volk ferner dazu trieb an Land zu gehen, nun, dies bliebe verschwiegen, war hier nicht von Bedeutung … in Wahrheit: war es nicht für fremde Ohren bestimmt.
Da war es noch, nicht ganz betäubt, griff es nach ihr, tastete es nach dem Sinnen unter ihrer Haut, von dem Zarasshin vielleicht selbst nicht einmal wusste, dass es vorhanden war; wie Atemzüge tief drinnen, die nach Luft schnappten, während alle einen für tot hielten. Ihre Gedanken ließ die Dunkelheit ringsum noch dichter erscheinen … ich bin ein Fäulnisschimmer in der Schwärze eines Sumpfes, dachte die Yassalar ins Ungewisse.
Sekundenbruchteile empfand sie die ganze Trostlosigkeit, die ganze Vergeblichkeit, die ganze Müdigkeit … aber auch jeglichen Schmutz, mit dem ihr todbringendes Ich durchtränkt war, und die scharfen Gerüche verzweifelter, untergangstrunkener Angst des Traumes dieser Nacht. Todesschweiß, roch sie ihn zwischen ihren beiden Geisterleibern? Den Alptraum hatte sie mit ins Erwachen genommen. Hoffnungslos sog Zarasshin den widerlichen Geruch ein und aus und schickte den erbärmlich schwachen Fetzen wieder sterben.
Langsam ließ sie die Handkante zu Boden sinken, so langsam, um Syrrlithes Blick darauf zu ziehen. Eine filigrane Ranke aus Erde ließ sich, gleich einem Wurm, von der sich hebenden, schwarzen Hand mit nach oben nehmen – weniger Tuireanns Erdmagie, mehr die Magie der Erbauer von Zesshin Doraz, wie es den Yassalar bereits stark in die Wiege gelegt wurde. Dies hier benötigte wenig an Kraft, nur Konzentration und … eine geringfügige Prise an Zuneigung.
Dem schwarzen Finger mit der krallengleichen Zuspitzung folgte der, nur scheinbar instabile Trieb, ließ sich krümmen und in einen Bogen führen, Dornen wuchsen ihm dann aus der Spitze, eine Krone, die lebendig wuchsen, bis sie sich strudelnd ineinander flochten.
Zufrieden belächelte Zarasshin das kaum eine Handlänge hohe Ding und die innere Stimme grunzte nun fletschend fragend, was die Spielerei hier sollte. „Manches Mal, Syrrlithe, muss man sich abwenden, um die Heimat schätzen zu können.“ Die Gedanken klären vom Schlick, um wieder zu wissen, zu was man zurückkehrt.