Der Besuch am Hafen

  • Die junge Dai’Vaar hatte sich einen schwarzen, knöchellangen Mantel übergeworfen, sodass ihre Kleidung und ihr Schmuck nicht zu auffällig waren, als sie den Hafen betrat. Sie war noch nicht lange in der Stadt, aber sie hatte bereits mitbekommen, dass der Hafen gerade nachts ein Ort der zwielichtigen Gestalten war, genau deswegen war sie auch hier. So manch Betrunkener gab Informationen von sich, die man von nüchternen Leuten nie erfuhr, zumal sich Informationen auch erkaufen ließen von jenen, die sich damit nachts ihr Geld verdienten.

    Sie zog sich die Kapuze über den Kopf, sodass sie mit ihren schillernd roten Haaren nicht auffallen konnte, aber das war wahrscheinlich überflüssig. Ein Angehöriger des Volkes der Dai’Vaar würde überall auffallen, so vermummt oder unauffällig er auch sein mochte. Im Schutze der Abenddämmerung ging sie zum Hafenbecken und blickte auf das Wasser hinaus. Ein Kind des Feuers war nie gern in der Nähe von allzu viel Wasser und auch Naira hatte ein unbehagliches Gefühl im Magen, wenn sie daran dachte inmitten von Wassermassen zu sitzen. Sie ging in die Hocke und legte nachdenklich eine Hand ans Kinn, während sie beobachtete und darüber sinnierte, wie sie Fuß in dieser großen Stadt fassen konnte.

    "Verflucht hat man uns. Mörder hat man uns genannt.
    Verflucht hat man uns und verjagt.
    Und geweint haben wir, mein Schatz, geweint weil wir so alleine waren!
    Und wir haben vergessen wie Brot schmeckt, wie Bäume flüstern, wie der Wind streichelt.
    Sogar unseren Namen haben wir vergessen, mein Schatz!"
    (Gollum)

    Einmal editiert, zuletzt von Saniya ()

  • Dunkles, kühles Wasser umfing sie, strich an ihren silbernen Schuppen entlang und streichelte ihre mitternachtsdunkle Haut. Noch. Über ihrem Kopf schien Licht durch die dunklen Tiefen, durchbrach das Wasser in einzelnen, schimmernden Strahlen – doch es gab auch dunkle Stellen. Riesige Schiffsbäuche, denen die Yassalar ausweichen musste.


    Schließlich hatte sie den Kai erreicht und entstieg – zugegeben, wenig elegant – dem Nass, das nun von ihrer schlanken Gestalt auf den gepflasterten Boden perlte. Mit einer hastigen Bewegung schob sie die Schwertscheide beiseite, streckte sich und atmete tief durch. Die zarten Kiemen an ihrem Hals, halb verdeckt durch silberweißes Haar, schlossen sich. Fast gleichzeitig ergriff ein leichtes Schwindelgefühl ihre Gedanken. Einen Moment lang wankte sie, doch dann schüttelte sie energisch den Kopf. Vorübergehende Atemschwierigkeiten. Kein Wunder, doch fortan musste sie sich darauf einstellen.


    Jetzt sah sie sich kritisch um. Schon zuvor hatte sie gehört, dass das Seeviertel, Heim der einfachen Bevölkerung, die beste Quelle für wichtige und interessante Informationen aus erster Hand war. Hier würde sie beginnen, die Stadt kennenzulernen, hier würde sie beginnen, ihre ganz eigene Magie zu weben. Die Düsternis des Hafens umschlang sie wie eine neue Geliebte. Trotz ihres Widerwillens gegen die ganze luftatmende Stadt und ihre Bewohner gefiel ihr dieser Ort.


    In nächster Nähe erkannte sie eine in einen langen Mantel gehüllte Gestalt. Schön, schön … Mit zügigen, selbstbewussten Schritten marschierte sie zu ihr hinüber. Im Gegensatz zu Naira versuchte Niralit nicht, das, was sie war, zu verbergen. Die schwarze Kleidung, der Schwertgürtel um ihre Taille, die feingearbeitete Halskette mit dem Saphiranhänger und der silberne Stirnreif – alles war deutlich sichtbar.


    Sie baute sich direkt vor der Gestalt auf, ein Fels in der Brandung, tropfend und fordernd, dennoch erblühte ein samtenes Lächeln auf ihren Zügen. „Seid gegrüßt, Einheimische. Wie Ihr gewiss gesehen habt, bin ich gerade erst angekommen und wüsste ein wenig … Starthilfe zu schätzen. Mein Name ist Niralit.“ Dann wartete sie, die stolze Yassalar in ihr verhalten grollend. Es durfte nicht sein – aber hatte sie denn eine Wahl?

  • „Lautlos bewegt sich die Person ja nicht gerade“, dachte sich Naira und ein süffisantes Lächeln umspielte ihre Lippen. Vorsorglich erhob sie sich und lockerte die Dolche in ihren Ärmeln, sodass sie – für alle Fälle – verteidigungsbereit war. Der fordernde Ton in der, wie sie nun erkannte, weiblichen Stimme gefiel ihr nicht, denn niemand hatte etwas von ihr zu fordern, wenn sie nicht dafür bezahlt wurde, und die Dai’Vaar gab sich alle Mühe, ihr Temperament im Zaum zu halten. Langsam drehte sie den Kopf zu der Gestalt um, von der sie in der Dunkelheit nur wenig erkennen konnte.


    Jedoch erkannte sie genug. „Klar. Eine der ersten Personen, mit der ich in dieser Stadt ein Wort wechsle, ist natürlich eine Yassalar. Narion, du hast mal wieder eine wunderbare Art, für deine Kinder zu sorgen!“, murmelte sie säuerlich vor sich hin. Naira schlug ihre Kapuze etwas zurück und musterte die tropfende, triefende Yassalar vor ihr. Spätestens nun, da man die Gesichter und Haare der beiden Frauen sehen konnte wusste man, dass der Kontrast nicht hätte größer sein können. Aber gut, vielleicht ließ sich ja ein Vorteil aus dieser Begegnung ziehen. Immerhin war Naira selbst erst ein paar Tage hier und es konnte nicht schaden, die Stadt gemeinsam unter die Lupe zu nehmen. „Ich bin Naira.“, sagte sie zu ihrem Gegenüber und sah sich um. Ganz in der Nähe war eine Seemanns-Spelunke und die Dai’Vaar hatte ohnehin vorgehabt, den Betrunkenen einen Besuch abzustatten um eventuell im Suff ausgeplauderte Informationen aufzuschnappen. „Nun, ein guter Start wäre, sich die Klamotten bei einem Kelch Wein zu trocknen, bevor du noch mit patschenden Füßen und triefender Kleidung nachts durch die Stadt rennst.“, kommentierte sie leise lachend den Aufzug von Niralit und deutete auf die nahegelegene Spelunke. „Was hältst du davon, wenn wir es uns dort drin für eine Weile gemütlich machen?“
    Sie wartete die Antwort gar nicht wirklich ab sondern setzte sich langsam in Bewegung und lauschte, ob ihre neue Bekanntschaft ihr folgen würde.

    "Verflucht hat man uns. Mörder hat man uns genannt.
    Verflucht hat man uns und verjagt.
    Und geweint haben wir, mein Schatz, geweint weil wir so alleine waren!
    Und wir haben vergessen wie Brot schmeckt, wie Bäume flüstern, wie der Wind streichelt.
    Sogar unseren Namen haben wir vergessen, mein Schatz!"
    (Gollum)

  • Naira … Diesen Namen würde sie sich merken, denn es war etwas Außergewöhnliches an dieser Frau. Ihr Auftreten strahlte etwas aus, das Niralits Interesse weckte. Vielleicht der Nervenkitzel eines Geheimnisses … vielleicht weniger, vielleicht mehr. Ihr Gehirn schien noch immer wie durch einen Schleier zu denken.


    Bei Nairas Worten zupfte jedoch etwas an Niralit. Ihr Kopf wurde schlagartig glasklar, das Gewicht des Schwertes an ihrer Seite verlockend. Doch sie konnte sich mühelos im Zaum halten, den beleidigten Stolz in ihrem Innern beschwichtigen. Sie ist nur ein Mensch … ist es nicht wert, ist unwürdig. Wir benutzen sie nur. Ein leicht irritiertes Blinzeln, wenig mehr war von dem inneren Konflikt zu sehen.


    Schließlich setzte sie sich in Bewegung, holte mit raschen und geschmeidigen Schritten auf. Man sah ihr die Ausbildung in der Schwertkunst an, auch wenn sie an Land erst einmal ein wenig unbeholfen wirkte. Alles fühlte sich so schwer an … doch ihr Körper war bereits dabei, sich an die ungewohnten Bedingungen anzupassen.


    Bald war sie wieder an Nairas Seite und steuerte mit ihr auf die heruntergekommene Taverne zu. „Eine hervorragende Idee“, meinte sie gelassen. Warum sprach eine vollkommen Fremde sie eigentlich so respektlos an? Wir benutzen sie. Das war alles.


    Sie ließ Naira den Vortritt und betrat hinter ihr den Schankraum. Inzwischen hinterließen ihre Schritte keine feuchten Abdrücke mehr und ihre Kleidung hatte auch aufgehört zu tropfen. Als ihre Augen sich an die mangelnde Beleuchtung gewöhnten, leuchteten sie kurzzeitig in dunklem Violett auf, kehrten dann jedoch wieder zurück zu ruhigem Azurblau. Prüfend fuhren sie durch den Raum, nahmen die Bar, die Tische, die Gäste und die geschäftigen Schankmädchen wahr. Eine ganz gewöhnliche Taverne, schäbig natürlich, aber die Atmosphäre war noch ruhig.


    Niralit würde Naira zu welchem Platz auch immer folgen und auf einen Stuhl gleiten. Dann verschränkte sie die schuppenglitzernden Arme und fing neugierig Nairas Blick ein. „Nun, was führt Euch hierher, in so eine … bescheidene Gegend? Ihr seht nicht aus, als würdet Ihr hier wohnen.“ Ihre Stimme floss fast durch die Luft, seidig und leicht und einladend.

  • Im Schankraum angekommen steuerte Naira auf einen Platz neben dem kleinen Kamin zu. Wenn sie schon am Hafen war, wo genug Wasser um sie herum zu finden war, wollte sie wenigstens hier in der Nähe eines Feuers sitzen. Manchmal beruhigte das ihr Temperament etwas, weil es sie stets daran erinnerte, was in ihrem Inneren loderte.
    Sie nahm den Mantel ab und legte ihn über den Stuhl neben sich. Ein Kleid aus schwerem, weinrotem Samt kam zum Vorschein, dies war jedoch das einzige Anzeichen, dass sie finanziell etwas besser betucht war, da sie ihren Schmuck vorsorglich abgenommen hatte, bevor sie den Hafen betreten hatte.
    Als sie sich gesetzt hatte verschränkte sie die Finger ineinander und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Tisch. Sie musterte die Yassalar, die sie nun, auch in diesem schummrigen Licht, besser sehen konnte als noch draußen auf der dunklen Gasse. Nun, Niralit hatte ein beeindruckendes Äußeres, das konnte man nicht abstreiten: Die teils schuppenüberzogene Haut und die Tiefe in den Augen waren Dinge, die tatsächlich auf gewisse Weise faszinierend waren, dass konnte selbst eine Dai’Vaar nicht verleugnen.

    Mit einem arroganten Lächeln lehnte Naira sich zurück und ging nun auf die zuletzt gesagten Worte ein: „Nein, ich wohne tatsächlich nicht hier. Um genau zu sein, wohne ich noch nirgendwo, denn ich kam erst vor einem Tag in der Stadt an. Aber um dieses Problem wollte ich mich morgen eigentlich kümmern.“
    Sie bedeutete einem der Schankmädchen zwei Kelche Wein zu ihrem Tisch zu bringen und wandte sich wieder ihrem Gegenüber zu. „Ich dachte in diesem vermaledeiten Viertel ein paar Informationen aufschnappen zu können, da ich nach… Arbeit… suche.“, gab sie ausweichend Auskunft. Eine Fremde brauchte zunächst ja nicht wissen, mit was die junge Dai’Vaar ihr Geld verdiente. Es reichte vollkommen zu sehen, was sie sich mit diesem Geld alles leisten konnte. „Von meinen Ersparnissen hatte ich vor, mir ein kleines Domizil zuzulegen. Vielleicht im Künstlerviertel, mal sehen.“, fügte sie hinzu.

    Sie sah Niralit durchdringend in die Augen und lächelte träge als sie fragte: „Und Ihr? Habt Ihr schon Pläne, was Euren Aufenthalt in Nir’alenar angeht?“
    In der Zwischenzeit war der Wein gebracht worden und sie nahm sich einen der beiden Kelche, von dem sie kurz darauf nippte. „Fusel, wie zu erwarten war“, dachte sie säuerlich. Eine Dai’Vaar war so eine Plörre nicht unbedingt gewohnt. Aber was sollte es, für den Moment würde es schon gehen.

    "Verflucht hat man uns. Mörder hat man uns genannt.
    Verflucht hat man uns und verjagt.
    Und geweint haben wir, mein Schatz, geweint weil wir so alleine waren!
    Und wir haben vergessen wie Brot schmeckt, wie Bäume flüstern, wie der Wind streichelt.
    Sogar unseren Namen haben wir vergessen, mein Schatz!"
    (Gollum)

  • Niralits erste Reaktion war ein kurzes Zögern, ihre Schritte wurden schwerer, doch dann gab sie sich einen Ruck und folgte in die Nähe des heißtrockenen Feuers. Trotzdem achtete sie darauf, sich so weit weg davon zu setzen wie möglich.


    Ihre Augen, immer noch azurblau, auch wenn manchmal ein wenig Silber durchschimmerte, verfolgten jede Bewegung der Dai’Vaar. Ihr Kleid war schwer und schön, wertvoll, obwohl Niralit selbst einfache und praktische Materialien bevorzugte. Deshalb gab es auch nicht viel auszuziehen – alles, was sie trug, war ein ärmelloses, enganliegendes Hemd und eine Hose, die kaum ihre Knie erreichte, beides schwarz wie die Nacht.


    Dann lauschte sie auf die Worte, schmeckte Nairas Stimme in der Luft. Wo hat sie geschlafen?, fragte sie sich. Andererseits schien Naira weit von finanziellen Schwierigkeiten entfernt zu sein und mit Geld ließ sich bekanntlich alles erreichen an diesem luftgefüllten Ort. Ein Konzept, das den Yassalar fremd war, denn jeder arbeitete für das Wahl ihres eigenen Volkes. Bei dem Wort Arbeit horchte Niralit auf. Da war etwas gewesen, ein leichtes Zögern, das sie stutzig machte … etwas von Interesse. Doch Niralit hielt sich zurück, presste die dunklen Lippen aufeinander. Später, später.


    Stattdessen lächelte sie süßlich und neigte den Kopf. „Arbeit … hier? Wollt Ihr etwa langsam die Karriereleiter hinaufsteigen?“ Der leise Ton kam schon fast einer Beleidigung gleich – sie wussten es beide.


    Dann nahm sie einen Schluck Wein. Augenblicklich fühlte sie eine schneidende Schärfe im Mund, würgte sie hinunter. Es kostete sie große Mühe, keine Miene zu verziehen. So etwas trinken sie also. Kein Wunder, absolut nicht. Um sich von der kurzen Schwäche abzulenken, griff sie Nairas Fragen auf: „Sehr viele Pläne, allerdings. Ich wohne außerhalb der Kuppel … aber ich habe vor, von den hier ansässigen Schwertmeistern zu lernen. Falls Ihr bei Eurer Arbeit zufällig einen davon kennenlernen solltet, würde ich es Euch hoch anrechnen, ein wenig zu vermitteln.“ Sie lehnte sich zurück, zufrieden mit ihrem kleinen Auftritt, und wartete. Ein lauerndes Raubtier.

  • Auch als die beiden Frauen an dem Tisch saßen fiel Naira wieder auf, dass der Unterschied nicht hätte größer ausfallen können: Die eine war in teure Kleider gehüllt, die Haut gepflegt, die Bewegungen darauf ausgelegt, Männer – und manchmal auch Frauen – anzuziehen, eine Hitze, die die Dai’Vaar umgab, durch und durch temperamentvoll wie Feuer. Im Gegenzug die Yassalar mit ihrer auf Kampf ausgerichteten Kleidung, der kühlen Ruhe eines Meeres und den azurblauen Augen, die ihre Umgebung beobachteten.
    Ja, Narion hatte offensichtlich wirklich Sinn für Humor.

    Der Dai’Vaar waren die Worte, die fast schon einer Beleidigung gleichkamen, nicht entgangen. Zorn flammte in ihr auf, wie wenn man Öl auf ein Feuer gießt, und ihre Lippen verzogen sich zu einem grausamen Lächeln. „Sei nicht dumm, du bist neu in der Stadt, genau wie sie!“, schalt sie sich selbst und versuchte, ihr eigenes Temperament unter Kontrolle zu bringen. „Sie verdient fast schon Anerkennung dafür, dass sie es wagt, mich nach nicht einmal einer halben Stunde schon annähernd zu beleidigen.“, dachte sie sich und griff nach ihrem Kelch. Nickend prostete sie der Yassalar zu und nahm einen großen Schluck – vielleicht würde sie das ein wenig beruhigen.

    Nachdem sie kurz die Augen geschlossen und tief durchgeatmet hatte, erwiderte Naira „’Hinaufsteigen’ ist wohl nicht ganz der richtige Ausdruck.“, und grinste verstohlen. Niralit suchte also jemanden, der sie im Schwertkampf unterrichten könnte. Naira selbst hatte nie den Nahkampf erlernt, sie konnte, berufsbedingt, nur sehr gut mit ihren Dolchen umgehen. Was aber spätestens dann nicht mehr sehr wichtig war, wenn das Feuer in ihr durchbrach und ihre Umgebung schlichtweg zu Asche verbrannte, wenn man sie genug reizte.
    „Nun, leider muss ich sagen, dass sich meine Kontakte auf Euch und einige Leute beschränken, die mir den Weg in dieser großen Stadt gewiesen haben. Aber ich denke, das wird sich bald ändern, dann bin ich gerne bereit, zu vermitteln – sofern ich etwas davon habe.“, sagte sie mit einem arroganten Lächeln auf den Lippen und einem Funkeln in den Augen. Sie ließ die Worte im Raum stehen und sprach schnell weiter, bevor zu sehr auf dieses Thema eingegangen werden konnte, und fragte die Yassalar: „Habt Ihr vor euch in der Stadt häuslich einzurichten? Eine Wohnung oder ein Haus vielleicht?“

    "Verflucht hat man uns. Mörder hat man uns genannt.
    Verflucht hat man uns und verjagt.
    Und geweint haben wir, mein Schatz, geweint weil wir so alleine waren!
    Und wir haben vergessen wie Brot schmeckt, wie Bäume flüstern, wie der Wind streichelt.
    Sogar unseren Namen haben wir vergessen, mein Schatz!"
    (Gollum)

  • Mit Zufriedenheit betrachtete Niralit das feurige, grimassenhafte Lächeln, das sich auf dem Gesicht ihres Gegenübers ausbreitete. Sie hatte es geschafft; sie konnte es sehen, obwohl Naira nichts sagte. Nur ein kleines Spiel, das erfolgreich gewesen war, mehr nicht. Zu deren Erwiderung nickte sie nur höflich.


    Dann lehnte sie sich allerdings interessiert vor, während ihre Augen langsam in tiefdunkles Violett getaucht wurden. Oh, wie bereitwillig sie die Informationen aufsog! Obwohl sie eine andere Mission hatte, war der Tanz mit dem Schwert doch ihre wahre Leidenschaft. Sich mit dem Schwert zu bewegen war so natürlich wie atmen, die Waffe eine natürliche Verlängerung ihres Arms. Schon daran zu denken machte sie wild auf ein prickelndes Duell …


    Dann nickte sie erneut. Vermittlung klang gut. Vermittlung bedeutete eine Zusage für die Zukunft, und Niralit vergaß selten einmal gegebene Versprechen. Natürlich wurde auch ein Preis verlangt. Sie grinste, zeigte die spitzen Zähne. „Ihr werdet etwas bekommen, das verspreche ich. Allerdings kann ich nichts geben, das ich nicht besitze. Meine Schwertkünste sind im Moment alles, was ich anbieten kann“, meinte sie schlicht.


    Dass sich ihr Repertoire mit der Zeit erweitern würde, das verschwieg sie erst einmal.


    Als Naira das Thema wechselte, lehnte sie sich wieder zurück, trank einen Schluck Wein. Einen ganz kleinen. „Nein, wie gesagt wohne ich schon in Elue’Adar. Wir Wasserwesen können unseren Ursprung eben nicht verleugnen.“ Ein kurzes Lachen perlte von ihren Lippen wie Tropfen. „Aber Ihr … Ihr seht nicht aus, als könntet Ihr Gefallen am Meer finden. Was hat Euch dann hierher geführt, in die Unterwasserstadt?“


    Oh, diese Frage interessierte sie wirklich! Wir haben sie in der Hand, sobald wir sie gut kennen.

  • Die Dai’Vaar grinste in sich hinein, als sie vernahm, dass Niralit ihre Schwertkünste mehr oder minder angeboten hatte. Das kam ihr gerade recht, schließlich hatte sich bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass sie manchmal jemanden brauchen konnte, der mit Waffen umgehen konnte. Außerdem machte sie sich nur selten gern selbst die Hände schmutzig.

    Naira verzog etwas die Lippen, als ihr Gegenüber ihre offensichtliche Abneigung gegen Wasser ansprach. „Naja, ich schätze ich brauche die Anonymität der Stadt. Außerdem kann ich hier vielleicht mehr anfangen als in einem kleinen Dorf, in dem jeder sich schnell von… etwas… abschrecken lässt.“, erwiderte sie mit einem Schmunzeln, bevor sie weitersprach: „Außerdem gibt es hier deutlich mehr Leute, die wohlhabend sind und sich gern mit etwas Hübschem oder Seltenem in der Öffentlichkeit zeigen.“

    Die junge Frau dachte über ihre weiteren Pläne nach, die zumindest Stück für Stück langsam Gestalt annahmen. Und auch, wenn sie sich etwas Besseres hätte vorstellen können, als mit einer Yassalar in einer schäbigen Spelunke zu sitzen und über das Meer zu plaudern, Narion würde sich schon etwas dabei gedacht haben, eines seiner Kinder an diesen Ort zu dieser Zeit zu schicken. Die Dai’Vaar sah kurz aus dem Fenster und konnte beobachten, dass langsam wieder Leben in den Hafen kam. Es würde also bald dämmern. Sie hoffte, dass sie zu Beginn des Tages jemanden auftreiben könnte, der dazu ermächtigt war, ihr eine Wohnung oder ein kleines Häuschen zu vermitteln – weit weg vom Hafen!

    „Könnt Ihr etwas mit Kunst anfangen?“, fragte Naira unvermittelt. Je nach Antwort konnte sich vielleicht etwas ergeben, man würde sehen.

    "Verflucht hat man uns. Mörder hat man uns genannt.
    Verflucht hat man uns und verjagt.
    Und geweint haben wir, mein Schatz, geweint weil wir so alleine waren!
    Und wir haben vergessen wie Brot schmeckt, wie Bäume flüstern, wie der Wind streichelt.
    Sogar unseren Namen haben wir vergessen, mein Schatz!"
    (Gollum)

  • Niralit nickte. Sie konnte die Gründe ihres Gegenübers sehr gut verstehen, in gewisser Weise war sie sogar selbst aus ähnlichen nach Nir’alenar gegangen, besser gesagt geschickt worden … doch wenn sie sich einredete, sie wäre freiwillig gegangen, um sich zu testen, war es leichter zu ertragen. Noch ein kleines Stück rückte sie vom Feuer weg.


    Etwas in Nairas Stimme ließ sie plötzlich aufhorchen. Diese da barg offensichtlich ein Geheimnis! Ob sie so leichtsinnig war, es ohne Bedenken anzudeuten oder ob sie absichtlich neugierig machen wollte, konnte Niralit allerdings nicht abschätzen.


    Eines wusste sie: Die geschmackvoll gekleidete und hitzig sprechende Frau, die sie da getroffen hatte, war keineswegs ein normaler Mensch. Einen gewissen Respekt musste Niralit ihr entgegenbringen, auch wenn ihr Ego sie bei dem Gedanken am liebsten in den Staub geschleudert hätte.


    Sinnlos, vor einer Luftatmerin Achtung zu empfinden! Zahlt sich niemals aus! Trotzdem konnte Niralit nichts daran ändern.


    Ihre Augen nahmen ein unheilvoll dunkles Violett an. Sie hörte kaum die Frage, die die andere ihr stellte. Etwas zu langsam schüttelte sie den Kopf, um die Gedankenfetzen zu zerstreuen. „Kunst? Die Architektur meiner Heimatstadt Zarasshin ist einzigartig; sie habe ich immer bewundert … aber nutzlose Kunst, die man nur ansehen kann, hat keinen Wert“, befand sie verächtlich. Wie konnte irgendjemand seine Zeit mit so etwas vergeuden?


    Das Hindernis war aus dem Weg geräumt, sie lehnte sich vor. Jetzt reicht es. Diplomatie lag ihr noch immer nicht, obwohl sie ihr halbes Leben lang darin ausgebildet worden war. „Aber verratet mir lieber eines: Was seid Ihr?“, verlangte sie zu wissen. Blitzende Augen bohrten sich in Nairas kohleschwarze. Nur die richtige Antwort würde anerkannt werden. Niralit hasste es, auf dem Trockenen zu stehen.

  • Naira riss ungläubig die Augen auf, als die Yassalar sie gefragt hatte, was sie denn war. Schließlich gluckste sie und unterdrückte ein Lachen. Mit erstickter Stimme meinte die junge Frau schließlich: „Es sollte mich nicht wundern, dass Ihr nicht wisst, wer, oder besser gesagt was ich bin. Ich gehöre zum Volk der Dai’Vaar, den Kindern des Feuers.“
    Es war eine Art Hassliebe, die sie mit Narion verband, trotzdem betete sie zu ihm, sollte sie es doch einmal für nötig befinden – also so gut wie nie.

    „Ich habe noch keinen anderen meiner Art angetroffen. Unter anderem bin ich hier in dieser Stadt in der Hoffnung, angehörige dieser Rasse zu finden. Wenn man es vernünftig betrachtet, wäre es allerdings besser, nicht allzu viele meiner Art auf einem Haufen zu haben…“, ein leicht sadistisches Lächeln umspielte ihre Lippen, woraufhin sie zu ihrem Becher griff und einen Schluck des stark verdünnten Weines nahm. Sie blickte zu ihrem Gegenüber und sah Niralit abschätzend an. Eine recht spannungsgeladene Begegnung, wie Naira fand, somit aber auch ganz nach ihrem Geschmack. Sie hatte gehofft in einer großen Stadt nicht an tödlicher Langeweile zu leiden. Und siehe da: Es schien, als würde es das Glück gut mit ihr meinen.

    Allerdings hatte sie die Sache mit der Kunst nicht vergessen. Ihre Lippen verzogen sich und die Dai’Vaar spannte sich leicht an. Sie hatte Kunst immer recht gern gemocht, malte zuweilen selbst sofern es die Zeit zuließ. Deshalb hatte sie sich auch überlegt, sich eine Wohnung oder ein Haus im Künstlerviertel zu suchen. Bevor jedoch ihr Temperament durchbrechen könnte, kommentierte sie die Sache lediglich mit „Schade, das mit der Kunst. Aber nicht überraschend.“ Die kleine Provokation konnte sie sich wider besseren Wissens dann aber auch nicht verkneifen.

    "Verflucht hat man uns. Mörder hat man uns genannt.
    Verflucht hat man uns und verjagt.
    Und geweint haben wir, mein Schatz, geweint weil wir so alleine waren!
    Und wir haben vergessen wie Brot schmeckt, wie Bäume flüstern, wie der Wind streichelt.
    Sogar unseren Namen haben wir vergessen, mein Schatz!"
    (Gollum)

  • Mit zu Schlitzen verengten Augen beobachtete Niralit, wie sich ihr Gegenüber mühsam das Lachen verkniff. Lächerlich! So wollte sie überhaupt nicht dastehen. Das heiße Feuer, dem sie doch zu entkommen suchte, loderte unaufhörlich und noch stärker in ihr. Ihre Hände begannen zu zittern, als stecke eine gewaltige Energie in ihnen, die zurückgehalten werden musste. So gerne wollten sie zupacken, die weiche Haut greifen und Schmerz in diesen blitzenden Augen sehen!


    Doch dann merkte sie auf. Dai’Vaar? Natürlich hatten selbst die Yassalar in den Meeren von ihnen gehört, den verfluchten Kindern Narions … Das war in der Tat eine interessante Information und erklärte einiges. Über der Überraschung vergaß sie sogar, dass sie dieser Dai’Vaar gerade den Hals umdrehen wollte. Das war dann vielleicht doch keine so gute Idee.


    Tief ein- und ausatmend, um das Feuer in ihrem Inneren zu beruhigen, lehnte sie sich zurück und lauschte den nächsten Worten. Ihre Augen glommen schwach silberfarben. „Da habt Ihr Recht“, war deshalb auch der einzige Kommentar, den sie zu dem Thema abgab.


    Die Spannung kehrte jedoch zurück. Ebenso wie Naira sich verkrampfte, ging Niralit in Bereitschaft. Ihre rechte Hand wanderte langsam über die Schwertscheide an ihrer Seite … nur kurz, doch die Berührung gab ihr Kraft. Wir lassen uns nicht zum Narren halten. Das Feuer loderte erneut, heller und stärker als je zuvor. In den verengten Augen, die wieder dunkelviolett wie geheimnisvoll gefärbte Flammen glühten, spiegelte sich kalte Verachtung. Nein, jetzt würde sie dieser anmaßenden Person zeigen, wo sie hingehörte, ob nun Dai’Vaar oder nicht.


    Im nächsten Moment balancierte ihr trainierter Körper sich auf dem kleinen Tischchen aus. Der Wein wurde achtlos auf den Boden gestoßen, rotes Blut, das in den Ritzen versickerte. Ein Flammenwesen hauste in der Yassalar, und in diesem Moment war es sichtbar und spürbar. Bei Narion, auch sie war eines seiner Kinder! Ihr spitzer Fingernagel strich warnend über die zarte Haut der Kehle. „Halte deine Zunge im Zaum, Ascheherz!“, zischte es aus ihren zusammengepressten Zähnen. „Schon aus vielen Verbündeten sind Feinde geworden, doch so weit werde ich es gar nicht erst kommen lassen.“

  • Wie so oft in letzter Zeit hatte Kaelyn sich wieder einmal ungesehen aus dem Haus gestohlen. Das große eiserne Tor war das größte Hindernis, denn es wurde von loyalen Wachen beaufsichtigt. Doch Kaelyn kannte die Gewohnheiten der Wachen inzwischen fast besser als ihre eigenen. Nacht um Nacht hatte sie sie beobachtet ehe sie wagte ihre nächtlichen Ausflüge zu beginnen und so gelang es ihr aus dieses Mal unbemerkt der besorgten Fürsorge zu entfliehen.
    Abenteuerlustig richtete sie ihre Schritte in dieser Nacht gen Hafen, einem Viertel, dass sie bisher gemieden hatte. Erschreckende Geschichten hatte sie über diesen Teil der Stadt gehört. Von Mord und Todschlag war die Rede und glaubte man den Bediensteten, reichte der kleinste Anlass um eine Schlägerei heraufzubeschwören. All das reichte aber nicht um die Neugier des Mädchens zu mindern. Mit einem weiten beigen Hemd und einer locker sitzenden grauen Hose hatte sie sich so unauffällig wie möglich zu kleiden versucht. Ein nachtblauer Umhang vollendete die Verkleidung gemeinsam mit dem straff nach hinten gebundenen Haar. Obwohl sie auf jede noch so dezente Art von Schmuck verzichtet hatte, trug sie dennoch ihren Degen - ein Geschenk ihres Vaters -, dessen mit funkelnden Juwelen besetzter Griff die wohlhabende Herkunft nicht verleugnen ließ. Doch dieser war vorerst gut verborgen unter dem Umhang am Gürtel befestigt und nichts ließ von der dünnen, unauffälligen Gestalt auf ihr kämpferisches Ansinnen schließen.
    Von Neugier getrieben stahl sich das Mädchen an Mauern entlang bis sie auf die Kneipe stieß, die sie schließlich betrat. Nachdem die Tür hinter ihr mit einem Klicken ins Schloss gefallen war, sah Kaelyn sich sorgfältig in der Schankstube um. Zu ihrer Enttäuschung hatten erst wenige Gäste ihren Weg hierhergefunden. Bis auf einige, scheinbar in ein Spiel vertiefte, Männer und zwei Frauen in der Nähe des Kamins war die Kneipe leer. Das Mädchen, ließ sich in der Nähe der beiden Frauen an der Theke nieder und bestellte ein Glas Wein. Weniger aus Verlangen nach dem Getränk als vielmehr um nicht aufzufallen.
    Während sie an dem schweren Getränk nippte, beobachtete sie neugierig die beiden ungewöhnlich scheinenden Frauen am nahen Tisch. Zumindest eine von ihnen schien ihr nicht menschlich zu sein, dennoch wusste sie sie sie nicht einzuordnen. Zu ihrem Leidwesen war sie zu weit entfernt um das gesprochene Wort verstehen zu können. In vorwitziger Neugier beugte sie sich jedoch weit hinüber, sobald der Wirt sich von ihr entfernt hatte. Zu weit, wie sie erschrocken feststellen musste. Um ein Haar wäre sie von ihrem Barhocker gerutscht, doch im letzten Moment fing sie sich und brachte sich eilig wieder in eine aufrechte Sitzposition. Vermeiden konnte sie jedoch nicht, dass der Umhang weit genug zur Seite rutschte um der Waffe an ihrem Gürtel ein Funkeln in die Umgebung zu erlauben. Das Licht des Kamins brach sich an den Rubinen, ehe sich das Mädchen rasch wieder ihrem Weinglas zuwendete und ein einen großen Schluck nahm, der sie auch gleich zum Husten brachte. Verstohlen sah sie sich um, in der Hoffnung das dieser Fauxpas niemandem aufgefallen war.

  • Die Dai’Vaar hatte, während sie mit Niralit gesprochen hatte, aus dem Augenwinkel bemerkt, dass nochmals jemand die Spelunke betrat. Vorerst aber uninteressant. Unauffällig gekleidet, ziemlich zierlich, also wohl eher keine Gefahr für sie. Als sich das scheinbar junge Mädchen an den Tresen setzte, schenkte sie ihr schon keine Aufmerksamkeit mehr. Konnte sie eigentlich auch gar nicht, weil die Yassalar ihr gegenüber offensichtlich gerade dabei war, sich aufzuplustern.


    Spätestens, als Niralit auf den Tisch sprang und ihr drohend entgegenzischte, dass sie sich besser zurückhalten sollte, legte sich die trügerische Kälte um Naira, die schon so vielen vorher das Leben gekostet hatte. Sie knallte ihre Handflächen auf den Tisch und krallte sich an den Tischkanten fest. Schnell breitete sich der Geruch von verkohltem Holz im Raum aus, und der kam nicht vom offenen Kamin! „Macht Euch nicht lächerlich“, gab sie störrisch zurück und sah der Yassalar in die Augen. In ihren eigenen, fast schwarzen Augen war ein wildes Lodern zu erkennen, ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Dai’Vaar sich nicht mehr lange damit abmühen würde, ihr Temperament im Zaum zu halten. Die verkohlten, eingebrannten Handabdrücke im Tisch zeigten deutlich, was sie war und was sie zu tun vermochte, als sie die Finger vom Tisch nahm, sie ineinander verfaltete und die Hände auf ihrem Schoß niederlegte.


    „Ich habe vorerst nicht vor, mir irgendwelche Feinde zu machen. Ihr offensichtlich schon.“, gab sie drohend zurück. Letztlich entschied Naira sich jedoch dafür, die Situation nicht eskalieren zu lassen. Zumal die zierliche Person, die es sich an der Theke bequem gemacht hatte, erneut die Aufmerksamkeit der Dai’Vaar auf sich zog. Das Feuer des Kamins brach sich in den Steinen des Knaufes ihrer Waffe und jemand, der sich Mühe gab so unauffällig zu sein und ärmlich zu wirken im Gegenzug aber mit so einer Waffe herumlief…
    Nun, vielleicht konnte sie ja bereits jetzt Kontakte vermitteln. Sie sah zu Niralit und deutete mit dem Kopf zu der Person nicht weit von ihnen entfernt. „Vielleicht könnte uns dieses junge Mädchen dort behilflich sein, was neue Allianzen in der Stadt betrifft.“, raunte sie der Yassalar zu. Sie hoffte, dass sich die Aufmerksamkeit von Niralit nun auch der Hinzugekommenen zuwenden würde. Besonders dann, wenn sie die Waffe bemerkte. Außerdem hatte Naira nun wirklich nicht die Muße, gleich in den ersten Tagen in dieser Stadt jemanden zu verkokeln![font='&quot']
    Vielleicht würde ein neues Gesicht an unserem Tisch die Situation etwas verbessern?!", schlug sie Niralit vor und hoffte, dass die Yassalar vom Tisch herunterklettern und sich etwas beruhigen würde, bevor ihr eigenes Temperament mit Naira durchging.
    [/font]

    "Verflucht hat man uns. Mörder hat man uns genannt.
    Verflucht hat man uns und verjagt.
    Und geweint haben wir, mein Schatz, geweint weil wir so alleine waren!
    Und wir haben vergessen wie Brot schmeckt, wie Bäume flüstern, wie der Wind streichelt.
    Sogar unseren Namen haben wir vergessen, mein Schatz!"
    (Gollum)

  • Niralit blieb, obwohl sie das verkohlte Holz bemerkte, obwohl die Hitze ihr entgegenschlug und ihre Haut austrocknete. Niemand beleidigte einfach so eine Yassalar! Das Ascheherz hatte es endgültig zu weit getrieben!


    Mit einem verächtlichen Rucken ihres Kopfes antwortete sie: „Ich fordere nur, was mir rechtmäßig zusteht, Ascheherz!“ Ein herablassender Spitzname, etwas, das Niralit immer daran erinnerte, wie tief die Dai’Vaar unter ihr stand. Sie konnte alles mit ihr machen … doch dann blitzte etwas am Rande ihres Gesichtsfeldes auf. Niralit wandte den Kopf.


    Funkelnde Juwelen an einem prächtigen Degen brachen sich im Schein des Feuers. Niralits Augen wurden auf der Stelle in hellstes Silber getaucht. Sie hatte die Kontrolle verloren. Sie hatte sich nicht beherrscht. Wenn auch nur eine dubiose Geschichte über sie in den Straßen Nir’alenars die Runde machte, hatte sie ihre gute Startposition verspielt. Zu ihrem eigenen Vergnügen war sie nicht hier, stattdessen musste sie an ihren Auftrag denken.


    Mit einem drohenden Grollen presste sie den Fingernagel fester gegen Nairas Wange, zog ihn dann abrupt weg. Ein einzelner Blutstropfen quoll aus dem kleinen Schnitt. „Ich werde das nicht vergessen“, versicherte sie, bevor sie langsam, geschmeidig vom Tisch auf den Stuhl zurückrutschte. Erst jetzt wurden ihr auch die entsetzten Blicke der übrigen Gäste und des Personals bewusst.


    Mit einem Nicken zeigte sie zu der zierlichen Gestalt hinüber. „Nur zu, ladet Ihr sie ein“, verlangte sie. Noch war der drohende Befehlston noch nicht ganz aus ihrer Stimme geschwunden. Beim Sprechen zeigte sie die blitzend weißen Zähne im dunklen Gesicht.

  • Die Augen der Dai’Vaar blitzten und ihre Hand zuckte verdächtig. Sie konnte sie gerade noch so weit beherrschen, dass sie ihren Dolch im Ärmel doch nicht zog, als der Fingernagel Niralits über ihre Wange rutschte. „Ich werde es ebenfalls nicht vergessen.“, raunte sie. Ihr Gesicht hatte für einen Moment das Antlitz eines Raubtiers das darauf wartete, seine Zähne in die Beute zu schlagen. Ihr Gesicht, überhaupt ihr ganzer Körper, war Niralits Kapital, und das ließ sie sich von niemandem zerstören! Von einem halben Fisch schon gleich gar nicht!

    Genauso wusste sie aber auch, dass jetzt der denkbar unpassendste Zeitpunkt war ihre Genugtuung einzutreiben. Es würde Zeit haben. Spätestens dann, wenn sie sich genug in dieser Stadt gefestigt hatte, würde der Tag der Vergeltung hierfür kommen. So lange würde Niralit für sie eine Art Geschäftspartner sein, jemand, der ihr vielleicht weiterhelfen konnte und einige Dinge erledigen konnte, für die Naira selbst keine Zeit, Geduld oder was auch immer aufbrachte. Sobald diese Allianz nicht mehr vonnöten war…
    Ein grausames Lächeln huschte über ihre Lippen. Kehr mir zum richtigen Zeitpunkt den Rücken zu, kleine Yassalar, und du wirst deinen Übermut bereuen!
    Die Dai’Vaar würde nicht direkt hinübergehen. Stattdessen zog sie Papier, Tinte und Federkiel aus einem kleinen versteckten Beutel und begann darauf zu kritzeln: „Trotz meiner etwas ungestümen Begleitung würde ich mich freuen, wenn du dich zu uns gesellen würdest.“

    Sie blies die Tinte trocken, faltete den Zettel und rief eines der Schankmädchen zu sich, der sie den Zettel übergab mit den Worten: „Bring dies zu dem Mädchen am Tresen und sag ihr, dass es von diesem Tisch hier kommt.“
    Zufrieden nickte Naira als das Schankmädchen zur Theke lief um die Nachricht zu überbringen. Eine dritte Person am Tisch war wahrscheinlich wirklich nicht schlecht, bevor es Niralit noch zu weit trieb. Die Dai’Vaar befand sich nahe der Grenze zum Blutrausch, nicht weit davon entfernt diese ganze Schenke zu zerlegen. Sie wollte zwar Aufmerksamkeit auf sich ziehen in dieser Stadt, aber ein guter Einstand würde das gewiss nicht sein. Sie beruhigte sich damit, dass man von einer Yassalar nichts Besseres erwarten konnte und nippte an ihrem Wein während sie darauf wartete, wie ihre Nachricht wohl bei dem Neuankömmling ankommen würde.

    "Verflucht hat man uns. Mörder hat man uns genannt.
    Verflucht hat man uns und verjagt.
    Und geweint haben wir, mein Schatz, geweint weil wir so alleine waren!
    Und wir haben vergessen wie Brot schmeckt, wie Bäume flüstern, wie der Wind streichelt.
    Sogar unseren Namen haben wir vergessen, mein Schatz!"
    (Gollum)

  • Niralit beobachtete scheinbar gefasst, wie ihr Gegenüber die Nachricht kritzelte und der nächsten Bedienung mitgab. Schlau war Naira. Sie wusste, was sie tun durfte und was nicht, wusste, dass sie Niralit besser nicht den Rücken zukehrte. Falls sie einander einmal feindlich gegenüberstehen würden, brauchte Niralit jede Information, die sie kriegen konnte.


    Obwohl sie nicht absichtlich hinüber linste, konnten ihre kühlen azurblauen Augen die Worte erkennen. Ungestüme Begleitung … Ein kurzer Blick auf die Tischkante, in der sich Nairas Fingerabdrücke eingebrannt hatten, verriet, dass diese mindestens ebenso unberechenbar war.


    Niralit musste aufpassen. Am besten war es wohl, vorerst mehr Informationen herauszukriegen. Beobachte und lerne, wisperte die Stimme, ganz leise und sanft. Im richtigen Moment würde sie zuschlagen und zuschlagen können, weil sie gründliche Vorarbeit geleistet hatte.


    Im Moment jedoch, so wenig es ihrem aufgewühlten Temperament gefiel, würde sie wieder in die Rolle der gewandten Diplomatin schlüpfen. Natürlich würde sie diese Rolle für Naira fortan ein wenig abwandeln müssen, eine besondere Schale nur für die Dai’Vaar. Damit besaß sie schon einmal eine andere Ausgangsposition als die übrigen Luftatmer, die in dieser Stadt herumwuselten.


    Niralit lehnte sich nicht vor, sie regte die verschränkten Arme nicht, aber plötzlich erklang wieder ihre Stimme. „Wollt Ihr dieses sogenannte Bündnis offiziell machen? Wo kann ich Euch finden, wenn ich etwas brauche? Ihr erreicht mich … an den Ausläufern von Elue’Adar.“ Ihrem Tonfall war anzumerken, dass sie Naira niemals dort erwarten würde. Zu viel Feuer auf dieser Seite. „Gebt mir einen weiteren Zettel und ich gebe Euch die genauen Koordinaten.“


    Ein Bündnis verlangte einen Schwur, etwas, das es besiegelte. Doch Niralit vertraute darauf, dass ihr Gegenüber das genauso wusste. Schließlich besaß die Dai’Vaar den gleichen Stolz.

  • In Nairas pechschwarzen Augen war ein kurzer, jedoch
    heftiger Funke zu erkennen, als die Yassalar weitersprach. Als ob sie sich
    jemals dorthin begeben würde! Ein grausames Lächeln trat auf ihre Lippen und
    sie sagte: „Glaubt mir, Ihr wünscht Euch, dass ich mich dort niemals blicken
    lasse, selbst, wenn ich wollte.“





    Die Dai’Vaar sah aus dem Fenster und bemerkte, dass es
    mittlerweile hell draußen war. Sie schätzte es war etwa sieben Uhr, vielleicht
    etwas später. Wunderbar, dann kann ich mich ja auf den Weg machen!



    „Im Künstlerviertel“, begann sie, wobei sie den Namen
    betonte und herablassend zu Niralit blickte, „wartet um acht Uhr ein Makler auf
    mich. Ich habe vor, mir dort ein kleines Häuschen zu kaufen.“ Naira hatte schon
    immer die Kunst geliebt, bereits als Kind hatte sie viel auf Papier
    herumgekritzelt und mittlerweile war das Malen für sie eine Art Beruhigung. Manchmal
    konnte die Malerei ihr Temperament etwas zügeln und sie ließ ihre Überkochenden
    Emotionen einfach auf eine Leinwand fließen oder in ein Stück Kohle, mit dem
    sie zeichnete. Des Weiteren ließen sich im Künstlerviertel oftmals Adlige
    blicken, sodass sie gut Kontakte knüpfen konnte. „Ich werde Euch die Adresse
    aufschreiben. Solange Ihr in Nir’alenar seid, könnt Ihr gerne bei mir Quartier
    beziehen.“





    Es widerstrebte dem Feuerkind zwar, dass sie eine Yassalar
    in ihren eigenen vier Wänden hatte, aber in gewisser Weise war Niralit eine
    Verbündete. Eine Verbündete, die man noch für sonst was brauchen konnte.
    Außerdem war es nie schlecht, jemanden mit im Haus zu haben, der wusste, wie
    man sich verteidigte. So musste Naira nicht alles allein erledigen, wenn es
    darauf ankam. Die Dai’Vaar hob fragend eine Augenbraue und wartete ab, ob ihr
    Gegenüber gedachte, das Angebot anzunehmen.

    "Verflucht hat man uns. Mörder hat man uns genannt.
    Verflucht hat man uns und verjagt.
    Und geweint haben wir, mein Schatz, geweint weil wir so alleine waren!
    Und wir haben vergessen wie Brot schmeckt, wie Bäume flüstern, wie der Wind streichelt.
    Sogar unseren Namen haben wir vergessen, mein Schatz!"
    (Gollum)

  • Niralits Lippen kräuselten sich ebenfalls zu einem kühlen Lächeln. Ein Spiel aus Drohungen, ein Kampf auf kleiner Flamme, mit Wörtern so scharf wie Klingen ausgetragen, das gefiel ihr. Sie liebte jede Art von Kampf und glaubte auch, sich auf jedem Schlachtfeld gut zurechtfinden zu können. Das Leben war ein einziges Spiel aus Strategie, Aktionen und Reaktionen für Niralit. Niemals würde sie vergessen und niemals würde sie aufgeben …


    Als die Dai’Vaar einen Blick aus dem Fenster warf, überlegte Niralit, an was sie sich wohl dabei erinnert hatte. Einen Moment später bekam sie die Antwort jedoch schon. War ihr Gegenüber also doch nicht ganz so neu, wenn sie schon dabei war, ein Häuschen zu erwerben. Niralit fragte sich, wo sie das Geld dafür her hatte. Sie selbst wohnte und agierte auf Kosten ihres Reiches, ihres Volkes, denn ihre Ergebnisse waren wertvoll genug dafür.


    Niralit verzog keine Miene bei dem langgezogenen Wort Künstlerviertel. Sie konnte einfach nichts mit diesen melancholischen Gestalten anfangen. Die einzige Kunst, die sie kannte und schätzte, war die des Schwertes und die der richtigen Worte. Mehr brauchte sie nicht, um ihre Aufgabe zu erledigen. Etwas anderes wollen wir nicht.


    Dann weiteten sich ihre Augen aber doch und tauchten mit einem Mal in schillerndes Silber. Fast als wäre sie blind geworden, als hätte sie den Blick verächtlich vor dem lächerlichen Angebot abgewandt. Wie kam man auf eine solche Idee? Unter einem Dach mit dem Künstlerpack zu leben … Grollend wollte sie widersprechen.


    Stattdessen schloss sich ihre Hand um den Schwertgriff. Schutzsuchend, wofür sie sich selbst hasste. Naira führte etwas im Schilde. Sie hatte Verwendung für die Yassalar, oder glaubte zumindest, dass diese ihr noch nützlich sein könnte. Niralit selbst dachte ähnlich, jetzt, wo sie die gefährliche Kraft der Dai’Vaar gesehen hatte. Ein kurzer Blick zu den verkohlten Fingerabdrücken im Holz – dann nickte sie steif.


    „Heute habe ich ebenfalls zu tun, aber ich werde Euer Angebot annehmen. Ist es denn schon sicher, dass ihr das Häuschen bekommt?“ Herausfordernder Spott mischte sich in ihre Stimme. Das hämische Grinsen schluckte sie allerdings hinunter. „Ihr werdet allerdings akzeptieren müssen, dass ich Euer Domizil nicht jede Nacht aufsuchen werde. Einen Wachhund müsst Ihr woanders suchen.“


    Da glühten ihre Augen dunkelviolett auf, schon fast blutrot. Nachdem sie den erhaltenen Zettel in eine Tasche gestopft hatte, erhob sie sich. „Wir sehen uns, nicht wahr?“, meinte sie zum Abschied mit einem weiteren feinen Grinsen. Eine interessante Bekanntschaft.

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