Heimkehr ins Meer

  • Mallalai starrte auf Panou, den alten Seher, der in seinen Augen sehr weise war und ihm nie Mitleid entgegengebracht hatte, als das Kind Mallalai sich hier in den Hallen versteckt hielt. Aber er sprach meist in Rätseln, in seinen eigenen Worten und nie sehr klar, so dass auch andere ihm folgen konnten.
    "Panou, ein Sturm?", fragte er deshalb nach, auch Kea blinzelte verwirrt, duldete aber die Hand über ihrem Gesicht.


    Der Alte nickte und kicherte. "Große Schatten trägt dein Seestern, Mallalai." Er nahm die Hand von Keas Gesicht und schaute sie liebevoll an. "Er ist hier, jener, der dir deinen Namen gab." Er stupste sie leicht an und Mallalai hätte wieder an Panous Blindheit gezweifelt, wenn er nicht die milchigen Augen gesehen hätte.
    Verstand Kea denn, was der Seher ihr sagte? Mallalai sah sie an. Und nach ihrem Gesicht zu urteilen, verstand sie sehr genau ...wie machte der alte Panou das nur?

  • Nun.. Kea verstand noch nicht wirklich genau. Was meinte der alte Mann? Sie kannte ihren Vater nicht und ihr Vater wusste nichts von ihr. Ihren Namen hatte sie von ihrer Mutter bekommen.. ein etwas hilfesuchender Blick streifte Mallalai, sie fühlte sich unsicher und tatsächlich zweifelte sie ein wenig, in diesem Moment. War es eine gute Idee gewesen, herzukommen? Sie hätte warten sollen, bis Emiriel versucht hatte, ihren Vater zu finden. Das Mädchen blickte neuerlich zu dem alten Mann, dessen Hand nun wieder von ihrem Gesicht weg war.


    Er sprach in Rätseln - und sie verstand jene noch nicht. Ein Sturm und der, der ihr ihren Namen gegeben hatte, waren hier? Aber.. ihre Mutter war tot, also konnte das nicht sein. Kea schüttelte verwirrt den Kopf, das die langen Haare nur so um ihr Gesicht schwebten und ihre Augen für einige Momente verdeckten.

  • Stille war eingetreten und jeder blickte ein wenig verwundert drein. Mallalai grübelte. Jetzt hatten sie etwas über das sie nachdenken konnten, sie alle. Er tippte Kea auf die Schulter und zeigte zum rechten Eingang, nickte in diese Richtung: Lass uns gehen! Er lachte in sich hinein. Die Nacht war voller Wunderdinge gewesen. Seine Abschiedsgrüße an Panou waren herzlich.


    Draußen auf dem großen Platz zeigte er Kea an, dass es Zeit war aufzutauchen. Sie würden einige Zeit brauchen, um den Mondenteich zu erreichen, auch wenn jetzt nicht mehr alles sehenswert und neu war. Es wurde hoffentlich nicht all zu schmerzlich für sie, aber sie konnte jederzeit zurückkehren ...und auch für ihn wurde es Zeit zu jemandem zurück zu kehren.
    So schwamm er voraus und hoffte, dass sie ihm folgen würde.

  • Ein wenig traurig wirkte sie schon, als er ihr klarmachte, das es Zeit war, aufzutauchen. Doch Kea folgte ihm, stilllschweigend und all den Anblick der Meeresstadt noch einmal geniessend, bevor sie wieder in der Weite des Meeres sein würden. Sie schwamm nun sicherer als zu Beginn der Nacht und all das, was sie in der heutigen Nacht gesehen hatte, war für sie voller Wunder gewesen und hatte sich in ihr Herz eingebrannt, unauslöschlich, ebenso wie der Tod ihrer Mutter. Hier unten, das ahnte sie, war ihre Heimat. Irgendwann würde sie vielleicht hier leben.


    Wieder ging es durch die Stadt und Kea betrachtete alles so genau... und dann waren sie wieder im Meer und dort fand Kea eine kleine Muschel, wunderschön, mit einer blausilbrigen Perle darin. Sie beschloss, diese Muschel mit zu nehmen, als Erinnerung an diese Nacht unter dem Meer. Sie schloss ihre kleine Hand vorsichtig und doch fest um ihre kleine Erinnerung und beeilte sich dann, wieder nahe bei Mallalai zu sein. Denn eines hatte sie nicht vergessen. Es gab im Meer auch Gefahren... Yassalar.
    Ein kurzer Schauder rann durch ihren Leib und sie blickte zu dem erwachsenen Meereselfen. Auch ihn würde sie nie vergessen. Er hatte ihr gezeigt, wo ihr Vater lebte. Dafür war das Mädchen ihm dankbar.

  • Er blieb im Mondenteich stehen, denn er würde in das Meer, nach Kina'mallei zurückkehren. Zurfrieden sah er die Muschel in ihrer Faust und den glücklichen Ausdruck, jetzt, in ihren Augen. Er hatte ihre ein wenig ihre andere Seite gezeigt und bestimmt war sie nun dort unten fester verwurzelt.
    "Kea!" nannte er noch einmal ihren Namen, so dass sie ihn mit dem Klang des Meeresrauschen, gesprochen durch Kiemen, hören konnte. Eine leichte Verbeugung, die Hand begann einen Bogen an der Stirn nach außen in die dämmrige Morgenluft. Es graute. Keine Abschiedsworte, denn es war kein Abschied. Sollte sie ihn wiedersehen wollen, er war oft des nachts am Mondenteich.
    Eine Drehung und Mallalai verschwand mit einem Sprung unter Wasser.


    Auch er würde die kleine, traurige Halb-Mira'Tanar nicht vergessen.

  • Und so stand sie dort, noch Minuten, nachdem Mallalai wieder ins Meer verschwunden war. Sie blickte auf die Stelle, an welcher sein Körper eingetaucht war und erinnerte sich an die Stunden tief unter dem Meer, in Kina'mallei, wo sie solche Wunder hatte sehen dürfen. Schmerzhaft zog sich ihr Herz zusammen. Dort unten waren freundliche Wesen. Hier oben in der Stadt war sie allein. Allein bis auf Emiriel, den Stadtwächter. Sie würde nicht ewig bei ihm bleiben können.. das ahnte, nein, das wusste das Mädchen.
    Spätestens wenn man ihren Vater fand.. würde sie wohl die Stadt verlassen und nur noch zu Besuch hier her kommen. Denn dann würde sie unten im Meer leben. Im wunderschönen Kina'mallei, bei den Mira'Tanar.


    Kea wandte sich vom Mondenteich ab und seufzte leise. Der Morgen graute. Sie war die ganze Nacht nicht bei Emiriel zuhause gewesen. Vermutlich hatte der arme Stadtwächter kein Auge zugetan, als er abends nach Hause gekommen war und sie war nicht da gewesen.. oder aber er wusste, das sie nur unterwegs war und wiederkommen würde. Ganz gleich.. es war Zeit, zum Hause des Stadtwächters zurück zu kehren. Die Muschel in ihrer Hand verborgen, machte Kea sich langsam auf in Richtung Stadt, nachdem sich ihr Körper nun wieder auf das Atmen von Luft umgestellt hatte.

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