Gedenke, dass du sterblich bist

  • Die Welt wusste nichts von ihr, sie wenig von der Welt und wahrscheinlich gäbe es auch nie solche Bemühungen, die es passend machen könnten, und selbst wenn man versuchen wollte zu verstehen, so bräuchte man ein Schwert dazu oder den Willen, den stärksten, den es je geben würde die Yassalar unter das Verständnis zu zwingen.
    Alles erschien Zarasshin zu still, zu atemlos, zu dunkel in dieser neu geborenen Dämmerung, deren vergebenes Aufbegehren mit einem Blitzen der letzten Farben starb, irgendwo außerhalb der Kuppel, irgendwo im Ozean. Es war ein besonderer Augenblick, denn heute entkam niemand der Finsternis der Nacht, die der Mond nicht beschien, weil er die Sonne nicht sah, sein eigener Schatten ihn barg. Und ihr Körper mit seiner untadeligen Anmaßung hatte ihr eine Weile vor Sonnenuntergang bereits die Unruhe auferlegt, als sie sich auf ihrem Lager drehte und wand, der flache Bauch, die makellose Linie von den schmal zu umfassenden Schultern über ihre silbern geschuppten Brüste bis hin zu ihren Hüften – gebieterische Schönheit zuckend in einem Alp gefangen, der von Feuer sprach, der ihr alles an Feuchtigkeit nahm. Sie hasste Träume von Flammen und Hitze, im Wachen würde sie ihnen die Stirn bieten, wo sie im Schlaf schrie.
    Aufgeschreckt war Zarasshin und geflohen aus dem finsteren Reich, hinauf an die Leere, die den Himmel von der Fülle trennte. Ihre Flinkheit wich den Wachen der Tritone aus, an Kraft und Anmut geschmiegt trieb harter Körperschlag sie durch die Wellen des Sternenmeeres, während der Heißhunger in ihren untätigen, und daher zitternden, Händen ungestillt blieb, so dass er weiterhin gewillt war irgendetwas und alles zu verzehren.
    Perfekt, um die Kraft in Übungen zu lenken.“ Zarasshins Kopf fuhr herum, doch die Fee gab ihr nicht die Genugtuung der Beachtung, stattdessen dirigierte sie in dem Bewusstsein, dass die Yassalar ihrem Rat folgen würde. „An Land, Zarasshin.“ Sie war ganz in stille Erregung geraten, ihre Augen, eben noch müde, bekamen einen heftigen Glanz.
    Sie spürte, wie sie sich innerlich in eine Wärme und eine Kälte schied, eine Weichheit, die längst um ihre Unschuld weinte, und die Härte, die nichts unversucht lassen würde, und beide Hälften rieben knirschend aneinander, die eine froh, die andere wütend.


    Der See lag friedlich, wie immer als Spiegel der künstlich gestalteten Kuppel, als sanft streichende Wellen seine Oberfläche ins Wanken brachten. Heute Abend wollte sie versuchen zu atmen unter dem auffordernden, erdigen Blick der Fee. „Erdenmutter“, forderte diese gelassen, wissend, dass die spitzen Lippen Zarasshins Ablehnung ausdrückten, wo kein Ton erklang ... Grünzeug ..., murrte der Schwester Stimme, die lieber ausriss und nicht wachsen lassen wollte.
    Ihre Augen folgten der Darbietung, sah der Yassalar mit größter Aufmerksamkeit zu und sie schien neuen Gefallen an dem Zauber zu finden. Sie gab wie immer ihr Bestes, um möglichst unberührt zu wirken, doch als Tuireann zuerst schwieg folgten ihr silberner Blick ein wenig dem Blättermeer zu ihren Füßen, als ob sie davon ausginge, einen riesigen Spalt zwischen ihnen aufgetan zu sehen. Jetzt endlich wird sie lachen. Und das beachtliche Publikum, bestehend aus Bäumen und Vögel, würde vom Wind angetrieben zu einer donnernden Woge der Unterstützung. Doch nichts davon geschah, türmte sich, alles blieb still. Tuireann nickte gefällig und mit einem Salto verschwand sie ohne ein weiteres Wort in der Erde – typisch, dachte Zarasshin und ließ sich zu Boden sinken, die Füße im Wasser, eine Hand in die Erde gekrallt und mit einer schwarzen Kralle zog sie die Umrisse der Blätter in der geschwollenen Leere nach.
    Es gab ihre Feen-Welt, in ihrer ganz selbstverständlichen Überzeugung, dass es der Realität entsprach, wie es richtig war zu handeln, von den Erkenntnissen Zarasshins unabhängig, was immer diese auch davon glauben wollte oder in ihrem Leben erfahren hatte dürfen. Zarasshins Wahrnehmung war durch ihre Fähigkeiten begrenzt, sie würde sich keine endgültige Gewissheit verschaffen können, dass ihre Erfahrungen mit der tatsächlichen Realität Tuireanns übereinstimmten – ihre Welt war mit Gewissheit eine andere, in die sie sie einlassen wollte oder auch nicht. Die Schlussfolgerung war, ob Zarasshin sich darauf einlassen konnte?

  • Die Nacht um sie herum war friedlich. Ja, auch sie kannte solche Worte, solche Empfindungen, die sie zugegebener Maßen nur selten so verspüren und beschreiben würde. Der See lag still da, während sie reglos unter einem Baum lag, dessen Wurzeln tief in der Erde verborgen waren. Die Augen hatte sie geschlossen, spürte das dichte, grüne Gras unter sich und genoss die Ruhe, die sie umgab, die sie benötigte, weshalb sie hier war. Der Parksee erinnerte sie immer ein wenig an dem Mondsee in ihrer Heimat, dem Schattenforst. Der hier war bedeutend kleiner und wirkte lange nicht so anziehend auf die Angehörige des Schattenvolkes. Aber es reichte aus, um sich zu beruhigen und sich zu besinnen. Oder?


    Sie schlug die Augen auf, der Blick aus den dunklen Augen schweifte umher. Ruhig, aber lauernd, wie der Blick aus den Augen einer Raubkatze. Es war nur leise gewesen, aber sie irrte sich nicht, sie hatte es gehört. Ihre Sinne waren geschärft und in der Ruhe klang auch ein leises Plätschern sehr viel lauter.
    Ihre Muskeln spannten sich an, während ihre Augen den See nach dem Ursprung des Geräusches absuchten. Es war dunkel, Nacht. Doch sie hatte ihr gesamtes Leben in der Dunkelheit gefristet und sah nirgends besser als in dem dämmrigen Licht. Trotzdem war die Kontur der Gestalt in diesem Moment nur schwer auszumachen. Syrrlithe erkannte sie nur an dem verräterischen Funkeln der silbernen Haare, die ihr Haupt krönten und in denen sich das wenige Licht brach. Alles andere blieb ihr verborgen. Die Gestalt schien mit dem Wasser des Sees zu verschmelzen und Syrrlithe, die ein paar Meter vom Ufer entfernt, nun wachsam und leicht aufgerichtet unter dem Baum saß, konnte weder Haltung noch Mimik genauer erkennen. Ein Grund für ihr gewecktes Misstrauen und ihre Vorsicht. Wer wusste schon, was dieses Wesen wollte, wo sie doch keinerlei Anzeichen bezüglich ihrer Absichten aus dieser Entfernung erkennen konnte.


    Langsam und ruhig kam sie in Bewegung. Nicht viel, nur ihre Hand schlich hinab und die schlanken Finger schlossen sich um den Griff einer ihrer Dolche. Als sie die kleine Klinge ein Stück weit hinaus zog, erklang ein leises Sirren, gemischt mit dem metallenen Geräusch, als die feine Klinge an der Dolchscheide schabte. Ein sehr leises Geräusch, kaum lauter als das Plätschern, als Zarasshin aufgetaucht war. Das Geräusch, das ihre Opfer hörten, wenn es schon längst zu spät war, bevor sie realisieren konnten, ein Hauch von dem erfassen konnten, wozu sie geschaffen wurden, war es auch schon zu spät.


    Dabei wollte sie die fremde Gestalt nicht töten. Noch jedenfalls hatte sie keinen Grund dazu. Vielmehr wollte sie vorbereitet sein. Und nun ja, was wäre so schlimm daran, hätte sie ihre Anwesenheit doch erhört? Das konnte Syrrlithe einen Vorteil kosten, aber was hatte das schon zu bedeuten. Ein leichtes Schmunzeln stahl sich auf die blassen Lippen in dem hellen Gesicht, das unverdeckt und eingerahmt von dunklen, schwarzen Haaren, auf die Fremde gerichtet war, angespannt und neugierig.

  • Es gab einen Sinn, der mit einer gefährlichen Jagd im Blut erwachte, die Aufmerksamkeit schürte, nicht Geruch, noch Sehen, noch Lauschen, nicht die Summe dessen, sondern mehr als dieses alles musste ein Yassalar in sich holen, um in dem Reich unter Wasser zu überleben. Zarasshin wollte den Trotz, die Überheblichkeit, die Empörung, den Willen, alles für sich. Und so auch jede Regung, die Wind und Wasser mit sich trugen, jede Schwingung in der Nacht.
    Ihre Augen glitzerten vor boshaftem Vergnügen. Sie glitzerten nicht wie die Sterne, die in der Schwärze noch heller sind, oder wie ein Diamant, der seine Schönheit beweisen will, sondern eher wie ein Lichtfunke auf einer Klinge, die mit einem kraftvollen Schwung ihr Opfer zu Fall bringt, aber von ihrer Schärfe nichts verlieren will, überraschend mit einer Leichtigkeit, mit der sich die Luft teilen lässt, und höchst zufrieden damit, dass gleich danach Haut und Blut folgen werden. Sie war niemals Beute, sie war Jäger. In weit grimmiger Stimmung als bei ihrem Kommen lächelte sie nun, mit Lippen, die nahezu perfekt waren, selbst nach Maßstäben der Yassalar, die die Perfektion nur in den seltensten Zufällen vollendet sahen, denn sie fühlte sich nicht mehr allein und Tuireann war nicht zurückgekehrt.


    Zu gerne wollte sie behaupten, dass ihr Geist fähig war zu fliegen, den Körper zurücklassen konnte, den Raben Ascans gleich sich aufzuschwingen, doch wie die Wirklichkeit bewies, war auch sie gebunden an die Schwerkraft, an begrenzte Sinne, die sie dennoch weit auszuwerfen imstande war. Als ob nichts wäre, tat sie einen unverbindlichen Blick in das Rund. Tief und laut atmete sie ein, kaum dass sie recht wusste, nach was zu suchen war, seufzte sie heuchlerisch und verzog dazu noch gelangweilt das Gesicht.
    Die Yassalar war erfüllt von der Nacht, die sie überall hier, in der Leere, im vollen Erdgrund, den betauten Blättern, durch das Einatmen an sich brachte, aber es war nicht gleich der wellenförmigen Fülle außerhalb der Kuppel. Von der Dunkelheit hatte sie gelernt reglos zu bleiben, von den Pflanzen, wie man Düfte sondiert und sich in den Strömungen wiegt, von der sanft streichenden Brise erfasste sie, wie man den Geist erhebt. Das tränende Schwert saß immer locker und bereit in seiner Scheide, die stählernen Stifte in den Manschetten verfehlten selten ihr Ziel, auch wenn sie nicht nervös zu nennen war, denn die Selbstsicherheit saß verankert in ihren Knochen.


    Während ihre Schultern sanken, streckte sie die Wirbel ihres Nackens geschmeidig nach vorne, ihre Arme legten sich auf ihre angezogenen Knie. Ihre Augen bohrten nicht mehr in die Tiefe des Parks, musterten, versuchten einzudringen in des anderen Sphäre, sondern sie wartete ab … soll es zu uns kommen.
    Die Schwarze mit der silbernen Schuppenhaut war unter einem musternden Blick, soviel war sicher, und wusste vielleicht, was jener denken mochte, wie alle es erschrocken taten, mit Abscheu, welch dunkles Geschöpf dort saß. Sie musste nicht wirklich verstehen, welche Wahrnehmung jemand von seinem eigenen Selbst hatte, der sich an eine Yassalar heranzuschleichen gedachte, welche Beweggründe er die seinen nannte, vielleicht würde er es sogar als Vorsicht benennen – aber er musste ihr klar zu verstehen geben, wie er sich zu verhalten gedachte, denn sonst war sein Leben verschwendet … sie legte den Zeigefinger überlegend an die Lippe und lächelte seicht vor sich hin – vielleicht wäre er auch mit Unwissenheit geschlagen.

  • Syrrlithe saß da und beobachtete. Lauernd wie ein Tier, das ihre Beute still beobachtete, um auf den richtigen Augenblick zu warten. Auch die Fremde bewegte sich nicht weiter und nachdem sich Syrrlithe Augen an den neuen Schemen weiter weg gewöhnt hatte, erkannte sie langsam weitere Details. Ihre Haut war so schwarz wie die Nacht selbst. Eine Yassalar? Interessant. Wie spannend. Wie gefährlich. Das Schmunzeln des Schattenabkömmlings blieb bestehen auf ihren Lippen. Sie betrachtete das fließende Silber auf dem Haupt der anderen und nahm ihre Gestalt als Ganzes wahr, noch immer unwissend, ob sie bemerkt worden war.
    Anhand ihrer Haltung, immerhin saß sie mit dem Rücken zu ihr, war dies nicht genau zu erkennen. Entweder sie hatte sie tatsächlich nicht bemerkt. Oder sie wartete, als wäre sie selbst der Jäger und nicht die Beute - eine Aussicht, die Syrrlithe aufregender erschien.


    Sie erhob sich. Fließend und lautlos, während die Klinge den Weg zurück in die Dolchscheide fand. Sie konnte nicht vorhersehen, was passieren würde. Trotzdem würde ihr genug Zeit bleiben, den Dolch abermals zu ziehen, wenn es nötig war. Davon ging sie einfach aus.


    Ohne dass ihr Blick einen Augenblick von der dunklen Fremden abwich, setzte sich der Körper der schlanken Frau geschmeidig in Bewegung. Die Kleidung umgab sie wie eine zweite Haut, sie wusste, wie sie sich bewegen musste, damit nichts raschelte, kein Zweig unter ihren Stiefeln knackte, kein Kies knirschte. Doch sie legte keinen Wert darauf nicht gesehen zu werden. Sie trat unter dem Baum hervor, der ihr zuvor noch Schutz geboten haben mochte vor Blicken anderer und hinaus auf die freie Fläche der Wiese, die still vor dem Teich lag. Ganz in Zarasshins Nähe, schräg hinter ihr, trat sie aus den Schatten heraus und war neugierig, ob sie erwartet wurde.


    "Er ist wohl für viele ein Ort der Ruhe und Einsamkeit." Ihre Stimme war gerade laut genug, um zu den Ohren des Meeresgeschöpfes herüber zu dringen. Sie klang angenehm und trug ihr ihre innere Neugierde zu, die sie aufgrund ihres Auftauchens - viel mehr noch wegen ihres Stillhaltens - empfand.

  • Aufregend? Gewiss, immer wieder, zu jedem neuen Spiel ein Strudel Herzklopfen, durfte der Aderfluss durchaus bis zum Herz erstarren, so dass es zum Zerreißen hämmerte, weh und bohrend musste es sie antreiben und heißer Zorn war der Brennstoff, der ihr Blut am Kochen hielt. Und glaubt, es brodelte, denn so geschmeidig, wie sich nun ein Schatten aus dem noch Dunkleren ablöste, versprach er ihr weitaus mehr, als den erwarteten Glanz von Furcht in den Augen, nämlich Widerstand. War Mäßigung das unnatürliche Geschöpf ihres Wesens, freute sie sich bereits. Und wie die Geschöpfe von der Sonne trinken, so nimmt die Geisel der Meere ihre Freude aus der Schwäche, die anderen ihr Schicksal bescherte. So sei es, so würde es sein. Doch erheben würde Zarasshin sich nicht.
    Und der Schatten wurde von seinesgleichen überholt, wie dieses dann getragen vom Licht der Laternen sogleich wieder nach hinten huschte. Wie eine Seiltänzerin tat die weiblich anmutende Gestalt Schritt um Schritt und Zarasshins Kopf neigte sich der Schulter zu, wandte sie endlich das Gesicht, in dem Versuch zu sehen, sich von ihrer verurteilenden Sichtweise zu trennen, um einfach nur zu begegnen, auch wenn sie nicht bereit war, mehr als Nichts in dieses Wesen einer niederen Art zu werten. Ihre Gefühle kosteten von der fast an Übermut grenzenden Leichtigkeit, die sie überkam, als sie eben jenes zarte Gleiten beobachtete.
    Ihr Blick überlief jene wie ein Eisregen – darauf war Verlass. Ebenso ihr Lachen, das im Gegensatz dazu wie Feuer in ihrer Kehle brannte und doch nur gegen ihre gebleckten Zähne prallte, denn so still ohne Laut jenes Näherkommen war, umso eifriger lauschte die Yassalar auf einen Ton. Die Erwartung platzte ihr fast die Haut, ihre Lippen, ihre Augen atmeten die Drohung ungezwungen aus: gleich wesenlosen Dünsten bekannter Dämonen, die Schrecken und Tod jedem bringen würden, der ihr zu nahe trat.


    Und dann, als die Worte die Stille zerrissen, zog sich die Kälte zu einem einzigen festen Punkt in Zarasshin zusammen, als müsse dort ein Bollwerk gegen Hitze sein. Ihre Augen musterten jetzt die Fremde unverhohlen, das enge Mieder stand ihr gut, ihr Blick bohrte sich in die Haut ihres Brustansatzes, bis er den Hals hinauf wanderte, um sich in ihrem Gesicht niederzulassen. Sie roch weder nach Meer, noch nach Elf, denn diese Gerüche kannte sie zu genau. Aber es hatte für die Yassalar geklungen, als wären es nicht die Worte gewesen, die sie hatte sagen wollen, als hatte sie sich nicht recht entschließen können, als müsse man erst die Worte sammeln, damit man sie reihen konnte, bevor man sie sich auf die Zunge legte.
    Und anstatt sich über solche Selbstsicherheit im Gehen zu ärgern und sich von der Unsicherheit im Sprechen abzustoßen wie zuvor, lockte sie der Glanz, der jene Gestalt einhüllte. Es war ihr Augenweide, vom offenen Haar, das in geschmeidigen schwarzen Wellen glänzte, bis hin zu den Lichtaugen und ihrem Hals, wo eine blasse Säule aus Fleisch aus dem dunklen Stumpf des Stoffes stieß ... an sich der von der Nacht durchbohrte Stoff, der sich fein und zart schmiegte, wie es die Hose an ihre Hüften tat. Zarasshin war in seltsamer Stimmung gerade ... warum glänzt du so? Schönheit wusste Zarasshin immer zu schätzen.
    Nun nur noch für andere“, die Wahrheit, kein Scherzen. Dunkel und warm gesagt, kein Nein, kein Ja. Ein spottendes Lächeln wollte ihre Lippen teilen, errang es sich doch nur wieder das seichte Heben eines Mundwinkels, warum fühlte sie wenig amüsiert? Widerhalle, Resonanzen, Nachklänge, was hörte sie nicht alles jetzt. Ein seitlicher Augenaufschlag auf die schmalen Schultern, und Zarasshin sah wieder gerade über den See und der wollüstige Genuss an solch erregender Atmosphäre, waren keine ihrer verwerflichsten Regungen, sondern hatten auch eine gewisse Achtung vor der Gefahr zur Grundlage, die hier überdeutlich in der Nachtluft lag. „Aber Ihr irrt – ich warte auf den Sturm.“ … der einst hier toben wird. Lassen wir die Zeit entscheiden.


    ~*~


    OT
    Ich zieh dich jetzt mal an ... nach Stecki ;) du darfst murren bei Unpassenheit

  • Je näher sie kam desto deutlicher spürte sie die Anspannung, desto mehr wuchs jene in ihren Gliedern, zwischen ihnen. Ruhig und zielsicher tat sie einen Schritt vor den anderen, verharrte erst, als die Yassalar endlich den Blick wandte und sie ansah. Endlich konnte sie erkennen, was sie dachte, was sie war. Gänzlich wohl nicht, war nicht im Stande, es zu erfassen, aber doch wusste sie, mit wem sie es zu tun hatte.
    Der Blick aus den kalten Augen, deren Farbe sie nicht bestimmen konnte, hielt sie gefangen, an Ort und Stelle. Syrrlithe verharrte, wirkte noch anmutig wie zuvor, erinnerte an eine Katze, die still blieb und abwartete, was die Beute tun würde. Ob sie sich nicht doch noch als lebensbedrohender Feind herausstellte.


    Ihr Blick jagte ihr einen Schauer über den Rücken, kalt und eisig, wohltuend. Die Härchen auf ihren Armen stellten sich auf, empfangen die Emotionen, die in der Luft lagen und waren Ausdruck für die, die sie empfand. Den Blick ließ sie schweigend über sich ergehen. Ihre Augen bohrten sich in die ihren, verfolgten den Blick. Sie hatte keine Angst davor, was sie zu sehen bekommen würde. Syrrlithe wusste um ihr Aussehen und sie versuchte kein Deut weniger anziehend zu wirken. Im Gegenteil, was sie dort im Spiegel der Seele der anderen sah, stärkte ihr Selbstbewusstsein und ließ die Zweifel an ihrem Vorhaben in den Hintergrund treten. Sie hatte eine gute Wahl getroffen.


    Letztendlich verharrte ihr Blick nicht nur in den Augen, wanderte über die schmalen Schultern, verfolgten den Lauf der silbernen Strähnen und erhaschten sogar hier und da einen Blick auf die Schuppen der Yassalar unter den eng anliegenden, dunklen Stoff, der halb durchsichtig ihrem Körper schmeichelte. Ein ungewohnter, beeindruckender Anblick für Syrrlithe, die eine wie sie noch nie getroffen hatte.


    Als sie dann die Wahrheit sprach zuckte ihr Mundwinkel kurz in die Höhe, der Anflug von Amüsement. Sie hatte Recht, sie hatte die beruhigende Stille gestört.. und war gespannt, was aus ihr werden würde. Ein Sturm, wie sie sagte? Ja, vielleicht.
    Syrrlithe atmete die Nachtluft ein, streckte die Fühler aus. Sie waren zu verlockend, die Yassalar und die Gefühle, die sie ausstrahlte. Syrrlithe wollte kosten, auch wenn dies den Sturm schneller hervorrufen mochte. Wen störte das schon.
    Sie schloss die Augen und fühlte sogleich den starken Puls der Yassalar. Hörte das Blut, das durch ihre Venen gepumpt wurde, in ihren Ohren rauschen und verlor sich einen Moment in dem starken Leben, das in ihr pulsierte.
    Je nachdem, wie gut sich Zarasshin selbst kannte und auf ihre Gefühle hörte, war sie imstande Syrrlithe Tat zu spüren, die jedoch nur wenige Augenblicke dauerte. Augenblicke, die ausreichten, um sich selbst zu beweisen, dass sie das Richtige getan hatte, eine Köstlichkeit gefunden hatte, die sie im Moment nicht brauchte, aber die man doch gerne annahm.


    Sie lächelte seicht. "Dann verlangt es Euch wohl nicht nach Ruhe. Dieser Abend ist wahrlich zu schön, als das jeder für sich seiner Wege ziehen sollte, ist doch diese Nacht dafür gemacht sie zu genießen." Ihre Stimme war ein leises Säuseln, als sie der anderen langsam näher kam. Sie wollte nicht am nächsten Morgen erwachen und merken, dass sie ihre Chance vertan hatte. "Oder sollte ich mir Sorgen machen?"

  • Ihr Finger hob sich an die Lippen, psssst!, schlug sie jäh sich die Augen auf. Klarheit, die flüchtig über ihre
    violett farbenen Pupillen strich. Zeit, da war sie wieder, ein Augenaufschlag, ein Blinzeln nicht einmal. Schwester, Schwester …
    Gab es noch gefährlichere Wesen als die Yassalar auf diesem Rund? Denkbar.
    Gab es solche, die in ihrer Abgründigkeit geboren waren und nicht anderes zu sein vermochten? Wahrscheinlich.
    Unter ihnen wären doch wenige, dass sich bewusst dem Dunklen Schlaf übergeben würden, nur um in den Genuss eines Spiels um Triumph oder Niederlage zu gelangen: erlöschen wollte Zarasshin, wenn nicht bewiesen sei, dass sie wert war mit den Schattenhaien zu tauchen.
    Sei unbesorgt, was du auch immer bist. Sie war schon längst bereit das tödliche Leben dir zu Füßen zu legen, wo andere die Flucht in Betracht gezogen hätten. Obgleich es keineswegs so war, dass sie all dem die Bedrohung absprach, nein, deswegen ja: fühle hier – stach es zur Warnung in ihrem Nacken, und hier, nah an ihrem Herzen. Der Schein trog – immer …


    Die Yassalar spürte es wohl, dass etwas mit ihrem Blut floss, denn ihre Schläfe drehte sich – ein leises Knurren erklang wie das Knirschen der kleinen Steine, wenn ein Schiff auf den Strand aufläuft. Und doch schob sie großzügig diesen Argwohn wieder zur Seite, als ein zunächst aller irdischen Stütze entbehrendes Luftgebäude, bevor es ungeahnt stürmische Höhen erreichte. Sollte sie ruhig in ihr graben, es wäre spannend zu wissen, was jene fand: Zarasshin und nichts als Zarasshin, die ich bin und war und sein werde. Für alle Zeit. Sie täuschte nicht, wie andere es taten, zeigte sie stets den Charme ihres Seins. So wie mich, gibt es keines mehr, sei gewiss.


    Vorerst hielt Zarasshin den Abstand bei, auch wenn es sie drängte, sich aufzuschrauben, um genauer zu sehen, was an jener war, wie auch das Schweigen über ihre Entdeckung zu befriedigen, um noch mehr zu erfahren. Einmal wohl wäre sie gerne aufgesprungen, weil ihre Art den Wunsch beinhaltete, als das anerkannt zu werden, was sie ausstrahlte, sie beanspruchte zu sein, und dann war da nichts zu verbergen: sie war, was sie war, unverfälscht und scharf wie die Klinge, verborgen in einer ihrer Manschetten. Auf ihre Weise so klar und rein wie ein gerader Pfeilschuss, der sein Ziel nicht würde verfehlen. Jedoch hörte sie hier nicht so sehr auf ihre Gefühle, sondern auf die Eine, die da mit der inneren Stimme der Schwester warnte, deren Farbe nun in ihren Augen lag:
    So elfisch oder kätzisch jene Fremde zuvor noch gewirkt hatte, verraten und offenbart, es war wie tiefes, unnützes Luftholen der Trockenen in der Fülle: unbrauchbar!
    Alles musste eins in ihr sein und die Schwester konnte nicht übereinstimmen mit dem, was sie ahnte, spürte und sah … war Wahrheit für sie nicht Behauptung, sondern fassbar, ganz und gar. Und jene konnte sie nicht erfassen – also ein Irrtum in Gestalt? Kommen wir den Tatsachen nah, denn die Gewissheit, die jene ihr gab, musste nicht sein, was sie zu sehen begehrte, sehen musste oder sah.
    Spüre, wenn das Vertrauen in die Augen siecht, wenn die Wirklichkeit sich dem Unwahrscheinlichen beugt. Ihre Erfahrungen wisperten mit ihrem Verstand, teilte sich das Misstrauen mit der Unkenntnis über jenes Geschöpf. So war sie das: eine Kreatur, den Elfen wollte sie ihr absprechen, sah jedoch noch keinen ersichtlichen Grund. War Zarasshin nicht auch Geist und Blut und Fleisch, war sie deshalb ein Zwerg? Benutzte sie nicht auch Sprache, Gesten und Gestalt sich auszudrücken, war sie deshalb Mensch?


    Somit hatte es zur Folge, dass sich Zarasshin von dem kalten Fieber ihrer jägerischen Reflexe durchflutet fühlte, und zugleich lief ihr ein hitziges Hochgefühl durch alles Geflecht und Geäder des Leibes, jenes Gespür, in welchem sie im Augenblick, da sie es mit ihren Sinnen erfasste, bereits den Triumph vorzukosten pflegte. Hier gab es etwas zu erbeuten und es soll derart entschieden werden, dass der Glaube an ihre hochmütige Vollkommenheit, ihre geistigen Finger überall hinein strecken zu können, was die Yassalar ihr eigen nannte, eine Einbuße erfahre.
    Niemals glaubte sie sich in Gefahr. Ein anderer vielleicht hätte die Feuerhände auf seinen Schultern gefühlt, hätte versucht diese Kraft von sich zu stoßen ... doch geboren war sie ein Kind in einer dunklen Welt und immer, wenn sie sich umdrehte, sah Zarasshin die Schatten an der Höhlenwand, die mit ihr raunten und sich ihr zu neigten, indes das Kind der Yassalar sie ignorierte: Angst war nicht wirklich, sie beherrschte sie nicht, niemals seitdem sie die Schatten erkannt, als das, was sie waren: das Fehlen von Licht. Nutze sie, füge sie deiner Kraft hinzu und zerre die Dunkelheit in die Helligkeit.
    Wittern. Bestimmen.
    Zweifel nicht, strammer Verstand.
    Lauschen. Aufhorchen. Während sie spricht, berühre die Worte.
    Zögere nicht, wacher Instinkt.
    Finden.
    War es Spott, den sie zu hören glaubte, das beliebige Auslegen der Antwort oder lediglich Beobachtung? Ersteres überspülte ihren Stolz, wie der Zorn, den sie selbst auf einmal offenbart fühlte, gegen ihre eiserne Selbstbeherrschung brandete. Bei meinem Blut, wir mögen es nicht, sollte es Hohn sein. Wasser, das nicht fließt muss faulen.


    Das mag daran liegen, dass ich kein Mira‘Tanar bin“, die feiernd Muse tun, „wenn es deinem Wesen entspricht, furchtsam zu sein, solltest du besorgt sein, denn sonst ist es möglich zu spät – dem Unersättlichen wird selbst der Genuss zum Verhängnis“, sprach sie in die warme Brise, der ihren Atem mit sich nahm, mit leiser und fester Stimme, die nicht dem Ausdruck auf ihrem Gesicht entsprach. Die einen bemerkten es vorher, andere danach. Eine unterschwellige Warnung lag darin, es nicht noch einmal zu versuchen. Gib dich hin, dieser einnehmenden Silberstimme, die nicht an die Wehmut der Gegenwart anknüpft, sondern direkt in die Zukunft wies. Komm nur her zu uns …, da half auch Säuseln und Umgarnen nichts. Seine Chance bekam jeder, der gewillt sie zu nutzen war.
    Allein, Zarasshin lachte leise, ohne wirkliche Freude zu zeigen. Den Gefallen zu offenbaren, was sie zu all deren Verlockungen zu sagen hätte, den erfüllte sie nicht. Die wahren Abgründe gab es nicht, lagen sie anhaltend in ihr, so auch in dieser – wie viel brauchte es, das Wesen zu stoßen? – wo Zarasshin jetzt einen großen Sprung über den ihren hinüber tat und freundlich blieb?

  • Syrrlithe Nasenflügel blähten sich, als könne sie das schmackhafte Leben damit länger halten, intensiver spüren, so als würde man tief einatmen, um den Duft des Meeres intensiver zu riechen. Zu verlockend war das pulsierende Leben in der anderen und zu gefährlich noch einmal davon zu kosten. Umso mehr kostete Syrrlithe jeden Moment aus, der ihr blieb, schwelgte in dem Leben, das sie umgab, zu ihr kam und sie innerlich belebte. Was für ein Gefühl, dem sie nie ganz entsagen konnte, auch wenn sie schon oft darüber nachgedacht hatte.


    Doch das Knurren war ihr eine Warnung und ihr geklärter Blick legte sich auf die andere, die den Kopf etwas drehte. Aber Syrrlithe Miene blieb eine Maske, gab keinen Hinweis auf die innere Frage, die sie sich selbst stellte. Ob die Yassalar es gespürt hatte, es irgendwie erahnte. Nein, das konnte nicht sein. Es wäre zu gefährlich, selbst sie schreckte vor dieser Gefahr zurück, würde jemand davon erfahren, sodass sie inständig hoffte, nicht zu weit gegangen zu sein. Sie musste sich zurück halten, auch wenn es ihr gerade jetzt schwer fiel, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, sich abzulenken vom belebenden Elexier.


    Noch immer spürte sie die Präsenz des Meereswesens in sich. Sie war stark, ungebändigt und würde solchen Versuch ihr gegenüber wohl auch nicht zulassen. Und manche Verbindungen in ihrem Inneren waren zu verwirrend und nicht greifbar gewesen für Syrrlithe, die sich viel mehr als für ihr Wesen - auch wenn es fast genauso interessant war - für das starke Leben, das sie abgab, interessiert hatte, das es aufzunehmen galt. Viel zu kurz war es gewesen, um jetzt zu wissen, was und wie Zarrashin war, aber Syrrlithe hatte Zeit.


    Der Geschmack allein hielt sie nur an diesem Ort, viel zu sehr zog es sie an, als sich von den Worten der Fremden bedroht zu fühlen. Ihr kurzes Lachen klang freudlos. Syrrlithe fragte sich, was es zu bedeuten hatte, letztendlich war es wohl egal und würde nicht geklärt werden.
    "Furchtsam", wiederholte sie, klang fast sinnierend und eine Spur amüsiert, als sie darüber nachdachte. "Ein Wort, das kaum jemand in meiner Gegenwart wählte." Mochte es arrogant und eingebildet klingen, es war die Wahrheit, die sie leise sprach. "Dann denke ich, stört es nicht, setze ich mich dazu?", machte sie einen weiteren Schritt, auch wenn es ihrer Art wiedersprach. Normalerweise war sie es, die wartete, still sitzen blieb, bis der andere kam zu ihr. Nun jedoch besaß die Dunkelhäutige etwas, das sie begehrte und sie war feinfühlig genug, um zu wissen, dass heute die Nacht gekommen war, in der sie es sich holen musste.

  • Wenig beeindruckt, kaum abgeschreckt hielt es die Fremde nahe der schwarzen Yassalar. Ihr Verhalten blieb … abwegig und für Zarasshin nicht nachvollziehbar. Es war als würde ein Band von ihr dahin reichen, an dem es sich entlang zu hangeln galt. Sich dahin wenden, wo die kraftvolle Quelle war, um sich dem Unabänderlichen zu stellen: sich zuletzt doch mit aller Kraft befreien zu müssen oder möglich auch einzusehen, wann man unterlegen war, doch dann gleich einem, der sich in das Auge des Sturms warf und sich nicht stoßen lassen wird. War es das, was jene wollte oder was sie nun für sich entschied? Die Gefahr an sich ziehen und sich nicht vertreiben lassen, weil man erst dann spürte, dass Leben in einem war. Aus ihrer Sicht verstand Zarasshin zum ersten Mal den möglichen Antrieb und nahm es an, weil ihr sonst keine Erklärung gefiel.


    Doch mit ein wenig Nachhilfe würde die Augenweide sich bald wie eine Schwimmerin in seichtem Sumpfgewässer fühlen, dessen Grund kein Auftreten gestattete, ihre Füße sich verfingen in schlinghaftem Wurzelgeflecht der tiefsten Meere, indes die Geräusche des sie Verfolgenden immer unbarmherziger ihr Herz befielen … still!, riet die innere Stimme, warte. Auf was nur? Auf dass sie das Denken unterließe oder zumindest das Sprechen danach? Vielleicht auf die Wiederholung ihrer eben gesprochenen Worte?


    Wenn sie schon auf ein elfisches Mittelmaß angewiesen blieb hier anzutreffen, so war sie nicht mit dem Durchschnitt einer Frau besser bedient, deren Körper ihr fremd und furchteinflößend erschien, während aus dem Verstand möglich noch etwas herauszuholen wäre?
    Zarasshin machte eine auffordern Geste als Antwort auf den weiteren Schritt: „Ihr seid unsicher, was Ihr denkt?Was müssen wir tun, Euch davon abzuhalten? Sie grinste süffisant.
    Neugierde glaubte Zarasshin es zu nennen, weil es Hirn, Zelle und Sinne erregte, alles zu gleicher Zeit. Aber sie müsste es besser wissen, dass ihr Herz sich zusammen krampfte, um den körperlichen Schmerz zu durchleben, wie getroffen, wenn sie auf ein nicht scheu zurück weichendes Wesen vor den Geiseln der Meere traf. Der Schwamm voll jenes roten Saftes beeinflusste es nicht, ob sie selbst lebte oder starb, sondern nur ihre Gedanken, die sich nach dem nächsten streckten, der Mut inne hatte, sich weder abschrecken, noch mit einem knurrenden Blick vertreiben ließe. Und das Leben kannte den Kampf und die Freude und alles Schwere sowie den heftigen Schmerz, damit es stark wurde und sich schützte, tosender Sturm und wellende Ruhe in einem: in allem nur Schutz für sich selbst. Wissen war Macht und lernen und begreifen wollte Zarasshin allemal.


    Ein Mundwinkel hob sich, ihr Gewissen flüsterte schon lange nicht mehr, ihre zarten Gefühle schwiegen meist, und deshalb war es nur als Tatsache gemeint, dass sie ein wenig abrückte, sich frontaler zu der Gestalt wandte, als sie sich zu Boden gelassen hatte – ich traue dir nicht und so gerecht ich bin, lasse ich es dich wissen.
    Nun, welches Wort käme dem gerecht, welches man in Eurer Nähe wählen sollte?“, fragte sie nach, auch wenn es gleich einer Feststellung klang, wie jene es gesprochen hatte, nicht auf einer neu ersinnten Überlegung. Fragen stellen, locken, verführen und nichts offenbaren.

  • "Sicher nicht." Sie war ein wenig überrascht darüber, dass die Yassalar ihr so bereitwillig Platz machte, sie gar einlud, sich neben sie zu setzen. Sie hatte nicht damit gerechnet, eher damit abgewiesen zu werden. Was sicherlich schmerzlich gewesen wäre - und nicht akzeptabel. Wer ließ sich schon einfach so von etwas abbringen, dass er tief im Inneren begehrte.
    Stattdessen verspürte sie Zufriedenheit, als die andere sie einlud, auch wenn ihre Stimme für einen Moment eisig klang, als sie die zwei Wörter sprach. Als wüsste sie nicht, was sie denken sollte. Sie fühlte sich gekränkt von diesen Worten und hielt dies auch nicht zurück, glaubte nicht, dass sie es zurück halten musste, denn inzwischen dürfte klar sein, dass sie nicht hier war, um tiefe Freundschaften zu knüpfen. Umso erstaunter war es, dass sie bleiben dürfte, umso neugieriger machte es sie auf die andere. Hatte es doch einen gewissen Reiz, brachte mehr Vergnügen, wenn die andere sich der Gefahr bewusst war und sie sich ihr dennoch stellte. Denn offenbar wusste sie es, scheute sich nicht davor, es hinter falscher Maske zu verbergen.


    Syrrlithe setzte sich, nicht direkt neben sie, sondern ließ noch Platz, Abstand, wo kaum einer mehr war. In der Bewegung schlug sie die Kapuze zurück und ein Schwall glatter Haare verschwamm mit der Dunkelheit um sie herum und ließ die Blässe ihres Gesichtes in der Nacht heraus stechen. Die Waffe hatte sie schon längst losgelassen, seit sie begriffen hatte, dass sich Zarasshin ihr stellte, auch wenn sie ihr nicht traute. Ihre Hände lagen offen und entspannt neben ihrem Körper. Sie spürte das Gras unter sich und erst jetzt, aus direkter Nähe, nahm sie die markanten Züge der Yassalar wahr, die strengen Konturen ihres Gesichtes, die Unnachgiebigkeit, die sie schon vernommen hatte. Sie war schön, unbestreitbar, sie besaß eine exotische Ausstrahlung und Anziehung. Zarasshin konnte es in ihren Augen flackern sehen, unverschleiertes Interesse und so etwas wie Anerkennung ob ihres Aussehens.


    Dann wandte sie den Blick auf den See, ganz so als würde sie das Meeresgeschöpf nunmehr als Gesellschaft und nicht als Feind betrachten, und ein sachtes Lächeln umspielte die blassen Lippen, als sie gefragt wurde, welches Wort ihr gerecht würde. Eine schöne Frage, wie sie fand. Eine Frage, über die man sicherlich lange sinnieren konnte.
    "Es sind die anderen, die furchtsam sein sollten. Mir wurden viele Worte zugetragen, oft liebsamer, als Ihr sie sagtet." Sie drehte den Kopf, nur ein Stück und sah sie aus nächster Nähe unter vollen Wimpern an. "Vielleicht möchten Euch die richtigen noch einfallen und mir nennen?" Sie lächelte süß und schaute sie weniger herausfordernd als vielmehr auffordernd an. Sie war neugierig was sie dachte, hatte sie ihre Worte doch aufgegriffen und musste sich folglich ihre eigenen Gedanken darüber machen.

  • Nichts war sicher. Nichts.
    So auch, dass es zwar Geheimes gab, das verborgen sein musste, doch offenkundige Gefühle gehörten nicht dazu. Einzugestehen, dass der wunde Punkt getroffen war, reizte Zarasshins Erheiterung, als sie es bemerkte. Machte es ihr Blut wach, so dass ihre Muskeln mit jener Offenbarung nach oben gezogen wurden, trügerisch wäre es zu glauben die Fremde sei harmlos unter ihrer zerbrechlichen Gestalt, wie sie sich jetzt geschmeidig niederließ. Ihre Bewegungen waren der Zündstein, der die Funken entfesselte, richtete Zarasshin sich gerade, zog den Nacken ein wenig zurück, ohne Neigung sich selbst zurücknehmen zu wollen, ohne Wunsch der Nähe Einhalt zu befehlen, noch sich zu bewegen. Eine Frucht aus Dunkelheit mit angefüllter Süße, in die sie ihre Klingen senken wollte. Sie berührte die Dunkle wie jedes andere Geschöpf auch, riss ihr Verhalten sie nicht in zwei glatte Hälften, sondern zerwühlte es ihr die flüssigen Eingeweide. So ein Geschöpf durfte nicht neben ihr bestehen … seicht wurden ihre Pupillen von einem wässrigen Violett überströmt.
    Einen Moment glaubte die Yassalar, ihre Beherrschtheit bräche, dass sie sich in das kalte Reich ihrer Seele zerren lassen könnte, doch die Zartheit, mit der die Frau sich bewegte, versiegelte ihre Zweifel ganz tief in ihren Instinkten, dass es noch lange nicht so weit war und es ihr somit gelang ihre Gefasstheit zu erhalten. Folglich schenkte sie ihr Gefühlsregungen, denen Zarasshin sich sonst verweigerte, währendem jene ihr das faszinierende Beobachten ließ, die Bahnen ihrer Hände zu verfolgen, die einen Wasserfall an Haaren befreiten, die sich um fein gemeißelte, blasse Züge legten. Und Zarasshin glaubte, dass es nichts gab, das ihr entgehen könnte. Durch den offenen Blick schien süßer Zauber auf sie zu regnen, ein schicksalsergebener Augenblick, in dem sie die Stimme von Vorwürfen vergaß, weil sie sich in einem zweifelhaften Mittelpunkt wiederfand.
    Aber einfache Worte hinterließen weder in der Luft noch auf Zarasshins Haut Spuren, und ein einfacher Geist fand es nirgends wieder, fing niemals auf, was nicht greifbar war. Deshalb gelang es ihr schweigend und scheinbar gelassen zu warten, denn mehr noch musste den Worten folgen, dessen war sie sich sicher. Eine Frage musste beantwortet sein.
    Und mehr als ihre Neugier liebte Zarasshin ihre eigene kluge Ruhe, ein Hauch der Kraft, die sie auch jetzt zuversichtlich hielt, dass sie nicht im Zorn der Schwester verharrte und nun ihr tödliches Wesen zu überwinden suchte. Und wie immer bereit, dafür bis an ihre Grenzen zu gehen.


    Deshalb folgte ihr Blick über die Weite des Sees. Versuchte mit den Wellen zu sein, die sich über die Oberfläche breiteten – es war ein unsicherer Friede, den der leiseste Hauch stören könnte. Worte vielleicht?
    Da mochte es Antworten geben, für Zarasshin: du bist schön, scharfsinnig und gefährlich, und dein Anblick wird mir verdorben, weil du zu aufreizend bist. Sie war der festen Überzeugung, dass sie trotz des Erschaudern ihrer Haut, wo jener Blick sie sanfter Schwingen gleich berührte, niemals mehr als die Schale ihres dunklen Seins ritzte, diese jetzt nicht und auch zu keiner Zeit in der Zukunft knacken und ihre Zähne in ihren Kern schlagen würde können, der ganz Yassalar ist.
    Und auf das Lächeln hin zeigte Zarasshin ihr Gebiss, fletschte es in einer Grimasse eines Abbildes, so dass die scharfen Eckzähne in den Mundwinkeln sichtbar wurden, so strömte die Frage also zurück zu ihr, tssss. Die Yassalar war ein Tier mit einem überentwickelten Empfinden, das, wenn sie durch Ozeane, Städte, Hallen und Wälder schritt, stets zwar die üblen Gerüche wahrnahm und mochte alles noch so sauber sein, sich durch diese Sinneseindrücke jedoch nicht angeekelt abwandte, sondern sich untrennbar damit verbunden fühlte. Langsam eroberte sich das Silber ihren Blick zurück.


    Es sind immer die anderen, die sich fürchten sollten“, entgegnete sie, sich dagegen wehrend, dass sie bereit wäre einer Trockenen Mut anzuerkennen – denn hingegen zu ihrem strengen Selbst selbst, konnte die Kriegerin in ihr den Schneid würdigen, mit dem jene der meerischen Geißel Anwesenheit die gelassene Stirn bot, auch wenn sie irgendwo in ihrem missachtetem Inneren wusste, dass diese Schönheit keine Furcht nötig hatte.
    Zarasshin ließ sich auf ihre Ellenbogen sinken, entzog der Mondschönen wieder den aufmerksamen Blick, auch wenn alle ihre Sinne auf der Gestalt lagen. Nahm sie die Herausforderung an? Alles ist auf dem Weg entweder in die Freuden oder in den Untergang. Man musste nur dafür sorgen, dass man nicht unter den Trümmern treiben blieb. „Ihr seid schön, scharfsinnig und gefährlich, und Euer Anblick wird mir verdorben, weil Ihr zu aufreizend seid.
    Und glaubt Eure Rasse nur glücklich geschätzt, dass unser Augenmerk noch nicht auf Euch gefallen ist
    “, sagte sie dann doch, „denn dann wüsstet auch ihr euch zu fürchten.“ Erheitert lachte sie und der Farbklang ihrer Stimme war ganz warm, erfüllt von dem steten Rauschen der Meere, weil ihre Kiemen weit geöffnet waren.
    Waren es der richtigen Worte genug?

  • Ruhig und reglos blieb ihr Blick auf der Yassalar liegen, während sie auf jede Regung in dem strengen, hübschen Gesicht achtete. Es interessierte sie sehr, was sie dachte und sie war gespannt was sie sagen würde, wäre nur allzu sehr enttäuscht darüber, wenn sie erst gar nicht antworten würde. "Immer", pflichtete sie ihr bei und ein zartes Lächeln umspielte schwach ihre Lippen, weil sie erpicht darauf war, zu erfahren, was sie über sie dachte. Viel zu sehr, um sie unnötig unterbrechen zu wollen.


    Als sich Zarasshin ihrem Blickfeld entzog, verharrte Syrrlithe zunächst an selber Stelle und nur ihre Augen folgten der schlanken, dunklen Gestalt. Doch je mehr Sekunden verstrichen, desto schwerer fiel es ihr den Blick abgewandt zu halten und so zu tun als wären die hoffentlich folgenden Worte so belanglos für sie. Also folgte schlussendlich doch der Kopf den Augen und sie fixierte das Meeresgeschöpf erneut mit unverhohlenem Interesse.


    Mochten es Überraschung oder das gar stärkere Gefühl, offen umschmeichelt zu werden, sein, das dazu führte, dass sich die geschwungenen Augenbrauen auf hellem Grund in einem Bogen hoben und die Schattengestalt diesen Moment lang ganz still blieb und verharrte. So als wäre der Augenblick nur dazu geschaffen, diese wohltuenden Worte in sich aufzunehmen, den süßen Klang dieser zu vernehmen und deren schmeichelnde Bedeutung zu erfassen. Gleichzeitig versuchte sie zurück zu halten wie sehr ihr die Worte gefielen, auch wenn der Glanz ihrer Augen und das sonst noch immer ruhende, feine Lächeln ihre festen Züge Lügen strafte, die ihr Gefallen verbergen wollten.
    Sie war ihr zu aufreizend? Es schmeichelte ihr und stärkte sie. Sie glaubte nicht, dass es ihr um diese Eigenschaft leid tun sollte und sie sah alles andere als einen Grund sich gekränkt zu fühlen. Denn so wie die Dunkelhäutige auf sie wirkte, schien sie nicht abgestoßen von ihr zu sein.


    Noch schwieg sie, ließ sie ausreden und ihre Gesichtszüge lockerten sich erst, nachdem das warme Lachen erklang, ohne das sie wohl nicht recht hätte einschätzen können, wie die anderen Worte gemeint waren. Doch mit dem Lachen entspannte sich Syrrlithe und ließ sich von dem Klang tragen, der sie an das Meer erinnerte. Ihr Blick fiel auf die spitzen Eckzähne der Yassalar und ihr eigenes Lächeln wurde breiter und ließ sie freundlicher und nunmehr weniger distanziert wirken, trotz der gefährlichen Worte, die die andere von sich gegeben hatte. Syrrlithe verspürte keine Furcht, das klare Lachen hatte ihr jede genommen. Noch immer rauschte es in ihren Ohren und lenkte von Umgebung und Bedeutungen jeglicher Worte ab.


    "Wir sind, was wir sind", erwiderte sie, beinahe unschuldig, als sie geendet hatte und das Lachen verklungen war, es nur noch leise in ihren Ohren nachklang und sie dazu brachte mit weicher Stimme zu sprechen, als könne sie der Melodie der Wellen folgen. Es bezog sich vornehmlich auf ihre Beschreibung von ihr, konnte aber genauso gut auch auf Antwort auf ihren zweiten Satz gesehen werden. Sie fand Zarasshins Wortwahl schön und schmeichelnd und sie war beruhigt, dass sie das ausstrahlte, was sie wollte. Sie war zufrieden mit sich und dieser Antwort. Damit wandte sich nun auch ihr Körper der Yassalar zu, indem sie sich seitlich auf den angewinkelten Beinen sitzend zu ihr herum drehte. Die dunklen Augen schauten sie von oben herab an, wobei sie jedoch nicht herablassend wirkte.
    "Dann ist es ja gut, dass mein Augenmerk auf Euch und nicht andersherum fiel", schmunzelte sie, die Worte der Yassalar absichtlich verdrehend. "Und ich keine Mira‘Tanar bin", griff sie dann ihre Worte von vorhin grinsend auf. "Es wäre doch zu schade, wenn die Nacht schon jetzt hier enden würde." Denn das hätte es wohl zur Folge, wenn ihr Volk ihr Augenmerk auf sie und die ihren gelegt hätte. Mit solch einem Krieg, wie es die Meereselfen führte, wollte sie nichts zu tun haben. Auch nicht ein Teil eines Krieges sein mit einem Volk von beiden.

  • Zarasshins silberne Pupillen zuckten in den Augenwinkel, barg sie ihre Wachsamkeit dort, ohne dass sie auch nur sonst einen Muskel anstrengte. Das Verlangen, sie dennoch direkt anzusehen, riss sie fast mit zupfenden Fingern zu der Weiblichen hin, indes die yassalare Strenge als Faust dem Einhalt gebot.
    Sind wir das?“, fragte sie streng, willst du lediglich sein, zu dem ich dich verurteilt? Zu leichtfertig wollte es ihr erscheinen, solch einfache Antwort zu akzeptieren. Jene sollte folgend dem letzten Wort widersprechen oder zustimmen – und schenkte ein Ausweichen. Niemals würde sie selbst hinnehmen, dass ihr Willen unbeteiligt an ihrem Sein sei, Möglichkeiten, Gelegenheiten, Hoffnungen – Schicksal, gut, Zarasshin entschied sich immer für dessen Verachtung. Sie war immer am Zug und würde ihr Können in dessen Sog schieben. Bin ich, was ich bin?
    Ich bin, was ich bin ...
    – und vermag es nicht zu ändern.
    Nein, nein und nein!
    Es klang nicht unschuldig, es klang verrückt. In der Düsternis, in die sie sich manchmal hüllte, mit ihrem Zorn auf die Welt, verschloss die Yassalar ihr Gesicht. Sie drehte leicht die Züge nach den Schatten, um ihr Gesicht in deren Maske zu hüllen, aber es blieb eine Maske, was darunter auch immer geschah. Absolut bar jedwelchen Gefühls nach außen hin.
    Denn somit müssten Zarasshin und alle Kinder der Zi'llail in der Strömung der Mira'Tanar folgen, annehmen, ja völlig in Akzeptanz ertrinken, gestohlene Bälger zu sein. „Nein, Ihr irrt, wir sind mehr als das.“ Und wie sie geahnt, überkam es sie jetzt mit dem Gehörten, ja, mit dem Zuwenden mehr noch – Macht, die Zarasshin Schauder gönnte, als würde ihre Haut mit Säure übergossen. Das Grinsen brachte sie auf.


    Wie augenblicklich zersplitterte ihre Zurückhaltung. Grauenvoll erblühte die natürliche Selbstgefälligkeit, die durch ihre Adern schoss, um ein Antlitz voll ungesehenem Wahnsinn erblühen zu lassen. Schneller, als man ahnen mochte, behänder als die Leere es Zarasshin je zugestehen gewillt war, zuckte sie nach vorne, kaum trennte sie mehr als eine halbe Flosse von dem fremd faszinierenden Gesicht. Auf drei Fingerspitzen gestützt, ein Knie in die saftige Erde des gestohlenen Meer-Reiches gepresst und den ganzen geschmeidigen Leib geschoben auf bare Zehen, hielt ihr Körper eine Haltung, die dem Auftakt zu einem Spurt glich. Lasse sie nicht fragen nach dem wahren Zweck ihres Lebens, so auch nicht die Natur ihres Herzens erörtern.
    Fragt man sich, wo eine Nacht enden sollte, wenn nicht hier, dann aber jetzt. Vielleicht in den stillen Weiten des Ozeans, immer dort. Nachher dann. Ihr Augenmerk lag vollendet auf der Fremden. Die Erwartung platzte ihr fast die Haut, ihre Lippen, ihre Augen atmeten die Drohung ungezwungen aus, so wie sie sich bedroht fühlte: gleich wesenlosen Dünsten bekannter Dämonen, die sich Schrecken und Tod gegenseitig bringen würden, entließen sie ihre Gewalten.
    Hitzewellen durchjagten sie, schichtete sie schon Begierde, weil ihr Körper nicht mehr wusste wohin damit, so spürte sie es Welle um Welle von innen gegen die Haut schlagen. Deine Gier macht dich angreifbar, Zarasshin, meinte die Schwester, die die Pupillen in einem Violett färbte, krampfte sie die Beherrschung um die Knochen, der Muskeln gleich, hielt sie das Gleichgewicht.
    Die Frage ist doch ... ließe sie sich reizen, locken, das wahre Ich sich fordern?
    Zeigt mir nicht die Trockene“, fühlte die Yassalar sich verhöhnt, wenn auch sie zustimmen musste, dass sie gefunden war, „die Ihr nicht seid! Es beschämt uns beide.“ Lebten sie beide nicht schuldig vom Tod, will sie meinen von der Leichtgläubigkeit, der Unschuld anderer? So konnten sie dem nicht entkommen, aber vermochten es unschuldig der Lüge zu sein.

  • "Das sind wir." Sie stimmte zu. Ohne jede Mine zu verziehen, ohne auszuweichen, sprach sie einfach aus, was sie war. Mochte sich die Yassalar dagegen sträuben, für Syrrlithe stand fest, dass sie immer sein würde, was sie war. Egal, ob sie es versuchte zu ändern oder zu verleugnen. Sie blieb ein Schatten, tief in ihrem Inneren, würde es auch von Außen nicht so erscheinen. Ob sie wollte oder nicht - und manchmal da wollte sie es am Liebsten von sich abschütteln wie widerwärtige Tiere - in ihr blieb die Macht und in ihr blieb das Verlangen, das sie halb wahnsinnig machen konnte.
    „Nein, Ihr irrt, wir sind mehr als das.“ Mochte da noch mehr sein, etwas, das sie noch nicht kannte an ihrem Selbst. Auch wenn sie es nicht ahnte und annahm, sie würde .. Sie kam nicht dazu, ihren Gedanken zu Ende zu führen.


    Auch wenn sie es später bestreiten, nicht erwähnen, zurück drängen und verbannen würde aus ihrem Gedächtnis, in den Augen der Schwarzhäutigen wäre es nicht zu leugnen und nicht rückgängig zu machen. Syrrlithe zuckte zurück. Sich in Sicherheit wiegend, hatte sie die andere unterschätzt, wie ihr nun in dieser Sekunde erschreckend bewusst wurde. Sie zuckte zurück, nur ein wenig, aber Zarasshin blieb dennoch der Sieg, sie blinzelte und sog die Luft ein. Wenige Zentimeter nur von ihrem Körper entfernt verharrte die Yassalar und der warme Atem der Schatten schlug ihr entgegen. Sie fasste sich schnell, wenn auch viel zu spät, um so zu wirken, als hätte sie keine Furcht vor ihr, aber ebenso schnell analysierte sie das Geschehen. Ihre Augen huschten über das dunkle Gesicht, das ihr so nah war, dass sich ihre Haut fast berührten, ergründeten ihre Augen, ihre Lippen, auf der Suche nach Anzeichen ihres Vorhabens. Die Lider senkten sich, da sie herab schaute, um Zarasshins Haltung, ihre Bedeutung und ihre Absichten zu erfassen. Aber nur einen Moment, sofort rückte ihr Blick zurück zu ihrem Gesicht, kaum schlauer als jenen Moment zuvor noch.


    Als die andere die Lippen öffnete, blieb sie gefangen in einem eisigen Schauer und hätte sie welche, hätten sich die kleinen Härchen auf der zarten Haut aufgestellt. So jedoch war Syrrlithe' Blick allein der Spiegel ihrer Gefühle. Ihr Blick hatte sich verhärtet, kaum dass sie gesehen hatte, wie Zarasshin auf sie zugeschnellt war, wenn auch mit verspäteter Reaktion, für die sie sich verfluchte. Scharf und kalt wie Eiskristalle starrten sie die andere an, fast vorwurfsvoll, was sie da getan hatte. Dem Geheimnisvollen in ihrem Blickes war ein Misstrauen gewichen, dass so stark aufflammte, wie die Kälte aus ihrer Mine sprach.


    Schweigend hörte sie ihr zu, doch das Schlagen ihres Herzens wurde nicht ruhiger, das freigesetzte Adrenalin gönnte ihrem Körper keine Entspannung. Jede Faser ihrer Muskeln war angespannt, in ihrem Kopf tönte unablässig eine Sirene, die jedoch nicht abschreckte, sondern mehr die Erwartungen steigerte. "Ihr seid zu nah." Ihre Stimme war ein Zischen und tief aus ihrer Kehle klang ein Laut, der an ein Knurren erinnerte. Kaum hatte sie dies ausgesprochen, fühlte sie sich eingeengter als zuvor schon, gefangen von der Schwarzhäutigen, mochte die Welt um sie herum noch so groß und weit sein.
    Ihre Nasenflügel blähten sich, um die Luft einzuatmen, als könne jene sie befreien von ihren Gefühlen, während ihre Mine wütend verzerrt blieb. "Ihr solltet eine wie uns nicht herausfordern, mich noch viel weniger." Einen Moment war sie versucht der anderen ihr Leben auszuhauchen. Einfach so, und ginge es nur darum, zu zeigen, dass auch sie in Angst versetzt werden konnte. Es wurmte sie, was sie getan hatte, und trotzdem zügelte sie sich, drehte ihren Oberkörper und die Beine bedächtig, sodass sie schließlich vor ihr kniete und ihr ohne Verdrehungen trotz ihrer Worte noch näher kommen konnte, um spätestens jetzt den Abstand zwischen ihnen wieder zu verkleinern und auszugleichen.
    "Tut nichts, was Ihr sowieso bereuen würdet." Auch wenn sie es nicht so wahrnahm, klang ihre Stimme nun eher herausfordernd als warnend, auch wenn die Drohung unterschwellig noch immer mit den Worten mitschwang. Ihr Blick aus den stechenden Augen hatte sich jedoch nicht gewandelt. Unerbittlich starrte sie sie an, sie hatte schließlich einen Ruf zu verlieren und wenn der nur in ihrem Kopf allein existierte.

  • Und weil es keine konkreten Anzeichen eines Vorhabens in den Augen der Yassalar gab, kühlte der erste Schrecken in dem fremden Blick wieder ab. Die Effekthascherei war gelungen, offenbart, dass da sich etwas locken ließ, etwas schrecken, doch gut getarnt unter dem Eis, das vom ersten Augenblick der Bedrohung an in der Mondschönen ganzen Haltung gelegen hatte. In den Tiefen der stürmischen Augen durfte die aufgestöberte Furcht sich regen, nur nicht übergreifen auf den ganzen Leib, nur nicht das, nicht die Handlung befehligen, noch bange Worte auf die Zunge legen. Der Geist befahl dem Fleisch. Und Zarasshin wurde nich enttäuscht.
    Nichts mehr von der Hitze in ihrem Gegenüber war geblieben und Zarasshin fühlte, wie das Eis zu ihr selbst hinübersprang, sich im Geäst ihrer Adern ausbreitete, wie es vom Blick zum Herzen her auswuchs, ein gläserner Baum der Gleichgültigkeit, wie es Gehirn und Nerven mit weißen Kristallen bedeckte und die Haut mit einem starren Panzer überzog. Es blieb nur zu denken, dass sie es ja gar nicht wollte, sie jene im Grunde hatte schonen wollen, von der Kälte der Yassalar fernhalten, mit der ihre Grausamkeit sie vereist hat bis in das Herz. Auch wenn alle darin erfrieren sollten, diese ja nicht. Diese nicht.


    Ihr Mundwinkel hob sich zu einem grausamen Imitat eines Lächelns, als sie abgewiesen wurde, ein Zischen erreichte sie in den Worten, untermalt von einem Grollen, wie ein Seebeben. „Ja, das bin ich wohl.“ Zu nah. Vielleicht.
    Und Zarasshin? Was empfand sie nun? Sie wusste es selbst kaum, sie könnte es nicht beschreiben. Eine außergewöhnliche Anziehung, doch niemals wären es ihre Worte … eine spirituelle Euphorie, würde ein anderer es beschreiben; Faszination, meinte die Schwester: alles zurückweichende Leben würde ein Magnet sein, der ihre Seele anzog. Wenn sie uns jedoch nicht fürchtet, muss sie sich stärker wissen?
    Was tief in den fremden Augen eine sich türmende Welle lang zucken durfte, stöberte Zarasshins Herz auf und die Wogen ihrer Freude schwangen sich bei diesem Anblick auf, anstatt zu nieder zu brechen, die Schauer über die Schüppchen hatte sie zu ertragen, die Ohnmacht der Empfindungen hatte fast ihren Höhepunkt erreicht.
    In ihrer Hand könnten Strafe und Liebkosung sein, Schmerz und Freude lagen nah beieinander – was nun? Sie fühlte die Verzweiflung wie ein lauerndes Tier, das auf ihrer Brust saß. Wenn die Fremde nur einmal wagte, einen Blick auf sie zu richten, einen, der ihr Blut nicht in Begehren in Wallung bringen würde, sei es entschieden … was dann? Was? Doch so … eine wie uns.


    So rollte sie zurück auf die Fersen und fühlte weder beleidigt, noch verwundert. Nur ein Hauch dessen blieb, dass sie glaubte, nur aufgrund eines guten Willens zu leben – lächerlich!
    Man hatte ihr die eigene Reaktion gezeigt, ein Spiegel dessen, wie sie selbst reagiert hätte. Eine wie uns. Und gespürt, was man spüren musste, wenn zwei Wellen aufeinanderprallten. Eine Reflexion, ein Echo der eigenen Kraft und des Willens; die Herausforderung war angenommen und in der Mitte sank man vereint zusammen, während ein Nass das andere überrollte, das andere es unterspülte … Zarasshin nickte wenig verunsichert, „Ich bereue nichts“, ganz trocken, denn damit verbunden müsste das Bewusstsein von Unrecht sein, ein Bedauern oder das Gefühl der Schuld – und doch war sie die Erste, die den Blick aus dem starren Fixieren nahm. Eine Verschwendung der Zeit die Vergangenheit sich ungetan zu wünschen. Anstatt zu bedauern, sollte man versuchen die Ergebnisse zu verändern, die unwillkommen waren, anstatt sie hinzunehmen. „Weshalb glaubt Ihr, dass ich überhaupt etwas bedauern könnte?“ Nicht nur glauben, auch so überzeugt davon ... Mancher starb lächelnd bei seiner Tat. Und immer würde Zarasshin mit den Konsequenzen leben, die sie heraufbeschwor.


    Sie zog ihren jetzt wieder silbernen Blick zurück zu der Fremden. Noch immer sah sie ihr kein bekanntes Volk in den Zügen. Scheinbare Fingerzeige war sie nicht geneigt gewichtig zu nehmen und der unverhohlene Spuk ihrer Wünsche verzerrte ihr die klare Folgekraft ihrer Denkwelt. Mit einer heftigen Sehnsucht, dachte sie, es müsse eine Freude sein, sich nach vorne zu lehnen, sich aufzuspießen auf den stechenden Blick, auch wenn sie nicht dazu geschaffen war, freiwillig zu leiden. Umso befremdeter kam ihr zu Sinn, als sie ja an Unterwerfung gewöhnt war, dass sie gerade bereit war ihre strenge Haltung aufzugeben.
    Seid Ihr fähig in meinen Gedanken zu lesen?“, nahm Zarasshin ihre Frage wieder auf und sie tippte sich abwägend in an die Schläfe, nahezu belustigt, was es in den schwarzen Strängen zu entdecken gäbe, „Sagt nun: was seid Ihr?“ Was verbarg sie – was war sie noch nicht bereit zu zeigen? Was muss ich meinem Volk vor Augen halten, was könnte die Priesterinnen an euch interessieren?

  • Wie gut, dass sie wusste, dass sie zu nah war und es trotzdem blieb. Syrrlithe ärgerte sich noch immer, dass sie sich hatte provozieren lassen und der Dunkelhäutigen Genugtuung verschafft hatte, wie sie bei ihrem Lächeln wohl vermutete.
    Dann endlich lehnte sie sich zurück. Nur leise atmete Syrrlithe aus, aber es war der größere Teil der Spannung, der von ihr abfiel. Was sie bis eben geglaubt hatte, was passieren könnte? Oder gehofft hatte? Nein, nur geglaubt, denn ausnahmsweise verspürte sie keine Lust auf diese Spielchen, die allzu leicht körperlich verletzend sein konnten. Auch wenn ihr die Spannung zwischen ihnen seltsamerweise gefiel, die Gefahr zwischen ihnen, die ihre Haut zum Kribbeln brachte. Aber sie wollte die Yassalar in die Schranken weisen, deshalb bewegte sie sich keinen Millimeter und würde nicht nachgeben.


    Länger als die Yassalar verharrte Syrrlithe also in der Position und bedachte sie noch immer mit kaltem und drohenden Blick. Sollte sie bloß keine Spielchen spielen und so tun als ob sie sich beruhigte, im Grunde aber nur darauf wartete, im nächsten Moment erneut und tödlich vorzuschnellen wie eine Schlange. Syrrlithe würde wachsam sein, auch wenn sie im Grunde der Meinung war, die andere hätte sie schon längst zerrissen, wenn sie dies vorgehabt hatte.
    So blieb die Frage was die andere beabsichtigt hatte. Ob sie sich als wert erwiesen hatte? So etwas wie Neugierde mischte sich unter ihre Gefühle, blieb jedoch schwächer als die Wachsamkeit, mit der sie Zarasshin bedachte.


    Dann endlich wandte diese den Blick ab, löste die Verbindung und damit die Anspannung in ihrem Körper. Trotzdem tat sich Syrrlithe schwer Vertrauen zum Verhalten der anderen zu fassen und sich selbst so schnell zu beruhigen, wie es der anderen, zurück Gedrängten gelungen war.
    "Offenbar werdet Ihr erst bedauern, wenn es zu spät ist", sprach sie laut ihre augenblicklichen Gedanken aus und dachte daran, wer solch eine Frage stellte, dem konnte nur der Tod Bedauern beibringen.


    Zu was für Gedanken ließ sie sich da treiben? Wieso machte sie sich überhaupt über die Beweggründe der anderen so viele Gedanken. Weil sie so undurchschaubar war, so fremd und so anziehend. Und doch ließ sie sich nicht weit genug einwickeln und ablenken, um ihr zu sagen, was sie war. Erhofte sie sich tatsächlich eine ehrliche Antwort? Niemals würden ihre Lippen die Worte verlassen, die ihrer Tod bedeuten würde. Wenn nicht von der Seite der Schwarzen aus, dann würde es jemand anderes tun.


    Der Gedanke an den Tod war noch nie abschreckend für sie gewesen. Sie dachte sogar oft daran. Wenn sie Hunger litt und sich Verzweiflung in ihren Körper grub. Trotzdem würde sie ihr Volk nicht verraten. Niemals. Nicht einmal für diese schöne Unbekannte.
    "Und wenn es so wäre?" Jetzt schmunzelte sie wieder ihres Willen und ließ sich vollends zurück auf den Boden sinken. Die Gefahr war vorüber und es blieb eine Entspannung, die nur nach Vergnügen übrig blieb.
    "Ihr würdet es doch gar nicht wahrhaben wollen, wenn ich es könnte. Interessant wäre es allemal." Und damit ein Eingeständnis, dass sie nicht ihre Gedanken lesen konnte, auch wenn sie es in diesem Moment gerne können würde, da es sie interessierte, wie die andere darauf kam. Vielleicht weil sie sich doch richtig verhalten hatte? Syrrlithe war seltsam stolz darüber, als müsste es sie interessieren, was andere von ihr dachten.


    "Für Euch bin ich wohl Syrrlithe." Ihr Name besaß einen geschmeidigen Klang und rollte sich über ihre Zunge, als sie ihr einfach so ihren Namen nannte. Bei anderen hätte sie vielleicht gezögert, so jedoch sprach sie einfach, ohne dass sie überhaupt konkret nach ihrem Namen gefragt worden wäre. "Syrrlithe aus dem Schattenforst." Dann legte sie sich gespielt überlegend einen Zeigefinger an die blassen Lippen. "Schön und gefährlich", meinte sie schließtlich. Sie schmunzelte belustigt und bedachte die Dunkelhäutige mit einem plötzlich friedlichen Blick.
    "Ich finde, das könnt Ihr ruhig wissen. Mir scheint als wären wir schon so weit, uns vorzustellen?" Vor allem damit Zarrasshin nicht weiter nachbohrte, da sie gewiss etwas anderes als ihren Namen gemeint hatte, als sie fragte was sie sei, tat sie amüsiert und entspannter als sie es in Wahrheit war.

  • Also lagen der Yassalar Gedanken nicht in deren Reichweite und so konnte die Fremde nicht wissen, was da vorging. Interessant? Keineswegs, allein auf ein Ziel ausgerichtet, das nicht schwer zu erraten war. „Nein, Ihr verkennt die Yassalar“, antwortete Zarasshin dann auch erklärend auf deren erste Annahme und blickte sehr ernst auf den Mondenteich hinaus, sie wusste, es gab Opfer, die man nicht annehmen durfte, „der Tod erinnert uns bloß an die Kürze des Lebens, so dass wir aus den Knochen mahnend zu lesen vermögen, es zu genießen.“ Aber auch dieser Genuss mochte in Zesshin Doraz manches Mal schwer fallen. „Ich, Zarasshin, klage mein Schicksal nicht mehr an, Syrrlithe, bin ich erst einmal blutleer und im Meer treibend.“ Eine Tatsache. Den Schattenhaien ihr Fleisch. So wie es ihres war Tod zu säen und Anklage zu ernten, doch selbst klagen stand Zarasshin nicht.
    Der fremde Name floss ihr leicht über die Zunge. Er nahm seinen Platz ganz selbstverständlich in ihrem Satz ein, der den ihren, einem Zischen gleich, zuerst nannte. Zuletzt erhielt er den harten Klang des Z'sharr, der ihn abrupt abhackte, sie erwiderte das Schmunzeln nicht. Alles wurde ihnen einverleibt, nichts würde bleiben, wie es war.


    Dicht über dem See tauchte ihre Nachtsicht alles in ein faulig schwefliges Licht, angerührt von einem weißen Nebel. Selbst das frische, im Wasser gebadete, Grün des Grases schien das unirdische, falbe Glutlicht in sich einzusaugen und wieder auszuspeien, denn darin gab es keine Wärme mehr … ein Licht, wie von den Göttern dazu ausersehen, dem Weltuntergang zu leuchten. Krank, aussätzig, eitergelb, ensetzenerregend und ranzig fiel es auf Zarasshin und ebenso im Vertrocknen begriffen fühlte sie sich auch. Eine noch zu verachtende Schwäche. Sie drückte ihre Schenkel durch, hob ihr Kinn und stand hoch aufgerichtet am Ufer. „Wo liegt der Schattenforst?“, fragte sie beiläufig, dann eben durch den Hintereingang, als sich ihre Augen zu Schlitzen verengten – das Meer war unruhig heute Nacht, der Mondenteich fühlte seine Klauen in den Eingeweiden wühlen. Und ihr gefiel nicht, wie Syrrlithe mit ihr sprach. Deshalb sah Zarasshin sanft lächelnd hinab: spielt nur mit der Yassalar, ich vergesse nichts. Fließend, wie Ebbe und Flut, wie Wellen türmend, sanft wie sich ausbreitende Ringe … Zarasshin war das Meer. Jede Kleinigkeit würde sich zu einem Ganzen zusammen setzen lassen, jeder Tropfen ergab mit vielen einen Ozean. Sie würde versuchen zu verweilen, nah und hier zu sein, es nicht aus der Höhe zu betrachten, sondern im Kleinen. Ein Ton, eine Silbe, eine Regung, ein Klang von vielen. Wahnsinn wäre, auch nur eines davon zu verkennen.

  • Syrrlithe war überrascht über die plötzliche Ernsthaftigkeit der Yassalar und schaute sie von der Seite an, ehe ihr Blick zu dem dunklen See folgte, der sich vor ihnen beiden erstreckte. Stumm hörte sie den Worten der anderen zu, die sie nachdenkend wie sie stimmten. Manchmal glaubte Syrrlithe, ihr Leben währte schon viel zu lange und es gab oft Stunden, in denen sie das Leben alles andere als genoss und sich dessen Ende nicht schnell genug herbei sehnen konnte. Im Endeffekt jedoch wusste sie, dass er nicht allzu schnell eintreten würde. Nicht, wenn sie es selber nicht tat. Denn durch die Hand eines anderen Lebewesens, kurz huschte ihr Blick zu der schwarzen Gestalt neben sich, würde sie ganz sicher nicht sterben, wenn es nach ihr ging. Ihr Blick glitt zurück zum See, während sie sich den Namen der Yassalar gut einprägte. Zarasshin.


    "Auch gegen das Schicksal kann man manches mal etwas ausrichten und den Lauf der Dinge verändern." Ihre Stimme klang ruhig und ernst, während sie noch immer das stille Wasser beobachtete, nichts ahnend von Zarasshins Gedankengänge.
    Eigentlich wusste sie nicht, ob sie an ein Schicksal glaubte. Doch wem, wenn nicht dem Schicksal, hatte sie ihre Existenz zu verdanken? Auf der anderen Seite war es ihr zuwider, daran zu denken, dass etwas anderes als sie selbst über ihr Leben bestimmte. Schicksal oder Zufall. Syrrlithe war sich bisher nie eindeutig bewusst geworden, an was sie glaubte und ob überhaupt; und wenn ja, von was das Leben aller bestimmt sein mochte.


    Erst als sich Zarasshin aufrichtete, schaute die Schattengestalt zu ihr hinauf, abwartend, neugierig, fragend. Sie beobachtete sie, musterte ihre Gestalt und behielt die Züge ihres Gesichtes im Auge. Oft sagte eine Regung mehr als Worte. Was hatte sie vor? Unweigerlich spannten sich Syrrlithe' Muskeln an, als sie die Dunkle beobachtete und erfolglos versuchte sie zu ergründen. Ob sie auch aufstehen sollte? Von Angesicht zu Angesicht. Sie blieb sitzen und würde abwarten.
    "Im Westen von Beleriar, weiter nördlich von hier", antwortete sie dann, immer noch ruhig, auch wenn man ihrer Stimme entnehmen konnte, dass sie darauf wartete, dass Zarasshin ihre Absichten offenbarte.


    Wollte sie schon gehen? Syrrlithe verspürte so etwas wie Bedauern, als sie an diese Möglichkeit dachte. Dabei war es doch so langweilig alleine gewesen, wie sie jetzt bemerkte, da sie die Gesellschaft der Schwarzen kennen gelernt hatte. Sie dachte kurz nach.
    "Eure Heimat ist Zesshin Doraz, nicht wahr?" Sie sprach die Stadt nicht so flüssig aus, wie es einer Yassalar gelungen wäre, aber sie gab sich Mühe. Sie wollte, dass die Yassalar blieb und deshalb stellte sie Fragen, auch wenn es ihr egal sein konnte, wo ein Wesen des Meeres lebte. Sie wusste nicht viel von den Yassalar und ihrer Heimat. Deshalb war da doch so etwas wie Interesse, von einem Ort, der sich in seinem Aussehen ihrer Vorstellungskraft entzog. Wie konnte man unter Wasser leben und wie war solch eine Stadt gebaut? Ein Wesen des Landes, wie sie, fehlte dafür das Wissen und das Verständnis.

  • Zarasshin lachte rau. Sie hatte vom Dunklen Schlaf gesprochen, der endgültig jedes Leben zu sich nahm und es den Göttern schenkte darüber zu richten. Einen kannte sie, der ihnen entkommen war, der zurückgekehrt war aus seinem Schicksal, welches sie selbst, Zarasshin Asdis, ihm gegeben, und ein neues erlangt hatte. Ob es nun ein gutes oder schlechtes sei, das wusste sie nicht zu sagen, den verwirrten Edelelfen hatte sie schon seit Langem nicht mehr getroffen. Möglich, dass er sich wieder auf Reisen begeben hatte, zumindest, da war sie sich sicher, hätte ihr Juveno etwas über den Westen von Beleriar erzählen können. Sie wusste hingegen nichts. Und es rumorte ärgerlich in ihr. Es wäre um einiges leichter zu entscheiden, wie sie sich zu verhalten hätte, wenn sie wüsste, welches Wesen hier vor ihr saß. Ein Wald konnte, insofern er noch stand und nicht nur seinen Namen gab, freundliche Bewohner hervorbringen, so weich wie seine Blätter, so doch auch Raubtiere, die des nachts auf die Jagd gingen – ihr Instinkt riss sie in die Richtung der Vermutung, die ihr besser gefallen mochte, als sie zuzugeben bereit wäre.


    Zesshin Doraz ist mehr als eine Heimat“, flüsterte Zarasshin, versuchte in Konzentration auf das Reich der Yassalar das wachsende Unbehagen zu ignorieren, das sie schon in den Stand getrieben hatte, „es ist das hungrige und alles umfassende Reich des Meeres, in dessen Mitte ein ruheloses Herz, namens Zarasshin, schlägt.“ Der Sehnsucht Klang war geständiger, als alles, was gesagt werden könnte, die Wahrheit aber ein verstecktes Maß an Beherrschung darin. Zesshin Doraz war ein zweischneidiges Schwert, sowohl von Vorteil als auch nachteilig, jedoch auf jeden Fall scharf.
    Sie sah auf Syrrlithe herab und wieder fühlte sie sich gedrängt Abstand zu nehmen, angezogen und abgestoßen, ein unangenehmes Gefühl der Unordnung, das ihr mehr als unbekannt war. Ihre reine Freundlichkeit könnte Zarasshin schon zermürben; wahrscheinlich traf man nur einmal in einem Jahrhundert auf solch eine Ausstrahlung, in der magische Schönheit vereint war mit betörender Bedrohung, so dass man sich selbst ganz schlecht und verdorben fühlte.


    Sie sank wieder in die Hocke, zupfte an einem Grasbüschel vor ihren baren Füßen, nahm aber ihren Blick nicht aus dem wunderschönen Gesicht. „Ihr könnt es Euch nicht vorstellen“, ahnte sie, denn so erging es allen Trockenen, die ihre Welt unter Wasser nicht zu teilen vermochten, während sie hier unbehelligt sein konnte und atmete. Und besser war es für diese Mondschöne, befand Zarasshin, denn gleich dem Gebiss eines Schattenhais, gab Zesshin Doraz seine Opfer ungern wieder frei. „Des Meeres Schwerelosigkeit trägt die filigranen Bauwerke Zarasshins, Türme von reinem Saphirblau, die spinnwebartige Brücken verbinden und märchenhafte Gärten überspannen“, sie lächelte wehmütig, „ich habe an keinem Ort je Vergleichbares gesehen.

  • Hätte Syrrlithe um Zarasshins Gedanken gewusst, leider war dem ja nicht so, hätte sie jetzt wohl eine Zufriedenheit ausgestrahlt, die gut mit Arroganz verwechselbar gewesen wäre. Doch sie ahnte nicht, wie sehr es die andere interessierte, was sie war und dass es sie ärgerte, es nicht zu wissen. Die Schattenfrau mochte es, geheimnisvoll zu tun, denn im Geheimen lag der Reiz. Und was wäre schon das Leben ohne diesen oder gar eine Gesellschaft, die sogleich alles über sie wusste und sich nicht die Mühe machen würde, näher zu kommen. Immer näher, bis sie zu nah war und zu spät endlich erkennen würde, was sie wirklich war.


    Doch im Moment kreisten ihre Gedanken um die Heimat der schwarzen Meefrau, die sie mit einer Inbrunst beschrieb, die nur von einer tiefen Sehnsucht und Leidenschaft für diese Stadt herrühren konnte. Syrrlithe beobachtete Zarasshin, wie sie da stand, den Blick auf das Wasser gerichtet und von ihrer Heimat sprach, die tief unter ihnen lag. Und erst jetzt dämmerte ihr, dass diese Person genauso hieß wie die Stadt der Yassalar. Erkenntnis spiegelte sich für einen Moment auf ihrem Gesicht wider, gefolgt von der Frage, die sie sich selbst stellte. Wieso hieß Zarasshin wie die Stadt aus der sie kam? Gab sie sich selbst diesen Namen? Das sprach zusätzlich für die Leidenschaft, die sie mit ihrer Heimat so tief zu verbinden schien.


    Unausgesprochen blieben die Fragen in dem hübschen Kopf, während sich die filigranen Züge wieder glätteten, neutrales Interesse ausdrückten. Sie verfolgte jede einzelne Bewegung Zarasshins und nahm ihre Worte in sich auf. Doch so sehr sie es auch versuchte, sie konnte sich ihre Heimat kaum vorstellen, da hatte die Unbekannte vollkommen recht und sie erkannte es in Syrrlithe Mine und Kopfschütteln. Die Neugierde in ihr stieg. Was gab es reizvolleres als etwas, das nicht erreichbar war, nicht greifbar war. Zu gerne wäre sie nun einfach hinab getaucht, um sich die Bauwerke, von denen Zarasshin sprach, mit eigenen Augen anzusehen. Aber dies würde ihr für immer verwehrt bleiben. Weniger als Verärgerung, wie sie die andere eben noch über ihre unbekannte Herkunft empfunden hatte, verspürte Syrrlithe nun mehr steigende Neugierde und Sehnsucht nach dem Unbekannten.


    In ihren dunklen Augen war erkennbar, dass sie noch immer damit beschäftigt war, sich das Reich der Yassalar und ihre Bauwerke vorzustellen. Doch die Bilder in ihrem Kopf wurden wohl kaum der tatsächlichen Pracht Zarasshins gerecht. "Ihr besitzt ein einmaliges Glück, hier zu wandeln und doch die Tiefen der Meere erreichen zu können. Aber wieso seid Ihr nicht in Eurer Heimat?" Wer mit solch einer Inbrunst von seiner Heimat sprach, der würde kaum hier sitzen und sich mit einer Fremden wie ihr unterhalten, könnte er viel mehr und viel lieber wohl in den Gewässern schwimmen und das betrachten, das das Herz so erwärmte. Syrrlithe wollte herausfinden, was für eine Geschichte hinter der Dunklen steckte, da sie ahnte, es war eine ganz Besondere und Spannende.

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