Die Welt wusste nichts von ihr, sie wenig von der Welt und wahrscheinlich gäbe es auch nie solche Bemühungen, die es passend machen könnten, und selbst wenn man versuchen wollte zu verstehen, so bräuchte man ein Schwert dazu oder den Willen, den stärksten, den es je geben würde die Yassalar unter das Verständnis zu zwingen.
Alles erschien Zarasshin zu still, zu atemlos, zu dunkel in dieser neu geborenen Dämmerung, deren vergebenes Aufbegehren mit einem Blitzen der letzten Farben starb, irgendwo außerhalb der Kuppel, irgendwo im Ozean. Es war ein besonderer Augenblick, denn heute entkam niemand der Finsternis der Nacht, die der Mond nicht beschien, weil er die Sonne nicht sah, sein eigener Schatten ihn barg. Und ihr Körper mit seiner untadeligen Anmaßung hatte ihr eine Weile vor Sonnenuntergang bereits die Unruhe auferlegt, als sie sich auf ihrem Lager drehte und wand, der flache Bauch, die makellose Linie von den schmal zu umfassenden Schultern über ihre silbern geschuppten Brüste bis hin zu ihren Hüften – gebieterische Schönheit zuckend in einem Alp gefangen, der von Feuer sprach, der ihr alles an Feuchtigkeit nahm. Sie hasste Träume von Flammen und Hitze, im Wachen würde sie ihnen die Stirn bieten, wo sie im Schlaf schrie.
Aufgeschreckt war Zarasshin und geflohen aus dem finsteren Reich, hinauf an die Leere, die den Himmel von der Fülle trennte. Ihre Flinkheit wich den Wachen der Tritone aus, an Kraft und Anmut geschmiegt trieb harter Körperschlag sie durch die Wellen des Sternenmeeres, während der Heißhunger in ihren untätigen, und daher zitternden, Händen ungestillt blieb, so dass er weiterhin gewillt war irgendetwas und alles zu verzehren.
„Perfekt, um die Kraft in Übungen zu lenken.“ Zarasshins Kopf fuhr herum, doch die Fee gab ihr nicht die Genugtuung der Beachtung, stattdessen dirigierte sie in dem Bewusstsein, dass die Yassalar ihrem Rat folgen würde. „An Land, Zarasshin.“ Sie war ganz in stille Erregung geraten, ihre Augen, eben noch müde, bekamen einen heftigen Glanz.
Sie spürte, wie sie sich innerlich in eine Wärme und eine Kälte schied, eine Weichheit, die längst um ihre Unschuld weinte, und die Härte, die nichts unversucht lassen würde, und beide Hälften rieben knirschend aneinander, die eine froh, die andere wütend.
Der See lag friedlich, wie immer als Spiegel der künstlich gestalteten Kuppel, als sanft streichende Wellen seine Oberfläche ins Wanken brachten. Heute Abend wollte sie versuchen zu atmen unter dem auffordernden, erdigen Blick der Fee. „Erdenmutter“, forderte diese gelassen, wissend, dass die spitzen Lippen Zarasshins Ablehnung ausdrückten, wo kein Ton erklang ... Grünzeug ..., murrte der Schwester Stimme, die lieber ausriss und nicht wachsen lassen wollte.
Ihre Augen folgten der Darbietung, sah der Yassalar mit größter Aufmerksamkeit zu und sie schien neuen Gefallen an dem Zauber zu finden. Sie gab wie immer ihr Bestes, um möglichst unberührt zu wirken, doch als Tuireann zuerst schwieg folgten ihr silberner Blick ein wenig dem Blättermeer zu ihren Füßen, als ob sie davon ausginge, einen riesigen Spalt zwischen ihnen aufgetan zu sehen. Jetzt endlich wird sie lachen. Und das beachtliche Publikum, bestehend aus Bäumen und Vögel, würde vom Wind angetrieben zu einer donnernden Woge der Unterstützung. Doch nichts davon geschah, türmte sich, alles blieb still. Tuireann nickte gefällig und mit einem Salto verschwand sie ohne ein weiteres Wort in der Erde – typisch, dachte Zarasshin und ließ sich zu Boden sinken, die Füße im Wasser, eine Hand in die Erde gekrallt und mit einer schwarzen Kralle zog sie die Umrisse der Blätter in der geschwollenen Leere nach.
Es gab ihre Feen-Welt, in ihrer ganz selbstverständlichen Überzeugung, dass es der Realität entsprach, wie es richtig war zu handeln, von den Erkenntnissen Zarasshins unabhängig, was immer diese auch davon glauben wollte oder in ihrem Leben erfahren hatte dürfen. Zarasshins Wahrnehmung war durch ihre Fähigkeiten begrenzt, sie würde sich keine endgültige Gewissheit verschaffen können, dass ihre Erfahrungen mit der tatsächlichen Realität Tuireanns übereinstimmten – ihre Welt war mit Gewissheit eine andere, in die sie sie einlassen wollte oder auch nicht. Die Schlussfolgerung war, ob Zarasshin sich darauf einlassen konnte?