Zur Goldenen Schatulle

  • Das Haus in der Haifischallee Nummer 27 war ein gewöhnliches Haus, verputzt in einer Farbe, die vor einiger Zeit wohl einmal weiß gewesen ist. Es hatte schon ein paar Jahre auf dem Buckel, wirkte aber sehr gepflegt.
    Seit ein paar Tagen schon herrschte hier geschäftiges Treiben. Mehrere Karren hatten bereits vor der Tür des Hauses gehalten, um viele große und kleine Pakete abzuladen, die ins Haus getragen worden sind. Die Fenster waren frisch geputzt, die Hölzer der Tür- und Fensterrahmen gesäubert und der Weg vor dem Haus gekehrt. Und seit zwei Tagen hing ein nagelneues Schild an der Hausfront, das mit aufpolierten Lettern verkündete, was ab sofort in diesem Haus war: Edelwaren Yalin- Zur Goldenen Schatulle


    Unter den Arbeitern, deren Karren zum Teil sicher nicht aus Nir'alenar stammten, sah man immer wieder die selbe Person herumlaufen. Manch einer erkannte in ihr die junge Frau, die seit einer Weile schon morgens durch den Park zu laufen pflegte. Sie trug einfache, sehr zweckmäßige Kleidung und hatte das braune Haar zurückgebunden, denn sie half bei jedem Transport, jeder Arbeit mit. Immer wieder sprach sie auch mit Passanten, die neugierig stehenblieben oder fragten, was hier gerade geschehe. Sie gab jedem ausführlich Auskunft, auch wenn sie die Frage am Tag schon zehnmal beantwortet hatte. Die junge Frau wirkte sehr geschäftig, aber auch sehr zufrieden. Nur noch wenige Tage, dann würde ihr Laden eröffnen.

  • Manch einer taufte es die Hand des Schicksals, wieder einer meinte, dass es Zufall wäre und ein weiterer hätte behauptet, dass einjeder seines Glückes eigener Schmied war - Fakt war jedoch, dass das rege Treiben nicht unbemerkt geblieben war. Ab und an hatte ein aufmerksames Augenmerk eine dunkle Gestalt bemerkt, die aus einer Seitengasse beobachtete, vielleicht auch das träge Rascheln von schweren Stoffen vernommen; aber die Gewissheit folgte erst in dieser Stunde. Was gleichermaßen ein unleugbares Faktum war, war der Umstand, dass Seide - ihres Zeichens Zaubersängerin und Musica - mit leichter Hand zu interessieren und faszinieren war. Fluch und Segen zugleich, wie konnte ihr auch etwas entgehen? So mag es wohl auch geschehen sein, dass sie die junge Frau schon gehört, ihre Stimme kennengelernt hatte und die Erinnerung sorgsam in die Schatulle des Gedächtnisses gesteckt.


    Kurzum: Seide war neugierig wer die Person war, deren Stimme der einzige Anhaltspunkt war, um Einschätzungen zu treffen.


    Seide war weder zweckmäßig noch einfach gekleidet - für einen Umzug war sie durchaus fehl am Platze; aber Barden waren -nie- fehl am Platze. Eine bessere Möglichkeit für effektive und effiziente Werbung bot sich nicht. Sie besaß silberhelles Haar, es stach förmlich aus ihrer dunklen Gestalt hervor - und die Augen... die blinden Augen ohne Pupille, ohne Iris, nur ein kreisrundes Leuchten. Ein bisschen unheimlich? Sie kam nicht allein. Bei ihr war die Sternenkatze, gleich der Herrin schwarz; aber mit einem fünfzackigen weißen Stern geziert. Jene ging an ihrer Seite, zutraulich, vielleicht; aber dennoch nahm sich das Tier es heraus mit jedem einzigen Blick die gesamte Umgebung zu verspotten. Die Schritte der Hochgewachsenen waren behutsam, erzählten aber von Sicherheit, die man einer Blinden nicht zutrauen wollte. Ein Blick, zwei - Sie war -wirklich- blind. Gehüllt war sie in ein raffiniertes Gewand aus nächtlich moosgrünem Stoff, welches die Schultern frei ließ und dort mit goldenen Zeichnungen umrandet war. Eine Adlige? Nein, noch viel schlimmer - eine Bardin.


    "Oh Wunder, Glanz und Zauberei -
    Was haben wir denn hier?
    Zu sehen komm ich nun herbei
    Zu stillen wohl die Wissensgier."


    So kams aus der Bardenkehle, verwoben mit der ausgebildeten reinen Stimme, die den Zaubersängern gehörte. Seides Stimme war ein Nachtgeflecht. Eine samtene Nacht mit silberhellem Klang. Man suchte goldene Wärme; aber fand gänsehautlockende Klarheit. Eine Stimme, die man nicht vergessen würde - und wenn sie singen würde...


    Es war nur ein Singsang, ließ aber mehr vermuten.


    Und obwohl sie blind war, entstand ein schelmisches Schmunzeln auf ihren Zügen. Lebendigkeit -trotz- ihres Lasters, -trotz- ihrer Rasse. Sie hielt die Schultern oben und das verbarg sie auch nicht.
    Was sie nun wissen wollte... das war noch nicht ganz ersichtlich. Sie trug ihre Mandoline auf dem Rücken, die mit einem schlussendlichen Klopfen auf ihrem Rücken ruhte, als sie auf zehn Schritt an das Gebäude herangetreten war.

  • Es gab immer Schaulustige, die nichts besseres zu tun haben als andere Leute bei ihrer Arbeit zu beobachten. So stand auch ein Satyr in der Nähe und betrachtete das Treiben. Er war in ein dunkles Grün gekleidet, wie es die frischen Blätter der Wälder hatten.
    Er lehnte bequem an einer der Muschellaternen und schaute sich um.
    Seine Blicke galten jedoch weniger den Arbeitern, die vor sich hin arbeiteten, sondern eher der holden Weiblichkeit, die hin und wieder seine Augen auf sich zog.
    Auch die großen Lettern auf dem Schild betrachtete kurz - es waren die gleichen wie er bereits auf dem Anschlag gelesen hatte.
    Mit einer kurzen Bewegung zog er seine schlichte Holzflöte aus ihrer Schlaufe und klopfte kurz mit seinem Metallring dagegen. Doch anstatt wie beim letzten Mal zu spielen begnügt er sich damit, sein Instrument in der Hand zu halten und weiter zu beobachten.

  • Gerade fuhr wieder ein Karren vor. Auf dem Kutschbock saßen zwei menschliche Männer, der eine durchaus sehr beleibt und schon etwas älter, der andere jünger, aber nicht unbedingt ansehnlich, auch wenn er nicht so füllig war. Der Junge sprang vom Kutschbock und wollte zur Türe gehen, um anzuklopfen, doch wurde sie bereits geöffnet.
    Es war die Hausherrin selbst, die heraustrat; sie hatte den Karren wohl durchs Fenster bereits kommen sehen. Sie trug einen roten Rock aus weichem Stoff und eine tief ausgeschnittene schwarze Bluse. Sie grüßte die Männer erstaunlich freundlich und wechselte rasch ein paar Worte mit ihnen, die zu leise waren, als dass sie eine etwas weiter entfernte Person hätte verstehen können.
    Offensichtlich kannten die drei sich. Die junge Frau ging um den Karren herum, sah kurz unter die Abdeckplane und nickte dann. Wieder etwas lauter wandte sie sich an den älteren der Männer und erklärte ihm, wohin er den Inhalt abzuladen hatte.


    Ihre Stimme hatte etwas Warmes, Freundliches, meist auch erstaunlich Gelassenes, und man konnte sich gut vorstellen, dass sie in gewissen Situationen einen rauchigen, verführerischen Klang annehmen konnte. Jene, welche die Welt hauptsächlich mit ihren Augen wahrnehmen, mochte es verborgen geblieben sein, aber jemandem wie Seide war der feine Wechsel ihrer Tonlagen sicher aufgefallen. Wann immer sie etwas von jemandem wollte, jemanden zu etwas überredete oder sich sonstwie einen Vorteil verschaffte, wurde ihre Stimme weich, samtig. Es war nur eine Nuance der Stimmlagen, die kaum auffiel, aber dennoch ihr Ziel nie verfehlte. Wer das Treiben vor Haus Nummer 27 beobachtet hatte, dem war aufgefallen, dass ihr keiner der Handwerker, Lieferanten und anderen Arbeiter etwas abgeschlagen hatte.


    Als die Nachtelfe an das Geschäft herantrat, verstummten die beiden Arbeiter augenblicklich und sahen sie mit großen Augen an. Deren Blick folgend entdeckte auch die junge Frau, was die Männer in solch beinahe ängstiges Erstaunen versetzt hatte. Eine ungewöhnliche Erscheinung, wahrhaft, und doch war die einzige Reaktion Tamars ein vielsagendes Lächeln. Sie bedeutete den Männern mit einer Handgeste, sich wieder an die Arbeit zu machen, und ging dann auf Seide zu.


    "Ich grüße Euch." sagte sie freundlich, und wieder schwang dieser samtene Unterton in ihrer Stimme mit. "Kann ich Euch behilflich sein? Ich bin Tamar Yalin, Besitzerin dieses Ladens."

  • Die Nachtelfe kannte die Regeln der Kunst, die Spitzfindigkeiten - ihr fehlte der Sinn zu sehen, das bedeutete nicht, dass ihr die Intelligenz und der Hörsinn fehlte. Nicht grundlos sagte man, dass ein verlorener Sinn durch die Intensivierung der anderen aufgewogen wurde. Für Seide war die gesamte Umgebung ein einziges Gemälde aus Klängen. Die Stille der Gestalten als sie entdeckt wurde - oh sie kannte diese Stille und sie schmeckte wie bittersüßer Wein - und auch das Klopfen des metallischen Ringes an den Flötenleib entging ihr nicht, ein Klangpuzzle, welches durch die Schritte Tamars gekränzt wurden. Manchmal erschauderte die Musica aufgrund der Farbenvielfalt und die Stärke, die ihr entgegen hämmerte. Selbst für sie wäre es ein schwieriges Unterfangen gewesen eine maßgeschneiderte Beschreibung zu finden, die dem entsprach, was ihr Empfinden sprach.


    Jetzt allerdings sprach ihre Haltung von Aufmerksamkeit und selbst wenn sie aussah als könne man sie problemlos umgehen und nach ihr greifen, so sah man, dass sich der Schopf entgegen der Wesen bewegte, so leise man auch sein mochte. Das war vielleicht auch nur ein Trugbild - jedenfalls war es so, dass sich die hochgewachsene, bedrohlich anmutende Gestalt sich entgegen Tamars wandte.


    Menschen, Satyre, Elfen, Nachtelfen - für sie waren sie alle gleich. Das Blut fühlte sich gleich an; aber sie hatte gelernt, dass Nachtelfen anders waren für viele. Es stimmte sie verdrießlich, traurig, mutlos, missverstanden, dann missgünstig und schlussendlich wütend! Allein die finanzielle Abhängigkeit entsprechend ihres Metiers machte sie gefügiger; aber nicht untertänig. Tamar und auch Nostrar konnten erkennen, dass sich das Kinn merklich ein Stück nach oben hob als die Stille eintrat, die Mundwinkel einen spöttischen Ausdruck annahmen, der sagte: Ihr könnt mir nichts. Kommt mir zu nahe und ihr seht, dass auch die dunkelsten Rosen Dornen besitzen.


    Sie kannte das Aussehen von Gesichtern nicht, nicht den charismatischen Charme der Satyren und man konnte sagen, in gewisser Hinsicht war sie dessen gefeit, was ein bisschen ungerecht war; aber dafür konnte sie all die schönen Dinge des Lebens nicht wahrnehmen, nicht mit der gleichen Intensität, die anderen gegeben war. Aber sie hörte den geschmeidigen Tonfall der Geschäftemacherin und sie erfreute sich daran - ein Profi.


    "Seide, so nennt man mich.
    Sängerin, so bezeichnet man mich.
    Geschichtenerzählerin, so verlangt man es ab und an.
    Liebesbriefe, so wünschen es die verzweifelten Seelen
    Und was ich wünsche?
    Vielleicht einen Teil eurer Aufmerksamkeit, werte Herrin",


    sagte sie und sie war wohl eine der wenigen, die diese Anrede gebrauchen konnte ohne den Ausdruck einer niederknienden Dienerin zu erwecken. Es war eine distanzierte, höfliche Form der Achtung. Sie achtete; aber sie respektierte niemanden. Es gab einen feinen Unterschied zwischen Respekt und Achtung.


    "Ich wollte mich erkundigen wie ihr vorran kommt mit eurem Geschäft." Pause, ein Atemzug. "Tamar."


    Und wenn man sagte, dass Tamar die Spielarten beherrschte, so war es Seide auch. Auch wenn die dunkle Ausstrahlung ihr im Wege stand, es machte sie geheimnisvoll, vermengt mit der Nachthimmel-Stimme und den Redewendungen.
    Eigentlich durften Barden aussehen wie sie wollten, sie konnten sogar schief und bucklig sein, solange sie Talent besaßen, waren sie im Geschäft und etwas Besonderes.
    Der Name, den sie aussprach, wurde besonders betont, eine reizende, lockende Aussprache - nahe tretend? Manch einer zuckte da zurück - vielleicht war es wirklich ein Spiel? Wie weit sie gehen durfte?

  • Eine dunkle Gestalt mag für manche beängstigend, verwirrend und einschüchternd sein, für andere vielleicht faszinierend und anziehend, auf jeden Fall jedoch erregt sie Aufmerksamkeit.
    Es ist nicht weiter verwunderlich, dass die beiden Arbeiter trotz der Anweisung ihrer Herrin weiterhin die fremde Nachtelfe mit großen Augen anstarrten und manches Mal beinahe die Pakete fallen ließen.


    Tamar jedoch war keineswegs aus der Fassung gebracht über den unerwarteten Besuch, obgleich ihr Gesicht doch ein gewisses Erstaunen verriet. Ein Anflug eines Lächelns huschte über ihre Lippen und trug einen Ausdruck in ihre Augen, der nicht zu einer freundlichen, jungen Frau passte. Er war dunkel, nicht unbedingt böse, aber durchaus alles andere als beruhigend. Sie neigte hörbar den Kopf vor der Nachtelfe.


    "Seide." sprach sie den Namen ihrer Gegenüber langsam aus. "Ein sehr schöner Name. Es freut mich, Euch kennenzulernen."


    Für einen Beobachter musste es seltsam erscheinen, dass Tamar so unbewegt wirkte von der ungewöhnlichen Gestalt vor ihr, von deren persönlicher Ansprache, deren Erscheinung und dieser Aura, die jeder in der näheren Umgebung spüren konnte. Nur jemandem, der die feinen Zwischentöne der Sprache zu verstehen vermochte, konnte auffallen, dass die junge Frau sehr wohl Gedanken und eine Meinung zu der fremden Nachtelfe hatte- sie wusste sie nur sehr geschickt zu verbergen.


    "Danke der Nachfrage." durchbrach ihre Stimme erneut die Stille, doch diesmal klang sie wieder gewohnt freundlich und erstaunlich normal. "Noch ein, zwei Tage, dann ist alles so, wie es sein soll. Es freut mich, dass dieses Geschäft schon jetzt das Interesse der Leute weckt." erklärte sie vergnügt und lächelte.


    Sie drehte sich zum Haus um, als wolle sie sich ihrer eigenen Worte vergewissern, und bemerkte darüber, dass die Arbeiter wortlos herübergafften. Tamar verzog das Gesicht und rief ihnen zu, sie sollten weitermachen und nicht Maulaffenfeil halten. Sie schüttelte amüsiert den Kopf.


    "Entschuldigt bitte, werte Seide, die beiden sind sehr einfache Gemüter, für die Höflichkeit ein Fremdwort ist." erklärte sie, und dann plötzlich nahm ihre Stimme wieder einen weicheren Tonfall an. "Wenn es Euch interessiert, kann ich Euch den Laden gerne einmal zeigen..."

  • Die Sinne kosteten den Klang ihres eigenen Namens. Es war immer wieder interessant zu hören wie er aufgenommen und weitergetragen wurde. Seide hatte ein gutes Gedächtnis, sie bewahrte solche Klänge in ihren Gedanken auf wie kostbare Schätze um deren Wert nur sie allein wusste. Vielleicht hätte sie einen Wimpernschlag lang die Augen verschlossen; aber für sie spielte es keine Rolle mehr, Farben spielten keine Rolle mehr - wen verwunderte es da, dass sie ihre Gewänder nicht eigenhändig aussuchte, lediglich den Schnitt ertastete und die Farbenwahl anderen Augen überließ? Wer auch immer die Auswahl traf, der besaß Geschmack.


    Wenn das Erstaunen Tamars einen Geschmack besessen hätte, so hätte Seide ihn sicher wahrgenommen. Sie sah das Gesicht nicht; aber vielleicht war es das geschulte Empfinden, der Geschmack der momentanen Stille, die Blicke, die auf der Haut prickelten - oder es war das, was den Barden zueigen war, die Fähigkeit Einschätzungen zu fertigen.
    Das Lächeln Tamars fand sich schon bald gespiegelt auf den Zügen der Nachtelfe - was durchaus unheimlich wirken konnte für einen Beobachter.
    Seide war zugegebenermaßen beeindruck über das Verhalten der jungen Frau. Es existierten nur zweierlei Möglichkeiten. Entweder sie war eine zu gute Geschäftsfrau oder eine starke Persönlichkeit - vielleicht war sie auch beides. Seide selbst war gewillt weitere Beobachtungen anzustellen.


    "Wie könnte es das nicht, Tamar? Der Eifer und die Geschäftigkeit, die hier herrschen ziehen die Wesen in den Bann. Die Neugierde war schon immer die gefährlichste Saat; aber vielleicht auch die Hilfreichste. Ich wünsche Euch viel davon."


    Die Entschuldigung erregte ihre Heiterkeit, legte aber auch den spöttischen Schmelz erneut auf ihre Lippen, der nicht entgegen der jungen Frau gerichtet war, sondern wie eine Waffe, die zuschlug, wenn man sich tatsächlich auf das Gaffen einlies.


    "Ah",


    machte sie dunkelwarm.


    "Ich kenne es. Es ist der Atem der Missgunst. Er verfolgt mich; aber ich fürchte, dass mein Gesicht dem Boden zu weit entfernt ist."


    Übersetzt: Es juckt mich nicht.
    Nur eleganter ausgedrückt.


    "Ich würde gerne euren Laden kennenlernen."
    Sehen kann ich ihn nicht, tut mir leid - aber das sprach sie nicht aus.

  • Die Neugier ist eine gefährliche Saat... Seide konnte nicht sehen, wie recht sie hatte. Denn während sich in den Blicken des älteren Mannes Furcht und Abscheu mischten, so strahlte aus denen des Jungen deutlich Neugier. Er lief auffallend langsam, wenn er das Haus verließ, um ein weiteres Paket vom Karren zu holen und damit wieder im Haus zu verschwinden.


    Tamar sah es aus dem Augenwinkel und zuckte kurz unmerklich, doch sie besaß genügend Anstand, ihre Aufmerksamkeit weiterhin ungeteilt der Gesprächspartnerin zukommen zu lassen.


    "Es freut mich, das zu hören. Eigentlich ist er ja noch gar nicht eröffnet, aber für Euch will ich eine Ausnahme machen." meinte sie und lächelte freundlich.


    Sie fuhr sich durchs Haar, eine unbewusste Geste, während sie kurz und still die Nachtelfe musterte. Dann sah sie sich kurz um, ein prüfender Blick ganz besonders zu ihren Arbeitern.


    "Wenn Ihr mir folgen wollt, werte Seide... Oder darf ich Euch meine Hand anbieten?" fragte sie und streckte der Nachtelfe in einer ruhigen Bewegung ihre linke Hand entgegen, jene Hand, die stets ein Ring zierte, wie manch einem, der sehen konnte, vielleicht aufgefallen war.

  • Seide war vielleicht blind; aber nicht hilflos und die Sternenkatze an ihrer Seite war kein einfaches Schmusekätzchen - auf jene war sie angewiesen. Das zeigte sich allerdings nicht allzu deutlich. Freilich, es war allgemein bekannt, dass die Sternenkatzen ein gewisses Talent für den Astralraum besaßen. Ergo: Seide kommunizierte mit dem schwarzsamtenen Wesen über Gedanken und fand sich auf diese Weise geführt. Das sah man nicht, man konnte es nicht ahnen - vielleicht ging man davon aus, dass es sich tatsächlich um ein abgerichtetes Schmusekätzchen handelte, welches nicht von der Seite der Herrin weichen wollte. Auch jetzt blieb das elegante Tier an ihrer Seite, strich ihr um die Beine und was immer diese Geste auch bedeuten mochte, sie entlockte der Nachtelfe ein stilles Lächeln.


    "Eine Ausnahme für mich? Oh, das würde mich wirklich sehr erfreuen", kommentierte sie geschmeidig.


    Sie konnte die Emotionen nicht hören; aber die Bewegungen - langsamere Schritte. Das zeugte von gewisser Ablenkung und sie war so frei und bezog diese auf sich. Wie schon einmal betont, sie hielt es aus - es machte sie lediglich wütend. Wie das nun einzuschätzen war, war fraglich.


    Ergo: Seide war auf die helfende Hand der jungen Tamar nicht angewiesen; aber sie sagte:[/i]


    "Gerne."


    Die Linke wurde ihr entgegen gehalten - sie bot die rechte dar. So konnte sie dennoch an der Seite Tamars gehen. Vielleicht war das auch nur Reflex. Bei Seide konnte man das nicht so genau wissen.


    Diese Ladenbegehung würde eine Herausforderung sein. Sowohl für Seide als auch für Tamar - oder wollte sie die blinde Nachtelfe durch einen Raum führen und keine Worte ergänzen? Seide sah nur Dunkelheit, sie kannte die Form eines Ringes; aber das machte nicht klar welches Material es war, wie sich das Licht in dem Geschmeide brach. Seide war gespannt wie Tamar es anstellen würde - und das war ihr Leben. Herausforderungen und Beoabachtungen wie die Wesen mit Situationen umgingen - auch mit ihr. Und nun, Tamar, wie hast du dir das vorgestellt?, fragte die Stimme aus dem Hintergrund, imaginär, die Stimme des Schreiberlings.

  • Hände verraten viel über ihren Besitzer; sie verraten Alter, verraten, welche Tätigkeiten er mit ihnen ausübt, aber sie verraten auch, wie er sie einzusetzen vermag.
    Tamars Hand ließ vermuten, dass sie viel mit ihr arbeitete, aber doch nie so schwere Arbeiten hatte verrichten müssen, als dass Schwielen und Hautrisse sie zieren mussten. Sie nahm die Hand der Nachtelfe nur ganz leicht, als wolle sie dieser zu verstehen geben: Mir ist sehr wohl bewusst, dass du meine Hilfe nicht brauchst, und trotzdem biete ich sie dir an.


    Der Blick der jungen Frau streifte die Katze und er verriet deutlich, dass sie Gefallen an dem Tier gefunden hatte. Sie lächelte. Dann ging sie auf ihren Laden zu. Sie ging nicht so langsam, als hielte sie Seide für eine tattrige alte Frau, die ihr nicht schnell genug folgen konnte- im Gegenteil, sie ging in eben jenem ganz normalen Tempo, in dem sie auch gekommen war.


    Der dicke Arbeiter machte sich gerade am Karren zu schaffen und war sichtlich bemüht, sie zu ignorieren. Tamar tat es ihm gleich und ging schnurstracks auf die Türschwelle zu, in der ihr der Junge entgegenkam. Er blieb verdattert stehen, als er seine Auftraggeberin mit der Nachtelfe sah. Seine Atmung hatte sich augenblicklich verändert, Seide musste es bemerkt haben. Anders als der Alte, der gut sein Vater sein konnte, war er von der dunklen Gestalt gleichermaßen zurückgestoßen und angezogen. Sein Gesichtsausdruck verriet es deutlich, doch nur Tamar konnte ihn sehen, da sie direkt vor ihm stand.


    Sie zog eine Augenbraue hoch.
    "Jero?" sprach sie seinen Namen aus und weckte ihn damit wie aus Trance. Er zuckte zusammen und bejahte beinahe stammelnd. "Hast du nicht noch etwas zu tun?" fragte sie. In ihrer Stimme schwang etwas Neckisches mit, das ihn auf sein unhöfliches Starren aufmerksam machen sollte und zugleich ein wenig amüsiert über das Verhalten des Jungen war. Er nickte und ging eiligst an ihnen vorbei. Vielleicht hatte sie der Nachtelfe ihre Hand gar nicht angeboten, um sie zu geleiten, sondern um ein Zeichen zu setzen, eine Warnung an die Arbeiter, sich zurückzuhalten?


    Mit einem Schmunzeln auf den Lippen trat Tamar dann ein.
    Der Raum, den sie betraten, mochte für Seide vielleicht nur eine schwarze Landschaft sein, aber es gab doch Dinge in ihm, die sie wahrnehmen konnte. Ein feiner, blumiger Geruch lag in der Luft, der sich mit dem Duft nach frischem Holz und Seife mischte.


    "Willkommen in der Goldenen Schatulle." durchbrachen warme Worte die Stille.

  • Tamar konnte die Absichten der Nachtelfe spätestens in dem Augenblick durchleuchten, da sich ihre Hand um die dunkle schloss. Die dazugehörigen Finger tasteten behutsam und vorsichtig - so als erwartete sie jeden Augenblick einen Hinweis, der sagte: Halt, das will ich nicht ! - über die Hand, machten allerdings kein Geheimnis daraus. Die Hand sprach für sich. Es erzählte etwas über Tamar und im Augenblick entsprach sie dem Bildnis einer Geschäftsfrau, die auch selbst anpacken konnte und sich nicht zu schade darum war. Das Bild, das sie schon die gesamte Zeit geliefert hatte. Den Ring fand sie auch, ertastete wohl Form und konnte vielleicht sogar das Material bestimmen.


    Im Gegenzug bot sie auf stille Art und Weise auch Tamar die Möglichkeit ihre Hand zu ertasten. Ihre Finger waren geschmeidig und lediglich die Fingerspitzen ließen vermuten, dass sie diese nutzte. Wenn sie kombinierte, dann dachte sie an die Mandoline auf dem Rücken der Musica. Schwere Arbeiten schien sie nie verrichtet zu haben. Finger einer Künstlerin, die nichts mit den schweren Dingen zutun hatte. Schmuck fand man nicht an ihren Fingern; allerdings waren sie gepflegt, die Fingernägel ordentlich geschnitten und abgerundet.


    Tamar würde gewiss schon bald die Zuneigung für die Katze verlieren, denn einen angenehmen Charakter besaß sie nicht. Äußere Schönheit spiegelte sich nicht immer nach Innen und wenn man denn so etwas glauben wollte, dann sah die Katze so aus, als spöttelte sie über alles und jeden, als wäre der Boden nicht einmal gut genug um ihre Pfoten darauf zu platzieren. Dennoch folgte sie Tamar und Seide.


    Die Nachtelfe hatte keine Probleme mit dem Tempo der jungen Frau, sie sah auch nicht so aus als wisse sie nicht um Erhebungen und Hindernisse. Die Füße schienen sich darum herum zu bewegen. Seltsam, nicht wahr?


    Die Nasenflügel bebten bei den neuen Sinneseindrücken. Seife, Blumenduft und Holz - Sauberkeit. Geschmeide duftete nicht. Es machte Frauen noch schöner aber nicht mit Düften.


    "Sind dies noch die Düfte einer großen Säuberungsaktion? Es riecht so gut",


    meinte Seide, halb feststellend, halb fragend.


    "Wollt ihr mir euren Laden vorstellen, Tamar?"


    Und ihr Tonfall verriet durchaus Interesse.

  • Kerry schlenderte paffend die Strasse entlang, und blieb dann vor dem Geschäft stehen, dass bei seinem letzten Besuch hier noch nicht dagewesen war. Die goldene Schatulle, sehr vielversprechender Name. Auf Kerrys Mundwinkel zeigte sich ein grinsen und innerlich rieb er sich schon die Hände, sie waren noch am einräumen, was hieß, innen war noch Chaos, vielleicht konnte er ja schon das ein oder andere Stück begutachten, welches sich zu 'besorgen' lohnte. Er zog noch zweimal tief an seinem Zigarillostummel, ließ den rauch tief in seine Lungen gleiten und stiße ihn dann wieder aus. Den Stummel warf er achtlos zu Boden, fuhr sich mit den Fingern nochmal durch die Haare, rückte seine Garderobe zurecht, setzte den hut verwegen auf den Kopf und betrat dann den Laden, nachdem die beiden Arbeiter wieder heraugetreten waren.

    Häßlichkeit schändet nicht die Seele,
    aber eine schöne Seele adelt den Leib.


    Es ist nicht der Tod, den wir fürchten sollten,
    das wirklich Tragische wäre ein Leben, das nicht gelebt würde.


    Willst du das Licht sehen, ertrage den Schatten,
    denn beides gehört zu Dir.

  • Von seiner Position aus konnte man viel beobachten; sowohl die Arbeiter als auch die beiden Frauen, wie sie sich unterhielten und zum Haus gingen. Auch die dritte Gestalt blieb ihm nicht gänzlich verborgen.
    Langsam löste er sich von seinem Standort und schlenderte auf das Treiben zu, als wäre es jetzt erst interessant genug, sich zu nähern.
    Ein weiteres klopfen mit dem Ring auf seine Flöte und anschließend schritt auch er auf das Haus zu.
    Nicht schnell oder hektisch, sondern vollkommen entspannt und gemütlich, als gäbe es nichts in der Welt, was ihn drängen könnte.
    Es blieb bestimmt nicht unbeachtet, dass er sich näherte und vielleicht gab es den ein oder anderen Blick, doch ob oder ob nicht, das interessierte ihn eher weniger.
    Wie ein Spiel war es, sich den Arbeitern zu nähern, und ebenso ungezwungen lief er zum Eingang des Hauses. Doch anstatt einfach ungebeten einzutreten besann er sich darauf, sich ein Stück neben dem Eingang auf den Boden zu setzen und sich an der Wand anzulehen.
    Was die Arbeiter betraf, so grüßte er sie mit einem charmanten Lächeln, lehnte sich zurück und schob sich den Hut ins Gesicht.
    Er setzte seine Flöte an die Lippen und spielte eine leise Melodie, lang und langatmig, ruhig und gesetzt und der ganzen Hektik einen Anstrich von Erholung verpassend.

  • In einer ruhigen, aber höflichen Geste ließ Tamar die Hand der Nachtelfe los und trat einen Schritt zurück. Sie nickte hörbar.


    "Natürlich, wenn Ihr es wünscht." erwiderte sie freundlich. Sie sah sich kurz um, überlegend, was sie Seide zeigen sollte. In dem Moment schlich sich ein neuer Ton in die Stille, ein hoher Piepston. Er zauberte sofort ein Lächeln auf das Gesicht der jungen Frau.
    "Sirah." sprach sie einen Namen aus, als gehöre er einem alten Freund, doch sie sprach es nicht zu einem Menschen, sondern zu dem Vogel, der in einem Käfig auf dem Tresen saß. Ein ausgesprochen hübscher Singvogel war es, wenn auch etwas dicklich, aber all das konnte Seide ja nicht sehen. Er reagierte auf den Namen und begann, ein kleines Liedchen zu zwitschern, wie es nur jene wunderbaren Singvögel aus Shay'vinyar können.


    Tamar wandte sich wieder Seide zu. "Das ist Sirah, mein Vogel. Ein liebenswerter Zeitgenosse, auch wenn er meist faul und gefräßig ist. Dafür kann er aber singen." erklärte sie schmunzelnd.


    Dann bemerkte sie Schritte und sah zur Tür. Ob der Gestalt im Türrahmen zog sie eine Augenbraue hoch.
    "Kann ich Euch helfen, werter Herr? Wir haben noch nicht eröffnet, wie Ihr seht, vielleicht kommt Ihr in zwei Tagen wieder?" fragte sie freundlich und deutete auf den Raum. Überall lagen Tücher und Decken über den Gegenständen und Ablagen, wohl um die Waren vor Staub und Schmutz zu schützen, bis der Laden aufmachte.

  • "Oh guten Tag!"


    erwiderte der Fremde in Silvrianar, des edelsten Dialektes Beleriars. Er verbeugte sich kurz, nahm seinen Hut vom Kopf um ihn dann mehrmals durch die Luft zu schwingen und vor seine Brust zu halten.


    "Ich kam ganz zufällig an diesem Geschäft vorbei, edle Damen und gedachte bei mir, ob ich wohl meine Aufwartung machen solle oder lieber warten. Als ich jedoch gewahr wurde, dass ihr die dunkelhäutige Dame mit ihrer katzenaften Begleiterin eingelassen, ja hinein geführt habt, so formte sich die Idee, euch auch zu besuchen um bereits in diesem Moment zu erblicken, was ich in ein paar Tagen bestaunen darf. Ich muss sagen, was meine Augen jetzt schon bewundern dürfen, das verspricht mir nur das beste für eure Eröffnung."


    Entgegen dieser kleinen Ansprache in gestoche scharfer Hochsprache, bot Kerry nicht das Bild eines adeligen, zu dem man ihn zählen könnte, hätte man nur seine Stimme gehört. Er trug ein Erdfarbenes Fechthemd, welches jedoch sauber gewaschen und gestärkt war und dazu bequeme Hosen und weiche Stiefel. Wes natürlich nicht fehlen durfte, war sein Hut, den er stets auf dem Kopf trug, Im Hutband steckte zu den gegebenen Anlässen eine Spielkarte, meistens dann, wenn er auch wirklich spielen ging. So stand er nun im dem Raum und sah sich unauffällig um um einen Blick auf Dinge zu erhaschen, die es lohnten Umgestellt zu werden, am besten in seinen Besitz.

    Häßlichkeit schändet nicht die Seele,
    aber eine schöne Seele adelt den Leib.


    Es ist nicht der Tod, den wir fürchten sollten,
    das wirklich Tragische wäre ein Leben, das nicht gelebt würde.


    Willst du das Licht sehen, ertrage den Schatten,
    denn beides gehört zu Dir.

    Einmal editiert, zuletzt von Kerry Olindh ()

  • Auf dem Tresen des Raumes stand ein schlichter Käfig, in dem besagter Singvogel saß und vor sich hin trällerte. Außerdem waren Unmengen von Zetteln auf dem Tresen ausgebreitet, die unter sich noch kleinere Gegenstände vermuten ließen. Auf einem Schemel lagen ein paar gute, aber nicht allzu teure Stoffballen. Das meiste, was an Waren jedoch bereits in Auslagen geschafft worden war, lag unter Tüchern. War es nur, um sie gegen Schmutz zu schützen, oder pure Berechnung, als Schutz vor neugierigen Blicken? Eigentlich wirkte die junge Frau gar nicht alt genug, um Kenntnis von solchen Tricks zu haben...


    Sie musterte den eintretenden Mann genau. Dann nickte sie.
    "Vielen Dank für Eure lobenden Worte, es freut mich, so etwas zu hören." erwiderte sie höflich, aber doch nicht so freundlich, wie sie zuvor mit Seide gesprochen hatte. Etwas an ihm gefiel ihr nicht- war es sein Auftreten, seine Art zu reden? Man konnte nur vermuten.
    "Eure Idee war keineswegs abwegig, werter Herr, aber ich muss Euch leider enttäuschen, denn im Moment gibt es hier noch nicht viel zu sehen. Wir sind noch nicht fertig mit dem Einrichten, es gibt ja so viel zu tun, das könnt Ihr Euch sicherlich vorstellen." sagte sie erklärend und deutete dabei auf den Raum. "Aber wenn Ihr zur Eröffnung herkommt, verspreche ich, ich werde mir besonders für Euch Zeit nehmen."


    Sie sah Kerry an, ohne sich dabei von Seide fortzubewegen.
    "Nur im Augenblick habe ich leider keine Zeit für Euch, wie Ihr seht." sagte sie höflich, aber bestimmend und deutete dabei mit einer geschmeidigen Kopfbewegung auf Seide. "Die Dame und ich haben gerade eine Unterhaltung. Würde es Euch viel ausmachen, einfach in zwei Tagen wiederzukommen, werter... entschuldigt, wie war Euer Name doch?"

  • "Ich nannte meinen Namen noch nicht, wie unhöflich von mir! Franco werde ich gerufen, Franco Villia. Es tut mir leid geradeheraus gewesen zu sein, ohne auf die Manieren zu achten, welche Mann, vor allem in meinem Stande, an den Tag legen sollte. Diese Verkleidung ist wohl doch nicht der beste Einfall der mir je in den Sinn gekommen ist, ich dachte mir, ich lasse meine Dienerschaft einmal hinter mir und mische mich unter die ganz gewöhnlichen Leute, wobei ich euch und euren gast bei weitem nicht zu den gewöhnlichen Leuten zählen würde. Ihr seid etwas besonderes."


    Diese Aussage wurde von einem gewinnenden lächeln begleitet,


    " Könnt ihr mich den wenigstens im Hinblick auf die Art der Ware erleuchten, die ich in zwei tagen hier zu sehen bekommen werde."

    Häßlichkeit schändet nicht die Seele,
    aber eine schöne Seele adelt den Leib.


    Es ist nicht der Tod, den wir fürchten sollten,
    das wirklich Tragische wäre ein Leben, das nicht gelebt würde.


    Willst du das Licht sehen, ertrage den Schatten,
    denn beides gehört zu Dir.

  • Bei diesen Worten macht Tamar große Augen, ihr Gesichtsausdruck wirkt sehr skeptisch. Sie blinzelt ein paar Mal. Soll heißen: Ahhhh ja, alles klar...


    Dann aber fängt sie sich wieder.
    "Entschuldigt bitte, falls ich unhöflich zu Euch war, werter Franco. Mein Name ist Tamar Yalin, ich bin die Geschäftsführerin dieses Ladens." Sie neigt leicht den Kopf. "Was Ihr hier finden könnt? Nun, edelste Ware von überall. Ob Stoffe, Parfüm, Schmuck- wenn Ihr etwas sucht, das die Welt ein Stückchen schöner macht, habt Ihr gute Chancen, es hier zu finden."


    Tamars Blick geht kurz zurück zu Seide, aber nur für einen Moment. Sie streicht eine Haarsträhne zurück und sieht Kerry wieder an.


    "Natürlich möchte ich Euch nicht einfach aus meinem Laden herauskomplimentieren, nichts läge mir ferner, als unhöflich zu Gästen zu sein. Ihr habt nur gerade das Pech, zu einem ungünstigen Moment erschienen zu sein, werter Franco." erklärt sie fast beschwichtigend, und in ihrer Stimme schwingt wieder dieses Samtige mit.


    Kein Wort, keine Reaktion auf sein Lächeln, seinen Charme. Versucht sie nur, unbeeindruckt zu wirken, oder ist sie es wirklich?

  • Seide ließ sich hinreißen, hinreißen von dem wunderbaren Gesang des Vogels, dem Tamar den Namen Sirah gegeben hatte. Sirah, das klang wie das Klirren von Glas oder von Münzen, die durch die Finger rannen. Es passte zu der Geschäftemacherin, wie sie sich gab, wie sie sich verhielt. Für ein paar Wimpernschläge spielte ein intensives Schmunzeln um ihre Lippen, welchem jedoch der Spott fehlte. Ein kaum merkliches Nicken spielte sie hinzu, stellte damit ihre eigenen Gedanken fest und richtete Weichen für etwaige Reaktionen.


    Verwundert schien die Nachtelfe nicht ob der befremdlichen Aussprache des Namens. Ein Freund, ein Bruder, ein Seelenverwandter - Seide war selbst im Wald aufgewachsen und liebte die Tiere. Sie selbst war personifizierte Sanftmut, wenn sie denn konnte und wenn man sie denn ließ - das war doch meist das Problem, denn die Augen der Menschen wandten sich nur allzu rasch fort von dem Anblick den sie bot. Dabei spielte nicht die Eleganz eine Rolle, sondern die Dunkelheit, die sie präsentierte. Tausend Nachtwünsche lockten; aber sie war kein Sonnenschein, kein Wolkenhimmel, keine Blume, sie war ein Schattengewächs. Sie blühte in der Nacht. Und sie hatte Dornen - Seelendornen -, so dass man sich sorgte sich stechen zu können wenn man zu nahe kam und dennoch stand sie an der Seite Tamars. Bedrohung oder doch Zierde der Umgebung?, das war einem jeden selbst überlassen.


    Seide sagte nichts auf die Worte des Möchtegernadeligen. Ob sie ihm ihren Glauben schenkte war fraglich - vielleicht konnte sie es an der Stimme vernehmen. Eine Lüge vor einer Bardin, welcher der Umgang mit den Silben in die Wiege gebettet lag, nur allzu leicht zu enttarnen. Allerdings sprach Seide auch nicht, sondern bewertete und sie sagte, dass Tamar durchaus den Fremden herauszukomplimentieren suchte, allerdings auf eine weibliche, elegante Art und Weise. Das Schmunzeln erwachte neu.


    Übrigens fand die Sternenkatze gleichermaßen Interesse an dem Singvögelchen, denn sie saß nun still auf dem Boden, den Blick empor gehoben. Der Schwanz pendelte konzentriert hin und her.
    Ob Seide das auch bemerkte?


    "Fauler und gefräßiger; aber talentierter Sänger",


    bemerkte sie nach einer Weile als sie sich aus dem Gezwitscher löste.
    Dem Mann schenkte sie keine Beachtung. Nein, das hatte für sie kein Stil. Etwas an ihm störte sie und das nicht wenig. Allerdings floss noch kein schändliches Wort aus der Bardenkehle. Ignoranz war wohl noch die beste Entgegnung, die er - den sie für einen auserkorenen Weiberheld hielt - von ihr zu erwarten hatte.

  • "Es ist euch nicht recht, dass ich jetzt schon hier bin, nicht wahr. Oh beteuert nichts, teure ... Oh, ... ih nanntet euren Namen mir gegenüber garnicht, darf ich der Höflichkeit halber nach eurem Namen fragen, wo ich euch meinen doch so bereitwillig gab."


    Kerry zauberte ein gewinnendes Lächeln auf sein Gesicht und sah die Besitzerin erwartungsvoll an. Bei sich dachte er


    'Wenn diese schwarze Missgeburt nicht hier wäre, hätte ich schon längst die Initiative übernommen und mir geholt, was ich bekommen kann, dann dieser komische Flöterich vor der Tür, verdammt haute klappt auch nichts, zuviele Leute!'


    "Ich werde euch nicht Länger mit meiner Anwesenheit belasten, wenn ich euren Namen weiß, und vielleicht auch euren, teure Unbekannte! Immerhin gebietet es doch die Höflichkeit, nicht wahr. Ich hätte natürlich gerne schon jetzt einen Blick auf eure Auslage geworfen, jedoch werde ich mich fügen, wenn ihr das wollt."


    Seine Ausdrucksweise hatte ein wenig der Sanftheit verloren, als er merkte, dass die beiden Frauen ihn einerseits nicht für voll und andererseits garnicht wahrnahmen.


    'Wenn ihr nicht spielen wollt, so muss ich das auch nicht.'
    Dachte er, während auf seinem Gesicht noch die einladende Maske lag, die so wenige geschafft hatten zu durchschauen, sonst wäre er nicht so erfolgreich wie er war.

    Häßlichkeit schändet nicht die Seele,
    aber eine schöne Seele adelt den Leib.


    Es ist nicht der Tod, den wir fürchten sollten,
    das wirklich Tragische wäre ein Leben, das nicht gelebt würde.


    Willst du das Licht sehen, ertrage den Schatten,
    denn beides gehört zu Dir.

    Einmal editiert, zuletzt von Kerry Olindh ()

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