Unten am Hafen

  • Der Tag hatte bisher nicht viel für Sithora gebracht - sie war zwar mit ihrem Ziehvater am Markt gewesen, hatte aber wie sooft in letzter Zeit eine gewisse Feindseeligkeit einer Waisen über bemerkt. Seitdem einer der Backwarenhändler sie des Diebstahls bezichtigt hatte, ging Sitho nicht mehr sehr gerne mit ihrem Ziehvater einkaufen. Dabei war Sithora unschuldig und hatte wirklich nichts genommen. Stehlen - das würde sie nicht mal in allergrößter Not! Niemals!


    Mit ihren trüben Gedanken schlenderte Sithora zum Hafen hinab. Der verlassene Ort, der manchmal ein wenig gespenstisch wirkte, passte gerade zu Sithoras Stimmung. Es zog sie hinab zum alten Hafenbecken, den Blick auf die einsamen und heruntergekommen Schiffe. Geschickt balancierte sie auf einigen alten Molen entlang, bis sie einen Platz auf einem alten Anker-Pfahl fand und ihren Blick in die Ferne richtete.

  • Der Hafen war ein Ort, der Misha nur flüchtig bekannt war. Einmal war sie hier her gekommen ... einmal nur. Und das war unter anderem mit sehr unangenehmen Erinnerungen verbunden.
    Seit dem schreckte sie der Anblick des Dessibar, wenn sie daran vorbeischwamm und seinen sanften Sog spürte, der sie in den Hafen ziehen wollte. Nun, Misha war eine Nixe, die sich nicht gerne vor etwas an sich Harmlosen fürchtete und so hatte sie beschlossen, sich ihrer Furcht zu stellen.
    Unschlüssig umkreiste sie den Eingang zum Tunnel, der in den Hafen führte, wagte sich mit jedem Mal ein Stückchen weiter vor, bis sie schließlich nur noche in kräftiger Flossenschlag von ihm trennte.
    Sie hielt inne und richtete ihren Blick stur auf den dunklen Tunnel. Das Seegras, das am Meeresgrund wuchs neigte sich im Sog, auch ihre moosgrünen Haare bewegten sich im unsichtbaren Strom. Je länger sie den Tunnel betrachtete, desto tiefer wurde ihre Angst. Erinnerungen wallten auf, wollten sich mit ihr verbünden und flüchten ... doch Misha schloss lediglich die Augen, sog mit einem Rauschen ihrer Kiemen Luft ein - und stob davon. Sie wagte wieder auszuatmen und die AUgen zu öffnen.


    Ihre Bahn beschrieb einen Bogen, dann beschleunigte sie erneut und schoss direkt auf den Eingang zu, mit zugekniffenen Augen und angehaltenem Atem. Beinahe sofort spürte sie das Ziehen des Tunnels an ihrem Körper, den Strom, der sie sanft umfing und ganz von selbst durch den Tunnel begleitete. Ihr Tempo nahm ab, doch ihr Herz schlug ihr bis zum Hals.
    Bald hatte sie die Dunkelheit des Tunnels fest umfangen. Vertrauen war schwer ... aber sie gab sich dem Strom hin. Langsam glitt ihr Körper ohne ihr Zutun an spitzkantigen Felsvorsprüngenund von kleinen Korallen bewachsenen Steinen vorbei, manövrierte geschickt am glitschigen Seetang vorbei.


    Der Hafen empfing sie wie ein Freund, als der Tunnel ihren silbrig schimmernden Körper ausspie. Noch immer von willenloser Schwäche erfüllt ließ sie sich treiben. Erst sank sie demm weichen Grund entgegen, fern ab von den alten Schiffen, die mit leckem Bug vor Anker lagen, doch dann paddelte sie den Stegen entgegen .. ganz sanft und unmerklich glitt sie knapp unter der Wasseroberfläche dahin, wartete auf ihre Furcht, ihre Panik ... doch sie ließ auf sich warten.
    Wer ihre Bewegungen nicht sah, konnte sie für tot halten.

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Unterdrückte Wut stieg immer wieder in Sithoras Gedanken auf. Wut über die Vorurteile vieler Bewohner gegenüber Leuten, die einfach anders aufgewachsen waren. Aber vielleicht sah sie das alles nur viel zu eng, zumindest versuchte Sithora sich das so einzureden.. Vielleicht lag dieses Misstrauen in dem Fremden, das man als Waise mitbrachte, begründet.


    Mit einem leisen Seufzer verwarf Sithora all Ihre Gedanken und stand auf. Geschickt balancierte sie nun auf dem Ankerpfahl, auf dem sie gerade noch gesessen war herum und sprang kurz darauf auch schon zum nächsten Pfahl. Angst, sich einen Spieß einzuziehen, weil sie wie meistens keine Schuhe anhatte, verspürte sie nicht. Im Gegenteil dieses gewisse Gefühl der Freiheit gab Sithora ein gutes Gefühl. Sie hasste Schuhe, zog sie überhaupt nur dann an, wenn es umbedingt notwendig war.


    Als sie zum Sprung auf den letzten Pfahl des Stegs ansetzte, sah Sithora etwas aus den Augenwinkeln im Wasser. War eines der Schiffe wohl schon wieder so dermaßen beschädigt worden, dass es nun endgültig auseinander fiel oder bildete Sithora sich da etwa ein, einen Körper zu sehen?


    Mit einem kräftigen Sprung sprang Sithora auf den letzen Pfahl und stellte sich auf die Zehenspitzen, mit der linken Hand ihre Augen abschirmend und in die Entfernung blickend.


    Tatsächlich... irgendetwas schwamm da, aber es sah nicht umbedingt sehr lebendig aus. Und doch glich es einem Körper.


    Kurz spielte Sitho mit dem Gedanken, ins Wasser zu springen und nachzusehen, doch verwarf sie diesen Gedanken fürs erste nochmal.


    "Hallo? Braucht Ihr Hilfe?" eigentlich kam sie sich bei diesen Worten dämlich vor, aber irgendwie war sie sehr neugierig geworden.

  • Langsam begann eine Unruhe von ihr Besitz zu ergreifen, sie musste sich schwer gegen das Gefühl auflehnen Deckung unter den Schiffen oder im dichten Bewuchs des Grundes zu suchen. Misha stieß mit der Hüfte an einen vom Salzwasser angenagten, von Seepocken überwuchterten Schiffsleib.
    Die Berührung ließ sie erwachen, ließ ihr ihre Situation bewusst werden. Sie meinte eine Stimme vernommen zu haben.


    Einbildung! Das ist nur deine Erinnerung, deine Angst vor dem Schrecken an sich.
    Sie fragte sich, ob sie sich den Ruf wirklich nur eingebildet hatte, denn hier, unter der Wasserfläche, war es nur ein kurzes Klingen gewesen ... nicht viel lauter als das beständige Knarzen und Knacken der Schiffe und dem sanften Gluckern des Seewassers wie es dagegen stieß.
    Die junge Nixe öffnete die Augen, legte den Kopf ein wenig in den Nacken und versuchte durch die schimemrnde Fläche hindurch zu sehen, ob es dort jemanden gab, der sie entdecken könnte.
    Die Erinnerungen, die in ihrem Kopf geblieben waren ermahnten sie zur äußersten Vorsicht und trotz der Umsicht, entdeckte Misha nichts Beunruhigendes. So ließ sie sich weitertreiben, stets den Stegen entgegen, vorbei an den Pfählen, an denen einst wohl kleinere Boote angetäut gewesen waren.
    Heute war der Kuppelhimmel nicht so grau wie in ihrer Erinnerung, er war viel freundlicher, fast meeresfarben.


    Und wie sie so an den Pfählen vorbeitrieb, musste sie plötzlich an Kea denken, und an Moro ... die beiden Meereselfen, mit denen sie Freud und Leid erlebt hatte. Ob sie in der Nähe waren? Misha hatte keinerlei Vorstellung davon wie groß Nir'alenar war, wie weitläufig sich die Straßen erstreckten und wie unglaublich viele verschiednene Luftatmer es gab. Was wäre es für ein Zufall, wenn sie zur gleichen Zeit hier waren?
    Sie musste leise lachen, woraufhin ein paar schillernde Luftblasen an die Oberfläche stiegen, wo sie zerplatzten.

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Sithora war hin und her gerissen. Dass es sich um eine Nixe handeln könnte, daran dachte sie beim besten Willen nicht. Und durch die Spiegelungen am Wasser konnte sie auch nicht sehr genau erkennen, um was es sich dort im Wasser treiben handelte.


    "Wenn es jemand ist, der ins Hafenbecken gefallen ist, dann braucht er bestimmt Hilfe. Auf der anderen Seite kann die Strömung hier doch bestimmt nicht so stark sein, dass er so dahintreibt... oder?" ging Sithora durch die Gedanken während sie versuchte, eine bessere Aussicht zu bekommen. "Aber weil der Hafen so verlassen ist, hätte auch keiner drauf aufmerksam werden können."


    "Ich frage nochmals: Braucht Ihr Hilfe?" rief Sithora eindringlich, als sie einige Luftblasen aufsteigen bemerkte. Ihr war natürlich klar, dass das Wasser Ihre Stimme dämpfen würde, aber noch war sie noch nicht sicher, ob sie wirklich ins Wasser des Hafenbeckens springen sollte, um jemanden oder etwas zu retten, der unter umständen gar nicht in NOt war - was sie sich nur einbildete.

  • Erneut die gleichen Laute!
    Misha sah durch dei Wasserfläche auf in ein junges Gesicht. Einen Moment der Erstarrung, dann machte ihr Herz einen entsetzten Hüpfer und schon hatte sie ihren Körper in Sekundenbruchteilen gewendet und sich mit zwei, drei Flossenschlägen auf Distanz gebracht. Nicht ohne zuvor eine Welle und viel Gespritze zu verursachen, als ihre schillernde Schwanzflosse die Wasseroberfläche durchschlug.
    Ihr Herz schlug bis zum Hals. Wie damals.
    Doch diesesmal ist es anders, ermahnte Misha sich selbst. Diesmal hast du es unter Kontrolle. Es war um eineiges leichter gesagt, als getan, doch Misha versuchte ihren Herzsschlag zu bändigen und schwamm langsam wieder näher. In tastenden Bögen, wie sie sich zuvor dem Dessibar genähert hatte, näherte sie sich diesmal der jungen Luftatmerin.
    Sie verharrte ein paar Züge entfernt von ihr und überlegte.
    Was wohl passieren würde, wenn sie jetzt auftauchte? Würde die Frau weglaufen? Schreien? Oder ... ? Eine skurrile Mischung aus Neugierde und Furcht trieb Misha immer tiefer in ihre Überlegungen hinein, während die Zeit verstrich.


    Schließlich war die Entscheidung gefallen und sie schwamm der Oberfläche entgegen, warf ihre sich aufbauschenden Haare in den Nacken und schlüpfte vorsichtig und mit der Nase voraus bis zum Hals aus dem Wasser. Sie betrachtete die Gestalt näher, bemerkend, dass sie nicht viel älter wie sie selbst war - Misha kannte sich nicht mit dem Alter von Menschen aus - doch diese erschien ihr recht jung zu sein.


    Misha schwieg und starrte wie ein Fisch.

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • Sithora erschrack als sich der Schemen unter Wasser erst schnell bewegte und denn soetwas wie eine Flosse die Wasseroberfläche durchschlug und einen ordentlichen Platscher verursachte. Beinahe hätte die junge Frau die Balance verloren und wäre vom Ankerpfosten gefallen als die kühlen Wassertropfen auf sie niederrasselten. Doch im letzten Augenblick schaffte Sithora es noch, armwedelnd stehen zu bleiben. Für einen kurzen Moment kam ihr alles ein wenig unreal vor, nur das feste Holz unter ihren Füßen erinnerte sie daran, dass sie nur am Haven auf einem alten Ankerpfosten stand und dort etwas im Wasser schwam. Gab es hier im Hafen so große Fische? Nein... bestimmt nicht, oder? Aber Fische sahen anders aus... es konnte kein Fisch sein... aber doch, es musste einfach einer sein.


    Sithora hatte zwar schon von Nixen gehört, dass es sich bei dieser Begegnung allerdings um eben so eine handeln könnte - nein auf diesen Gedanken kam sie einfach nicht. Warum auch? Sie war noch viel zu erschrocken und doch stieg eine unglaubliche Neugier in ihr auf. Mit einem kräftigen Satz sprang Sithora mit einer eleganten Drehung vom Pfosten und als sie sich wieder umdrehte, sah sie in das Gesicht einer - Frau? - die sie anstarrte. Sithora musste zunöchst einige Male blinzeln, ehe sie der Situation gewahr wurde. Auch erst jetzt bemerkte sie fast nebenbei, dass ihr Hemd und ihr Gesicht durch die Troßfen des Platschers feucht geworden sind.


    Das Schweigen der beeiden Frauen hing einige Zeit in der Luft, bis Sithora auffiel, wie unhöflich das Gestarre wirken musste. Sie wusste nicht so recht, ob ihre Gegenüber sie verstehen konnte, wenn sie jetzt einige Worte an sie richtete. Sithora näherte sich der Kante des Stegs noch ein wenig und ging in die Hocke - noch immer blickte sie wahrlich verwundert, aber langsam stahl sich ihr gewohnt freundliches Lächeln auf die himbeerfarbenen Lippen.


    "Seid gegrüßt. Ähm... " setze Sitho an, immer noch verwundert, aber freundlich und vorsichtig. "... ich hab Euch für jemanden gehalten, der ins Hafenbecken gefallen sein könnte... war mir aber nicht sicher. Es ist mir peinlich... aber versteht Ihr mich?" plapperte sie schließlich fröhlich weiter, ihre Gegenüber immer noch neugierig musternd.

  • Zunächst war Misha recht verwirrt, dann erstaunt, bis ihr plötzlich klar wurde, dass sie Schuld an der ganzen Misere war. Sie betrachtete die nass gewordene Kleidung der Luftatmerin, fand jedoch nichts schlimmes daran ... so schlimm konnte es für die Menschin doch nicht sein, ein wenig nass geworden zu sein ..?
    Mishas gebannter Gesichtsausdruck wich einem leichten Lächeln, als Sithora sie ansprach, dann lachte sie auf einmal lauthals los.
    Über dem Wasser klang Mishas Stimme flach, ein wenig heiser, fast als hätte sie sich erkältet, doch war auch an der Luft ihr Lachen glockenklar und ansteckend.


    "Ins Hafenbecken gefallen, das ist gut! Natürlich verstehe ich dich!", stolperten ihr die Worte über die Lippen, als schwappten sie unkontrolliert aus ihr heraus und ihr Lachen verebbte, sie sah die Menschin unbeholfen an. "Es tut mir Leid, dass ich dich so erschreckt habe ..."


    Misha schwamm ein wenig näher, betrachtete das Gesicht der Luftatmerin eindringlich und von beiden Seiten. Sie war eine hübsche Menschenfrau ... das letzte menschliche Gesicht, dass Misha gesehen hatte, hatte einem recht unansehnlichen Mann gehört, dem Haare im Gesicht gewachen waren ... widerlich!
    Misha erwiederte den neugierigen Blick offen und schüttelte sich die Wassertröpfchen aus den Wimpern, die sich dort verfangen hatten.


    "Du bist nass geworden ... ist das schlimm?"

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • "Oh nein, es ist nicht schlimm - ist ja nur Wasser und trocknet ganz bestimmt schnell wieder. So kalt ist es heute ja zum Glück nicht." lächelte Sithora und strahlte gerade zu über das ganze Gesicht.


    Misha hatte der jungen Frau tatsächlich einen ganz schönen Schrecken eingejagt, der nun aber schon vergessen schien. Es wäre wahrscheinlich ein Alptraum für Sitho gewesen, wenn dort im Hafenbecken wirklich der leblose Körper eines Menschen geschwommen wäre.


    In diesem Augenblick fielen Sithora auch wieder die Geschichten Ihres Ziehvaters ein. Geschichten über Nixen und Tritone. Über die Bewohner des Meeres rund um die Insel herum. Noch nie in ihrer Lebensspanne war sie allerdings in Kontakt mit einem von diesen Wesen gekommen. Obwohl sie sich auch oft hier unten am Hafen aufhielt.


    "Bist du oft hier?" Sitho setzte sich auf den Steg und sah der Nixe im Wasser zu. Immer noch war sie sehr neugierig auf ihre Gegenüber.

  • Statt sofort zu antworten, versuchte Misha zunächst ihre nervösen Flossenbewegungen zu kontrollieren, diese ständige Fluchtbereitschaft, die sie innerhalb von Sekunden weit ins Meer hinaus tragen konnte, wenn sie sich nur gehörig erschreckte. Es blieb beim Versuch und so begann Misha langsam auf und ab zu schwimmen, die junge Menschenfrau immer im Blick behaltend. Wie sie sich so hinsetzte und ihre Augen vor Neugierde sprühten konnte sie Misha nicht beunruhigen. Die junge Nixe war froh, dass Sithora es ihr nicht übel nahm, dass sie diese nass gespritzt hatte.


    Die Neugierde beruhte auf Gegenseitigkeit; auch Misha sah ihr Gegenüber unverholen an, gespannt, was sie zu erzählen hatte, wie sie war. Bisher hatte Misha allerdings den Eindruck, dass sie sich nicht sonderlich von den Wasseratmern unterschied, die sie kannte.


    "Nein... um ehrlich zu sein bin ich erst zum zweiten Mal hier ...", entgegnete Misha und sprach unwillentlich ein wenig leiser als zuvor. Sie war froh mit der jungen Frau alleine zu sein und hoffte, dass es zunächst dabei blieb. Denn noch immer schlug ihr Herz bis zum Hals und die Nervosität ließ ihren Fischschwanz bis in die Spitzen erzittern. "Und du, bist du oft hier? Wie heißt du überhaupt? Mein Name ist Misha.", purzelten die Worte schnell über ihre Lippen. Die Sprache der Menschen fiel ihr nicht schwer, ihr Vater hatte sie ihr einst beigebracht... im Wissen, dass sie diese einst brauchen würde?

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

  • "Ich heiße Sithora. Ja, ich bin recht oft hier... ich bin in einem Haus etwas weiter hinten aufgewachsen... ich finde es hier einfach am schönsten, wenn man mal nachdenken will und Ruhe genießen will." antwortete Sithora und lächelte freundlich. Das Hafenbecken war bestimmt nicht der schönste Ort für jemanden, der meist unter Wasser unterwegs war. Wahrscheinlich wars recht trostlos.


    "Kommst du von weit weg?" fragte Sitho neugierig.

  • Misha hörte interessiert zu, während sie sich immer sanfter bewegte und sich schließlich lediglich mit sanften Flossenbewegungen aufrecht hielt. Ihr Blick streifte umher, glitt über die Schiffsleiber, die morschen Stege, über die, wie Seegras zerknickten, Mäste, um welche vor Unzeiten noch kreischende Möwen gekreist haben mochten.
    Auch Misha empfand die Atmosphäre des Hafens als passend um ein wenig nachzudenken, doch sie war nicht der Typ zum Grübeln ... ihre Gedanken flossen nur dann richtig, wenn sie eins mit der Meeresströmung war.


    "Eigentlich komme ich aus Asraella.", sagte sie und lächelte, wartend, dass Sithora reagierte, bis ihr schließlich einfiel, dass die Menschin noch nie dort gewesen sein konnte ... vielleicht hatte sie dennoch von der Hauptstadt der Nixen gehört? "Das ist ein ganz schönes Stück von hier - aber jetzt wohne ich in Elue'Adar, ganz nahe."


    Ein Schweigen entstand und Misha nutzte es um rasch unterzustauchen und ein paar Atemzüge Wasser durch die Kiemen rauschen zu lassen. Als sie auftauchte lächelte sie wieder und ihre Augen suchten Kontakt zu Sithora.


    "Worüber musst du denn nachdenken?", fragte Misha in üblicher neugieriger Manier. "Oder möchtest du nur die Stille genießen und ich habe dich dabei gestört?"

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  • Lächelnd beobachtet Sithora die Nixe, wie sie kurz untertaucht. Die Namen der Städte, die Misha gerade erwähnt hatte, wollten Sitho nichts sagen. Bisher hatte die junge Frau immer gedacht, sich gut auszukennen und auch eine Menge zu wissen, doch jetzt kam ihr das nicht mehr so vor - zumindest war sie sich nicht mehr ganz so sicher.


    "Nein, nein... du hast mich nicht gestört." lächelt Sithora und wirkt mit jedem Wort fröhlicher.
    "Ich habe nur wieder eine schlechte Erfahrung mit den Menschen hier in der Stadt gemacht, und das macht mich leider immer sehr nachdenklich." spricht sie und versucht es sich in einer anderen Pose bequemer zu machen. Sie schlägt ihre Beine übereinander, sodass sie gleich im Schneidersitz dasitzt.
    "Und hier im Hafen bin ich eben besonders gerne beim Nachdenken... ich finde, es ist einfach ein sehr... schöner Ort."

  • Misha kam näher, schwamm nahe an die Pfosten heran, auf denen die Menschenfrau zuvor balanciert hatte. Dort, wo sie aus dem Wasser ragten waren sie kahl und morsch, trocken, doch unter dem Wasser wuchsen allerlei Pflanzen an ihnen, machten sie weich und anschmiegsam, so schwamm Misha behend zwischen ihnen hindurch ohne sich aufzuschürfen.
    "Schlechte Erfahrungen?" Die schuppengezierten Arme streckten sich aus dem Wasser. An den Stegen angelangt fasste sie erneut ein wenig Mut und zog sich an ihnen hoch, bis sie sich auf verschränkten Armen anlehnen konnte.
    Ihre Fluke zog sie immer noch haltlos durchs Wasser, verursachte kleine Wellen auf der Wasseroberfläche. Sie war Sithora nun recht nahe, sie hätte sie mit ausgestrecktem Arm berühren können. "Was ist denn passiert?"


    Sorge reflektierte sich in den meeresfarbenen Augen, während sie den Hafen maßen. So sah er für die Luftatmer also aus. Von oben betrachtet bot er ihres Erachtens ein recht trostloses Bild. All die maroden Schiffe, die zerbrochenen Kisten, eigenartige Gebäude, die sich eng aneinander pressten, als versuchten sie einander Schutz und Schirm zu gewähren. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass man damit positive Gedanken hervorlocken konnte.
    Allein unter dem Wasser blühte und gedieh die Welt - tausendmal schöner wie hier oben, fand Misha.

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  • Sithora überlegt, ob sie der Nixe von Ihrem Los als Waise berichten, oder es doch besser für sich behalten sollte. Für einige Augenblicke wandert Sithoras Blick ziellos durch den Hafen hinter Misha. Dabei sieht Sithora gedanklich sehr abwesend aus. Sie würde niemals damit betteln gehen, dass sie ohne richtige Eltern aufgewachsen war, aber war das betteln? Nein, die Nixe schien ehrliches Interesse zu zeigen.


    "Viel Menschen hier in der Stadt haben sehr große Vorurteile gegenüber Waisen. Leute, die keine Eltern haben warum auch immer... Jeden Tag bekommt man das hier in der Stadt zu spüren. Und das obwohl eine Waise bestimmt nicht anders ist als andere... Ich war gerade mit meinem Ziehvater einkaufen, doch der Bäcker... er meint immer wieder, Waisen seien verstohlen und unehrlich." murmelt Sithora etwas niedergeschlagen.


    Mit einem verschwindenden Lächeln blickt sie Misha an, die ihr so nahe gekommen ist.


    "Hast du keine Probleme mit der Luft hier außerhalb des Wassers?"

  • Misha mochte es nicht, wenn die Leute in ihrer Umgebung niedergeschlagen oder traurig waren - sie ertrug es einfach nicht. Auf der anderen Seite jedoch fiel ihr nichts ein, dass die Laune der Menschin vielleicht hätte aufbessern können. Sithora war also eine Waise - eine Alleingelassene. Misha versuchte erst gar nicht sich vorzustellen, wie das sein musste. Sie kannte ihre Eltern nicht - Misha kannte sie zumindest, hatte mit ihnen gelebt... hatte ihre Liebe erfahren können. Wie musste es sein, ohne den echten Vater und die echte Mutter groß zu werden? Ob man den Unterschied merken würde?
    Und warum die anderen Luftatmer Waisen für verstohlen hielten, verstand Misha auch nicht. Was unterschied sie denn von andern Kindern, anderen Leuten? Vielleicht dachten sie schlecht von ihnen, weil man manchmal nicht mit Sicherheit wissen konnte, woher sie stammten? Oder weil die meisten Diebe einmal alleine gelassene Kinder waren? Das wahrscheinlich eher.
    Da die junge Nixe kein Salz auf Sithoras Wunden streuen wollte, überspielte sie die letzten Worte und bedachte sie stattdessen mit einem verständnissvollen, aufmunternden Lächeln. Ob sie Probleme mit der Luft hatte? Misha spitzte die Lippen und schüttelte lachend den Kopf, woraufhin ein paar Wassertropfen durch die Luft flogen. "Die Luft ist kein Problem... ein wenig trocken ist sie halt - man bekommt manchmal Halsschmerzen davon. Die Luft trägt die Stimme nicht so weit wie das Wasser. Sie fühlt sich ... leer an."


    Misha tauchte unter dem Steg hinweg, um auf der anderen Seite wieder aufzutauchen und sich dort wieder an den Steg zu lehnen. "Aber du weißt leider nicht wie es ist, Wasser zu atmen ... wenn du es wüsstest, dann wüsstest du auch, wovon ich rede - kannst du es dir trotzdem vorstellen?"

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  • Sithora, immer noch im Schneidersitz sitzend lässt sich nach hinten fallen und sieht nun im Liegen die Nixe an, denkt kurz über ihre Worte nach.


    "Hm... ich weiß nicht, ob ich mir das so richtig vorstellen kann... Vielleicht lässt es sich damit vergleichen, wenn man in einer Schlucht steht und ruft? Da wird die Stimme wohl auch weiter getragen als hier in den engen Gassen zum Beispiel?" mutmaßt Sithora ein wenig ratlos.
    Kurz blickt das Mädchen noch ein wenig betrübt, verwirft die Gedanken an das Waisendasein dann aber doch wieder recht schnell. Es war kein Tag um den Kopf wegen der Torheit eines anderen hängen zu lassen.


    "Wie ist es dort unter Wasser? Gibt es auch Städte wie hier? Ich denke schon, oder? Ich gebe zu, darüber weiß ich nicht sonderlich gut bescheid." gibt Sitho neugierig zu und lächelt.

  • Die Neugierde der andern übertrug sich spielend leicht auf Misha, die nun eifrig nickte. "Wie das mit den Schluchten und Gassen hier an der Luft ist, weiß ich nicht ... kann schon sein. Aber von den Städten im Meer kann ich dir viel erzählen!"
    Mishas Stimme zwitscherte fast vor lauter Freude und sie lächelte Sithora an, ehe sie in den Kuppelhimmel hinaufsah.
    Es gab durchaus einige Gemeinsamkeiten mit den Städten an der Luft, musste Misha zugeben, auch wenn es sie mit Unbehagen erfüllte, sich auszumalen, wie es sein mochte, aich auf zwei Beinen aufrecht gehend darin fortzubewegen. Wie sich die Gebäude aneinander pressten, die kleinen viereckigen Kästen auf ihren Dächern aus denen beständig rauchende Luft austrat, wie aus Vulkanen... all das war ihr fremd - im gleichen Maße wie Sithora Mishas Unterwasserwelt befremdlich sein musste.
    Sie lächelte über diese Gemeinsamkeit, die sie entdeckt hatte. Die Vertrautheit spann sie ein, hielt sie fest, machte sie glücklich, obwohl sie sich an Orten wie diesem noch nie wohlgefühlt hatte.


    "Du musst es dir weiter vorstellen ... keine Straßen.", begann Misha und versuchte an den Zügen des Menschengesichtes zu erkennen, ob sich bereits Bilder in Sithoras Kopf zu bilden begannen. "Keine Füße, die den Boden berühren, alles kreist und schwimmt umher ... man kann sich leicht verirren, wenn man sich nicht auskennt. Weißt du, hier ist das anders, es gibt ein festes Unten, auf dem alle herumtrampeln, an das die meisten gebunden sind - bei uns gibt es das nicht. Große Städte, die damals untergingen, haben wir bevölkert - selbst dazugebaut, selbst bevölkert und begrünt - überall wachsen Korallen, Moose, Meerespflanzen - weniger Stein, wenig Tod. Es ist anders."

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

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  • Sithora versuchte sich nach Mishas Erklärungen die Städte unter Wasser vorzustellen. Wie ein trockener Schwamm Wasser aufsaugt, so saugt die neugierige Waise die Worte der Nixe auf und versucht sie in ihren Gedanken zu einem Bild zusammen zu fürgen. Sie versucht sich alles so vorzustellen, wie Misha es beschreibt. Keine Straßen und viel freier als hier. Das hört sich für Sitho recht ungewohnt an, aber wahrscheinlich war für Misha das Festland genauso ungewohnt.


    "Aber gibt es denn keine Punkte, an denen man sich fest orientieren kann? Ist es nicht sehr verwirrend für die Anwohner, wenn alles umherkreist und schwimmt?" fragt Sithora neugierig weiter. Vielleicht hatte sie einfach nur etwas falsch verstanden, aber so ganz konnte sie sich das mit der schwimmenden Stadt nicht vorstellen.


    "Ich meine... wenn es kein festes Unten gibt, ist es dann nicht sehr sehr schwer, sich zurecht zu finden? Verschwimmt man sich dann sehr oft? sprudelte es aus Sitho heraus.

  • Misha kicherte und fasste sich selbst an die Stirn, doch gestand sie es der Luftatmerin zu, dass sie sich nicht ausmalen konnte, wie es dort unten war. Einen Moment flackerte der Wunsch auf, ihr die Welt dort unten zu zeigen - doch mehr als einen Augenblick währte er nicht... sie wollte keine Sehnsucht wecken, die sie nicht befriedigen konnte.
    Misha hoffte, dass Sithora ihr das Lachen vergab, sie wollte sich nicht über sie lustig machen.


    "Doch, doch ... Punkte der Orientierung gibt es natürlich ...", antwortete die junge Nixe, grübelte ein wenig über die richtigen Worte - so flüssig war ihr Belerianai auch wieder nicht und, was die Beschreibung ihrer Welt noch schwieriger machte; es gab nicht für jedes Wort eine Belerianai-Entsprechung. Die Sprache der Meere, Aquarin und insbesondere die Sprache der Nixen, Neasalla, war an diesem Punkt einfach vielfältiger. "Feste Gebäude, feste Säulen am Grund... aber keine Straße auf der man nebeneinander geht. Vielmehr ein buntes Treiben, oben, unten - überall! Deswegen verirrt sich derjenige, der es nicht gewohnt ist."


    Misha machte eine wegwerfende Geste mit der Hand und ein leichtes Nicken ließ die kleinen Muscheln aneinanderklirren, die sie sich in die Haare geflochten hatte. Stolz konnte man in ihrer Stimme hören. "Ich verirre mich natürlich nicht ... ich bin schließlich in Asraella groß geworden. Aber darf ich dich auch was fragen?"
    Misha sah Sithora erwartungsvoll an und ihre Schwanzflosse streifte die Wasseroberfläche für einen Moment. "Ist es wahr, dass ihr die Kuppel nicht verlassen könnt?"

    Er setzte sich. Ich setzte mich neben ihn. Und nach einem Schweigen sagte er noch: »Die Sterne sind schön, weil sie an eine Blume erinnern, die man nicht sieht ...« Ich antwortete: »Gewiß«, und betrachtete schweigend die Falten des Sandes unter dem Monde. - Antoine de Saint Exupéry, »Der kleine Prinz«

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