Die Pfandstube "Acai"

  • Irgendwo an zentraler Stelle im Händlerviertel, nicht unweit des Marktplatzes und auch nur einige Gehminuten vom Seeviertel entfernt, steht seit über 6 Jahrzehnten das Pfandleihhaus der Familie Acai. Es ist ein eher schlichtes Gebäude, welches sich jedoch mehr als eindeutig mit Hilfe eines großen, bronzenen Schriftzuges zu erkennen gibt.


    Es war Tilla Acais Vater, der diese nicht gerade unauffällige Werbebotschaft vor vielen Jahren an dem Haus hatte befestigen lassen. Tilla konnte heute noch über seine Weitsicht schmunzeln. "Tillamädchen, schau her. In die Richtung liegen die Hafentavernen. Wer aus ihnen wegen Zechprellerei rausgeworfen wird, muss unsere Stube sehen. Und siehe, in der Richtung liegt der Markt. Seine Waren locken und unser Schild lockt den, der sie nicht bezahlen kann." Stolz hatte er auf das Ungetüm aus Schriftzeichen geblickt und mit gleichem Stolz dacht Tilla sehr oft an ihren Vater zurück. Denn er hatte Recht behalten.


    Die Pfandstube selbst war trotz des Vermögens der Familie "Acai" immer schlicht in ihrer Einrichtung geblieben. Ein Tresen und in der hinteren Ecke ein Tisch und drei Stühle. Dazu noch einige einfache Regale und Vitrinen. Nur ihr Inhalt, der änderte sich fast täglich und war oftmals gar nicht so schmucklos.
    Von Silberlöffel über Blechkochtöpfe, vom Schmuckdolch bis hin zum einfachen Holzarmreif - Tilla nimmt so ziemlich alles in Zahlung, so lange der Zins stimmt.

  • Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten müsste Tilla Acai nicht mehr zwingend selbst hinter der Theke der Pfandstube stehen.
    Allein die Freude an der Arbeit führt sie jedoch beinahe täglich in ihr Geschäft.
    Seit mehreren Jahren wird sie hierbei von zwei Angestellten unterstützt, die jeweils Fachmänner auf ihrem Gebiet sind.


    Zum einen wäre da Vidd Bastler, Gnom, der eine gutes Händchen für allerlei Geräte und technische Errungenschaften hat, zum anderen Bassam Mehli, ein hochgewachsener Djirinn, der ein besonderes Gespür für Schmuck jeglicher Art und Herkunft hat und dessen Erscheinung bei den wenigsten Kunden noch Widerworte aufkommen lässt.

  • Unschlüssig stand Maida vor der Pfandstube. Das Gebäude gab auf den ersten Blick wenig her, aber drinnen, da gab es haufenweise Schmuck und andere Wertsachen. Schon öfters war die Cath'shyrr vor dem Geschäft auf und ab gelaufen, doch heute überwog die Neugier und sie drückte entschlossen den Türgriff. Ein kleines Glöckchen bimmelte, als sie eintrat. Drinnen war es genauso farblos wie von außen. Naja, sie brauchte hier ja nicht einzuziehen. Mit spitzen Fingern schob Maida eine Haarsträhne von der Wange und richtete die Halskette, die ein wenig verrutscht war.


    "Schönen guten Tag. Ist jemand hierrr?", schnurrte sie mit dunkler Stimme.

  • Es war immer schön auf und über den Marktplatz zu bummeln. Man konnte so den neuersten Klatsch und Tratsch erfahren oder gänzlich unauffällig selbst unter die Leute bringen. Heute hatte er z.B. angedeutet, dass eine bestimmte Gruppe von Lebewesen (er blieb bewusst wage), sich mit einem ansteckenden Virus infiziert hätten. Die Ansteckungsgefahr bestehe nur, wenn sich 2 nicht Versprochene zu nahe kommen. Mal sehen, wie lange es brauchte, bis diese vulgäre Mär wieder bei ihm ankäme.


    Er guckte sich mal um – geschäftiges Treiben, Taglöhner, Glückslosverkäufer, Aufreißer. Nichts Neues unter dem Firmament. Er kannte ziemlich viele Leute hier, weil er eben öfters hier votrbeisah. Er schlendete vorbei an Buden und vollgeräumten Theken. Junger Mann nehmen Apfel, probieren, probieren, essen, schmecken, kaufen Herr von Muesig widerstand der Aufforderung mit einem herben Lächeln.


    Ein Blick glitt vorbei an den bunten Schirmen und blieb kurz auf dem Schild der Pfandleihe hängen. Da fiel ihm ein, er hatte ja immer noch diese völlig nutzlosen Rollen dieses namenlosen Künstlers…aha und die Leihe ging jemand hinein. Vielleicht ließe sich daraus auch eine Geschichte in Umlauf bringen.


    Er ging gemächlich zu der Stube hinüber, verzichtete aber darauf die Tür zu öffnen und die Schwelle zu übertreten. Statdessen ging er zu einer der Auslagenscheiben, legte die Hand auf die Stirn um die Helligkeit zu bannen und auszuspionieren, was sich drinnen in der Stube tat.


    2 Sachen erkannte Heer von Muesig sogleich. Das Wesen war kein ausgezuzzeltes Marktweib, ganz im Gegenteil, schien sie voll im Saft zu stehen und er hatte sie noch nie gesehen.
    Er saß, dass sich ihre Lippen bewegten, aber hören konnte er nicht, was geredet wurde. Es war auch noch keine zweite Person zu sehen.

  • Gemeinsam mit Bassam hatte Tilla im hinteren Teil der Pfandleihe "für Ordnung" gesorgt. Einige Kisten mit Porzellan, welches sowieso niemand mehr abholen würde, stapelten sich dort und Bassam und Tilla diskutierten ausgiebig darüber, ob und an wen man diese Stücke verkaufen sollte.
    "Einige Teile sind wirklich alles andere als hübsch." Sprach Tilla und drehte einen üppig bemalten Teller in den Händen.
    "Ich habe mal gehört, die Ashaironi haben irgendeine Totenzeremonie, bei denen mal Porzellan zerschlägt. Dafür würde der hier.."


    Die Brünette unterbrach sich selbst, als jemand den Laden betrat. Schnell raffte sie die drei Röcke, die sie am heutigen Tag übereinander trug, zusammen, und eilte in die Stube.


    Mit einem kühlen Lächeln begrüßte sie die Cath. Bisher hatte sie diese Dame hier noch nirgends gesehen. Umso besser. Selten blieb ein Besuch in der Pfandleihe einmalig.


    "Seid mir gegrüßt. Tilla Acai ist mein Name. Wie kann ich euch helfen?"

  • Eine äußerst blasse Dame eilte herbei. Maida musterte die Pfandleiherin aus großen schwarzen Pupillen - hier drin war es deutlich dunkler als draußen auf der Straße -, ohne dass es aufdringlich oder abschätzig wirkte. Na, hübsch war diese Tilla Acai jedenfalls, trotz der schrecklich nackten Haut überall. Ihr Auftreten war geschmackvoll, so dass Maida nicht das Näschen rümpfte. Ohne sich vorzustellen kam die Cath'shyrr auf ihr Anliegen zu sprechen.


    "Ah, werrrte Tilla Acai, es frrreut mich außerrrorrrdentlich Euch kennenzulerrrnen. Nun, ich kam zufällig vorrrbei und habe mich gefrrragt... hübsch habt Ihrrr es hierrr. So schlicht. Nun, ich habe mich gefrrragt, ob all die hübschen Sachen, die Ihrrr nicht mehrrr brrraucht, weil niemand sie abholt, nun, was wohl damit geschieht?"


    Maida legte den Kopf ein wenig schief und lächelte liebreizend.

  • Einen ganz kurzen Augenblick sah die Pfandleiherin die Cath'shyrr an und stutzte. Dann fing sie sich jedoch gleich wieder. Was dachte die Cath denn, was man damit machen würde?


    "Nun, das ist relativ einfach zu beantworten." Lächelte Tilla. "Was nicht abgeholt wurde, kann gekauft werden. Habt ihr vielleicht Interesse an den ein oder anderen Stück?" Wieder war da das kühle Lächeln.
    Ihr Gegenüber sah nicht ärmlich aus. Entweder sie hätte tatsächlich Kaufinteresse oder ihre Geldsorgen hatten gerade erst begonnen.


    "Ich habe sehr schöne Schmuckstücke da. Ihr bekommt sie bei mir weit unter dem eigentlichen Preis."
    Die Pfandleiherin wollte gerade auf eine Vitrine mit mehreren Halsketten deuten, als sie sah, dass sich jemand von außen die Nase an der Fensterscheibe platt drückte. Rothaarig, männlich. Das konnte nur dieser "Von Muesig" sein, von dem in letzter Zeit in der ganzen Stadt gesprochen wurde. Hatten die Muesigs jetzt auch schon Geldsorgen? Oh, wenn ja, dann wäre es wirklich ein Fest..

  • Hatte sie es sich doch gleich gedacht. Hier würde sie wertvolle Stücke zu einem günstigen Preis erwerben können. Warum war sie nicht schon früher auf die Idee kommen die Pfandstube aufzusuchen. Nun, alles tat man irgendwann zum ersten Mal, manchmal zum rechten Zeitpunkt, manchmal viel zu spät. Da dies in diesem speziellen Fall keine wirkliche Rolle spielte - vom Umfang ihres Geldbeutels einmal abgesehen -, blinzelte Maida zufrieden und ließ ein wohliges Schnurren hören.


    "Schmuck, wie wunderrrrvoll..." Maida unterbrach sich, da sich Tilla auf etwas hinter Maidas Rücken konzentrierte. Die Cath'shyrr warf einen Blick über die Schulter und bemerkte den Schemen hinter der Glasscheibe. Ein Spitzel konnte das nicht sein, so ungeschickt wie der sich anstellte. Ein abfälliges Schnauben entrang sich Maidas Lippen. "Hoffentlich hat sich diese neugierrrige Perrrson die Nase gepuderrrt, sonst müsst Ihrrr die Scheibe vom Fett rrreinigen lassen."


    Mehr Aufmerksamkeit hatte der Gaffer nicht verdient. Maida wandte sich wieder der Pfandleiherin zu. "Ich bin auf derrr Suche nach einem Handspiegel. Mit ein wenig Silberrr eingefasst, das wärrre hübsch. Und ja, zeigt mirrr Eurrren Schmuck."


    Mit dem Zeigefinger rieb sich Maida die Nase, die immer dann juckte wenn sie es mit Wertsachen zu tun bekam.

  • "Es gibt hier halt viel, was manch einer gern hätte, sich viele aber nicht mehr leisten können."
    Tilla lächelte und wandte den Blick von dem Rothaarigen ab. Er würde sich schon trauen. Wenn nicht heute, dann morgen. Oder nächste Woche. Oder nächsten Monat. An irgendeinem Punkt in seinem Leben brauchte jeder Adelige Geld.


    "Einen Handspiegel. Lasst mich überlegen. Ich glaube, viele Spiegel haben wir gerade nicht da."
    Tilla drehte sich in Richtung des Hinterraumes und rief mit lauter Stimme. "Bassam? Kannst du bitte einmal kommen?"


    Wenige Augenblicke später stand der riesige Djirinn auch schon neben Tilla.
    "Bassam, sei so gut und such einige der hübscheren Schmuckstücke zusammen. Die junge Dame hat Interesse."


    Der Mann mit dem langen, dunklen Haar, nickte nur und verschwand wieder. Irgendwie hatte Tilla es in der Zwischenzeit geschafft, eine Kiste mit Handspiegeln auf den Tresen zu stellen.


    "Ah ja, mehr haben wir leider nicht. Da wäre einmal dieser hier in Gold, der hat eine Fassung aus Porzellan und diese beiden silbernen Spiegel."
    Alle vier Spiegel wurden von Tilla nebeneinander hingelegt. Das Gold war angelaufen und schlicht. Der Porzellanspiegel hingegen war mit sehr feinen Ornamenten versehen und der Spiegel klar und ganz.
    Die silbernen Spiegel hatten unterschiedliche Größen. Der Kleine war nicht viel größer als eine Puderdose und hatte auf der Rückseite eine große, silberne Rose. Der große Spiegel hingegen war so groß wie eine offene Hand. Das Silber glänzte und war so kunstvoll geschliffen und poliert, dass es auf der Rückseite ein komplexes Muster ergab.

  • "Oh ja, das Geld, so klein und doch so wichtig. Es nimmt einen viel zu großen Teil unseres Lebens ein, lässt uns frohlocken, wenn wir es haben, und lässt uns weinen, wenn es uns fehlt. Wie lange nehmt Ihr Wertsachen in Pfand, ehe Ihr es verkauft?"


    Die Pfandleiherin wandte sich um und hob die Stimme. Ein solch lautes Organ hätte Maida der zarten Tilla Acai nicht zugetraut. Es war immer wieder erstaunlich, wie derb und kantig sich der Umgang mit Menschen für eine Cath'shyrr anfühlte. Allein ihre Sprache war so... steif. Dennoch behielt Maida ihr liebliches Lächeln bei. Während sie wartete, zupfte sie ein paar Falten an ihrem Kleid zurecht. Eine ihrer Augenbrauen rutschte fassungslos die Stirn hinauf, als Tilla eine Kiste mit Spiegeln auf den Tisch stellte. Dem Namen nach - Acai - war diese Dame die Besitzerin. Wieso ließ sie nicht ihren Djirinn die Arbeit tun? Kisten heben, also wirklich. Maida bemerkte eine Staubfluse auf dem Tresen und schnippte sie weg.


    Dann lagen die Spiegel aufgereiht vor ihr. Den Goldenen schloss Maida sofort aus. Er war alt und hässlich. Der aus Porzellan, nein, zerbrechlich. Was sollte sie damit? Sie hatte gerade erst ihren eigenen zerbrochen. Ihre fein manikürten Finger nahmen den kleinen Silberspiegel auf und drehten ihn hin und her. Probeweise warf Maida einen Blick hinein. "Hm, er passt in jede noch so kleine Tasche, doch nein, ich sehe mich ja gar nicht richtig. So schaffe ich es gerade meine Brauen zu zupfen, aber dafür habe ich Iola."


    Achtsam legte Maida das Silberstück wieder zurück. Es juckte sie in den Fingern, es einfach einzustecken. Die Cath'shyrr atmete tief ein und aus und griff nach dem größeren Handspiegel. "Sehr hübsch. Wirklich sehrrrrr..." Maida ließ das weiche R stärker rollen als sonst. "...hübsch." Ihre Augen glänzten. Im Spiegel bemerkte sie zu ihrem Entsetzen, dass ihre Haut ein wenig Grau wirkte. Kein sehr vorteilhaftes Licht hier drin.


    "Seid Ihr sicher, dass es echtes Silber ist? Was verlangt Ihr dafür?"

  • Ah da kam die Tilly Acai, eine noble Blässe zeichnete sie aus und aus dem Dunkeln ‚leuchtete‘ sie nachgerade. Er kannte sie nicht persönlich, weil er hatte bisher gar keine Veranlassung gesehen, etwas in die Pfandleihe zu tragen. Aber jetzt diese leidlichen Rollen.


    Gut, dass sie ihn nicht sehen konnten, verkannte Herr von Muesig die Situation. Aber gerade weil er so dachte, wie er dachte, blieb länger als es a) schicklich und b) nötig war.


    Die beiden kamen ins Gespräch und den Lippenbewegungen nach zu urteilen, mussten sie schnell und viel reden. „Wie die Frauen halt so sind – geschwätzig bis zum Herzstillstand“, bestätigte er sich ein altes, eingefleischtes Vorurteil. Es entstanden wohl kaum Pausen
    Dann drehte sich die Pfandleiherin um und rief etwas, das er sogar auf der Strasse verstand. Bassan. Was immer…nein Bassan musste der Name sein, denn aus dem Hintergrund
    tauchte ein ziemlich großer Mann auf, in den er auch bald wieder verschwand.


    Und als er sah, dass auf einmal Spiegel auf der Anrichte standen und die schöne Unbekannte sich in einem betrachtete, ergänzte er zum ‚geschwätzig' auch noch: „…und grenzenlos eitel“.


    Wenn sie ihn sehen könnten, würden sie bestimmt gehemmter vorgehen und sich nicht dermaßen gehen lassen. Wobei sich im Spiegel betrachten nun wirklich kein Vergehen war. Herr von Muesig würde aber zu dieser Begebenheit seinen eigen Text hinzufügen. Und dann wäre es zumindest anrüchig oder so etwas Ähnliches.

  • Tilla sah Maida bei ihrer Begutachtung zu und schwieg. Erst, als die Cath nach dem Preis fragte, sprach sie weiter.


    "Ja, es ist Silber. Sehr rein. Auch der Spiegel selbst besteht aus dünngewalztem Silber. Ich habe mir sagen lassen, dass er irgendwie versiegelt wurde, damit er nicht schwarz anläuft. Aber mit solchen Dingen kenne ich mich weniger aus, wenn ihr an der Herstellungsart stärkeres Interesse habt, wird euch Bassam sicherlich mehr dazu erklären können."


    Während Tilla dies aussprach betrat der große Djirin den vorderen Raum. Unter dem Arm hatte er eine kleine Kiste aus schwarzem Holz. Er nickte und stellte die Kiste dann vor den beiden Frauen ab.


    "Wenn ihr den Spiegel regulär kaufen würdet, müsstet ihr mit Sicherheit 6 GD dafür hergeben. Bei mir bekommt ihr ihn für 4." Sagte Tilla mit einem Nicken. Sie hatte dem armen Tölpel, der ihn seiner Frau nachts aus dem Schränkchen genommen hatte, gerade mal einen Golddukaten und 4 Silbermünzen dafür gegeben. Selbst wenn diese Cath noch handeln wollte, hätte Tilla noch immer ein gutes Geschäft gemacht.


    "Aber schauen wir doch erstmal, was Bassam noch so für euch gefunden hat."
    Von diesen Worten begleitet öffnete der Djirinn das Kästchen und einige wenige, offenbar sehr kostbare Stücke wurden sichtbar.

  • Liebevoll fuhren Maidas Finger den kunstvoll polierten Rand des Spiegels entlang. Als diese Tilla den Preis nannte, zuckte die Cath'shyrr unmerklich in sich zusammen. Vier Golddukaten. Sie hatte mit weniger gerechnet. Entweder rechnete die Pfandleiherin damit, dass Maida mit ihr feilschen würde wie ein Marktweib oder sie war schlichtweg unverschämt.


    "Nun ja." Die Cath'shyrr legte den Handspiegel behutsam auf den Tresen zurück. Auf keinen Fall durfte sie so tun, als wolle sie das Stück unbedingt haben. "Dann lasst einmal sehen, was Ihr an Schmuck zu bieten habt."


    Wundervolle Stücke kamen aus der Kiste zum Vorschein. Maida staunte und sie kam nicht umhin eine diesbezügliche Bemerkung zu machen. "Exquisit. Sagt, sind Eure Kunden allesamt Hehler..." Sie kicherte und ließ ihre Worte wie einen Scherz klingen. "...oder reiche Erben, die ihr Vermögen verspekuliert haben und die letzten Besitztümer versetzen? Kein armer Schlucker kann an solche Prachtstücke gelangen. Außer er wäre ein Dieb."


    Ein unschuldiges Schmunzeln lag auf Maidas vollen Lippen. "Wie lange betreibt Ihr diese Art von Geschäft schon?" Sie vermied es Tilla direkt anzusehen und beugte sich über die Colliers und Ringe, welche der Djirin vor ihr ausbreitete.

  • "Nun, das Letztere dürfte wohl häufiger zutreffen." Antwortete Tilla kühl.
    Natürlich war es eine Unverschämtheit von der Cath'shyrr gewesen, zu behaupten die Pfandstube sei in Zwielichtige Geschäfte verstrickt. Aber so schnell ließ eine Acai sich nicht aus der Reserve locken. Ganz davon abgesehen, dass es andere zweifelhafte Möglichkeiten in einer Pfandstube gab, als das einfache weiterveräußern von Hehlerware. Nicht, dass Tilla nicht auch das schon getan hätte..


    "Seid über 60 Jahren verrichtet meine Familie hier ihre Geschäfte, meine.. Teure. Ihr werdet verstehen, dass in einer solch langen Zeit immer wieder Juwelen als Pfand aufgegeben werden, die von solch einem Wert sind, dass sich nur die Wenigsten ihre Ablöse leisten können. Diese dort wurden vor über 40 Jahren von einem Spross der Familie Marasar verpfändet."


    Plötzlich hielt sie ihre Hand vor Bassams Brust und deutete diesem damit an, mit der Präsentation der schönen Stücke aufzuhören.


    "Aber, ich möchte euch nicht mit Schmuck kränken, der jenseits eines sterblichen Geldbeutels liegt. Vielleicht möchtet ihr ja zuerst den Schmuck des normalen Volkes sehen?"

  • Maida war der kühle, gekränkte Ton von Tilla keineswegs entgangen. Sie grinste innerlich. Vor allem der letzte Satz war von einer Heftigkeit, dass sich die Cath'shyrr ziemlich sicher war, dass die Pfandstube ihre Waren nicht immer auf legalem Weg erwarb. Maida richtete sich auf und machte ein zerknirschtes Gesicht.


    "Verzeiht mir vielmals, werte Tilla Arcai, ich wollte Euch keineswegs zu nahe treten. Ich bin das erste Mal in Eurem Laden. Ihr versteht bestimmt, dass ich sicherstellen möchte, meine Schmuckstücke aus ehrlicher Quelle zu beziehen. Wie peinlich wäre es, bei einer Gesellschaft mit verlorenem..." Sie betonte das Wort bedeutungsvoll. "...Tand aufzutreten. Einzugestehen, bei wem ich gekauft habe, wäre für alle Beteiligten unangenehm. Aber sich mit den verpfändeten Juwelen einer Adelsfamilie zu zeigen... das ist unanständig und aufreizend zugleich."


    Maida lächelte gewinnend. Mit einem Wink deutete sie dem Djirin an, auch die restlichen Stücke zu zeigen.

  • Ja, wenn Frauen reden....
    Er war zu dem Schluss gekommen, es musste 'Hassan' geheissen haben, und das war eindeutig ein Hundename. Aber auf den Ruf 'Hassan' war kein Hund erschienen, sondern dieser...na dieser halt, jedenfalls kein Hund.


    Schatullen und Schachtel wurden heingetragen und hinausgetragen und die fremde, neue Frau probierte Schmuck. Aber entscheiden: Fehlanzeige.


    Es dauerte nun schon eine geraume Zeit, die Haltung war für Herrn von Muesig eine ziemlich ungewöhnliche und zudem sehr ungemütliche.


    Da gescha es, ein Krampf im rechten Wadenbein durchzog ihn - das Bein knickte weg, ein Schrei wie vom einem Esel dem die Ohren abgeschnitt werden, ein Fall, ein Griff. Herr von Muesig ergriff ein Kordel, die dazu diente ein Gocke zu halten, die der Pfandleiherin mitteilen sollte, dass ein Kunde Einlass begehrt. Nun teilte es der Pfandleiherin mit, dass ein ungelenker Gaffer und Spanner mit Getöse in den Rinnsal gefallen war.


    Er rappelte sich nur mühsam auf und überlegte fieberhaft was er dazu sagen konnte, denn irgendwas würde er sagen müssen. Mit keiner Erklärung würde er nicht durchkommen.

  • "Bassam, wir haben doch diesen Granatarmreif vor einigen Wochen bekommen. Feor Pelagor hat ihn bisher nicht abgeholt. Letzte Woche lief die Frist aus. Zeig ihn doch bitte der jungen Dame."
    Seit dem in der Stadt bekannt wurde, dass Feor Pelagor sein Herz an eine Kurtisane verloren hat, waren Klatsch und Tratsch nicht mehr aufzuhalten gewesen. Vielleicht war es das, was die Cath suchte.


    Währenddessen hampelte der, den Tilla als einen Spross der Muesigs erkannt zu haben glaubte, ungelenk vor der Tür rum.
    Unsanft saß er Sekunden später und mit lautem Bimmeln begleitet im Dreck.


    "Entschuldigt mich bitte einen Moment."


    Während Bassam den genannten Armreif bereits herbei geholt hatte und ihn wortlos Maida zeigte, raffte Tilla die Röcke und schritt zu Herrn von Muesig.


    Ein Lächeln, in dem weitaus mehr Wärme steckte, als zuvor, begrüßte den Rothaarigen, während Tilla ihm eine Hande entgegenstreckte.
    "Entschuldigt bitte die Stolperkanten vor meinem Geschäft, werter Heer. Ich hoffe, ihr habt euch nicht verletzt?" Natürlich wusste Tilla, dass dieser Mann nicht einfach nur in ihren Laden "gestolpert" war. Dafür hatte er zu offensichtlich hereingespannt. Aber Adelige verloren ungerne ihr Gesicht, das wusste sie.


    "Möchtet ihr euch vielleicht einen Augenblick lang setzen? Ein Glas Wasser trinken?"

  • "Nein nein, Ihr habt mich falsch verstanden. Würde ich Juwelen aus dem Hause Marasar auslösen..." Doch schon hielt ihr der Djirin den Granatarmreif unter die Nase. "Tut das weg", fauchte sie halblaut und wedelte mit der Hand, als wolle sie Fliegen verscheuchen. "Das sähe ja aus, als wäre ich Feor Pelagor Lustpüppchen."


    Vor dem Geschäft gab es einen Tumult, dann bimmelte es und Tilla eilte sogleich zu dem Verunglückten hin. Maida drehte sich halb herum und beugte den Oberkörper nach vor, um unter Tillas Achseln hindurch etwas sehen zu können. Dieser rote Schopf kam ihr bekannt vor. Schon öfters war er ihr im Händlerviertel aufgefallen. Ein mittelalterlicher Snob, dem offenbar vor Langeweile die Decke auf den Kopf fiel. War er es gewesen, dessen Nase sie an der Glasscheibe bemerkt hatten? Komischer Kauz.


    Maida tat unbeteiligt und widmete sich wieder den alten, aber wertvollen Schmuckstücken der Marasars und wählte filigrane Ohrringe aus. Zur Probe steckte sie das Paar an und betrachtete sich im Handspiegel. Ihre Ohren waren gespitzt, um jedes Wort zwischen Tilla und dem Rotschopf aufzufangen.

  • Wie furchtbar peinlich. Solche Situationen passierten doch immer nur anderen, warum jetzt ausgerechnet ihm? Zum Glück hatten sie ihn wenigstens nicht gesehen wie er durch das Fenster…, dachte er erleichtert und wusste nicht, dass er mit dieser Einschätzung falscher nicht liegen konnte.


    Ja…“ er quälte sich mühsam hoch, das hatte er auch schon mal schneller gekonnt. Und da diese reduzierte Antwort ziemlich einsam und verlassen im Raum stand, konnte man nur raten auf was es sich schlussendlich beziehen sollte.


    Es war keine gute Idee gewesen mit diesen Schriftrollen dieses Autodiktaten hierher zu kommen. In seine Kreisen genossen Pfandleiher keinen allzu guten Ruf, da man wenn man eines Mann/einer Frau bei der Leihe ansichtig wurde, sofort Gerüchte über finanzielle Kalamitäten die Runde zu machen pflegte.
    Während er sich den Staub von der Kleidung klopfte, sich die Ärmel wischte tat er als besähe er sein Knie aber sein Blick glitt höher an Tilla vorbei und erhaschte die Rothaarige, nun, wie sie sich um ihn nicht zu kümmern schien.


    Angesichts dessen giftete Herr von Muesig „Manche Mitbewohner dieser Statd zeigen Gefallenen gegenüber eine Kaltblütigkeit. Keine Menschlichkeit mehr, nirgendwo. Und Hilfsbereitschaft ist verkommen zu Interessenlosigkeit und Konsumwut. Euch Tilla nehme ich mal davon aus. Aber, ich sehe gerade, log er dreist, „dass Ihr eine Kundin habt.“ Flüsternd setzte er fort: „Habt Ihr wieder jemanden, den Ihr bedenkenlos und skrupellos…“ er sprach es nicht aus, aber die Gestik, die er mit den Händen bedeutete, die war eindeutig, vollkommen eindeutig. Laut setzte er fort: „Vernachlässigt bitte meinetwegen nicht Eure werte Kundschaft.“ und sein Lächeln sollte wohl Komplizenschaft andeuten. „Ich warte gerne so lange, wenn Ihr vielleicht etwas würziges Wasser hättet…“ Herr von Müsig wusste, dass Tilla das verstehen würde, was er meinet.


  • Der fremde Herr ahnte wohl nicht, dass eine Cath'shyrr über scharfe Sinne verfügte. Und Maidas Gehör war darüber hinaus besonders empfindlich. Sie hörte auch die leise gesprochenen Worte und fühlte sich in ihrer Annahme bestätigt. Tilla Arcai nahm es mit der Ehrlichkeit nicht so genau. Dies würde sich für weitere Geschäfte bestimmt nutzen lassen.


    Während sich der alte Knacker über ihr Desinteresse mokierte, entdeckte Maida zu ihrer großen Freude unter den ehemaligen Schätzen der Familie Marasar ein Medaillon. Eines von denen, die sich öffnen ließen, um das Bild der oder des Liebsten darin aufzubewahren. Oder eine Haarlocke. Oder... Maida fielen gleich eine Menge Dinge ein, die sich darin heimlich verbergen ließen. Dem Schließmechanismus nach zu deuten gab es dahinter sogar noch ein zusätzliches Geheimfach.


    "Ah, wie hübsch. Seid doch bitte so freundlich", bat sie den Djirin, ihr die Häkchen und Öse der Schließe im Nacken einzuhaken. Dabei musste sie sich herumdrehen und wandte dem fremden Herren die Vorderseite zu. "Guten Tag", grüßte sie freundlich und lächelte gewinnend. Ihre zarte Hand streckte sich ihm galant zu einem Handkuss entgegen. "Ich habe Euer Erscheinen gar nicht bemerkt", überging sie seinen peinlichen Auftritt, denn alles andere wäre eine Beleidigung gewesen. Ein Adeliger, der einem Pfandleiher vor die Tür plumpste - wer wollte schon extra darauf hingewiesen werden? Mit der Linken zupfte sie sich ein paar Strähnen aus dem langen, im Rücken locker mit Seidenschals gebunden Haar, so dass ein paar Locken nun die Ohren verdeckten und sich keck links und rechts neben dem Medaillon kringelten.


    "Wärt Ihr so freundlich mir mitzuteilen, ob mir dieses Schmuckstück zu Gesicht steht, verehrter Herr? Euer Urteil wäre mir sehr wichtig", attestierte sie ihm einen vortrefflichen Geschmack und streckte ihm zur Begutachtung ihren Vorbau entgegen, soweit es noch schicklich war. Ihre grünorangen Augen strahlten ihn bezaubernd an.

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