Niniel - Kaeras Haus und ihre Zuflucht

  • Kaera rührte sich nicht. Als der Schatten seine Kapuze zurückschlug, erstarrte sie. Zu viele Gefühle rieselten ihren Rücken hinab: Freude, Wut, Trauer, sogar Scham. Sie wollte sich nicht für ihre Tränen schämen, die sie in der Nacht vergossen hatte, denn sie hatten ihr Geholfen, hatten geholfen, dass die Nymphe wieder atmen konnte. Dennoch war es ihr peinlich, dass Seoul genau das jetzt sah. Natürlich empfand sie sehr viel für ihn und natürlich hatte es sie getroffen, dass er sie, obwohl er sie erkannt hatte, im Gasthof ignoriert hatte. Die wunderschöne Frau neben ihm war nur noch das Zünglein an der Wage gewesen.


    Dass Seoul die Hand nach ihr ausstreckte, schien in Kaeras Augen in Zeitlupe zu geschehen. Sie hatte das Gefühl, dass sich ihr Herz ganz tief im eigenen Körper verborgen hatte; es war der Überlebensinstinkt, der sie schon damals gerettet hatte und den sie selbst verabscheute. Die Nymphe fragte sich, ob die Berührung sie überhaupt erreichen würde... oder würde ihr Herz womöglich ausbrechen? Kaum wahrnehmbar lief ein Schauer durch ihren Körper. In ihrem Kopf kämpften zwei Stimmen. Die eine forderte Kaera auf, Seoul zu vergessen und ihn rauszuwerfen, sie war doch eine Nymphe und konnte jeden haben. Die andere Stimme flüsterte nur ganz sanft, dass sie sich doch nur nach Wärme und Geborgenheit sehtne und sie diese dann doch auch einfach geschehen lassen sollte. So war es nicht verwunderlich, das kein Wort über Kaeras Lippen kam. Aber ihre braun-grünen Augen blickten den Nachtelfen mit großen Augen an.

    Nutze die Talente, die du hast,
    die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen. :stern:


    Henry van Dyke

  • Seouls Hand glitt sanft über ihre Wange. Ein wehmütiges Lächeln umspielte seine Lippen. Dann, ohne VOrwarnung, zog er sie in seine Arme. Drückte sie an sich.
    Sie hatte ihm gefehlt. So furchtbar. Ja, er war sicher gewesen sie verloren zu haben. Aber vielleicht hatte er das ja auch. Schweigend hielt er sie fest.

  • Als sie so von Seouls Armen umschlungen da stand, brachen die Mauern, die sie gerade wieder mühsam um ihre Gefühle errichtet hatte. Sie konnte nicht anders als stumm ihre Gesicht in seine Schulter zu vergraben. Ihre Tränen kullerten lautlos ihre Wangen hinab.


    Schließlich schluckte sie das alles mühsam herunter und löste sich vom Nachtelfen vor ihr. "Es tut mir leid, wenn ich dich gestern irgendwie gestört habe. Das wollte ich nicht... Ich weiß, ich war lange nicht bei dir... Ich hatte dir noch eine Nachricht hinterlassen wollen, aber dann ging alles so schnell und... vergiss es, wenn du nichts mehr mit mir zu tun haben möchtest, versteh... nein, akzeptiere ich das... Aber dann bitte ich dich, geh..." Eine kleine Träne brach sich noch einmal den Weg fei, doch Kaera wischte sie fort. Ihr Körper war quasi auf Selbsterhaltung eingestellt, während in ihrem Inneren ihre Seele zitternd und hundeelend in einer Ecke saß. Manchmal verachtete die Nymphe sich dafür, dass es ihr möglich geworden war zu lieben. Körperliche Schmerzen waren eindeutig erträglicher.

    Nutze die Talente, die du hast,
    die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen. :stern:


    Henry van Dyke

  • Als Seoul sah wie seiner Nymphe eine letzte Träne über die Wange rollte, schmerzte ihm das Herz in der Brust. Er wollte sie wegwischen, doch Kaera war schneller. Was sollte er sagen.
    Am liebsten hätte er sie sofort aller Schuld frei gesprochen. Doch er konnte es nicht. Konnte über seinen eigenen Schmerz nicht einfach hinwegsehen.
    "Es tut mir leid. Ich weiß, dass es gestern anders aussah, aber da ist nichts zwischen der Frau und mir. Vielleicht Freundschaft, aber im Moment noch nicht einmal das," versuchte er ein paar tröstende Worte zu finden. Seine eigene Unsicherheit hinderte ihn daran weiter zu reden.
    Längst war er sich nicht mehr sicher, ob eine Liebe zwischen jemanden seines Volkes und eines anderen funktionieren konnte. Er lebte in der Nacht, sie am Tage. Konnte er verlangen, dass sie auf ihren Schlaf auf ewig verzichtete um Zeit mit ihm zu verbringen? Vielleicht war es das Beste, wenn er es beendete. Jetzt und ihr. Für sie. Vielleicht auch für ihn selbst.
    Widersprüchliche Gefühle spiegelten sich auf seinem Gesicht, während er unentschlossen vor ihr stand.

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