Der Schein konnte trügen: was untrüglich gerade durchgeschienen, war weder Realität, noch Wunsch – die Yassalar konnte sich keine Freunde erlauben, selbst wenn es sie danach verlangen würde. Sie stützte sich auf sich selbst, sie gab sich Rat und sah in abertausend Wassertropfen nur die Welle, die gegen sie drängte. Zarasshin wusste nicht, wie es war den Kopf anzulehnen, um auszuruhen, eine Entscheidung einmal in geliebte Hände zu legen oder um ihrer selbst willen geschätzt zu werden. Zi’llail behüte uns, würde sie vorlaut abwehren und doch nicht wissen, wovon sie sprach. Sie wusste aber um die Yassalar und, dass ein einmal falsch gewähltes Vertrauen den Untergang bedeuten konnte.
Selbst Tuireann, die Zarasshin besser zu kennen schien, als jeder andere, war sich bewusst, wie zerbrechlich die Bindung zwischen ihnen war: als zitterte man unter der Beobachtung eines hängenden Tropfens, wann er denn fallen würde und nicht ob er es tat. Dies stand außer Frage. Zarasshin entschied meistens nach ihrem eigenen Vorteil und nichts schien wichtiger und alle Hoffnung, die Suna fühlte, kannte Tuireann nicht.
Und Erdfee sowie Meereswesen hörten genau zu. Uns interessieren die Landwesen auch, dachte Zarasshin, pflichtete bei und sagte sich, dass es eben diese Hartnäckigkeit wäre, die deren Untergang bedeutete, denn folgerichtig verhieß das Meer ihnen den Tod. Weshalb nicht einsehen, dass das Unterwasserreich nicht noch einmal mehr aufgeteilt werden brauchte? Eindringlinge waren sie – liefen sie auf dem Grund und Boden der Yassalar, der überschwommen gehörte. Zu gerne hätte sie ihnen eine Handvoll Erde mit dem Hinweis entgegen geschleudert, dass dies kein Land zum Laufen sei, doch Tuireanns Stimme hielt sie davon ab.
„Das bedeutet“, folgerte Tuireann, während sie kopfüber vom Eingang hing, „dass er außerhalb der Kuppel geboren wurde.“ Die Haut wie Borke ihrer Wangen verzog sich unter ihrem Grübeln. „Weshalb hast du ihn hier nach unten gebracht, Suna?“ Besprochen wurde der Mann, als wäre er gar nicht da.
„Hast du nicht bedacht, dass sein Leben in der Fremde der Tiefe kläglich sein wird?“, hakte auch Zarasshin nach, die das Innere des Turms musterte und nach der Erdfee griff, die sie von den Steinen klaubte und in ihren Zopf setzte – „Das meinte ich nicht, Zara“, entgegnete Tuireann, die jetzt an dem dicken Strang zwischen Muscheln baumelte.
„Ich auch nicht.“
Die Wasserfee hatte noch mit keinem Wort ihre Gründe erklärt, was sie speziell in diesem gesehen hatte, um seinen Wert für sie zu erklären; und was da gewesen sein musste, war versickert im Erdreich des Sternenmeers.
„Gebt mir Eure Hand, wandte sie sich wieder an den Trockenen und öffnete die schwarze Klaue mit der Handfläche nach oben, deren Umrisse man außerhalb der Pforte eben noch erahnen konnte … wohl ersichtlich aber die Krallen, die leicht nach innen gebogenen, kleinen Dolche. Sie fächerte die Finger leicht und die zart mit Schwimmhaut bewebten Zwischenräume mochten verhindern, dass er seine Finger ganz mit ihren verflechten wollte. Das halbe Lächeln zeigte eine Ahnung des Glanzes ihres Haigebisses … eine Herausforderung, der Zweifel darin, dass er es nicht ohne Zögern wagen würde nach ihrer Hand zu greifen. Trotz der heimlichen Schatten auf ihrem Sein, trotz manch auffälliger Zeichen, war Zarasshin so herrlich lebendig und freundlich, so zauberhaft fähig in ihrem Gebaren, dass man die tödliche Kraft darüber vergessen konnte. Stellt er nun unter Beweis, was seine Fee in ihm sieht?, wisperte es in ihr, schallte von einem Ohr zum anderen, nahm Zarasshin in den Würgegriff ihrer Wachsamkeit.
Ihre silbernen Augen hoben sich schwer ihm zu, fixierten die Beute, denn schnell kniffen sich ihr die Augen wieder zusammen, denn immer war es, als lauere ihr etwas auf, wenn sie es zuvor nicht genau besah. Nichts, wogegen sie sich noch wehren könnte, der stets lauernde Verrat in ihren Reihen, ließ sie beharrlich auf das völlig Unvorhersehbare prüfen.