Weihrauch und Orakelsteine

  • Die Seherin beantwortete seine gestikulierte Frage mit einem Nicken und einer, von einer federleichten Hand ausgeführten, einladenden Bewegung, die ihm bedeutete, dass er sich setzen konnte. Der gepolsterte Stuhl bot einen gemütlichen Sitzplatz für lange Zeit ... und Silene hatte den Eindruck, dass es durchaus eine Weile dauern konnte, wenn sie erst angefangen hatte für ihn zu deuten.
    Sie erkannte seine Unruhe, empfing die Schwingungen seiner Unsicherheit. Mit Sicherheit war ihm etwas mulmig dabei, sich hier zu setzen, einem wie ihm musste das Nervöse, Misstrauische wohl angeboren sein, wenn er vorhatte zu überleben. Doch es gab nichts, dass Silene hätte tun können um ihm dieses Gefühl zu nehmen ... vielleicht wäre es sogar noch schlimmer geworden, wenn sie ihren Schleier entfernt hätte.
    Vielen war es durchaus angenehmer, wenn sie nicht all zu direkt damit konfrontiert wurden, dass eine gefühllose Person direkt vor ihnen saß und die Zukunft aus ihnen herauslas.
    So zupfte sie den halbtransparenten Stoff mit einer dezenten Fingerbewegung zurecht und legte ihre weißen Hände wieder aufeinander wie zuvor.
    Er war gespannt? War es nur ein Wort oder war er es wirklich? Silene meinte nicht die übliche neugierige Anspannung aus ihm herauszulesen, nicht jene nervöse Erwartung, die viele mit Silenes Blick assoziierten ... es war eher eine innere Spannung, unangenehm wie ein verkrampfter Muskel im Nacken.


    "Mit Verlaub; Euch all jenes zu eröffnen, das Ihr nicht wisst, würde Ewigkeiten andauern ... und schließlich bin auch ich nicht allwissend.", gab Silene zu bedenken, hatte bewusst seine Frage wörtlich genommen. "Doch wenn Ihr mir sagt, was Ihr Euch fragt, so werde ich nach Antworten suchen."

    Nur ewigen und ernsten Dingen / Sei ihr metallner Mund geweiht
    Und stündlich mit den schnellen Schwingen / Berühr' im Fluge sie die Zeit
    Dem Schicksal leihe sie die Zunge / Selbst herzlos, ohne Mitgefühl
    Begleite sie mit ihrem Schwunge / Des Lebens wechselvolles Spiel
    Friedrich Schiller - Das Lied von der Glocke

  • "Das ist keine leichte Frage die ihr da stellt muss ich sagen, denn ich frage mich vieles. Vielleicht....nein.....oder doch, werde ich irgendwann meinen Frieden finden? Nicht den Tod, obwhl das auch eine Art frieden ist, so brauche ich nicht zu euch zu kommen um zu erfahren, dass ich diesen Frieden irgendwann finden werde, nein, ich meine meinen persönlichen frieden. Im Moment ist mein Leben ein Strudel in dem ich stecke ohne selbst etwas tun zu können. wird das besser?"

    '...by the pricking of my thumbs, something wicked this way comes...'
    William Shakespeare, Macbeth (IV, i, 44-45)
    "Life is Honour. It Ends when Honour Ends"
    Akinwande Oluwole Soyinka, Death and the King's Horseman
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  • Unüberlegt, ungeordet - chaotisch kamen ihr die Gedanken vor, die über Sicils Lippen kamen. Unbedacht, unvorsichtig. Impulsiv.
    Sie lauschte sienen Worten dennoch genau, filtrierte sie mit Analysen, Gegenüberstellugnen und suchte die Muster darin zu lesen. Es war nicht schwer zu sehen, was geschehen war, was den Nachtelfen zu dem gemacht hatte, was er nun war, wie er nun vor ihr saß; innerlich wohlweißlich verwundet, doch nach außen stets die Mauern errichtend, die ihn zu schützen vermochten indem sie ihn einsperrten. In einem Strudel ...


    "Eure Worte enthalten viel Weisheit, Sicil i Undómê.", entgegnete sie, während ihr drittes Augen den Namen irgendwo aus dem fest gewobenen Netz, dass ihn umgab, herauslas. "Der ewige Friede des Zeitlosen wird auch Euch irgendwann ereilen - früher oder später. Wobei ich Euch natürlich letzeres wünsche."


    Silenes Finger spannten sich, sie bettete die Hände aueinander, dann sah sie ein wenig nach vorne geneigt in die güldenen Augen des Nachtelfen, die so verwunderlich sonnengleich waren - auch wenn ihm der Blick auf die Sonne, angesicht zu angesicht, wohl auf immer versagt bleiben würde. Ihr Verstand meldete eine Fehlkalkulation, doch Silene beachtete ihn nicht. "Ihr fragt ob es besser wird ... denn Ihr selbst könnt nichts verrichten. Ich weiß, wie hoffnungslos Euch Euer Leben erscheint, ich verstehe es."


    Silene hob dem Elfen eine ihrer weißen Hände entgegen, und zog mit der anderen das schwarze Säckchen herbei. "Lasst es uns herausfinden."

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    Einmal editiert, zuletzt von Silene Sana'Santaly ()

  • Sicil zuckte zurück un dsein Blick wurde skeptisch bei ihren Worten. Sie hatte ihm mit der Kenntniss seines Namens einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Doch Sicil wäre nicht so weit gekommen, wäre nie aus seinem Dorf gekommen, wenn er sich immer von der Angst beherrschen ließe, auch wenn es vielleicht manchmal gesünder war, eben dieser den Vorzug vor Kühnheit zu geben.


    "Ja, ich bin sehr gespannt, lasst uns sehen, was ihr seht Wahrsagerin."


    Entschlossenheit nahm den Platz seines Zweifelns ein und seine Augen glühten vor Spannung und Vorfreude. Ja, sie würden tatsächlich sehen , was seine Zukunft brachte, dass sie ausergewöhnlich war, hatte sie eben bewiesen, obwohl sie das nicht hätte beweisen müssen, die Aura die sie umgab war beweis genug.

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  • Silene schätzte die Wahrscheinlichkeit als sehr hoch ein, dass ihm die Berührung mit der kalten, porzellanartigen Haut unbehaglich war, doch hätte sie nicht gewusst, warum es den Nachtelfen in seiner Entscheidung in irgendeiner Art beeinflussen würde, hatte er doch die Nennung seines Namens verwunden ohne in Hysterie auszubrechen.
    Dennoch war Silene die anfängliche Skepsis nicht entgangen - Skepis hemmt Spontaneität, hemmt die Intuition in ihrer schicksalhaften Art zu agieren. Schlecht für ein akkurates Ziehen der Lossteine.


    Dass nun der Ausdruck einer unbändigen Entschlossenheit in seinen Augen stand, war Silenes Meinung nach nicht verwunderlich. Viele empfanden diese, wenn sie ihren ersten Schrecken überwunden hatten, doch viele verloren sie genauso schnell wieder, wenn sie auch nur die erste Ahnung ihrer Zukunft erhalten hatten.
    Ob der Nachtelf zu diesen Personen gehörte?
    Eine sachlich Art des Zweifelns erschien in Silenes Gedanken und sie nickte unmerklich dazu - nein, auf dem Rücken dieses Elfen lastetesn Jahre voller schwerer Geschehnisse und voller schwerer Gefühle.


    So nahm Silene des Nachtelfen Hand entgegen und forderte ihn beinahe sacht auf, 7 Steine zu entnehmen und sie auf den kalten Marmor der Tischplatte zu legen, gerade wie es ihm beliebte.

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  • Sicil nickte ihr leicht zu, sah ihr in die Augen und ein plötzliches Gefühl im bauch ließ ihn zwinkern. Er schloss danach seine augen, richtete den Blick nach innen und griff sieben mal wahllos in den Beutel um die Steine daraus zu nehmen und dahin zu legen wo es ihm sein Bauchgefühl bestimmte. Hätte er die Augen offen gelassen, sein verstand hätte ihm den einen oder anderen Platz für die Steine wohl vorgegaukelt oder ihm weiß gemacht den Stein zu drehen oder anders dazwischen gefunkt. Er wußte genug über die Unsichtbaren Kräfte das er seinen Verstand so weit wie möglich ausschaltete.


    Nachdem die sieben Steine auf dem Tisch lagen sah er die Valisar wieder an und wartete.

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  • Nachdem die Steine gezogen und ihre Reihenfolge bestimmt worden waren, entließ Silene die Hand des Nachtelfen wieder in die Freiheit. Der erste Stein zeigte zwei gleichhohe Berge, die den Horizont verbargen. Diesen hatte sie auch für Shiai gezogen - er war recht unbedeutend in dieser Position. Desweiteren lag dort der Ritter, symbolisiert durch ein silbernes Sternenschwert, der welkende Lotus, die Quälerei und die 10 Klingen des Untergangs. Die letzten beiden Steine zeigten den Kummer und den Ochsen.


    Düstere Zeichen, wahrlich düster ... Kummer, Enttäuschung, Quälerei und auch Untergang. Doch standen sie alle unter dem Zepter des Ritters ... und der Ochsenkarren des letzten Steines stand für Unerschütterlichkeit, Besonnenheit.


    "Dunkle Zeiten für Euch, Sicil i Undómê... Es sind viele Dinge, die ich für Euch hieraus lesen kann. Viele schlechte, viele gute.", sagte Silene leise, faltete ihre Finger in gewohnter Art und weise zusammen und musterte jeden einzelnen Stein nochmals eingehend.


    Die Valisar hatte noch nie ein solch depressiv anmutendes Schicksal gelesen. Sicher, sie hatte schon schwere Dinge gelesen, den Fragenden seinen Weg in die Dunkelheit führen gesehen - doch so eindeutig wie hier, stand nur selten etwas unter dem Schutze des Ritters, des - wenn man es so sagen mochte - mächtigsten Steins ihres Orakels. "Es ist so viel, was hier geschreiben steht - vieles werdet es wiedererkennen, doch hört trotzdem genau zu."


    "Der Ritter mit seinem Schild - er scheint Zuversicht geben zu wollen, denn er schirmt euch vor den 5 Steinen der Qual ... Der welkende Lotus. All zu groß waren Eure Hoffnungen, und eine einzige unbedachte Tat hat alles zunichte gemacht. Dies alles hat insgeheim schon lange in Euch geschwelt, schon lange hat es Euch zerfressen."


    Die Seherin atmete tief, sah dem Elfen in die Augen und schließlich wieder auf die Steine. Es war schwer, Worte zu finden, wieder meldete ihr Verstand einen Fehler, eine Unachtsamkeit einen Widerspruch. Was war es, dass sich hinter der Qual verbarg? Sie wusste, dass sie die Quelle kannte ... dass dessen Körperwärme noch am Stuhl klebte, auf dem Sicil nun saß.


    "Die Quälerei, symbolisiert durch 5 Schneiden, die sich gegenseitig verletzen ... Alles zerrint unter Euren Händen ... Ihr scheint verurteil dazu, dem Verfall hilflos zuschauen zu müssen ... Doch ihr habt euch als bereit erwiesen dieser Situation in die Augen zu sehen... es besteht die Möglichkeit Freiheit zu erlangen indem eine Auseinandersetzung herbeigeführt wird, die jetzt notwendig ist.
    Die Zehn Schwerter des Untergags - Angst dem Wahnsinn anheim zu fallen, Angst vor destruktivem, angestautem Ärger. Harmonie und Gelichgewicht sind zerrüttet - Lebensfreude und Liebe beinahe erloschen. Und schließlich noch der Kummer - symbolisiert durch die durchstochene Blüte. Zorn, Zweifel, Unklarheit. Das Schicksal fordert nun eine klare Entscheidung.


    Zuletzt begegnet Euch der Ochsenkarren ... er ist ein Glückssymbol. Unbeirrbarer Wille ruht in Euch ... Unerschütterlichkeit, besonnene Beharrlichkeit."


    Die Seherin schwieg. Sie erwartete seine Frage nach der Lösung, die unweigerlich folgen musste. Das war es doch, was er wirklich wissen wollte - würde es besser werden? Wo war der Ausweg?
    Wie konnte er nur dem Gefängis ohne Gitterstäbe entfliehen, das er nicht überwinden konnte?

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  • Sicil seufzte leicht.


    "Ich befürchtete, dass es solch ein Ergebnis sein würde, kann ich doch meine Situation ganz gut einschätzen. Mich verwundert dass ihr es so genau erfasst habt, denn von eurer Proffession gibt es doch sehr viele Scharlatane. Was mich beruhigt und trotz meiner Sorgen aufmuntert ist der Ritter und der Ochsenkarren, so ist es doch, nicht wahr? Es ist also nicht alles verloren."


    Sicil dachte an das, was er in seinem Versteck in Brennans Haus zu liegen hatte und musste unwillkürlich lächeln, weil er erneut an den letzten Morgen bei Eleria dachte, den letzten genossenen Sonnenaufgang. Er nahm die kalte Hand der Valisar instinktiv in beide Hände, als wolle er ihr Wärme schenken und lächelte sie an.


    "Ich danke euch vielmals für die Einsicht die ihr mir gewährt habt, was kann ich für euch tun, gerne würde ich euch helfen, so es in meiner Macht steht. Ihr habt da eine vortreffliche Gabe, vielleicht eine, die euch nicht immer Freunde beschert, denn viele können mit der Wahrheit nicht umgehen. Seid erneut bedankt, dass ihr mich bestätigt habt und mir gezeigt habt, dass noch nicht alles verloren ist."


    Er nickte der Valisar zu und behielt ihre Hand noch etwas länger in der seinen, bis er es bemerkte und Seine Hand ein wenig erschrocken zurücknahm.

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  • Sie entzog ihm ihre Hände nicht, sondern hörte ihm stillschweigend zu, während ihr Inneres langsam zu jenem Totentanz ansetzte, der in trägen, phlegmatischen Schritten begann und sich bald in ein extatisches Lodern gesteigert hätte, wenn sie sich nicht so gut unter Kontrolle gehabt hätte. Silene nickte und berührte Sicils Hände noch einmal flüchtig mit den Fingern, ehe sie aufsah und ihr Blick nur wenig von dem durchshcimmern ließ, was sie dachte. "Ihr wollt mir helfen ... das ehrt Euch sehr... es sind edle Vorsätze, die Ihr habt. Vielleicht habt ihr Euer Gefängnis schon zur Hälfte gesprengt."


    Silene schlug die Lider nieder, bedeckte mit den langen Wimpern den Blick, der auf ihren eigenen Händen zur Ruhe kam. Was kostete es, der Sehnsucht zu folgen... würde sie wirklich dem Wahnsinn verfallen? Wie köstlich war doch der lang vermisste Schmerz ... "Doch tut es mir Leid, Euch sagen zu müssen, dass Ihr mir nicht zu helfen vermögt. Zumindest nicht mehr als Ihr es durch Eure Anwesenheit schon getan habt."


    Die Seherin unterbrach die stumme Musterung ihrer Hände und sah dem Nachtelfen wieder entgegen. Eine arme Seele, er hat es nicht verdient., schloss Silene logisch, nicht voller Mitleid, doch erfüllt von einem logischen Ersatz dafür. "Mein Zelt und auch die Tür meines Heims wird Euch immer offen stehen, Sicil. Es ist lediglich an Euch, zu entscheiden, ob Ihr wiederkommen wollt."

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  • "Das ist eine große Geste, die ihr einem Verdammten da eröffnet. Dankeschön. Doch bin ich im Moment gebunden, sagen wir an der kurzen Leine gehalten. Ich werde bei Gelegenheit gerne nochmal eure kleine Welt hier aufsuchen. Es kann länger dauern, oder ihr hört von mir, ohne es zu wissen."


    Ein verstecktes Lächeln glitt über seine Mundwinkel und verschwand dann wieder.


    "Ich denke ich weiß wie ihr euch fühlt, denn auch ihr seid getrieben von einer verzehrenden Sehnsucht. Lasst sie nicht Oberhand gewinnen in eurem Kampf, denn dann habt ihr den Weg zur Niederlage geebnet. Und seid ihr erstmal auf dem Weg, braucht es einen"
    Sicil sah ihr in die Augen," Einen Ritter und einen Ochsenkarren um euch zu retten und in ein Refugium zu bringen, wenn ich das mal so ausdrücken darf."


    Er nahm schloss seine Hände zu Fäusten und nahm sie vom Tisch. Dann sah er sich erneut in ihrem Zelt um, die Atmosphäre war klar und offen, wahrscheinlich um brauchte Silene das. Sicils Augen erkannten jede Einzelheit, auch die Kleinigkeiten, die im Dunkel der spärlichen Schatten verborgen waren, und versuchte den einen oder anderen Rückschluss auf sie zu ziehen. Leider gestalltete sich das ziemlich schwer, das zimmer, der Raum des Zeltes war volständig ausgenutzt. Leider nur ausgerichtet auf ihr Gewerbe nicht auf ihre person. Das selbst, dachte Sicil, lies Rückschlüsse auf ihr selbstbild zu, doch er schob diese Gedanken beiseite.

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  • Silene schwieg auf Sicils Worte hin, war Schweigen doch die einzige Antwort, die immer korrekt war, welche immer zutraf. Doch ließ es sich nicht vermeiden, dass ihr Geist auf Widrigkeiten stieß, auf Hindernisse, die zu überwinden ihre Pflicht waren. Schöpfe in dir, du trägst eine unerschöpfliche Quelle der Kraft ... was geschähe wenn sie diese verlöre?
    Was der Nachtelf fühlte war Silene nicht neu, aber fremd - es kam ihr unendlich aufwendig vor in ihrene eigenen Erinnerungen nach einem Äquivalent zu suchen.


    "Oh nein, Sicil.", sagte sie leise, ein Hauch von geleugnetem, gespielten Bedauern in ihre Stimme hineinfließen lassend. "Ihr geht falsch in der Annahme, dass die Sehnsucht welche Euch treibt und peinigt, mit der meinen zu vergleichen ist."


    Silene richtete sich erneut auf, sah Sicil leer entgegen und empfing seine Worte wie ein Ufer die Wellen der salzigen See. Was mochte er von dem abtragen, das sie umfing? Es war, wie Silene feststellte, recht einfach, andere mit seinem eigenen Schicksal zu belasten. Es befreite für kurze Zeit sogar das Haupt von seiner Schwere und half einem wieder aufrecht zugehen... es bereicherte unter Umständen sogar das Leben des Anderen.
    Und doch war alles Trug. Statt Last abzugeben, wird Last aufgenommen, sie wird auf die eigenen Schultern geladen und drückt ihren Träger zu Boden - mit dem Gesicht in den Schmutz.
    Was war es schon, was bedeutete es schon, sein Schicksal mit andern zu teilen? Silenes Augen blieben leer- das unterschied sie von ihren Besuchern.


    "Vermögt Ihr für mich zu sehen?", fragte sie in einer kühlen Tonlage und faltete die Hände auf der Tischplatte. Sie fing Sicils Blick mit ihren Augen ein, schloss ihn gleich einem Insekt im Bernstein darin ein. Ihre eigene Kälte umfing sie wie einen zweite Haut. "Als vor vielen, vielen Jahren Nir'alenar noch an der Sonne lag ... Eure Worte hätten mein Herz erwärmt. Seht in meine Gegenwart, seht in meine Zukunft - und erschreckt nicht dabei."


    Silene verfiel wieder in ihr geballtes Schweigen, ihr Blick ließ Sicil wieder laufen, ließ ihn fliehen - wenn er es denn wollte. Doch nun hatte er kein Lebewesen mehr vor sich, kein Fühlen, keine Intuition ... lediglich Kälte. Der Verstadn war ein treuer Freund, auch wenn er desöfteren fehltrat und man ihn korrigieren musste; doch hatte SIlene genug Zeit gehabt, genug unendliche Zeit um zu lernen ihn richtig einzusetzen.
    Doch hier stieß sie an ihre Grenzen. Ihre Grundsätze besagten, dass sie nicht das Recht hatte zu verletzen ... doch sie sagten ihr zu zu heilen. Was heilten diese Stiche ins Herz eines Fühlenden? Niemals ihr eigenes kaltes Herz.

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  • Sicil grinste wieder, ein offenes, ein ehrliches Grinsen und das eines jungen, den auch fast 300 Jahre Schwierigkeiten nicht hatten besiegen können.


    "Wenn ich es vermochte, Eisige, so würde ich es versuchen. Ich würde euch meine Augen leihen, meine Gedanken darlegen und euch zeigen wie es ist zuviel zu wollen, zuviel zu spüren. Im Herzen ein Ziehen zu haben das ihr nie besänftigen, immer nur aushalten und zurückdrängen könnt. So sind wir och, wie wir hier sitzen an beiden Seiten dieses Tisches zwei Seiten einer Medaille. und auch die Nympfen gehören in unseren reigen, sie, denen die lieblichkeit der ganzen welt zufüssen gelegt wird, die sich jedoch nicht festlegen können. Sie säßen mit mir hier auf meier Seite der Medaille, denn auch sie verspüren diesen Drang nach etwas, dass sie nicht erfüllen können."


    Er sah sie fest an, dann senkte er den Blick auf den Tisch und spielte mit der kante wie ein verschrecktes Kind.


    "Ich erschrecke nicht vor eurer Gegenwart, noch vor eurer Zukunft. davor zu erschrecken würde für mich bedeuten, meine eigene Zukunft nicht zu erkennen, denn obwohl sie grundverschieden sind, dochist das Ende doch dasselbe. Ihr werdet gejagt von eurer Vergangenheit und dem was ihr verloren habt, ich von dem was ich nie errechen kann."


    Wieder grinste er.


    "Was soll es Eisige, lasst uns das beste daraus machen, nicht wahr. Etwas anderes kommt gar nicht in Frage denn Aufgeben steht weder euch noch mir."

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  • "Das Glück, das man nie gekannt hat, zu entbehren, tut nicht weh - wohl aber, ein Glück zu verlieren, an das man gewöhnt war.", rezitierte Silene und bestätigte des Nachtelfen Worte mit einem Nicken. Nicht alles, was er gesagt hatte entsprach der Realität, doch vieles hatte er wohl begriffen... er war bereit Schmerz zu teilen, bereit war er zu erfahren, was schwer zu verkraften war. Sicils Grinsen, dieses unvermeidlich wirkende Grinsen, es ließ sich nicht in Silenes gedanklichen Strukturen und Mustern einordnen - es bildete eine seperate Gruppe. Emotion...
    "Ich werde nicht gejagt ... lediglich ermahnt ... dass jenes, das in mir ruht - Sehnsucht, wenn ihr es so nennen wollt - gefährlich ist, wenn ich es nicht zu zügeln vermag. Es ist ein Feuer, dass alle Vernunft verzehrt - das einzige Feuer das mir blieb, sollte also eines sein, dass mich vernichten kann."


    Vorgetragen klangen die Worte, doch umso bedeutungsvoller als auswendig gelernter Text, denn sie kamen aus Silenes Seele, aus jenem Teil ihrer Selbst, dem es verwehrt war zu empfinden, dem nichts anderes geblieben war als sich dem guten, alten Freund Verstand anzuvertrauen. Ihr Vertand, eine Herberge für abertausende Muster und Strukturen, Regeln und Reaktionen - ein unzählbares, unfassbares Netz an Informationen... so zahlreich wie die Sterne am Himmel, wie sie dort oben jenseits der Kuppel noch imemr leuchteten.
    Silene begab sich in die Rolle des Fragenden, in die Rolle desjenigen, der Antworten kennt - aber sie solange nicht versteht, bis sie ihm jemand anders gegeben hatte.


    "Das Beste.", wiederholte Silene und musterte das Gesicht des Nachtelfen regungslos. "Sagt mir, was das ist."

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  • "Naja, ich würde sagen seht nach vorne und lebt jeden Tag. Ich weiß nicht ob ihr etwas damit anfangen könnt, wenn ich sage, dass ihr nicht in Verzweiflung versinken sollt, aber genau dass dürft ihr nicht tun denn genau das führt euch auf den weg, den ich genommen habe. Und ihr habt meine zukunft gelesen."


    Sicil lächelte erneut, er wußte nicht woher es kam, aber er streckte den Arm aus und berührte Silenes Wange mit der Hand, kurz, freundschaftlich, als Geste der Verbundenheit. Verbundenheit mit ihrer Situation, mit ihrem Schicksal. Er zog die Hand wieder zurück, biss sich auf die Unterlippe nicht wissend, ob er zu weit gegangen war oder nicht. Er sah ihr in die Augen, dann begann er langsam nach seiner Tasche zu greifen.


    "Das hätte ich nicht tun sollen, Tut mir leid. Ich weiß nicht ob ihr es wollt, oder ob ihr das versteht, aber ich fühle mit euch. Das verleitete mich dazu, euch mit der Geste Zuspruch vermitteln zu wollen. Ich denke ich bin zu weit gegangen. Soll ich gehen?"

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  • Er war nichts besonderes. Nein, er unterschied sich nicht im Geringsten von all den Anderen, von all den Zweiflern, den Begehrern, Verehrern und all den Hassenden und Verabscheuenden. Sie hatte den Trieb so oft gesehen, zu berühren, was unberührbar erscheint, zu erwärmen, was scheinbar jede Wärme abweist. Sie kannte es.
    Nichts gab es, das ihr fremder sein könnte, es gab nichts, dass ihr überflüssiger erschien und nichts außer diesem gab es, dass sie sich nicht mit ihrem Kalkül begreifbar machen konnte. Silene war gewissermaßen überfordert, sie wollte sich auf etwas verlassen das nicht da war, sie griff beim Versuch den rettenden Felsvorsprung zu fassen ins Leere - fiel in die Tiefe, wie eine, dem Tode geweihte, Protagonistin in einem traurigen Bühnenstück.
    Es war ihr eigener Abgrund, ein Abgrund in ihren eigenen Tiefen zu denen niemand außer ihr Zugang hatte, den niemand erfassen konnte - nicht einmal sie selbst. Ihre Augen schlossen sich auf Befehl, genauso befohlen hob sich im gleichen Moment die schwarz gekleidete Brust, als sie tief einatmete und den Atem lange in sich behielt.
    Ihre Gedanken lösten sich zusehends, hoben sich auf Schwingen empor und wagten den Flug - der unweigerlich im Absturz enden musste. Ein selbstverschuldeter Absturz. Und wie sie die Augen wieder öffnete, dem Begreifenden mit toten Augen entgegen sah - da erstarrte sie zu Eis, da froren ihre Gedanken im Fluge ein, fielen zu Boden und zerbarsten in tausend Scherben.


    Ihre Stimme klang flach, als Silene sie erhob, flach, mechanisch und kraftlos, noch lebloser als zuvor. "Ihr wusstet nicht was Ihr tut - Ihr müsst die Schuld nicht tragen. Euch meines Zeltes zu verweisen ist inakzeptabel - Ich weiß, es tut Euch Leid und wer mich um Entschuldigung bittet, dem gewähre ich sie."
    Starr sah sie den Nachtelfen an, sah lediglich seine Gestalt, nicht ihn, das Wesen. Das Wesen, dass sich doch unterschied. Aber warum? Stumm blieb die Frage, wie eine Tatsache dahingestellt. Was nun geschah lag alleine in seiner Hand.

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  • "Ich möchte euch eine Frage stellen." Er hatte seine freie hand zu seinem kinn erhobenund blickte nachdenklich.


    "Was machen die anderen Wesen? Was tun sie, wenn sie zu weit gegangen sind und sehen wie ihr reagiert? Laufen sie? Bleiben sie um zu sehen ob es noch weiter geht, um vielleicht zu sehen, was ihr als nächstes tut, oder ob sie erfolg hatten mit ihrem Tun? Dem was sie sich herausgenommen haben ohne danach zu fragen. Ist es Neugierde, oder echte Anteilnahme oder gar Angst die sie zu ihrer reaktion zwingt?"


    Er sah sie wieder an, sah in ihre augen, diese beiden gläsernen eiskristalle, die in ihrem unbeweglichen Gesicht saßen und die Welt scheinbar bemaßen und katalogisierten.


    "Ich möchte für meine Unverfrorenheit, die ich mir erlaubte, gehen, möchte nicht hierbleiben, wenn es euch Probleme bereitet, andererseits würde ich gerne hierbleiben und weiter mit euch reden, etwas über euch erfahren. Natürlich ist es Neugierde, aber ich bin neugierig auf die Person die vor mir steht, nicht das Wesen und wie es zu dem geworden ist. Vielleicht mögt ihr auch etwas über mich erfahren, vielleicht auch aus Neugierde. Ich holte Tee vom Markt und eine Kleinigkeit zum essen und wir unterhielten uns.Wie Bekannte."

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  • Bekannte. Kannte sie Sicil im gleichen Maße, wie er sie kannte?
    Es war schwer zu sagen, was sie dazu bewog zu nicken. Nicht immer ließ sich alles mit dem vereinbaren, dass in ihren Gedanken für Ordnung sorgte. Die Welt der Fühlenden verlangte laufend nach Kompromissen. Vielleicht war ihr deshalb die Einsamkeit angenehmer - wäre da nicht ihr Gewissen gewesen, welches ihre sagte, dass es besser so war, wie es war - dass sie gegen ihre eigenen Regeln verbrach, wie sie gegen die Regeln ihrer Göttinnen verbrach.
    Schwer lastete ihr Herz, wog schwer wie Granit - unbeweglich, träge - seiner Kraft beraubt. Oh, wie sie sicht sehnte!


    "Vielleicht ist Neugierde das falsche Wort.", entgegnete sie. "Doch mag ich Eure Fragen gerne beantworten. Es drängt mich nicht, mehr über Euch mehr zu erfahren... es sei denn es ist Eurer Gewissheit zuträglich. Meine Aufgabe ist die eines Spiegels."


    Sie fand den Vergleich mit dem Spiegel gar nicht mal so gefehlt. Natürlich beschrieb er nicht annähernd das, was sie tat, doch er mochte Sicil zu begreifen helfen, dass ihr an ihm persönlich nichts liegen konnte. Sie fragte sich, ob es den Nachtelfen schmerzen würde, zu erfahren, dass es sich mit ihr genau anders herum verhielt. Nicht er selbst interessierte sie - im Grunde war er ihr Mittel zum Zweck, ihr MIttel, den Kontakt zum Leben nicht völlig zu verlieren, der Sinnlosigkeit anheim zu fallen. In ihrem Schein, in ihrem Sein ... war es niemals wirkliches, persönliches Interesse, das sie an jemandem hegte. "Eure Frage beherbergt die Antwort. Anteilnahme, Bewunderung, Ehrfurcht ... Angst oder Begierde - was verstehe ich noch davon, um genau zu beschreiben, was so manch einer denkt, wenn er mich sieht. Es ist nichts, dass echt ist. Es ist unnütz."

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    Friedrich Schiller - Das Lied von der Glocke

  • "Was ist nichts, dass echt ist. das was die Leute denken oder die Gefühle die ihr hier beschreibt. Ein Spiegel also. Und welche reflexion haltet ihr den Menschen vor? Ich verstehe euren vergleich nicht ganz. Ihr sagt, dass ihr weit entfernt von diesen eitlen Gefühlen seid, die andere Wesen lenken, sogar noch mehr lenken als Logik und Gedanken,", sicil setzte sich erneut hin, er sah Silene interessiert an und freute sich innerlich tatsächlich auf das Gespräch.


    "Und doch seht ihr euch als Spiegel dieser Wesen. Ihr spiegelt sie durch das was ihr hier tut. Ihr haltet ihnen vor, was werden könnte, wenn sie nichts ändern. Doch nein, ich denke der Vergleich mit einem Spiegel, den sehe ich nicht. Was würde ein passender Vergleich sein?"


    Sicil dachte nach, er besah sich ihr ebenmäßiges Gesicht, ihre entfernte Miene, ihr kaltes gebahren. sie war kein Spiegel, sie war das Gegenteil eines Spiegels. Wesen betraten das Zelt, die Anteil nahmen, nicht nur mit kalten Gedanken, sondern auch mit ihrem Herzen und ihren Gefühlen, doch Silene konnte ob ihres Fluches keinen Anteil nehmen, sie konnte beobachten und bewerten, doch ein Spiegel bewertet nicht. Ein Spiegel zeigt nur. Sie war eher Richter als Spiegel, doch Sicil wußte nicht ob er sie verletzen würde mit solch einer kalten bewertung, er wußte nicht zum ersten mal, wie er sich verhalten sollte.

    '...by the pricking of my thumbs, something wicked this way comes...'
    William Shakespeare, Macbeth (IV, i, 44-45)
    "Life is Honour. It Ends when Honour Ends"
    Akinwande Oluwole Soyinka, Death and the King's Horseman
    Initiative für mehr :hug:

  • Zerbrechlich war alles. Silene besaß kein Feingefühl, keine sensible Anteilnahme, doch sie konnte vorsichtig sein, vorsichtig und behutsam. Der Augenblick, in dem ihre Abgründe sich schlossen, öffneten sich die Kanäle ihrer Wahrnehmung, als hätten sich Staudämme geöffnet, die die Wassermaßen nun frei ließen. "Gefühle sind nicht eitel... es ist gut, dass sich jene, die zu fühlen befähigt sind, sich ihrer Kraft bedienen, sich hin und wieder von ihnen leiten lassen. Doch ihre Echtheit verlieren sie, wenn sie nicht mehr aus dem Herzen stammen, sondern aus subtilen, anderen Gründen gegeben werden."
    Das war der Grund, warum ihre Gefühle nicht mehr echt waren, nicht wahrhaftig sein konnten - ihre einzige und unersetzliche Quelle war versiegt - das Herz. Was ihr an Bewundern, Begehren und Angst entgegen kam, von jenen flüchtigen Gestalten, von solchen Gestalten wie sie ihr amnämlichen Tag schon begegnet waren - all dieses stammte letztlich nicht aus dem Herzen.


    Silenes Augen hafteten noch immer am Gesicht des Nachtelfen. Unzerstörbar schien die eisige Klarhiet in ihren Augen, unzerbrechlich, nicht wie Glas, wie Diamant, nur ungleich härter - was vermochte dieser Blick mehr, als zu sehen, unwillentlich zu bannen, zu strafen, einzufrieren. Sie bemerkte die Anerkennung, die er unweigerlich verdiente, echtes Interesse an den Tag zu legen.
    Das was Sicil tat, war echt, war wahrhaftig. Das meiste andere falsch.


    "Seht mich als ein Mittel, die eignen Augen zu öffnen. Bedenkt, dass sich nichts nach Eurem Willen ändern kann, ohne dass Ihr selbst es beschließt. Es ist ein Trugbild, eine Täuschung, dass ich bewerte, dass ich richte. Das seid Ihr selbst, denn ich vermag es nicht."


    Sie vermochte es nicht und sie durfte es nicht. Die Wege der subjektiven Betrachtung waren ihr untersagt - dass ar es, was ihr Kodex ausmachte. Was war sie anders als eine spiegelnde Fläche, selbst nicht sichtbar, doch fähig den anderen glauben zu machen, dass was sie durch sie sehen objektiv wäre. Wer hat noch niemals seinem Spiegelbild zugelächelt um sich aufzumuntern? Hatte dieses Lächeln Wärme? Obwohl es von einem Spiegel zurückgeworfen wurde?

    Nur ewigen und ernsten Dingen / Sei ihr metallner Mund geweiht
    Und stündlich mit den schnellen Schwingen / Berühr' im Fluge sie die Zeit
    Dem Schicksal leihe sie die Zunge / Selbst herzlos, ohne Mitgefühl
    Begleite sie mit ihrem Schwunge / Des Lebens wechselvolles Spiel
    Friedrich Schiller - Das Lied von der Glocke

  • "Wieder muss ich euch widersprechen. Ein Spiegelbild das mich zu Dingen bringen soll, die ich selbst glaube, muss genau das tun, was ihr, und verzeiht wenn ich das so ausdrücken muss, nicht vermögt. Ein Trugbild, eine Täuschung gaukelt uns immer etwas vor. In eurem Falle möchtet ihr etwas vorgaukeln, dass uns dazu bringt unser Leben in die Richtige Bahn zu werfen. Aber ein Trugbild vermag dies durch die Emotionen, die es uns zeigt. Fühle ich mich schlecht und sehe in den Spiegel, so sehe ich die Emotionen die sich auf meinem Gesicht wiederspiegeln und kann daraus rückschlüsse ziehen, was mir Helfen würde oder wo mein Problem liegt. Ihr jedoch, und nochmals entschuldige ich mich, zeigt uns nicht, was nicht stimmt, ihr zeigt uns was fehlt, und wie es sei ohne das was in unserem Herzen brennt, zu sein. Ihr wisst das. Ich würde als Vergleich eher heranziehen, dass ihr ein Idol seid. Ihr zeigt, was sein kann. Ob man das nun will oder nicht. Für denjenigen mit einem gebrochenen Herzen seid ihr ein Idol, dass zu erreichen er vielleicht trachtet, weil der Schmerz dann nicht mehr so groß ist, und für jemanden, der sich nicht festlegen kann, der nur sehr schwer sein Herz an eine Sache hängen kann, seid ihr das Idol das er nie zu erreichen trachtet. Beide Dinge sind nicht schlecht, denn beide Dinge bringen den Wesen genau das was ihr meint, sie sehen euch, sehen was ihr tut und hören was ihr ihnen prophezeit und beginnen zu handeln. Euch als positives oder negatives Vorbild. Ihr helft denen die bei euch Hilfe suchen, indem ihr euch selbst treu seid, gewollt oder ungewollt. Ich finde das faszinierend und würde gerne euch als positiv oder negativ Idol gegenüberstehen, das ihr entscheiden könnt, wo ihr seid und wo ihr vielleicht hinmöchtet oder leiber nicht. Wie ich schon sagte, wir sind zwei Seiten einer Medaille."



    Sicil lehnte sich zurück, unsicher darüber, ob er jetzt zu weit gegangen war oder ob Silene darüber nachdachte.

    '...by the pricking of my thumbs, something wicked this way comes...'
    William Shakespeare, Macbeth (IV, i, 44-45)
    "Life is Honour. It Ends when Honour Ends"
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