Eine fremde Welt

  • Der junge Mann ging in lockeren Schritten voraus, auf einen der Tische zu. Dort entledigte er sich seiner Last. Tári folgte ihm, nahm ihre Tasche von der Schulter und stellte sie neben sich ab. "Gut.", bestätigte sie seine gemurmelten Worte. Celeb hatte sich bereits mit freudig wedelndem Schwanz zu ihrer Seite gestellt. 'Nun mach schon was er gesagt hat!', drängte er. Mit einem Schmunzeln packte sie den fleischigen Knochen aus und gab ihn dem großen Hund ohne Umschweife. Celeb packte zu und suchte sich ein ruhiges Plätzchen etwas Abseits zu den Tischen. Die Halbelfe richtete das Verpackungspapier sorgsam zusammen und legte ihre Tasche darauf um es anschließend zu entsorgen.
    Von den Baumkronen zwitscherten immer wieder Vögel hinab, man hätte doch fast vergessen können sich in einer Stadt zu befinden.
    Interessiert betrachtete sie Tamrin bei seinen geschickten Handgriffen, um dann irritiert auf den Dolch zu blicken, welcher nun im Brot steckte. Dennoch bemerkte sie, dass Tamrin inne gehalten hatte. Was hatte es nun mit dieser Geste auf sich? Mit einer hochgezogenen Augenbraue starrte sie den Bruchteil eines Moments darauf, ehe sie danach griff und sich mit geraden Kannten Brot und Käse abschnitt. Sollte sie sich falsch verhalten haben, so würde er ihr es vielleicht sagen - beschloss sie für sich. Immerhin taten es alle... nein - viele andere auch.
    Sie steckte den Dolch wieder in den Brotlaib.
    "Ich hoffe es wird Euch schmecken.", murmelte sie, zupfte sich ein Stück aus ihrer Brotscheibe und führte dieses zum Mund. Ihr Hunger war nun gewaltig angewachsen und so freute sie sich doch sehr, ihn endlich stillen zu können. Kurz darauf waren nun von dem Hund schmatzende Geräusche zu hören...

  • Kurz bevor Tamrin seine Begleiterin schon fragen wollte, ob sie denn nicht auch hungrig sei, griff diese dann doch nach dem Dolch und säbelte sich ebenfalls Brot und Käse ab. Er fragte sich kurz, ob es ihr vielleicht zu rustikal war, sich Brot und Käse in größeren Brocken herunter zu schneiden ...... immerhin hatte sie gesagt, sie sei wohlhabend. Aber wie passte ihr Aufzug dazu ? Und die Selbstverständlichkeit, mit der sie den blutigen Knochen anfasste und an den großen Hund abtrat ? Er verschob die Lösung dieses neuen Rätsels auf später - er war WIRKLICH hungrig jetzt und biß herzhaft abwechselnd in Brot und Käse. Kaute langsam und prüfend und nickte dann fröhlich. "Schmeckt wirklich gut.", lobte er nachdem sein Mund zumindest halbwegs leer war. Es war nicht der typische Geschmack von zuhause - das Brot war etwas lockerer und nussiger im Geschmack, der Käse intensiver - aber es war im Rahmen dessen, was man erwartete, wenn man von Käse und Brot sprach und zumindest diese Neuorientierung sollte keinerlei Probleme verursachen, war Tamrin sich ziemlich sicher. Streng rief er sich selbst ein wenig zur Ordnung. Immerhin musste er seine Worte ja nicht ähnlich geräuschvoll bekunden, wie der Hund. Trotzdem grinste er breit bei dem lauten Schmatzen, dass von dessen Position her klang und biß, dieses Mal gemäßigter, ebenfalls wieder in sein Brot.


    Eine ganze Weile herrschte Stille zwischen ihnen - abgesehen von den Geräuschen des Hundes - aber Tamrin empfand es als angenehmes Schweigen, wie es vorkommen kann, wenn man zusammen etwas getan hat und einträchtig beieinander sitzt. Zwischendurch löste er seinen Trinkschlauch und nahm einen Schluck und als er mit seinen Stücken fertig war, wartete er diesmal geduldig, bis auch Tári ihre Stücke verzehrt hatte. Eher aufgepickt, amüsierte er sich heimlich etwas, aber so schmal wie sie war, war es eigentlich keine große Überraschung, dass sie eher aß wie ein Vogel. Gesättigt war es irgendwie einfacher, an die Manieren zu denken, auf die seine Mutter manchmal Wert gelegt hatte, gestand Tamrin sich ein, als er die Papiertüte mit dem Obst öffnete und Tári einladend entgegen hielt. Er nahm sich einen der Äpfel, die sie zugunsten einer Birne verschmäht hatte, und biß gesittet hinein, nachdem er die Tüte wieder verschlossen und ihn etwas an seinem Mantel abgewischt hatte. "Sagt, Tári, wie viel Zeit könnt Ihr heute noch für mich erübrigen ?", hielt er nun den Zeitpunkt für geeignet, zwischen zwei Apfelbissen wieder ein Gespräch zu beginnen. "Je nachdem würde ich Euch bitten, mir nur noch ein paar Worte beizubringen und mir aufzuschreiben oder vielleicht doch noch einen Abstecher zu diesen Hallen des Wissens zu machen."

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    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

    Einmal editiert, zuletzt von Tamrin ()

  • Normalerweise gab Tári nichts auf das Lob anderer. Dennoch freute sie es etwas, dass Tamrin Geschmack an Perrams verkauften Lebensmitteln fand. "Perrams Sortiment umfasst viele Produkte, gefertigt aus Erzeugnissen aus den Ländereien Alizars. Meiner Heimat.", erklärte die Halbelfe ruhig, ohne zu wissen warum sie Tamrin das erzählte. Sie tat es einfach. Und es irritierte sie etwas, dass sie es tat.
    Das war auch der Grund warum sie den in die Jahre gekommenen Mann gerne aufsuchte. Es war die Erinnerung an zu Hause und an ihr Mütterchen. Die auch ständig irgendwelche Kräuter zum trocknen hängen hatte. Ebenso hatte sie selbst einiges hergestellt. So sah und roch es zeitweise schon sehr nach der kleinen Hütte, etwas abseits eines Dorfes nahe des Waldes.
    Sie schüttelte die Gedanken rasch ab, würde nur 'Heimweh' folgen. Während des Essens lauschte die junge Frau dann den Geräuschen des Parks. Es störte sie nicht, dass Tamrin nicht sprach sondern sich eifrig dem Essen widmete.
    Mit dem was Tári sich abgeschnitten hatte war sie gut bedient dennoch, als Tamrin die Papiertüte öffnete kam ihr der Birnengeruch sogleich entgegen. Sie war überzeugt davon, dass sie saftig und süß sein musste und so nahm sie sich eine von jenen. Während der junge Mann noch mit der Auswahl und dessen 'Säuberung' beschäftigt war, hatte sie schon in die Birne gebissen...
    "Wie Ihr wollt, ich habe heute nichts mehr zu erledigen.", antwortete sie ihm nachdem sie hinuntergeschluckt hatte.
    Um erneut in den Wald aufzubrechen war es zwar nicht zu spät, dennoch war dem Drang nach Bewegung heute mehr als die letzten Tage nachgegangen worden. Auch war sie etwas neugierig darauf, was Tamrin nicht noch alles einfallen würde. "Also...was wollt ihr tun?"

  • Nachdem Tári ihm wohl tatsächlich den restlichen Tag zur Verfügung stehen wollte, dachte Tamrin kurz darüber nach, was wichtig für ihn wäre. Darüber verschwand der Apfel in seinem Magen und ganz automatisch griff der junge Mann sich einen kleinen Lederlappen aus seinem Umhang, träufelte ein wenig Wasser darauf und säuberte sorgfältig den Dolch - nicht ohne sich zuvor noch ein mundgerechtes Stück Käse zu stiebitzen. "Eure Heimat müsst Ihr mir irgendwann einmal zeigen, Tári.", sagte er, während er den Dolch wieder an seinem Platz im Gürtel verstaute. "Wenn ich hier etwas Fuß gefasst habe." er lächelte sie an und wickelte Brot und Käse wieder ein, um sie zur Seite zu legen. "Wisst Ihr, ich denke, ich könnte im Seeviertel eine bezahlbare Bleibe finden. Ein leeres Zimmer würde vorläufig genügen. Vielleicht könnt Ihr mir dafür die Worte für 'Mein Name ist' und die Zahlen von eins bis zwölf beibringen. Und mir die Sätze 'Ich suche eine Bleibe.' und 'Habt Ihr ein freies Zimmer ?' aufschreiben. Selbst wenn dort nicht alle Lesen können, ich werde mich besser an die Sätze erinnern, wenn ich sie ablesen kann, versteht Ihr ?" Er seufzte leise, weil ihm auffiel, dass es ein Nachteil war, die nur die elfische Sprache sprechen zu können. "Könntet Ihr Euch vorstellen, mir hinter eine Liste von Buchstaben und den entsprechenden elfischen Buchstaben - dahinter den in Bereliarnai zu setzen ?", fragte er Tári erwartungsvoll.

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  • "Wenn Ihr sie kennenlernen wollt, werde ich sie Euch gerne zeigen.", sagte sie in freundlicher Tonlage - welche nun schon länger vorherrschte. Leise sehnte sie sich schon die Zeit herbei, wenn der Stall leer war und ihre Tante nach neuen Pferden verlangte. Tári hoffte darauf, dass ihre Tante die sie schicken würde. So könnte die junge Frau ihre Familie besuchen und auch mal wieder etwas abseits der großen Stadt sein. Aber noch war es nicht so weit und so trug sie diese Hoffnung noch tief in sich vergraben.
    "Natürlich kann ich das tun.", bestätigte sie. "Bei den elfischen Schriftzeichen muss ich sehen ob ich das fehlerfrei hinbekomme, aber in Belerianai ist es kein Problem... Habt Ihr etwas zu schreiben bei Euch?" Sie ging kurz den Inhalt ihrer Tasche durch. Wenn sie längere Zeit unterwegs gewesen war, hatte sie oft Papier und Stift dabei. Aber nicht seit sie bei ihrer Tante war. "Und beginnt ihr die Buchstaben aufzuschreiben, welche es zu ergänzen gilt?"

  • "Ja, natürlich." Sofort begann der junge Mann, den Inhalt seines Rucksacks nach einer in Leder geschlagenen Kladde zu durchsuchen. "Ist es eine lange Reise bis in Eure Heimat ? Bis Alizar ?", erkundigte er sich dabei bei seiner Begleiterin. Fündig geworden legte er das Buch auf den Tisch. An einem stabilen Seidenfaden war eine Schreibfeder an der Kladde befestigt, doch Tamrin holte einen etwas abgenutzten Bleistift zusätzlich aus dem Rucksack hervor. Schon während er die Kladde aufschlug und sich ein Blatt Pergament zurecht legte, überlegte er fieberhaft, wie man es am Besten angehen könnte. Schließlich listete er in saubere Schrift in zwei Reihen mit genügend Abstand mindestens 30 Zeichen untereinander auf. Dies war die allgemeine Handelssprache seiner Heimat - und wenn Tamrin des Elfischen in geschriebener Form auch nicht in Perfektion mächtig war - so kannte er natürlich doch die einzelnen Buchstaben. Sorgfältig ergänzte er das vollständige Buchstabenensembel mit den elfischen Schriftzeichen, die er kannte. Auf dem Kopf des Blattes ergänzte er seinen Namen - in seiner Sprache und auseinander geschriebenen Buchstaben. Darunter folgte derselbige abermals - dieses Mal in elfischen Schriftzeichen. Noch einmal besah er sich sein Werk. So müsste es doch eigentlich zu bewerkstelligen sein, befand er und drehte Kladde und Blatt zu Tári um. Er zwang sich dazu, Tári das Blatt in Ruhe studieren zu lassen bevor er seinerseits den Kopf wieder mehr darüber beugte und mit dem Finger auf die Schrift seines Namens zeigte. "Tamrin Farepoynt." erklärte er, was Tári sicherlich ebenfalls schon gelesen hatte - nur in Elfisch natürlich. "Schreibt Ihr es auch so getrennt in Bereliarnai darunter ?", bat er sie. "Dann könnten wir diese Buchstaben über das elfische Schriftzeichen der Entsprechung in einer Sprache zuordnen, die ich kenne." Er hob den Kopf und lächelte sie mit strahlenden Augen an, als habe er gerade ein wichtiges Rätsel gelöst, dass nur sie beide ganz allein betraf und legte den Bleistift vor sie hin. "Seht Ihr ? Es ist eine Entschlüsselung - 'T' in meiner Sprache ..." Tamrin deute jeweils mit dem Finger darauf. " 'T' in Elfisch ......... und in Bereliarnai ?"

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

    Einmal editiert, zuletzt von Tamrin ()

  • "Alizar liegt ziemlich genau in der Mitte der Insel... Es sind einige Tage zu Pferd bis an die Grenze. Dann noch ungefähr drei Tage um das Dorf zu erreichen.", antwortete sie und betrachtete ihn bei seiner Suche. Auch studierte sie die Utensilien, welche er aus seinem Rucksack holte, sowie seine Gesichtszüge als er in seinen Überlegungen vertieft war. Auch wandte sie den Blick nicht ab, als er begann ihr unbekannte Zeichen auf das Stück Pergament zu zeichnen. Ruhig wartete sie ab bis Tamrin scheinbar zufrieden war mit seinem Werk und es ihr zudrehte.
    Die Zeichen der Elfen waren ihr vertraut, auch wenn ihre Aussprache unterschiedlich war, so waren die Zeichen gleich. Sie nickte kurz auf seine Frage hin, ob sie es in der Inselsprache ergänzen würde. Sie hob den Kopf, als der junge Mann den seinen hob, und sah wie sehr seine Augen strahlten. Blitzte eine gewisse Freude auch in ihren Augen? Der Moment verstrich rasch, denn sogleich richtete sie ihre Augen wieder auf das Pergamentblatt, welches vor ihr ruhte. Tári ließ Tamrin ruhig seine Erklärungen ausführen obwohl sie recht schnell meinte begriffen zu haben. Es war wahrlich ein gutes System, welches sich der junge Mann auf die Schnelle einfallen hatte lassen. So lernte er auch gleich noch weitere elfische Schriftzeichen, überlegte sie für sich. "Ich verstehe.", bekannte sie und griff nach dem Stift. Sie setzte bei dem 'T' an und lies mit dem abgenutzten Bleistift das Schriftzeichen der Inselsprache auf dem Pergament entstehen. So ergänzte sie den Namen des jungen Mannes in den Abständen, die er sich wünschte. "Tamrin Farepoynt in Beleriarnai...", sagte sie zu ihm und betrachtete bereits die anderen Zeichen, welche er zu kennen schien. Elf hatten sie ja bereits mit dem Namen von Tamrin abgearbeitet. Danach ging sie zu den Zeichen über, welche keine elfischen Zeichen hinter sich aufweisen konnten. Sie ließ sich von ihm erklären, um was für einen Buchstaben es sich handelte und zeichnete ihm das elfische sowie das belerianaische Schriftzeichen dahinter. Bei manchen viel es ihr nicht so leicht, wie bei den meisten anderen Zeichen. War es doch schon lange her, dass sie von ihrer Mutter darin unterrichtet wurde. Mit geschlossenen Augen suchte sie nach den Erinnerungen zu jenen elfischen Zeichen. Ihre Beharrlichkeit zahlte sich aus, denn jedes der Symbole fiel ihr wieder ein. Die Sammlung war komplett und sie überlegte kurz, es einmal in seinen Zeichen zu versuchen. In der Luft malte sie das 'M' nach um dann fest zu stellen, es Tamrin lieber selber machen zu lassen. Sie schob ihm das Blatt zu und ließ es ihn in aller Ruhe ansehen. "Ist es Euch so recht? Dann könntet Ihr die Sätze notieren, welche Euch von Nutzen sein können?"

  • Es war wohl eine recht vergnügliche Zeit, die Tamrin und Tári dort miteinander verbrachten und hätte sie jemand auf seinem Spaziergang durch den Park zufällig gesehen und ein unbeschwertes Gemüt gehabt, so wäre er vielleicht stehen geblieben und hätte den beiden jungen Leuten amüsiert einen Moment lang zugesehen, wie sich sich hin und wieder überdeutlich einzelne Laute - die von Tári wären für ihn wohl als Buchstaben zu erkennen gewesen - vormachten und irgendwann wieder einträchtig die Köpfe über einem Blatt Pergament zusammen steckten, auf dem die junge Frau etwas hin zu schreiben schien. Der junge Mann in fröhlicher Unbekümmertheit, die junge Frau mit faszinierender Mischung aus ernsthafter aber entspannter Eleganz.


    Schelmisch funkelte Tamrin Tári an, als sie am Ende mit dem Finger ein erineanisches M in die Luft zu malen begann und kommentierte es laut mit "Mmmmmmmm", um direkt danach die Stirn in Falten zu legen und ein etwas entäuschtes Seufzen vernehmen zu lassen. "Schade, dass diese Sprache Euch nichts bringen wird - sonst könnte ich sie Euch als Gegenleistung für Eure Spracheinführungen anbieten, Tári.", sagte er bedauernd während er mit lässiger Selbstverständlichkeit seinerseits den Buchstaben in die Luft schrieb. Konzentriert fuhren seine Augen über das beschriebene Pergament nachdem sie es ihm wieder zum Lesen umgedreht hatte. Das würde bestimmt eine echte Hilfe sein, gerade jetzt am Anfang, wenn er auf sich allein gestellt die fremde Schrift würde irgendwo entziffern müssen. Und so nickte er nur auf Tári's Frage. "Es ist unbezahlbar für mich.", gestand er beinah ehrfürchtig, aber das kam der Wahrheit sehr nahe. Denn es war in höchstem Maße unwahrscheinlich, dass er irgendwo auf dieser Insel ein Buch hätte kaufen können, aus dem man Bereliarnai auf der Grundlage der Allgemenen Handelssprache seiner Heimat hätte erlernen können. "Aber wollt Ihr bitte die Sätze für mich aufschreiben ?" Er drehte ihr die lederne Kladde wieder zu. "Es ist noch Pergament unter diesem." erklärte er dabei beiläufig. "Euch geht es leichter von der Hand und überdies könntet Ihr mir zusätzlich schon einmal die Zahlen zum Üben aufsagen.", bat er sie.

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Als Tamrin Tári den Buchstaben so gedehnt vorsagte zuckte ihr Ohr aufgrund des ungewohnten Lauts. Leicht legte sie den Kopf schief, doch das Hallen in ihren Gedanken endete jäh als der junge Mann enttäuscht seufzte. Er hatte Recht, sie hatte diese Laute auf der Insel noch nie gehört. Auch nicht in der Stadt, so war sie gewiss, sie würde es nicht brauchen. Nicht jetzt, nicht hier.
    Tamrin schob ihr die Kladde erneut zu und sie folgte seiner Bitte. Sie erwählte das neue Pergament. Ehe sie zu schreiben begann, zählte sie ihm die Zahlen von eins zu zwölf auf. Sie sprach langsam und deutlich, ab der Zahl drei. Eins und zwei hatte Tamrin ja bereits bei Perram gelernt gehabt. Sie wiederholte, ebenso deutlich und ließ ihm dann die Zeit sich mit den Worten zu spielen... laut oder in Gedanken, wie ihm beliebte.
    Ihre Aufmerksamkeit war danach auf das Blatt vor ihr gerichtet. "Ich suche eine Bleibe.", sagte sie und begann zu schreiben. Auf dem Pergament entsandt genau dieser Satz, welchen sie in elfisch ausgesprochen hatte nur in der Schrift der Insel. "Habt Ihr ein freies Zimmer." Auch dieser Satz wanderte wie der Erste, geschrieben auf das Pergament. Sie sah von dem Blatt hoch "Eins, zwei...", auffordernd sah sie Tamrin an.

  • Aufmerksam hörte Tamrin auf die Zahlenfolge, die Tári ihm vorsagte und wiederholte sie mehrfach halblaut für sich. An die erbetenen Worte, die Tári währenddessen auf dem Pergament niederschrieb, verschwendete er zunächst keinen Gedanken. Immer wieder ging er die Kolonne durch und, wenn auch grinsend, gehorsam auch laut als sie ihn dazu aufforderte. " ... drei, ffier, .... " Für seine Ohren klang es dem, was die blonde Frau ihm vorgesagt hatte, ziemlich ähnlich - aber ihm wurde auch bewußt, dass es wohl eine sehr lange Zeit benötigen würde, bis seine völlig anders geschulte Zunge all diese Worte akzentfrei würde hervorbringen können. Fragend sah er Tári an, ob auch sie mit seinen Zahlen einverstanden war und sie sich den Sätzen würden zuwenden können.

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Für das Empfinden der Halbelfe, lernte Tamrin schnell die genannten Worte in der ihm fremden Sprache auszusprechen. „Sehr gut, ich denke man wird verstehen was Ihr meint.“, nickte sie. „Je länger ihr Euch mit der Sprache beschäftigt umso leichter wird sie Euch fallen. Für Eure ersten Versuche finde ich gelingt es Euch schon sehr gut.“, sprach sie aus was sie dachte. „Und nun?“, fragte sie als sie kurz den fragenden Blick des hochgewachsenen Mannes wahrnahm.

  • "Ja, ich denke, ich werde es am Schnellsten lernen, in dem ich anderen beim Sprechen zuhöre. Und selber versuche, in der Sprache zu reden. Aber ein paar Worte sollte ich vorher kennen." bestätigte Tamrin ihre Worte, nachdem sie mit den Zahlen offenbar einverstanden war. Er drehte die Kladde ein Viertel herum, so dass er die Worte mit seitlich gelegtem Kopf besser sehen konnte. Mit einem Finger deutete er auf das erste Wort. "Ich ...?", fragte er. Dann legte er den Zettel mit den Buchstabenreihen in den verschiedenen Spprachen oben über das neue Pergament und suchte dort die Buchstaben des Wortes. "Ich ...", wiederholte er konzentriert. "Könnt Ihr mir die anderen drei Worte des Satzes noch einmal langsam vorsprechen ?" bat er und deutete auf das zweite Wort. "Dies klingt so ähnlich, stimmts ? Es ist derselbe Laut ... ch.

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Während der junge Mann die Ausrichtung der Kladde veränderte, schob sich Tári ihren Fuß unter den Po. So kam sie etwas höher zu sitzen und sah auf das Wort, welches ihr mit einem Finger angedeutet wurde. Erstaunt blickte sie auf als Tamrin 'ich' in ihrer Sprache sagte und sie nickte bestätigend. Sie wusste gar nicht auf welche Frage sie nun zuerst eingehen sollte. „Ja es ist derselbe Laut…“, bestätigte sie erneut. „Also zu den weiteren Wörtern... …suche… eine.. Bleibe..., sprach sie. Dabei deutete sie ihm die Wörter an und sprach wie er gebeten hatte langsam und deutlich. „Ich suche eine Bleibe... nun du...“

  • Überrascht zuckten Tamrin's Augen von Tári's feingliedrigem Finger auf dem Pergament hoch zu ihrem Gesicht mit dem konzentrierten Ausdruck darin. Hatte sie ihn da gerade wirklich so vertraulich mit Du angesprochen ? Nicht, dass es ihm unangenehm gewesen wäre - im Gegenteil. Das wäre eine glatte Lüge gewesen, denn auch er empfand die Nähe, die diese absurde Situation zwischen ihnen geschaffen hatte. Aber Du war in seiner Welt unter Erwachsenen schon mehr als eine Vertraulichkeit - fast eine Intimität und Tamrin kannte überhaupt nur zwei erwachsene Personen, die sich ganz ungezwungen jederzeit damit ansprachen - seine Eltern. Aber die Idee, dass Tári ihn als Kind sehen könnte, war noch absurder. Sie war kaum älter als er, wenn überhaupt. In Sekundenbruchteilen entschied er, sich nichts anmerken zu lassen. Keinesfalls wollte er die positive und für seine Belange auch unbestreitbar produktive Stimmung zwischen ihnen durch eine peinliche Situation zerstören. Seine Augen kehrten zurück zu ihren schlanken Händen und dem Pergament, aber brauchte einen Moment, um sich wieder zu fangen und auf die Worte konzentrieren zu können, weil er spürte, dass seine Wangen sich erhitzt hatten. "Ich ...." abermals setzte er an. "Ich suuche e-i-n-e ...." immer wieder glitten seine Augen zwischen dem Satz und den Lauten auf dem anderen Pergament hin und her. "Ich suuche eine Bi ..... Blei-bee." brachte er schließlich hervor. Still lächelte er gegen das Pergament, hob dann den Kopf und sah Tári direkt an. "Ich suuche eine Bleibe."

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Tári hatte bemerkt wie Tamrins Augen von dem Pergament abwanderten und er sich gedanklich gerade mit etwas zu befassen schien. Dennoch entging ihr ein weiteres Mal komplett worum es sich dabei handeln könnte. Kurz schielte sie aus den Augenwinkeln zu ihm hinüber. Sein Blick wanderte wieder auf das Stück Pergament und so legte sie den ihren ebenfalls wieder darauf. Ruhig wartete sie bis Tamrin begann den Satz zu wiederholen. Aufmerksam lauschte sie seinen Versuchen und der doch sehr richtigen Wiedergabe. Sie lächelte und blickte ihn kurz an. "Mhm, sehr gut.", bestätigte die Halbelfe. So lies sie ihren Finger zu dem nächsten Satz wandern. "Habt...Ihr...ein...freies...Zimmer?", sprach sie wieder langsam und sehr deutlich. "Habt Ihr ein freies Zimmer?", wiederholte sie ebenso deutlich. "Nun?", auffordernd sah sie kurz auf.

  • Tamrin lächelte auf das Pergament hinunter und hob sacht die Hand. Die Geste sollte Tári ein wenig beschwichtigen. Vielleicht war es nun auch genug, er hatte das unbestimmte Gefühl, dass die junge Frau allmählich etwas ungeduldig wurde. Er konnte es ihr nicht verdenken, es gab mit Sicherheit anregendere und spannendere Beschäftigungen als dieses mühevolle Erarbeiten jeden einzelnen Wortes - ja Lautes. Und ein in seinen Augen recht zufriedenstellender Grundstock war zunächst einmal gelegt. Immer wieder huschten seine Augen zwischen den Blättern hin und her, versuchte er im Kopf den einzelnen Zeichen die entsprechenden Laute zuzuordnen, die er aus Tári's Mund zu ihnen gehört hatte. "Chabt Ihrr ein freies Zsimmer ?" sprach er endlich. Noch einmal flog der Blick hin und her. "Habt Ihrr ein freies Zimmer ?" wiederholte er dann. Vergnügt blinzelte er seiner Begleiterin zu, weil er sich ziemlich sicher war, dass dies nicht weit weg war von dem, was sie ihm vor gesagt hatte. "Ich glaube, ich habe Eure Geduld für den Augenblick mehr als genug ausgereizt, Tári." befand er dann, nachdem sie sich geäußert hatte. "Was meint Ihr? Wollt Ihr noch etwas essen ? Oder wir laufen sofort ein wenig durch den Park - vielleicht zu der Akademie ? Wenn es dahin einen passenden Weg gibt. Ein wenig Bewegung würde mir den Kopf wieder frei machen.", gestand er offenherzig.

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

    Einmal editiert, zuletzt von Tamrin ()

  • Wie schon bei der Geste mit den beiden Händen bei ihrem ersten Aufeinandertreffen, wusste Tári auch mit dieser nicht sonderlich viel anzufangen. Sie dachte einige Momente darüber nach... War sie zu forsch gewesen? Sie legte den Gedanken bei Seite, danach fragen wollte sie nicht - noch nicht, vielleicht. Die Halbelfe betrachtete etwas verstohlen das Augenspiel von Tamrin, wie sie über die Blätter hin und her sausten. Als der Mann ihr gegenüber zu sprechen begann horchte sie aufmerksam auf. Er hatte ein sehr gutes Gehör, fand sie. Oder war es normal die Sätze so schnell korrekt wieder zu geben? Sie wusste es nicht und was lohnte es darüber nachzudenken. Er lernte ihrer Meinung nach rasch. Wieder so eine Geste, diese verwendete er öfter - dieses Augenblinzeln. Langsamer als zuvor suchten ihre Augen das Pergament auf um den Blickkontakt zu unterbrechen. Sie hatte selbst noch einiges zu lernen und normalerweise interessierte es sie nicht. Aber mit dem Auftauchen des jungen Mannes, stellten sich ihr unbewusst Fragen, die sie vielleicht sogar beantwortet haben wollte. "Ja, wunderbar.", bestätigte sie seine Aussprache.
    "Von mir aus können wir gleich aufbrechen. Außer Ihr wollt noch etwas essen…? Ich brauche gerade nichts.", sagte sie und zog sich die Kladde nochmal herbei. 'Mein Name ist...' Schrieb sie noch rasch darauf. Das hatte er zuvor auch angefragt und schaden konnte es nicht, es dort stehen zu haben. Sie schob ihm seine Sachen vorsichtig über den Tisch zu. "Durch den Park zur Akademie also?" Sie begann in ihrer Tasche zu kramen und holte eine Handvoll Nüsse und Samen hervor, welche sie auf die Bank legte. So schön der Park auch war, konnte er nicht mit dem Reichtum des Waldes aufwarten und so brachte sie den im Park ansässigen Eichhörnchen immer wieder von ihren Streifzügen etwas mit.

  • "In Ordnung!", willigte Tamrin ein und wartete geduldig ab, bis Tári noch drei weitere Worte unter die beiden Sätze gesetzt hatte. Kurz musterte er diese, bevor er das Pergament mit den einzelnen Buchstaben sehr sorgfältig zusammenrollte und in eine mit Leder verstärkte Falte im Ärmel seiner Tunika steckte. Diese war eigentlich dafür gedacht, ein verborgenes Messer aufzunehmen ..... aber, na ja - er wusste, dass er im Umgang mit Messern nicht besonders geübt war und so konnte er das Geheimversteck getrost für andere Sachen 'mißbrauchen', die er schnell zur Hand haben wollte. Die Kladde schloß er wieder über dem Pergament mit den Sätzen und veräumte sie in seinen Rucksack. "Ja, wenn es kein völliger Umweg ist.", antwortete er auf Tári's Frage. In den Rucksack hinein wanderten nach und nach auch das Brot, der Käse und das Obst - und im Kopf sagte Tamrin sich abermals zu jeder Tüte die entsprechende Bezeichnung in Bereliarnai auf. Tári hatte ebenfalls in ihrer Tasche herum gekramt und Tamrin sah sie fragend an als er bemerkte, was sie da auf die Bank gelegt hatte. "Was habt Ihr da ?", fragte er lächelnd - und wehrte unmittelbar darauf die eigene Frage ab. Denn um was es sich handelte, sah und wußte er natürlich. "Oder vielmehr - wofür habt Ihr die Sachen heraus geholt ?" korrigierte er sich und erhob sich von der Bank, um den Rucksack über die Schulter zu nehmen. "Wo entlang ?"

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  • Tári schulterte ihre Tasche, nahm das Papier und musterte Tamrin einen Wimpernschlag lang. "Die Frage ist nicht wofür, sondern für wen...", sie lächelte. "Hört Ihr sie nicht?", fragte sie und lauschte nach oben. Schon längst wusste sie, um die Anwesenheit der kleinen kletternden Nager. Oft waren die Tiere weit vor ihrem Erscheinen in Táris Gedanken. Aber diese kleinen Wesen wuselten bereits von Baumkrone zu Baumkrone, von Ast zu Ast, so hörte man es rascheln und leise knacken. Die Halbelfe deutete nach oben. "Eichhörnchen... sie freuen sich immer besonders über etwas aus den umliegenden Wäldern. So bringe ich ihnen ab und an etwas von dort mit." Sie hatte vergessen ihre Tasche zu schließen, so holte sie dieses kurz nach ehe sie sich auf einen Weg Richtung Nord-Ost wand. Sie überlegte kurz ob es ein Umweg war, kam aber zu keinem Schluss denn so war es doch sein Ziel...? Die Akademie? "Einen Umweg würde ich den Weg nun nicht nennen, eher einen Spaziergang.", sagte sie neutral. "Ich würde sagen, wir folgen dem Weg entlang dem See und verlassen den Park in nord-östlicher Richtung. Dann sind wir schon nahe einer Brücke. Über diese, oder eine später müssen wir und kommen den Hallen des Wissens immer näher...oder wir gehen den Weg zurück den wir kamen und nehmen die große Brücke, welche direkt auf den Palast zuführt. Von dort aus lassen sich die Hallen auch leicht finden. Was ist Euch lieber?" Tári kannte die Straßen schon sehr gut, es war Tamrin, welcher sie noch kennenlernen musste...

  • "Meint Ihr die Eichkatzen ?", fragte Tamrin leicht irritiert als er das Gesicht hob und Tári's Blick in die Wipfel der Bäume folgte und ebenfalls das Rascheln und Tappeln kleiner Pfoten vernahm. "Wollt Ihr welche fangen ? Ich weiß, dass man sie essen kann - aber ich mache mir nichts aus........." Tamrin's Stimme erstarb betreten als Tári fortfuhr. Und ihr Tonfall und ihre Worte unmissverständlich verrieten, dass sie diese kleinen Gesellen NICHT zu essen gedachte. Ganz im Gegenteil. Mit leicht geöffnetem Mund starrte er die junge blonde Frau an. 'Sie freuen sich immer so, wenn ich ihnen etwas mitbringe...' klangen ihm ihre Worte im Ohr. Und er überlegte krampfhaft, was er dazu sagen sollte. Ob er überhaupt etwas dazu sagen sollte. Irgendwie war sie rührend, wie sie das so selbstverständlich dahin gesagt hatte. Aber etwas befremdlich war es auch. Er kam zu dem Schluß, dass es klüger war, einfach gar nichts dazu zu sagen und nickte nur. Ein verlegenes aber sanftes Lächeln umspielte seine Züge und leises Bedauern machte sich in ihm breit als er ihre neutrale Stimme vernahm, in der sie ihm emotionslos die möglichen Wege zu der Akademie vorstellte. "Gehen wir durch den Park.", entschied er sich. Vielleicht bot der unspektakuläre Weg die beste Gelegenheit, um sich innerlich zur Ordnung zu rufen und sich auf das Notwendige zu konzentrieren, sagte er sich. Und nicht einer sich anbahnenden Sympathie hinter her zu grübeln, die er wohl gerade zunichte gemacht hatte. "Wo entlang ?"

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