Eine Reisende

  • Es ist Nachmittag, ein schöner, warmer Nachmittag in Nir'alenar, an dem die meisten Leute gut gelaunt durch die Gassen der Stadt streifen. Vorbei an einigen Fußgängern bahnt sich ein Pferd seinen Weg. Es hat dunkles, glänzendes Fell und eine schlanke, schöne Statur. Sicherlich ist es kein sündhaft teures ausgebildetes Pferd, aber es wird seinen Besitzer trotzdem nicht gerade wenig gekostet haben.


    Gemächlich setzt es seinen Weg fort, bis es an der Herberge Zum Korallenriff ankommt. Mit einem schnellen, geschmeidigen Satz springt seine Reiterin ab, eine junge Frau eindeutig menschlicher Herkunft, die ihr kurzes, nussbraunes Haar zu einem kleinen Zopf gebunden hat. Ihre dunklen Augen blicken wie die eines Kindes umher; sie schaut sich in aller Seelenruhe ein bisschen um und klopft sich dabei den Staub aus der Reisekleidung. Sie trägt hohe Lederstiefel, eine kurze Hose aus gegerbtem Leder und eine weiße Bluse, die für Reisekleidung einen gefährlich tiefen Ausschnitt hat. Nach einer Weile nickt sie anerkennend.


    "Schön. Hier könnte es uns gefallen, was, mein Junge?" fragt sie und tätschelt dabei den Nacken ihres nicht gerade leicht bepackten Pferdes.


    Schnell hat sie ausgemacht, wo sie ihr Reittier anbinden kann. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen verspricht sie dem Tier eine Extraportion Hafer, bevor sie ins Gasthaus geht. Sie sieht sich neugierig im Schankraum um und hält Ausschau nach einem schönen Plätzchen, um sich nach ihrer Reise zu entspannen. Schließlich entscheidet sie sich, erstmal zum Tresen zu gehen.


    "Guten Tag, Herr Wirt. Habt Ihr wohl etwas kühles zu Trinken für eine müde Reisende?" fragt sie freundlich und sieht sich im Raum um, ob noch weitere Gäste anwesend sind.

  • Gleich neben Tamar stand ein junger Mann mit schwarzem Haar, der gerade geschäftig mit dem Wirten am diskutieren war.


    "Ich weiß nicht, wer euch diesen Floh ins Ohr gesetzt hat, werter Fenir, aber meine Vögel sind bei weitem nicht dreckig und geschwätzig."
    Energisch schüttelte Brennan den Kopf. "Ihr müßt das Angebot ja auch nicht annehmen.."


    Der Mann mit den dunklen Augen hielt kurz inne, als er einen Schatten neben sich vernahm. Eine freundliche Stimme neben ihm bestellte etwas zu trinken und der Wirt schien eher gewillt, der jungen Frau ihren Wunsch zu erfüllen, als weiter mit Brennan zu diskutieren. Dieser seufzte leise und grüßte dann freundlich Tamar.

  • Nachdem der Wirt die Bitte der Reisenden erfüllt und Tamar endlich etwas Kühles zu trinken hatte, erhellte sich ihr Blick sichtlich.
    Nun schien sie mehr Nerven für ihre Umgebung zu haben und ihr Blick wanderte zu dem Mann, der so energisch mit dem Wirt diskutiert hatte. Der Blick war musternd, aber nicht geringschätzend, ein bisschen wie der eines Kindes, das etwas Neues sieht. Ein Anflug von einem Lächeln huschte über ihre Lippen, dann erwiderte sie seinen Gruß. Sie schob ihren Becher etwas beiseite und wandte sich ihm dann zu.


    "Eure Vögel sind also nicht geschwätzig?" fragte sie nicht ohne dabei zu schmunzeln. "Schade eigentlich. Aber woher wollt Ihr wissen, dass sie nicht dreckig sind? Versteht Ihr Euch auf diese Tiere?"

  • Der Dunkelhaarige hatte die Arme vor der Brust verschränkt und lehnte nun mit dem Rücken gegen die Theke um Tamar besser begutachten zu können.


    Ein keckes Grinsen schlich auf seine Lippen und er antwortete:
    "Nun, ich wäre nicht der beste Vogelzüchter Beleriars geworden, wenn meine Tiere sich nicht zu benehmen wüßten."
    Er lachte leicht und zuckte dann mit den Schultern.
    "Nein, wenn man sie liebevoll und richtig behandelt, sind sie alles andere als dreckig. Dann doch eher geschwätzig." Brennan reichte Tamar die Hand.


    "Brennan ist mein Name. Brennan Targo. Und wenn ihr möchtet, dürft ihr euch in meinem Laden gerne von der Sauberkeit der Vögel überzeugen." Frech zwinkerte der Vogelhändler Tamar zu.

  • Tamar lehnte auf ihren Ellbogen gestützt am Tresen und hörte ihm mit ruhigem Blick zu, als beeindruckten sie seine Fähigkeiten im Vogelzüchten nicht sonderlich. Sie trank noch einen Schluck, dann nahm sie die ihr zum Gruß gebotene Hand. Sie hatte einen angenehm festen Händedruck, der entschlossen und freundlich wirkte.


    "Tamar Yalin. Freut mich, Euch kennenzulernen, Herr Vogelzüchter." Jetzt schmunzelte sie.


    Sie ließ los und griff noch einmal zu ihrem Becher, um ihn zu leeren. Offensichtlich hatte die Reise sie sehr durstig gemacht.


    "Ihr haltet Euch also für den besten Vogelzüchter Beleriars? Komisch, ich dachte immer, die findet man in Shay'vinyar..." sagte sie und zwinkerte.
    "Aber Eurem Angebot will ich gerne folgen, Vögel sind sehr schöne Tiere. Ich besitze selbst einen, der leider sehr geschwätzig und faul ist- aber singen kann er ausgezeichnet. Ich kann ihn Euch gerne einmal zeigen, dann könnt Ihr mir Eure Expertenmeinung mitteilen." meinte sie noch mit einem freundlichen Lächeln, dann sah sie wieder zum Wirt, als überlege sie, noch etwas zu bestellen.

  • "Da habt ihr auch vollkommen recht."
    Brennan lachte und strich sich durch den fein geschnittenen Bart.


    "Tatsächlich ist meine Heimat Shay'vinyar. Doch ich dachte, auch dieses Städtchen könnte vielleicht etwas Kultur vertragen." Wieder dieses freche Zwinkern.


    "Es ist mir ebenfalls eine Freude euch kennenzulernen und.. euern Vogel würde ich gerne sehen. Wer weiß, vielleicht kenne ich sogar ein paar Tricks um euern Gefährten noch ein wenig zahmer zu bekommen.."


    Er lächelte besonnen und sah Tamar in die Augen.
    "Wobei es schwierig ist, wenn man sie nicht gleich aus dem Ei geschlüpft erzieht..
    Darf ich euch zu einem Getränk einladen, Tamar?"


    Brennan lächelte die junge Frau wieder an und winkte den Wirten herbei.

  • Bei seinen Worten war der freundliche, aber zurückhaltende Ausdruck in ihrem Gesicht einem erstaunten Blick gewichen.


    "Ihr kommt aus Shay'vinyar?" fragt sie und schmunzelt dann. "Da reise ich extra hier her, um etwas Neues zu sehen, und der erste, der mir begegnet, kommt aus meiner Heimatstadt! Wenn das kein Zufall ist, weiß ich auch nicht... Kein Wunder, dass Ihr Ahnung von Federvieh habt. Da muss ich Euch meinen Vogel ja direkt einmal zeigen. Aber umerziehen müsst Ihr ihn nicht, ich mag ihn so verrückt, wie er ist."


    Sie wirft einen Blick zum Wirt, dann wendet sie sich wieder Brennan zu.
    "Wenn das so ist, sollten wir tatsächlich darauf trinken, uns fernab der Heimat getroffen zu haben, meint Ihr nicht, Brennan?" fragte sie und sah ihn mit Augen an, die im Licht der Schenke ungewöhnlich dunkel wirkten.

  • Brennans dunkle Augen funkelten als er lachte.


    "Noch erstaunlicher scheint mir fast, dass mir ein so hübsches Gesicht nicht bereits in Shay'vinyar aufgefallen ist."
    Er nickte und strich sich dann eine kurze schwarze Strähne fort, die ihm in die Stirn gefallen war.


    "Ja, darauf sollten wir einen trinken. Fenir, bring uns doch bitte.. hmm.. zwei Gläser deines Weißen." Brennan wandte sich wieder an Tamar. "Es mag noch früh am Tage sein, aber darauf sollte man mit einem anständigen Tropfen anstoßen."


    Vorsichtig griff Brennan nach Tamars Hand und hauchte ihr einen sanften Handkuss auf, bei dem er es nicht unterließ, ihr in die dunklen Augen zu schauen.
    "Es erfreut mich immer mehr, euch kennenzulernen, werte Tamar." Sprach er dabei mit seiner dunklen, samtigen Stimme.

  • "Nun, das ist nicht weiter verwunderlich, denke ich. Vermutlich werdet Ihr mich in Begleitung meiner kleinen Schwester gesehen und nur Augen für sie gehabt haben. Sie ist die Hübsche in der Familie." meinte Tamar und grinste.


    Sie folgte seinem Blick zum Wirt mit den Augen und nickte zustimmend, als er seine Bestellung aufgab. Dann sah sie kurz durch den Raum, ein wenig abwesend wirkend.


    Als er ihre Hand griff, zog sie eine der dunklen Augenbrauen hoch und sah ihn wieder an.
    "Begrüßt Ihr alle Damen der Stadt so charmant oder genieße ich hier gerade Sonderrechte?" fragte sie mit frecher Stimme.

  • "Nein, diese Begrüßung bekommen von mir nur die hübschesten Shay'vinyarnerinnen, die ich hier in Nir'alenar treffe. Und zugegeben seit ihr die Erste, seit meinem Aufenthalt hier."


    Brennans Stimme hatte einen festen Klang und nur sein Blick verriet, dass er sich durchaus vorstellen konnte, mit der jungen Frau vor ihm zu flirten.


    "Doch seit so gut und verratet mir, warum ihr eurer Heimat den Rücken gekehrt habt."

  • "Na, da fühle ich mich jetzt geehrt." erwiderte sie, noch immer das selbe Schmunzeln auf den Lippen, auch wenn in ihrer Stimme ein Hauch Ironie lag.


    Sie warf einen Blick hinter den Tresen um zu sehen, wie lange der Wirt noch für ihre Getränke brauchte. Dann schien ihr seine Frage wieder in den Sinn zu kommen.


    "Langeweile, Neugier, Reiselust, das Gefühl, dass das noch nicht alles gewesen sein kann, vielleicht auch ein bisschen die Suche nach Abenteuer- von alledem etwas. Außerdem muss man die Dinge, von denen man gelesen hat, auch mit eigenen Augen gesehen haben, finde ich, bevor man eine Meinung dazu haben kann." erklärt sie. "Und von Nir'alenar wollte ich gerne eine eigene Meinung haben. Bis jetzt bin ich jedenfalls nicht enttäuscht worden." fügt sie dann schmunzelnd hinzu.

  • Wenige Momente später stellte der Wirt den Wein vor die beiden ab.
    Brennan nahm sein Glas in die Hand und betrachtete es mit einem Schmunzeln. Abenteuer. Nun, wenn sie wollte, könne sie bei ihm mehr als genug Abenteuer haben. Shirashai hatte ihn noch nie enttäuscht..


    "Ja, Nir'alenar ist recht hübsch.." erwiederte er. "Auch wenn die Leute in Shay meiner Kunst gegenüber offener waren."
    Ein kurzer Schluck aus dem Glas und schon legte sich ein strahlendes Lächeln auf Brennans Lippen.


    "Aber genug von mir.. womit verdient ihr euren Lebensunterhalt?"

  • Auch Tamar trank einen Schluck Wein und hörte ihm dabei zu. Auf seine Frage hin runzelte sie die Stirn.


    "Ich habe im Geschäft meiner Familie gearbeitet. Mein Vater ist Kaufmann und handelt mit Dingen, welche die Reichen und Schönen glücklich machen." erklärte sie zwinkernd.
    "Hier will ich meinen eigenen Laden aufmachen. Das war auch das einzige Argument, mit dem ich meine Familie überzeugen konnte, mich gehen zu lassen. Abenteuerlust hätten sie wohl nicht als Grund akzeptiert."


    Sie schmunzelte und trank einen weiteren Schluck, doch auf ihr Gesicht hatte sich ein leicht nachdenklicher Ausdruck gelegt. Es schien gut möglich, dass sie auf die Frage weit mehr hätte antworten können als die kurze Erklärung, die sie ihm gegeben hatte.


    "Aber zuerst möchte ich die Stadt etwas besser kennenlernen und ein paar interessante Leute treffen." Auf diese Worte hin sah sie ihn an, und in ihren Augen lag etwas Fremdes, Dunkles, das ihn erneut musterte.

  • "Ja, mit den Reichen und Schönen, läßt sich immer gutes Geld machen!"
    Brennan lachte und strich sich abermals über den Bart.


    "Und ich bin mir sicher, ihr werdet die Stadt schon bald kennenlernen - und auch ihre Leute."
    Der Dunkelhaarige prostete Tarma entgegen, trank sein Glas leer und setzte sein charmantestes Lächeln auf.
    "Und es wäre mir eine Freude, wenn ihr auch ein kleines Interesse daran haben könntet, auch mich besser kennenzulernen."

  • "Aber sicher- ich bin immer offen für Neues, darum bin ich ja hergekommen." erwiderte sie freundlich, aber sichtlich wenig von seinem Charme beeindruckt, und trank einen Schluck des Weins.


    Tamar lehnte sich etwas zurück, um einen Blick aus dem Fenster werfen zu können. Sie schien etwas zu suchen, und nachdem sie es gefunden hatte, kam ein Schmunzeln auf ihre Lippen. Sie schüttelte leicht den Kopf, dann wandte sie sich Brennan wieder zu.
    Plötzlich wirkte sie wieder so, als gefiele ihr der charmante, leicht flirtende Unterton in diesem Gespräch.


    "Ich werde einfach einmal Euren Laden in Augenschein nehmen, wenn Euch das recht ist? Dann bleibt sicher etwas Zeit für ein Gespräch." meinte sie zwinkernd und trank noch einen Schluck.

  • "Gerne." Brennan nickte. "Wann immer ihr Zeit habt... und damit ihr nicht den Eindruck bekommt, meine Vögel könnten doch dreckig sein, werde ich mich wohl nun aufmachen und doch noch ein paar Federn aufkehren."


    Der Dunkelhaarige zwinkerte Tamara zu und rief Fenir zu sich um die Rechnung zu begleichen.

  • "Ja, das solltet Ihr in der Tat tun."


    Sie kramte in einem kleinen Täschchen an ihrem Gürtel, vermutlich nach Geld, und versuchte dabei herauszufinden, was ihr Trinken gekostet hatte.


    "Es freut mich, Euch hier getroffen zu haben, Brennan, und ich bin sehr gespannt auf Euren Laden." meinte sie schmunzelnd, nachdem sie das passende Geld herausgefischt hatte.

  • "Nein, nein, ihr wart heute mein Gast." Brennan lachte und zahlte dem Wirten die komplette Rechnung.


    Dann griff er abermals nach Tamars Hand, ließ den Handkuss aber diesmal sein und nickte ihr nur leicht zu.
    "Ich werde ihn auf Hochglanz bringen und freue mich schon jetzt, euch dort begrüßen zu dürfen. Ihr findet mich im Händlerviertel."

  • Sie neigte auf seine Geste hin höflich den Kopf und lächelte.
    "Vielen Dank, Brennan. Wenn alle Leute hier so charmant und freundlich sind, so war es bestimmt kein Fehler, hierher zu kommen."


    Tamar nahm die Hand wieder zurück und fuhr sich durchs Haar. Sie schien kurz nachdenklich.


    "Ach, und Euren Laden werde ich schon finden, allerdings kann es noch ein paar Tage dauern, bis ich Zeit habe. Naja, Ihr lauft ja wohl nicht davon." meinte sie grinsend.

  • "Das war es bestimmt nicht." Brennans Stimme klang ernst, doch in seinen dunklen Augen funkelte es amüsiert.


    "Ich werde wohl auch ein paar Tage zum Aufräumen brauchen - aber für solch einen Besuch wird mir das doch eine Freude sein." Diesmal kam er nicht umhin, sanft zu lächeln.
    Freundlich reichte er Tamar den Arm.


    "Darf ich euch noch hinaus begleiten?"

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