Eisige Flamme

  • Sie wäre ihr wohl in der Masse von Menschen nicht weiter aufgefallen, welche das bunte Treiben zu dieser Zeit im Seeviertel darstellte. Sie selbst ging in diesem Getümmel in ihrer einfachen Kleidung unter, auch wenn ihre Haare herausstachen. Man fand hier allerlei Gestalten, manche ließen sich nicht einer Rasse zuordnen, manche nicht einmal einem Geschlecht. Doch sie, diese Elfe des Nordens, stach ihr dann doch ins Auge.
    Es mag wohl der Wolf an ihrer Seite gewesen sein, der so fehl am Platz wirkte, wie ein Adeliger es in diesem Viertel getan hätte. Das helle Fell des Tieres hatte schnell die Aufmerksamkeit des Flammenmädchens gefunden und so folgte sie den beiden einige Schritte lang unauffällig, worum sie sich jedoch nicht bemühen musste. Zu viele Leute liefen denselben Weg, als dass sie aufgefallen wäre.
    Sie wusste, der Gedanke war dumm. Sie wusste, er könnte ihr mehr als nur einige wütende Worte einbringen. Doch er war auch so verlockend. Sie liebte es auf Risiko zu spielen, sich selbst Herausforderungen zu stellen, um zu schauen, ob sie diese erfüllen könnte. Und diese Elfe, mit dem Wolf als Begleiter, stellte eine Herausforderung da, welche ihre Finger zucken ließ. Konnte sie dem widerstehen? Wohl kaum!


    Sie beschleunigte ein wenig ihre Schritte um zu der Elfe aufzuholen, bis sie knapp hinter ihr war. Ein unauffälliges Verhalten war nun von Nöten, das wusste sie und das konnte sie auch. Das Leben auf der Straße war der beste Lehrmeister im Theaterspielen, wenn es um das Überleben ging, konnte man am besten das verzweifelte, kleine Mädchen spielen. Nur dass sie nicht mehr das kleine, verzweifelte Mädchen war, sondern eine stattlich herangewachsene Frau, welche nicht nur wusste Männer um den Finger zu wickeln, sondern sich auch gerne einmal an dem Geld fremder Personen bediente.


    Schnell wie eine Schlang stieß ihre Hand mit dem kleinen Messer hervor und schnitt den Beutel, welcher für sie interessant aussah, ab, bevor das Messer wieder im Ärmel verschwand und sie scheinbar stolperte. Nur eine Ablenkung, um unauffällig ihre Beute einzusammeln und dann hoffentlich unbehelligt ihre Wegen gehen zu können.

  • Die Hafengegend war belebt wie man es kannte. Überall waren die Leute damit beschäftigt Waren auf Schiffe auf- oder von solchen abzuladen. Jeder der, wie sie, in dieser Stadt fremde war, wäre gewiss stehen geblieben und hätte sich auf einer der halbhohen Mauern niedergelassen um das emsige Treiben zu beobachten und vielleicht die ein oder andere exotisch aussehende Ware zu erstehen.Doch das bunte Treiben interessierte die Nordelfe und ihren Gefährten nur wenig. Sie waren nicht zum ersten Mal hier.
    Bereits seit längerer Zeit übernahm sie die Handelsreisen nach Nir’alenar für Traian. Jedoch entgegen dessen grosszügigen Angebots, sein Schiff zu nehmen, zu Fuss. Sie war ihr ganzes Leben zu Fuss unterwegs gewesen und das einzige Mal, dass sie es nicht gewesen war, hätte sie beinahe ihr Leben gekostet.
    Ausserdem hatte es sie noch nie lange an einem Ort gehalten und so hatte sie immer mal wieder eine andere Umgebung um sich. Denn eigentlich mochte sie Traian und dessen Schankstube recht gerne. Es war ein angenehmerer Ort als manch anderer den sie bereits gesehen hatte.


    Das Knurren des Schneewolfes riss sie aus ihren Gedanken.
    Eine Diebin!
    Hastig fuhr die Nordelfe herum. Reflexartig ging sie leicht in die Hocke und ihre Finger huschten zu ihrem Stiefel und förderten das lange Messer zutage welches sie dort aufbewahrte.
    Dae baute sich unterdessen bedrohlich knurrend vor der Rothaarigen auf, welche gerade den Beutel der Elfe, den sie wohl sauber abgetrennt hatte, vom Boden auflesen wollte.
    Die Zähne des Wolfes blitzen bedrohlich und seine Lefzen waren nur Zentimeter vom Hals der frechen Diebin entfernt. Jede falsche Bewegung würde dazu führen, dass er sich gnadenlos in ihren Gliedmassen verbeissen würde.
    Die kalte, wie gesplittertes Eis klingende Stimme der Elfe war um einige Grade kälter und härter geworden.
    „Ich an eurer Stelle würde mich nicht bewegen“, drohte sie mit beängstigender Ruhe in der Stimme. Sie regte sich nicht auf, sie wurde niemals laut. Eine gewisse Ruhe zu bewahren schüchterte die meisten Leute mehr ein als Zeter und Mordio zu schreien, was ausserdem nicht in ihrer Art lag.

  • Sie war mitten in der Bewegung erstarrt, nicht nur wegen den Worten, sondern besonders wegen den Zähnen des Wolfes. Sie hatte nicht vor, am heutigen Tage eine Hand, oder ein Stück ihres Armes zu verlieren. Nein, lieber würde sie eine Schimpftriade über sich ergehen lassen. Wobei diese Elfe nicht so klang, als würde sie damit rechnen müssen. Das erstaunte sie. Die meisten regten sich sogleich lautstark auf, wenn sie sich an ihrem Geld bediente. Sie hob den Blick, welcher leidend und ängstlich wirkte. Eine Maske, welche ihr Gegenüber täuschen sollte. Zudem ärgerte Erelthea sich. Sie hatte es nicht geschafft! Der Funke des Ärgers glomm in ihren Augen.


    „Meine Dame…“ Ihre Stimme zitterte. Nicht vor Angst, sondern vor unterdrückten Ärger. Doch sie bemühte sich redlich, es als Angst und Unterwürfigkeit zu tarnen. Dies stimmte die meisten dann doch wieder um. „Es tut mir Leid. Ich werde von Dannen ziehen und ihr seht mich nie wieder. Nur bitte tut mir nichts. Ich habe kein Geld, keine Möglichkeiten.“
    Sie beobachtete die Elfe genau. Würde sie oder der Wolf, welche mit seinem warmen Geruch in ihrem Nacken saß, eine falsche Bewegung machen, würde sie das kleine Messer aus ihrem Ärmel ziehen oder sich eines aus ihrem Stiefel ziehen. Doch darauf wollte sie nicht zurück greifen, wenn es nicht sein musste.

  • Der Blick der Rothaarigen richtete sich nach oben, ängstlich, vorsichtig. Und dennoch glomm dahinter noch etwas anderes. Ärger, Verdruss über ihren Misserfolg.
    Die Elfe hatte vielerlei solcher Gestalten wie dieses Mädchen gesehen in ihrem bisherigen Leben. War oftmals bereits überfallen worden. Doch mit der Zeit hatte sie gelernt dem auszuweichen und mit Dae an ihrer Seite, der die Diebe meist schon witterte bevor sie die Hand nach ihrer Tasche austrecken konnten, war es ein leichtes solchen Situationen zu entkommen.
    Falsche Schlange. Knurrte der Schneewolf bei den Worten der Diebin in ihrem Kopf. Er roch die Wut die von ihrer Haut ausging und er spürte den hinterhältigen Ärger.
    Halt dich zurück Dae. Ich habe keine grosse Lust auf eine Nacht im hiesigen Gefängnis. Hielt die Elfe den Wolf zurück, wessen Schnauze bereits bedrohlich in die Richtung des Nackens der Rothaarigen zuckte. Er knurrte leise, hielt sich jedoch an die Worte der Elfe.
    Diese musterte den Beutel, der noch immer auf dem Boden lag. Es war nicht der Beutel mit ihrem Geld gewesen sondern der Beutel mit den Waren von Serena. Dieses kurzlebige Ding hatte anscheinend nicht einmal das richtige Auge für die Dinge die sie stehlen sollte.
    Ihre Augen wanderten zurück zu denen der Rothaarigen.
    „Was auch immer ihr euch vom Inhalt dieses Beutels versprochen habt, es hätte euch nicht viel gebracht“, Einer ihrer Mundwinkel hob sich auf eine spöttische Art und sie nickte leicht in Richtung des Beutels.
    „Seht euch den Inhalt ruhig an, es befindet sich kein Gold oder Silber noch nicht einmal Kupfer darinnen“, meinte sie und machte eine ausladende Bewegung mit der Spitze ihres Messers.

  • Dem Flammenmädchen war schon beim Abschneiden klar gewesen, dass kein Geld darin gewesen war. Der Beutel hatte sich anders angefühlt, spätestens als er zu Boden gefallen war, hatte sie es gehört. Und so rührte sie sich jetzt nicht, blickte weiterhin mit großen Augen hinauf. Der Ärger galt nicht der Tatsache, dass sie keine Beute gemacht hatte, ja, das sie selbst wenn sie den Beutel unbemerkt an sich genommen hätte, keinen großen Gewinn darauf gezogen hatten, sondern dass sie erwischt worden war und so in ihrer eigenen Herausforderung gescheitert war.
    „Bitte, ich mache es auch wieder gut“, sagte sie nun schon weniger verängstigt. Offensichtlich zog diese Schiene hier nicht, das sah sie in deren Augen. Sie schielte auch kurz zu dem Wolf, aber noch immer rührte sie sich nicht. Sie hatte zwar nicht mit wilden Tieren Erfahrung, aber mit wilden Menschen und bei diesen war es selten gut, wenn man sich ruckartig bewegte.


    Sie meinte ihr Angebot ernst. Sie wollte keinen Ärger und sie hegte ja auch keinen Hass gegen diese Elfe, oder überhaupt Elfen. Für sie spielte die Rasse keine große Rolle, so lange man ihnen gut Geld abnehmen konnte, oder andere Vorteile aus ihnen zog. Aber interessant waren die wenigsten. Eine Elfe mit Wolf hingegen war durchaus interessant. So war sie ihr überhaupt erst ins Auge gesprungen. Vielleicht könnte sie ja etwas über sie herauskitzeln. Eine spannende Geschichte konnte auch einiges Wert sein.

  • Aufmerksam forschten ihre hellen Augen in denen der Rothaarigen. Sie schien es ernst zu meinen.
    Für einen kurzen Moment glitt ihr Blick über den Kopf der Diebin hinweg. Die langen, weissen Wimpern senkten sich für eine Winzigkeit als sie die Augen verengte. Nicht unweit von ihr und der Rothaarigen kamen gerade zwei Mitglieder der hiesigen Stadtwache aus einer Seitenstrasse gebogen. Und die beiden schienen sie und den Rotschopf bereits ins Auge gefasst zu haben.
    „Nun gut“, Sie griff nach ihrem Beutel und richtete sich auf.
    „Dae“, sprach sie zu ihrem Begleiter, welcher sich von der Rothaarigen entfernte und wachsam an die Seite der Elfe trat. Langsam streckte sie die freie Hand zu der Rothaarigen aus, um ihr auf die Beine zu helfen.
    „Hinter euch befindet sich die Stadtwache, benehmt euch also unauffällig, wenn ihr nicht als Diebin in Gewahrsam landen wollt“, raunt sie und setzte ein neutrales Gesicht auf.
    Warum liefern wir sie nicht einfach aus? Ein Problem weniger für uns. Fragend klang die Stimme des Wolfes in ihrem Kopf.
    Auf eines mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an. Entgegnete die Nordelfe und bedachte die Rothaarige mit einem nachdenklichen Blick.
    Vielleicht würde ihnen die Kleine hier noch nützen. Immerhin wartete Traian noch auf die ein oder andere spezielle Ware die sich nicht ganz so leicht auftreiben liess.

  • Die Elfe brauchte dem Rotschopf nicht zu sagen, was sie zu tun hatte. Sie lebte schon ihr Leben lang in dieser Stadt und wusste, wie man der Stadtwache aus dem Weg ging. Ansonsten hätte sie ein anderes Leben geführt.Sie nahm die Hand der Elfe, ließ sich aufhelfen und legte dann gleich in einer flüssigen Bewegung einen Arm um die Schultern. Sie berührte die Fremde nur wenig, aber für eine Außenstehende wirkte es so, als würden sie sich gut kennen und sich nicht vollkommen Unbekannt sein.
    „Tut mir Leid, wegen dem Missgeschick von vorhin.“ Sie lächelte die Elfe freundlich an und senkte den Arm dann wieder, das musste reichen für die Stadtwache. „Aber das wird sich wieder beheben lassen.“ Sie zwinkerte Lykash’imra zu und ging dann mit ausladenden Schritten los. Sie brachte lieber Abstand zwischen sich und dieses Problem.

  • Die plötzliche Nähe der Fremden liess den Körper der Elfe hart und angespannt werden. Doch mit einem Seitenblick auf die Stadtwache, nickte sie und zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln.„Das wird es“, sagte sie schlicht und nickte leicht.
    Erst als die Hand der Rothaarigen wieder von ihren Schultern gewichen war, lockerte sich die Haltung der Nordelfe etwas.
    Ihre hellen Augen ruhten noch einen kurzen Moment auf der Stadtwache, welche sich bereits von ihren abgewandt hatte, dann setzte sie sich ebenfalls in Bewegung. Mühelos hielten sie und der weisse Wolf das Tempo des Rotschopfes bei.
    „Nun, wie gedenkt ihr, euch von der Schuld eurer Tat zu befreien?“, fragte sie und richtete einen abschätzenden Blick auf die Frau neben sich. Sie wirkte nicht gerade als könne sie den zerschnittenen Beutel auch nur ansatzweise ersetzen. Das Material für einen solchen Beutel war nicht gerade leicht zu beschaffen und noch dazu teuer.
    Lykash’imra hatte bereits eine entsprechende Gegenleistung im Sinn, doch sie würde der Rothaarigen die Chance lassen selbst etwas vorzuschlagen.

  • „Oh, nun…“ Sie verschränkte die Hände hinter ihrem Rücken und sah die Elfe an. „Ich kann einige Dienste anbieten, welche dem gesitteten Bürger einen Aufschrei entlocken würden.“ Sie betrachtete ihren Begleiter und ein verschmitztes Lächeln zeigte sich auf den Lippen. Ihr war bewusst, dass dies auch völlig nach hinten losgehen könnte, doch wer nicht riskiert, der nicht gewinnt, nicht?
    „Und wenn ich mir diese Aussage erlauben darf, ohne das ihr mich gleich an die Stadtwachen ausliefert… Ihr seht nicht so aus, als würdet ihr zum gemeinen Volk gehören.“ Sie grinste die Elfe frech, aber auch freundlich an.


    „Also äußert einen Wunsch und ich werde schauen, was sich da erfüllen lässt. Denn ich denke, das ein einfacher neuer Beutel wohl kaum dieser Chance würdig ist?“ Ihr Blick wanderte kurz aufmerksam über die Menge, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Elfe zuwandte. Kurz sah sie interessiert den Wolf an, welcher die Elfe begleitete. Was sie wohl in der Stadt machten? Offensichtlich Einkäufe, aber sonst noch etwas?

  • Die Elfe hob eine der feinen, weissen Augenbrauen. Was könnte dieses Mädchen schon anbieten, was ihr jemandem einen Aufschrei entlocken würde? Ausser ihren Körper, was sie wohl einer Frau kaum als erstes anbieten würde.
    Das freche Grinsen und die dreisten Worte der Rothaarigen, entlocken der Nordelfe ein leises Schnauben.
    „Ich weiss nicht, was ihr unter dem gemeinen Volk versteht… Aber ich glaube kaum, dass ihr in der Position seid Vermutungen über meine Wenigkeit anzustellen“, meinte sie und richtete ihren Blick geradeaus.
    „Seid zumindest soweit versichert, dass ich euch nicht an die Stadtwachen übergeben werde, solltet ihr nicht versuchen mich zu hintergehen oder nochmals zu bestehlen.“ Ein warnender Blick aus hellblauen Augen traf die Diebin. Doch der Ausdruck auf dem Gesicht Lykash’imras wurde schnell wieder neutral.


    „Dennoch… es gibt tatsächlich etwas, das ihr für mich beschaffen könntet…“ Sie liess ihren Blick ebenfalls über die Leute schweifen bevor ihre Augen sich wieder der Frau neben ihr zuwandten.
    Sie starrt mich an. Murrte der Wolf und eines seiner Ohren zuckte unruhig in die Richtung der Rothaarigen. Innerlich rollte die Weisshaarige mit den Augen.
    Seit wann stört es dich, wenn die Leute dich ansehen Dae? Fragte sie und zupfte leicht an seinem Ohr, welches noch immer aufmerksam zuckte. Ihre Antwort bestand lediglich aus einem leisen Grummeln. Kurz huschte ein warmes Lächeln über die Züge der Elfe, als sie Dae ansah. Auch wenn er sich meistens als der soziale von ihnen beiden aufspielte, so war er dennoch ein Wolf der sich in der Gesellschaft der Menschen ab und an unwohl fühlte. Etwas, das sie nur allzu gut nachfühlen konnte. Sie verbrachte die Zeit am liebsten alleine mit Dae.
    Aber vorerst würde sie diese Geschäftsreise hinter sich bringen. Und dazu musste sie zuerst einmal alles beschaffen, was Traian brauchte. Ihr Blick fiel wieder auf die Rothaarige. Sie würde ihr dabei helfen.

  • Sie löste den Blick von dem Wolf, selbst wenn dieser sie sehr interessierte. Er sah so weich aus! Wie weiche Watte. Er wirkte, als könnte man gut mit ihm kuscheln, aber sie war sich sicher, dass sie eine Hand weniger hätte, wenn sie diesen Versuch wagen würde. Und so offensichtlich selbstzerstörerisch war sie dann doch nicht.


    „Oh nein, solch eine Dummheit würde ich nicht wieder begehen.“ Doch ihre Stimme klang amüsiert, weniger als würde sie diese Aussage vollkommen ernst meinen. Nein, ihre Drohung machte ihr nicht wirklich Angst, auch wenn sie sich doch bewusst war, dass sie es sich einfacher machte, wenn sie keinen Ärger veranstaltete. Nicht immer war das, was sie am liebsten machte, auch am intelligentesten, wie sie vor kurzem wieder einmal gemerkt hatte.


    „ Nun, ihr müsst mir aber sagen, was ihr euch denkt. Denn eure Gedanken kann ich dann doch nicht lesen.“ Ihre Stimme klang noch immer amüsiert. Aber auch ein gewisser Ernst war in ihre Miene getreten, mit welchem sie nun die Elfe betrachtete. Etwas was sie ihr beschaffen könnte, das klang doch einmal interessant. Interessanter als eine Elfe zu bestehlen, weil sie einen Wolf als Bewachung hatte.

  • Der amüsierte Unterton des Rotschopfes gefiel der Elfe zwar nicht, dennoch befand sie, dass sie fürs erste einmal den Worten Glauben schenken würde.
    Missbilligend legte sich die Stirn der Weisshaarigen in Falten. Es gefiel ihr nicht, wie dieses kurzlebige Mädchen mit ihr sprach. Trotzdem könnte sie ihr nützlich sein.
    Sich darauf verlassend, dass Dae sie warnen würde, sollte etwas passieren, wandte sie sich im Gehen halb der Rothaarigen zu.
    „Es gibt hier in der Stadt einen verborgenen Markt, ich schätze ihr kennt diesen“, begann sie und hob lediglich eine Augenbraue um ihren Worten einen fragenden Akzent zu geben.
    „Ich benötige ein ganz bestimmtes Pulver, ihr könnt es bei einem Stand im Zentrum des Marktes bekommen.“ Sie liess den Satz für einen kurzen Moment wirken bevor sie weitersprach.
    „Ich brauche 20 von den kleinsten Päckchen die der Standbesitzer handelt. Könnt ihr diese für mich beschaffen?“ Einer ihrer Mundwinkel hob sich zu einem spöttischen Lächeln, welches sie im fahlen Licht, das durch die Kuppel drang beinahe ein wenig Arrogant wirken liess.

  • Das Grinsen wurde nur noch breiter, als sie den Worten von Lykash’imra lauschte. „Natürlich kenne ich ihn. Er mag zwar für die meisten ein gut verborgenes Geheimnis sein, aber…“ Sie blickte die Elfe an. „… scheinbar nicht für euch. Und damit lag ich wohl mit meiner Vermutung richtig.“
    Es war ihr schon klar gewesen, worauf es hinaus laufen würde und das noch bevor die Elfe zu Ende gesprochen hatte. Man musste dafür wirklich kein Genie sein. Jetzt blieb nur noch eine Frage offen, welche sie aber auch glaubte sich selbst beantworten zu können.
    „Beschaffen ist ein Wort, welches mal sehr weit auslegen kann…“ Sie hätte weder mit dem einen noch mit den anderen Weg ein Problem.

  • Lykash’imra zuckte eine Schulter.
    „Man erzählte mir von diesem Markt…“ meinte sie schlicht.
    Sie würde dieser Frau nicht auf die Nase binden, dass sie bereits dort gewesen
    war. Auch von wem sie den Markt kannte gab sie nicht preis. Traian hatte seine
    Kontakte und es war wohl ein grosser Vertrauensbeweis, dass er ihr die Namen
    und Aufenthaltsorte dieser Leute genannt hatte. Bei den Worten der Rothaarigen hob sich eine der feinen Augenbrauen.
    „Ich würde es nicht begrüssen wenn ihr den Besitzer des
    Standes bestehlen würdet…“ Ihre Augen verengten sich eine Winzigkeit.
    „Wenn ihr gut im Handeln seid, versucht euer Glück – aber der Preis spielt für mich keine Rolle. Ich gebe euch bei Erfüllung das was der Alte für das Pulver verlangt hat zurück und wenn ihr euch als geschickt und ehrlich erweist werde ich auch euch entsprechend entlohnen“, stellte sie der Rothaarigen in Aussicht. Gewissen Leuten musste man erst einen Preis vor die Nase halten. Und die Diebin würde mit der Aussicht auf eine reichere Belohnung als nur ihr eigenes Leben und die Freiheit wohl etwas zuverlässiger werden.

  • „Gehört also. Verstehe. Wie die meisten.“ Ob sie Lykash’imra glaubte oder nicht, war ihren Worten nicht zu entnehmen, sie hielt diese so neutral, auf eine Antwort, auf eine Information hin, welche sie nicht wirklich interessierte.


    Das Flammenmädchen nickte auf die Worte der Elfe hin. Sie glaubte zwar nicht, dass sie ihr damit ein umwerfendes Angebot machte – sie war sich ziemlich sicher, dass sie sich besser in dieser Stadt auszukennen und im Grunde dem ganzen Ärger entgehen könnte, wen sie nur die Beine in die Hand nahm – doch es war eine andere Aussicht als jene auf eine Belohnung, welche sie dazu antrieb, dem Angebot zuzusagen.
    „Nun, ich möchte euch ein Gegenangebot machen, welches wie gesagt nur ein Angebot ist. Ich nehme mit Freude Eures an.“ Unterwürfigkeit, zumindest zu spielen, konnte sie in eine bessere Position bringen, als sie es momentan war. „Das Pulver zu besorgen, wird kein Problem werden“, begann sie zu erklären. „doch was die Entlohnung angeht…“ Sie lächelte, doch es war ausnahmsweise ein ehrliches, freundliches Lächeln, nicht hinterhältig, nicht listig, nicht sarkastisch.


    „Anstelle von materieller Entlohnung, würde ich mich über eine Geschichte freuen.“ Sie wusste es war eine eigenartige Bitte, zumindest für die meisten. Doch da sie ihre eigene Vergangenheit nicht kannte, nicht wusste woher sie kam, liebte sie es Geschichten aus dem Leben von anderen zu hören. „Eine Geschichte von euch.“

  • Die Rothaarige blieb neutral und fragte auch nicht weiter, woher sie den Nachtmarkt kannte. Eine Tatsache, die Lykash’imra durchaus mit Wohlwollen auffiel. Sie war der Diebin gegenüber immerhin nicht so feindselig eingestellt, dass ihr ein positives Verhalten nicht mehr aufgefallen wäre.
    Überhaupt hatte sie keine grundsätzlichen Probleme damit ihren ersten Eindruck von jemandem nach neuen Eindrücken zu revidieren. Dazu liess sie sich zwar meist zu wenig auf die Leute ein, dennoch gab es Dinge die einen schlechten Ruf in ihren Augen durchaus aufwiegen konnten.


    Als ihr die Frau jedoch von einem Gegenangebot erzählte, hob sich eine Augenbraue der Nordelfe.
    Die Kleine ist gewiefter als ich dachte. Dae musterte den Rotschopf anerkennend. Anscheinend war dieses Mädchen doch schlauer als sie bei ihrem fehlgeschlagenen Diebstahlsversuch gewirkt hatte.
    Aber warum will sie eine Geschichte hören? Die Weisshaarige musterte ihre Begleiterin skeptisch. Jung genug um noch nach Märchen und Fabeln zu lechzen wirkte sie dann doch nicht. Es war der Weisshaarigen ein Rätsel, weshalb jemand eine fremde Person nach einer Geschichte fragte. Noch dazu anstelle von einer materiellen Entlohnung. Aber es gab
    bekanntlich einige merkwürdige Gestalten in der Welt.


    „Ich bin sicherlich in der Lage euch die eine oder andere Geschichte zu erzählen. Dennoch erlaube ich mir die Frage, warum es eine Geschichte und noch dazu eine über meine eigene Vergangenheit sein muss?“ Aus ihrerStimme sprach ehrlicher Unglauben. Sicherlich gab es viele die Fragen stellen sobald sie erfuhren an welchen Orten Lykash’imra überall gewesen
    war. Doch dann interessierten sie sich meistens nicht für die Gedanken oder Berichte über die Elfe selbst sondern viel mehr für die Länder und Sitten der anderen, unbekannten Völker.

  • Interessiert beobachtete Erelthea den Wolf und die Nordelfe. Ihr entging nicht, dass zwischen ihnen wohl eine Art stumme Kommunikation statt fand, was bedeuten musste, dass der Wolf noch klüger war, als sie angenommen hatte. Nicht nur ein dummes Tier, getrieben von seinen Instinkten. Das machte ihr dieses Paar noch viel interessanter.
    „Ich denke die Antwort ist schnell gegeben, selbst wenn sie für euch nicht einleuchtend erscheinen mag…“ Die dunklen Augen hatten sich an den Horizont geheftet, als hoffte sie dort etwas zu finden, was ihr dabei half die richtigen Worte zu finden, um ihr Verlangen in Worte zu fassen.


    „Ich bin an diese Stadt gebunden, bin hier aufgewachsen und vielleicht auch geboren, das kann ich nicht sagen. Aber ich werde vermutlich in meinem Leben auch nichts anderes sehen. Doch die Welt ist so groß, ich möchte wissen, was es dort draußen gibt. Was andere erleben. Wie andere diese Welt war nehmen.“
    Sie richtete ihren Blick wieder auf ihre Begleiter. Ihr Ausdruck hatte etwas Wehmütiges bekommen, als sie gesprochen hatte. Sie wusste, sie war nicht physikalisch an diese Stadt gebunden, doch sie konnte sich nicht vorstellen, was sie außerhalb machen sollte. Wie sie in der Wildnis überleben sollte.


    „Nun, um auf euer Pulver zurück zu kommen…“ Sie blieb stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Der Markt ist nur zu gewissen Zeiten geöffnet, ihr müsstet euch also gedulden, bis ich euch das Pulver bringen könnte.“ Sie hatte keine Zweifel daran, dass sie im Stande war, zu dem entsprechenden Verkäufer zu gehen und auch einen guten Preis zu erlangen.

  • Lykash’imra entging der wache, interessierte Blick aus dunklen Augen nicht, der zwischen ihr und Dae hin und her wanderte. Die Frage war nur, wie viel dieses Mädchen verstand und was sie darüber dachte. Früher oder später würde sie es wohl erfahren.
    Die Worte der Rothaarigen lösten etwas in der Weisshaarigen aus, das sie an ihre eigene Heimat denken liess. Sie hätte sich damals ebenfalls nicht vorstellen können diese zu verlassen. Wie schnell man sich doch täuschen konnte.
    Sie erinnert mich stark an Sol… Der Schneewolf kam nicht dazu seinen Satz zu vollenden.
    Schweig! Dae zuckte zusammen ob ihrer harschen Worte. Missbilligend zogen sich die Augenbrauen der Elfe zusammen als sie Dae ansah. Es war eine Sache an ihre Heimat zu denken aber eine völlig andere an Sie zu denken. Trotzdem glitt ihr Blick über den Rotschopf und blieb an deren dunklen Augen hängen. Vielleicht gab es da eine gewisse Ähnlichkeit. Besonders ihre Worte kamen der Elfe wage bekannt vor.
    „Ich verstehe…“, meinte die Elfe nachdenklich und richtete ihren Blick gen Himmel. Vielleicht würde sie ihr sogar mehr als eine Geschichte erzählen. Dieses Mädchen hatte etwas an sich, das eine unbekannte Saite in der Elfe zum Schwingen brachte. Aber vielleicht lag es auch daran was Dae gesagt hatte. Sie schien ihr tatsächlich sehr ähnlich zu sein…
    „Wir kommen von ausserhalb, aus einem Land das sehr weit weg von dieser Insel liegt“, sprach sie und für einen kurzen Moment verlor sich ihr Blick in der Ferne.


    Als die junge Frau stehen blieb, hielt auch die Nordelfe an.
    „Wie lange?“, fragte sie und hob fragend die Augenbrauen. Sie hatte nicht alle Zeit der Welt, auch wenn Traian ihr einiges an Freiraum liess für diese Geschäftsreisen. Er wusste, dass ein Wolf wie Dae die freie Natur brauchte. Dennoch wusste die Elfe um den knappen Bestand im Lager der Schankstube. Sie hatte maximal noch 2 Tage die sie hier in der Stadt verbringen konnte, dann musste sie aufbrechen und zurückkehren.

  • Da sie in Gedanken versunken war, als sie die richtigen Worte gesucht hatte, war ihr das wortlose Gespräch zwischen den beiden Gefährten entgangen, vor allem die Reaktion des Wolfes, welcher für sie wohl das einzige Indiz für das Gespräch gewesen war.


    „Von außerhalb…“ Die Sehnsucht in ihrer Stimme war gut verborgen, nur für gut geschulte Ohren wegzunehmen. Und selbst dann hätte es auch nur eine Täuschung sein können. „Es muss sehr schön dort gewesen sein“, sagte sie schließlich und schüttelte den Kopf um ihre Gedanken wieder auf die momentane Situation zu bringen. Sie hatte eine Aufgabe bekommen. Ein Ziel zu haben war gut, das bedeutete, dass die nächste Nacht nicht vollkommen vergeudet werden würde.


    „Heute Nacht oder morgen in der Frühe, wie es dir besser beliebt.“ Sie würde sobald der Nachtmarkt öffnete dort sein und das gewünschte Pulver besorgen. Das dürfte wirklich keine Schwierigkeiten sein und nur wenig Zeit beanspruchen. Den Rest der Nacht würde sie dann so verbringen können, wie es ihr beliebte. Außer die Elfe wollte natürlich schon in der Nacht ihre Lieferung bekommen.

  • „Es gibt so viele schöne Orte dort oben.“ Der Blick der Elfe richtete sich auf die Kuppel. Diese Orte würde sie wohl nie mehr sehen. Oder zumindest nicht, bis sie eine Möglichkeit fand diese Insel zu verlassen, irgendwie.
    Bisher hatte niemand eine Möglichkeit gekannt um diesen Ort zu verlassen. Aber darum ging es ja nun auch nicht.
    „Ich denke morgen früh sollte reichen… Wo kann ich euch treffen?“, fragte sie und ihre Finger strichen zärtlich durch das weiche Fell des Wolfes.


    Es tut mir Leid. Murmelte sie und der Wolf rieb sanft seinen Kopf an ihrem Oberschenkel.
    Ich weiss Lyka. Es war unpassend ausgerechnet jetzt davon anzufangen. Dae wusste, wie schwer es für die Elfe war an die Vergangenheit zurückzudenken. Obgleich sie sich danach sehnte ihre Schuld zu erfüllen, so sehr fürchtete sie die Dinge die sie dabei erfahren könnte. Und dann waren da noch die widersprüchlichen Gefühle die seit Jahrhunderten an ihrem Inneren nagten und sie allmählich drohten zu zerfressen. Doch der Wolf würde seine Freundin zu nichts drängen. Es war besser wenn sie sich von alleine auf etwas besinnen würde. Er kannte sie und wusste, dass sie ohnehin alles abblocken würde wenn sie nicht vollkommen dazu bereit und überzeugt davon war.
    Die Aufmerksamkeit des Wolfes und der Weisshaarigen galt nun wieder ungeteilt der Rothaarigen.

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