Eine fremde Welt

  • Die Halbelfe nickte zu den Worten von Tamrin, sie wollte da gerade nicht weiter darauf eingehen oder müsste erstmal ihre Gedanken dazu sortieren. Auf seine Frage hin sah sie ihn kurz an. „Ja natürlich.“, sagte sie leicht abwesend und setzte sich in Bewegung. Rasch hatten sie den Park hinter sich gelassen und waren auf die Straße hinaus getreten, welche direkt an den Fluss grenzte. Während des Weges erklärte die junge Frau Tramin immer wieder wo sie sich gerade befanden und machte ihn auf 'Sehenswürdigkeiten' aufmerksam. Schlussendlich kamen sie an den Hallen des Wissens an. „So das sind sie – die Hallen des Wissens.“

  • Den restlichen Weg legten die beiden jungen Leute schweigend zurück, jeder in seine Gedanken versunken. Diejenigen des schwarzhaarigen Mannes beschäftigten sich oberflächlich mit den weiteren Eindrücken, die ihm der Weg bescherte. Über eine Brücke kamen sie nahe an zwei mächtigen Gebäuden vorbei, die jedoch fast völlig unbelebt in der späten Nachmittagssonne lagen. Nur vereinzelt schienen Leute sie zu verlassen oder in sie hinein zu gehen. Tári erklärte ihm, dass dies die Hallen der Magie seien. Fast ein wenig merkwürdig, diese Stille um sie herum, wenn man die Größe bedachte. Er kehrte gedanklich zu seinen Vorhaben zurück. Er hoffte, in der Akademie jemanden zu finden, der ihm helfen konnte, die Sprache zu lernen. Und dann könnte er vielleicht hier als Assistent eines Lehrers arbeiten und gleichzeitig selber studieren. Vor allem über seine neue Heimat .... Kurz darauf bogen sie nach links wieder auf eine breitere Strasse und gar nicht weit vor ihnen war wieder ein Stadttor zu sehen. Sie gingen fast bis zu ihm hin bevor Tári rechts ab bog und Tamrin mitteilte, dass das Ziel nun erreicht war. Tamrin musste stehenbleiben, denn der Eindruck war tatsächlich gewaltig. Ein Gebäude - groß wie ein prächtiger Palast stand dort und sein glatter Marmor schimmerte in einem edlen, leicht cremefarbenen Hauch vor ihm in der Sonne. Überall waren Leute zu sehen. Sie standen auf den gepflegten Rasenflächen beieinander oder sassen auf den majestätischen Stufen, die zu einem riesigen Eingangsbereich hinauf führten, der ebenfalls mit Personen reichlich übersät war. Der ganze Ort strahlte und atmete lebendiges Wissen und auch Wissbegierde aus - und Tamrin mochte ihn noch bevor er ihn überhaupt betreten hatte. "Gehen wir hinein ? Gibt es eine Eingangshalle oder so etwas, wo man Ankündigungen oder eine Anschlagstafel finden wird ?", fragte er seine Begleiterin merklich aufgeregt.

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    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Ein paar Mal hatte Tári in den letzten Wochen die Hallen bereits aufgesucht, um mehr über bestimmte alte Sagen zu lesen und auch Bücher über die Natur verschmähte sie nicht. Aber wie sie so war, suchte sie immer Zeiten in denen möglichst wenige Leute anzutreffen waren. Dies war ihr heute leider nicht vergönnt und so nahm sie die Zeit, welche Tamrin zum bestaunen brauchte, um sich innerlich auf die Situation einzustellen. „Ja, in der Eingangshallte ist eine solche Tafel zu finden. Dann komm.“, sagte sie und lächelte leicht. Mit jedem Schritt den anderen Personen entgegen wurde ihr Lächeln müder. Mit leichtem, grüßenden und irgendwie gezwungenem Nicken ging es an den Umstehenden und Sitzenden vorbei, die Stufen hinauf zur Eingangshalle. Jene war nicht sonderlich groß, dafür aber mit reichlich Türen bespickt, welche in Gänge oder Zimmer führten. „Dort ist die Anschlagstafel.“, sagte sie leise und deutete auf die Tafel. Sie ließ Tamrin den Vortritt, damit er sich in Ruhe umsehen konnte.

  • Tamrin störte sich schon nicht mehr an Tári's wechselnder Ansprache, neugierig folgte er ihr zu dem Gebäude und die große Steintreppe hinauf. Aus den Augenwinkeln sah er Tári's leicht angestrengt wirkendes Lächeln, mit dem sie den Grüppchen, die sie auf ihrem Weg passierten, zunickte. Und sein Unterbewusstsein fragt sich, ob ihr Ausfallen aus der Etikette vielleicht auch mit angespannter Gemütslage einher gehen könnte. Hier und dort wurde ihnen, wenn nötig, freundlich der Weg frei gemacht, aber Tamrin hatte nicht den Eindruck, dass hier jemand tatsächlich Notiz von ihnen nahm, so vertieft waren die Leute in ihre Debatte oder die Worte des Redners, dem sie gerade zuhörten. Die Türen zur Eingangshalle waren weit geöffnet und wenn der Raum auch angesichts der Ausmaße des Gebäudes vielleicht nicht groß war - Tamrin erschien er groß. In der oberen rechten Hälfte befand sich ein breiter Tresen, hinter dem einige Leute geschäftig hin und her gingen, um die Schlangen aus Personen, die sich vor ihnen gebildet hatten, abzufertigen. Zahllose Gänge und Türen führten von diesem Ort weg in die Weiten des Gebäudes hinein und Tamrin fragte sich, wie lange man hier wohl ein- und ausgehen musste, um ein Ziel im Gebäude zu finden, ohne sich zu verlaufen. Aber vielleicht gab es später ja Wegweiser, wenn man von hier aus erstmal den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Auch hier herrschte ein gewisser Geräuschpegel durch Stimmen und Schritte und Tári musste etwas näher zu ihm treten, um ihn leise auf die breite, mit Blättern und Pergamenten übersäte hintere linke Wand der Halle aufmerksam zu machen. Die Anschlagtafel. Tamrin nickte. "Kommt." raunte er Tári ebenfalls leise zu und war fast versucht, die Hand nach ihr auszustrecken, um sie einfach hinter sich her zu ziehen. "Ich kann es doch nicht lesen ohne Euch.", erinnerte er sie grinsend.

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  • Tári folgte dem jungen Mann, sehr darauf Bedacht sich nicht von Fremden einengen zu lassen. Reichte ihr der Raum mit den ganzen Leuten darin schon. Da war ihr die ausgesuchte Nähe zu Tamrin lieber, als zu einem der anderen Anwesenden hier. Vor der Anschlagstafel gab es kein Gedränge und sie legte ihre Aufmerksamkeit für einen Moment auf die Haufen Zettel, welche dort hingen. Suche und Gesuche unterschiedlichster Belange. Selbst sie konnte nicht alle lesen, da auch in anderen ihr fremden Sprachen einige Zettel beschreiben waren. „Wonach suchen wir?“

  • Der Weg in den hinteren linken Bereich der Halle erforderte etwas Geschick, um die Weg Stehenden zu umgehen - aber vor der riesigen Tafel selbst standen erstaunlicherweise keine Leute herum, so dass die beiden jungen Leute sie ungestört ansehen konnten. Die enorme Anzahl von Zetteln ließ Tamrin einen Schritt zurück treten, um halbwegs einen Überblick zu bekommen. "Puuuh....." er runzelte die Stirn. "Am allerliebsten das Gesuch eines Alchemisten nach einem Assistenten...... Gern ein Elf.", ergänzte er spitzbübisch. Könnt Ihr irgendeine Ordnung in den Zetteln erkennen ? Angebote und Gesuche vielleicht ? Oder eine Einteilung in Zettel von Lehrern und Zettel von Studierenden ?" Etwas hilflos glitt sein Blick über die Anschlagtafel.

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  • Erneut glitten die Augen der jungen Frau über die Massen an Zettel. Sie brauchte etwas um die Struktur darin zu erkennen. „Links sind Angebote und Gesuche von Lehrern und rechts die der Studierenden.“, antwortete sie. Tári ging zu den Zetteln auf welchen die Lehrer ihre Wünsche niedergeschrieben hatten. „Unterstützung bei Übersetzungen… Hilfe bei Niederschriften… … … Gesucht Unterstützung in Labortätigkeiten - Alchemist sucht rechte Hand…bitte vereinbaren Sie einen Termin am Empfang.“, vorsichtig trennte die junge Frau einen vorgesehenen Abriss ab und reichte ihn Tamrin. „Leider steht nicht dabei ob es ein Elf ist, das erfragen wir einfach am Empfang. Man wird uns andhand des Abriss sagen können um wen es sich handelt, denke ich... Noch etwas?“

  • Aufmerksam hörte der junge Mann zu als Tári die Inhalte verschiedener Zettel vorlas. 'Niederschriften ..... das wäre doch etwas...' witzelte es in seinen Gedanken. Aber dann - er konnte das Glück kaum fassen - fand die blonde Frau etwas, was seinem Wunsch mehr als nahe kam. Er nickte aufgeregt, nahm den Zettel von ihr entgegen und studierte ihn unwillkürlich, obwohl er natürlich nicht verstand was darauf stand. Wobei ........ lächelnd zeigte er Tári eines der Worte. "Ich suche ein Zimmer - suche." sagte er in Bereliarnai, um in Elfisch fortzufahren. "Nicht wahr ?"
    Auf ihre Frage wandte Tamrin sich zu dem langen Tresen auf der anderen Seite um und musterte die Schlangen. Es schien einigermassen rasch voran zu gehen überall. "Wollen wir uns in der ganz außen anstellen ?", fragte er Tári eingedenk ihres verzerrten Lächelns beim Durchschreiten der ganzen Leute. "Dort kommen nicht so viele vorbei und es wären nur vier Leute vor uns. Wenn es schnell geht, können wir danach vielleicht noch schauen, ob jemand Unterricht in Bereliarnai anbietet."

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  • „Richtig.“, bestätigte die junge Frau mit einem Lächeln. Jenes verging ihr nur allzu rasch, als Tamrin davon sprach sich in die Schlangen einzureihen. Immerhin hatte er, die für sie günstigste ausgewählt… Sie musterte ihn kurz, hatte er es wirklich ihretwegen getan?
    „Es heißt Belerianai...“, sagte sie und lächelte erneut kurz. „Dann lasst uns dort anstellen, wo Ihr gesagt habt.“ Sie folgte ihm wie zuvor schon und stellte sich mit ihm an der Schlange an. Sie hoffte er würde Recht behalten und sie hätten dieses Anstehen schnell überstanden.

  • "Belerianai ..." antwortete Tamrin nickend. "Da hätte ich lange suchen können, was ?". Er war viel zu gut gelaunt über ihren Fund als dass er ernst bleiben konnte. Mit Anstehen war Tári einverstanden und gemeinsam nahmen sie den letzten Platz in der Schlange ein. Während des Wartens gewann Tamrin seine Beherrschung zurück und musterte neudierig die Frau, die am Ende ihrer Schlange am Tresen auf sie wartete. Sie hatte ein strenges Gesicht und straff zurück gekämmte, rote Haare und musterte jeden Fragesteller als sei er ein persönliches Ärgernis für sie. Leider verstand Tamrin nicht, welche Anliegen von seinen Vorderleuten an sie herangetragen wurden. Einer nach dem anderen erhielt Unterlagen oder ein Buch von der Frau geholt oder nur eine Auskunt wie es schien.
    Endlich waren Tári und Tamrin an der Reihe. "Seid gegrüßt!" strahlte Tamrin die Rothaarige an und verneigte sich leicht vor ihr, wobei er "Tamrin Farepoynt" sagte und ihr dann den Abschnitt reichte, den Tári für ihn von der Wand abgrissen hatte. Die Rothaarige fixierte ihn streng bevor sie auf den Abriß blickte und dann aufstand und aus einem hinteren Regal einen dicken Wälzer hervor holte. Suchend schlug sie ihn auf "Talath, Talath..." murmelte sie dabei und fuhr mit dem Finger offenbar eine Namensliste hinunter. "Aha - Atévién Talath sucht für die neuen Kurse einen Assistenten. Vorstellungstermin in 12 Tagen um 10 Uhr. Verstanden ?"
    Herrisch blickte sie Tamrin an, der unverweigerlich Tári fragend ansah.

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    3 Mal editiert, zuletzt von Tamrin ()

  • Während sie warteten bis sie an der Reihe waren, ließ Tári den Blick immer wieder in der Umgebung um sie herum gleiten. Auf das, was sich direkt vor ihnen Abspielte, hatte sie nicht wirklich Interesse. Sofern der Abstand gewahrt wurde. Die Art der rothaarigen Frau lies Táris Innerstes sogleich auf Abwehr schalten. Ihr Körper straffte sich und aus kühlen Augen betrachtete sie die Situation und folgte dennoch den Worten, welche die Frau zu Tamrin sagte. Jener sah sie dann fragend an. Sie zwang sich, ihre Verspannung etwas zu lösen. "Einen Moment bitte Madame.", sagte sie zu der Frau hinter dem Tresen. "Der Alchemist heißt Atévién Talath, er sucht einen Assistenten für die neuen Kurse. Vorstellungstermin wäre in 12 Tagen um 10 Uhr. Nicht verhandelbar wie es scheint...", teilte sie dem jungen Mann mit. "Madame verzeiht, wisst ihr ob Meister Talath der elfischen Sprache mächtig ist?", fragte sie rasch nach.

  • "Das macht nichts, ich werde da sein." In seinem Eifer entging ihm, wie angespannt Tári plötzlich war. Er verstummte, weil seine Begleiterin sich erneut an die Rothaarige wandte. Diese kniff die Augen zusammen und musterte streng das Schauspiel vor ihren Augen. "Das will ich doch meinen, immerhin ist er ein Elf.", antwortete sie scharf. "Was ist nun ? Soll ich den Namen zum Termin eintragen oder nicht ? Hier warten noch andere Leute !"
    Der harsche Tonfall beunruhigte den jungen Mann ein wenig und rasch warf er, ohne die Worte zu verstehen, ein. "Es ist in Ordnung. Wo muss ich hingehen und mich melden ?"

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  • Ob der scharfen Anrede der Frau blitzte es plötzlich auf in Táris Augen und tief bohrten sich jene in die der Frau. Sich innerlich zur Ruhe rufend, ballte sie die Hand hinter ihrer Tasche zur Faust und ihre Fingernägel gruben sich tief in ihre Haut. "Ja bitte,...", knirschte sie. "...tragt bitte den Namen Tamrin Farepont für diesen Termin ein. Wo muss er dann hin und sich melden?", ging es ihr dann wieder leichter von den Lippen.

  • Die Augenbrauen der Rothaarigen hoben sich bis fast zum Haaransatz. "Na hier am Empfang!", antwortete sie als sei dies die überflüssigste Frage, die sie je gehört hatte. "Glaubt Ihr, ich wüßte heute schon, welcher Raum dann zur Verfügung stehen wird ?" Sie schnaubte ein wenig durch dünne Nasenlöcher. Tamrin, der dem Wortwechsel nur verständnislos zuhören konnte, hätte sich nicht gewundert, wenn kleine Flammen daraus hervorgelodert wären. Und auch Tári sah zu seinem nicht gelinden Entsetzen irgendwie so aus, als würde sie gleich zum Beutesprung eines gereizten Wolfes ansetzen. "Und es wäre gut, wenn er bis dahin selbst sprechen könnte.", fügte die Frau noch mit strengen Gesicht hinzu, nachdem sie den Namen im Wälzer notiert hatte.
    Dann wedelte sie ungeduldig mit der Hand vor den beiden jungen Leuten herum, um sie wegzuscheuchen.
    Tamrin nutzte die Gelegenheit, ergriff Tári's Unterarm, drückte sie energisch ein Stück zur Wand hin und versuchte sie daraufhin wieder zur Anschlagtafel auf die andere Seite mitzunehmen. "So ein Drache!" flüsterte er grinsend.

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  • Die Art und Weise der rothaarigen Frau, sprachen Táris Instinkte an. Deswegen war die junge Frau sehr damit beschäftigt, die für sie üblichen Reaktion zu unterdrücken und den Worten der Frau hinter dem Tresen zu folgen. War es doch wichtig für ihren jungen Begleiter, was sie zu sagen hatte. Noch ehe Tári eine Reaktion auf die wedelnde Hand der Frau zeigen konnte, riss sie die Berührung von Tamrin aus ihrer extremen Anspannung. Und sie blickte kurz verwirrt drein. Damit hatte sie nun nicht gerechnet und gab dem Druck der Wand entgegen nach. Ebenso dem darauf folgendem Zug Richtung Anschlagstafel. Die Aussage von Tamrin bestätigte sie mit einem leisen Grollen. Sie brauchte ein paar Momente um wieder zur Ruhe zu kommen und auch um ihre geballte Hand langsam zu öffnen. Sie schmerzte, was sie sich aber nicht anmerken lies. Mit einem tiefen Atemzug, sah sie den jungen Mann kurz an. "Also... in 12 Tagen um 10 Uhr. Am Tresen melden. Sie meinte es wäre gut wenn du dann selbst sprechen könntest..... Aber sie sagte auch der Alchemist sei ein Elf..."

  • Zu Tamrin's Erleichterung gab es von Tári's Seite keinerlei Widerstand gegen sein Manöver, nur einen Augenblick der Verwirrung. Das böse leise Knurren an seiner Seite überhörte der junge Mann geflissentlich und wertete es stumm als Zustimmung zu seiner Respektlosigkeit. Erst in der relativen Sicherheit der Anschlagswand wandte er sich seiner Begleiterin wieder zu. Mit leicht geneigtem Kopf blickte er freundlich musternd auf sie herab. Vorhin hatte er für den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl gehabt, ihre innere Lunte sei kurz vor einer sehr explosiven Mischung gestanden und auch jetzt schien sie noch große Mühe zu haben, wieder halbwegs ihre Beherrschung zurück zu erlangen. Steif und verkrampft stand Tári da und ihr Atem ging heftig und war noch nicht völlig zu Ruhe gekommen als sie nach einigen Momenten sprach. Tamrin's Gesicht wurde unwillkürlicher noch freundlicher. "Ich danke Euch sehr, Tári." beteuerte er. "Das ist mehr als ich zu hoffen gewagt habe." Er grinste schelmisch. "Aber dann stelle ich mich woanders an." Gern hätte er die vielen kleinen Nachrichten und Gesuche an der Wand noch einmal durch Tári's Augen studiert aber er hatte das unbestimmte Gefühl, dass es genug war. Und sie sich vielleicht schon mehr zugemutet hatte als sie verkraften konnte - auch wenn er nicht so recht wusste, woran es lag. Er hatte so viel erreicht heute - der Sprachlehrer konnte warten. "Gehen wir hinaus, ja ?", fragte er sanft und fast hätte er treuherzig nach ihrer Hand gegriffen, um sie hinaus zu führen - noch einmal vorbei an all den durcheinander redendenden und gestikulierenden Leuten. Aber auch er fing sich und änderte die Richtung seiner Hand augenzwinkernd zu einer einladenende Geste in Richtung Ausgang. "Kommt!" Bedächtig suchte er den Weg aus dem Gebäude hinaus, die breiten Marmorstufen hinunter, an den zahllosen Leuten vorbei bis der Trubel endlich nachließ und sie den Vorplatz des Hauses wieder hinter sich gelassen hatten. Gerade als es Tamrin dämmerte, dass der von ihm eingeschlagene Weg nicht der Richtige sein konnte, denn er führte gerade auf eine kleinere Flußbrücke zu und zuvor waren sie mehrfach abgebogen, erregte ein vor einem schlichtem Haus errichteter Vorbau seines Aufmerksamkeit. Zwei schlicht gkleidete, grauhaarige Männer standen in einer Art Freiluftbibliothek. Auf dem roh zubehauenen Tresen brannten Kerzen - eigentlich völlig unnötigerweise denn noch zog die Dämmerung nicht herauf. Eine Buchstabenaneinanderreihung war oben an der Fassade angebracht. "Spende für die Förderung der Wissenschaften" stand dort in beleriarnai'schen Buchstaben, soviel sah Tamrin. Fasziniert wanderten seine Augen über die vielen Bücher auf dem Tresen, in den Regalen, am Boden. "Was ist das ?", fragte er seine Begleiterin neugierig.

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    Einmal editiert, zuletzt von Tamrin ()

  • Bei den Worten des jungen Mannes nickte Tári knapp. Suchte dann aber doch für einen Moment seinen Blick und versuchte sich in einem Lächeln. 'Einen Sprachlehrer…', dachte sie gerade als Tamrin fragte ob sie hinausgehen würden. Ihr Blick viel kurz auf die große Tafel, doch dann nickte sie erneut, folgte seiner Geste und hinaus an die frische Luft.
    Ja es war tatsächlich ein Kraftakt für sie, in der Situation mit der rothaarigen Frau nicht in ihre Muster zu verfallen und gänzlich geschafft hatte sie es nun auch nicht. Es gab Zeiten, an denen Knurren, Fauchen bei ihr an der Tagesordnung stand.
    Natürlich kannte die Halbelfe Emotionen und konnte diese zuordnen. Freude, Zorn, Trauer… Trauer machte sie meist an den Tränen aus, welche die Leute dann vergossen. Aber es gab auch Personen, welche unter Tränen lachten – dies war etwas was die junge Frau nicht verstand. Und auch so, verstand sie dieses verbal angreifende Verhalten der gereizten Frau nicht. Der Ton machte die Musik. Sie hatten sich nichts zu Schulden kommen lassen… Auf die Idee, dass es einfach ein Charakterzug oder ihre Arbeit mit sich brachte, kam sie nicht. Aktion und Reaktion war es meist was bei Tári das eigene Verhalten auslöste… Instinkt. Sie schob die Gedanken bei Seite, es lohnte nicht der Situation nachzuhängen. Immer lockerer wurde ihre Faust und sie fühlte etwas warmes, feuchtes sich darin ausbreiten. So ballte sie jene wieder etwas mehr.
    Als das Getümmel endlich abebbte konnte sie wieder leichter durchatmen und entspannte sich Zusehens. Nur ihre Aufmerksamkeit war so gar nicht auf ihren Weg gerichtet, sie folgte Tamrin einfach. Als sie aufsah, auf seine Frage hin, bemerkte sie, dass sie nun einen etwas anderen Weg genommen hatten. „Das sind die Priester des Aranus. Sie verkaufen hier alte, teilweise sehr abgenutzte Bücher, die sie lang schon ersetzt haben –um Spenden einzunehmen. Das Geld daraus nehmen sie dann um die Wissenschaften zu fördern.“ Während sie erklärte, näherte sich Celeb von über dem Fluss. Wie es schien hatte er sie nicht begleitet. Schwanzwedelnd kam er angelaufen und drückte sich an die Beine der jungen Frau. Sie lächelte und klopfte ihm leicht den Pelz. Als er an ihrer immer noch geschlossenen Hand zu stupsen und zu lecken begann, zischte sie ihn verbietend an. Doch hörte er damit nicht auf… „Wollt Ihr Euch umsehen?“, fragte sie Tamrin. „Ich würde mir nur rasch die Hände waschen.“, sagte sie und deutet auf einen kleinen Brunnen in der Nähe.

  • Tamrin hörte ihre Erklärung an und wunderte sich nicht schlecht. Priester, die für die Wissenschaft Spenden aufzutreiben versuchten ? Das klang ............ eigenartig. Aber auch interessant und ihm fiel ein, dass er noch so gar nichts über die hiesigen Gottheiten wusste. Es gab Götter - davon war Tamrin überzeugt. Ob man sich mit ihnen einlassen sollte .... ? Das war seiner Meinung nach schon zweifelhafter. Im Grunde verhielt es sich ähnlich wie mit den weltlichen Mächtigen und Herrschern - besser, man ging ihnen aus dem Weg. Das war jedenfalls seine Devise gewesen bisher. Aber ein Gott, der Wissenschaft unterstützte ? Der lohnte vielleicht einen zweiten Blick, dachte er so für sich. In seine Gedanken lief der große silberne Hund und drückte sich eng an Tári's Beine. Hartnäckig schnüffelte und leckte er an einer ihrer Hände herum, was der jungen Frau offenbar alles andere als Recht war. Tamrin quittierte ihr Zischen mit hochgezogenen Augenbrauen. "Später." beantwortete er Tári's Frage. "Was ist mit Eurer Hand ?"

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  • Innerlich seufzte sie leise. „Ein paar Kratzer.“, sagte sie ohne hin gesehen zu haben. Das war Tári schon des Öfteren passiert, wenn sie ihre Nägel nicht kurz hielt. Und da es sich aber für eine junge Dame schickte – meinte ihre Tante - neben sehr gepflegten Fingernägeln auch eine gewisse Länge dieser zu haben, hatte sie es einmal mehr geschafft sich zwei vielleicht auch drei tiefere Kratzer zuzuziehen. „Was meint Ihr mit später?“, fragte sie und wandte sich dann dem Brunnen zu.

  • 'Die da ganz urplötzlich aufgetaucht sind, ja ?' schoss es mit boshaft - spöttischer Ironie durch Tamrin's Gedanken und er fragte sich ein wenig ärgerlich, warum ihm ihr abweisendes Missstrauen etwas ausmachte und eine solche Reaktion in ihm hervorrief. Er holte tief Luft und drehte sich demonstrativ um als sie zum Brunnen ging. Offensichtlich war sie die Vernünftigere von ihnen beiden und der für ihn so ereignisreiche Tag und seine Geschehnisse hatten ihn zutraulicher gestimmt als es angebracht war. Ihre persönlichen Angelegenheiten gingen ihn nichts an und es war vielleicht ganz gut, dass sie ihm das noch einmal so unmissverständlich klar gemacht hatte. "Mit später meinte ich jetzt.", warf er nach hinten ohne sich umzudrehen und trat zu den Priestern und ihrem Stand hinüber und versuchte, das leise Bedauern, welches er verspürte, zu ignorieren. "Seid gegrüßt!", sprach er höflich und mit angedeuteter Verneigung zu den beiden Priestern und ließ seinen Blick über die vielen Büche gleiten. "Seid gegrüsst im Namen Aranus.", antwortete einer der Männer freundlich, der andere nickte Tamrin nur höflich zu. "Seht Euch nur um. Vielleicht ist etwas für Euch dabei." , mit einer Hand machte er eine ausladende Geste über den Stand. Tamrin glaubte anhand der Geste und seines freundlichen Tonfalls zu erraten, was der Priester meinte, nickte ebenfalls und bemühte sich, sich auf die verschiedenen Bucheinbände zu konzentrieren, nahm hier und da eines in die Hand. Die Bücher wiesen bei weitem nicht immer die Buchstaben auf, die Tári ihm aufgeschrieben hatte. Er seufzte leise, weil ihm bewußt wurde, dass es in diesem Land noch sehr viel mehr fremde Sprachen gab als nur eine. Ein Buch faszinierte ihn außerordentlich. Es waren schöne Tuschezeichnungen darin. Verwegene Männer in prächtigen Wappenröcken, eine wunderschöne junge Frau mit einem edlem Diadem auf der Stirn aber ängstlichem Gesicht, ein Drache mit einem Buch in den Klauen und einem freundlichen Grinsen. Was war das nur für ein Buch ? Märchen ? Oder Legenden dieses Landes vielleicht ? Die Buchstaben waren jedenfalls die richtigen, das erkannte er. Groß und erfreulich deutlich waren die Seiten des Buches mit ihnen beschrieben. Unwillkürlich blickte er sich nach Hilfe von Tári um.

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