Gemüsehandel "Frisch und knackig"

  • Unweit des Marktes, nur ein paar Schritte eine Seitengasse hinein, hatte die Gemüsehändlerin Mo'Zun ihren Laden. Das Häuschen schmiegte sich unscheinbar an das farblose Nebengebäude, dessen Verputz unansehnlich abblätterte. Egal, wie oft sich Mo'Zun wegen dieses Schandflecks neben ihrem Geschäft beschwert hatte, es hatte wenig geholfen. Auffällig hingegen war die bunte Pracht an Lebensmitteln, welche die Händlerin unter dem Vordach in ausladenden Holzkisten anzubieten hatte. Die Rückseite des Gebäudes war nur von den umgebenden Häusern einsehbar und beherbergte den Garten mit üppigen Gemüsebeeten, Kräutern, allerlei Schattengewächsen und Blumenranken.


    Im Untergeschoss des Hauses selbst wurden die empfindlicheren Schösslinge aufbewahrt und bis auf einige Regale mit diversen Fläschchen und Dosen, einem Schrank mit Gartenwerkzeug, dem Ladentisch, drei Stühlen, mehreren Fässern sowie der Registrierkasse befanden sich sonst keine Möbel. Der herbe Geruch der Kräuter konnte einem an warmen Tagen die Tränen in die Augen treiben, an anderen hingegen wirkte er berauschend. In gewissen Kreisen hieß es, die Inhaberin der Gärtnerei handle unter dem Ladentisch mit Heilkräutern anderer Art, in präziser Dosierung angewandt auch Gifte genannt. Ob es sich hierbei um einen Geheimtipp oder nur ein Gerücht handelte, war nicht bekannt.


    Wer es besser wusste war Maida Ser'Afina. Zusammen mit Mo'Zun und ihrer Enkelin Iola bewohnte die Cath'shyrr das Obergeschoss des Hauses. Die Cath'shyrr hatte dort ein Zimmer gemietet, zahlte für Unterkunft, Essen und diverse Botengänge. Und Waren natürlich. Die Räumlichkeiten waren einfach, doch ausgesprochen sauber und trocken. Unter einem Brett des Fußbodens, in der hintersten Ecke unter dem Bett verborgen, hortete Maida Geld und jene Habseligkeiten, von denen weder Mo'Zun noch Iola zu wissen brauchten. Der Rest lagerte in einer Truhe und dem großen Schrank, der vollgestopft war mit Kleidern, Hüten, Schuhen und Taschen. Maida wusste, was sie ihrer adeligen Kundschaft schuldig war. Dazu gehörte, oftmals die Garderobe zu wechseln. Neben einer Spiegelkommode und einem Sessel gab es keine weiteren Einrichtungsgegenstände. Für Maidas Geschmack zu schlicht und zu spärlich, doch für ihre Zwecke genügend.

  • Es handelte sich um einen jener Nachmittage, an denen der Lärm des Marktes in die Seitengasse drang. Nur wenige Bewohner verirrten sich am Markttag zu Mo'Zuns Laden. Auf einer kleinen Bank vor dem Geschäft, direkt neben Kopfsalat und Gurken, hatte sich Maida im Schatten des Vordachs niedergelassen. Geistesabwesend streichelte sie das Fell ihrer Katze, die schnurrend die Vorderpfoten über den Rand des Sitzfläche hängen ließ und sich genussvoll räkelte. Iola hopste inmitten der Gasse von einem Pflasterstein zum nächsten und sagte irgendwelche kindischen Reime auf. Zu hibbelig, das Kind. Konnte kaum still sitzen. Unter ihrem breitkrempigen Strohhut hervor starrte Maida durch das Mädchen hindurch und verlor sich in sinnlose, träge Gedanken.

  • Brennan schlenderte durch die Stadt. Er war auf dem Markt gewesen, doch hatte sich an diesem Tag nicht dazu aufraffen können, selbst hinter dem Stand zu stehen und Kontakte zu knüpfen. Genau für solche Momente hatte er einen sehr gewissenhaften Gesellen - der konnte sich um die alltäglichen Dinge kümmern, während Brennan selbst versuchte, die Müdigkeit der gestrigen Reise aus seinen Knochen zu bekommen.
    Er mochte den Markt der Stadt. Es gab viel zu sehen, gute Waren und viele Käufer. Doch hin und wieder genoss er es auch, den Trubel wortwörtlich hinter sich zu lassen und so bog er an diesen Tag einfach in eine der vielen Seitenstraßen ein.


    Den kleinen Gemüsehandel, der plötzlich zu seiner Seite auftauchte, hatte Brennan wissentlich noch nie vorher gesehen. Jetzt fiel ihm die Auslage auf, die trotz des nahen Marktes immernoch mit einigen Mohrrüben und Kohlköpfen um Käufer warb.


    Wer geht um, eins zwei drei,
    es ist die dunkle Shirashai!
    Klaust du ihr die Kohlen,
    wird sie dich ganz fix holen!


    Den Reim, den das Kind vor sich herplapperte, musste wohl zu den schlechtesten Shirashai-Reimen gehören, die Brennan je gehört hatte. Etwas mehr Ehrerbietung hatte seine Schattengöttin nun doch verdient.
    In Gedanken versunken blieb Brennan stehen und starrte auf das hoppsende Kind - die dahinter sitzende Cath mit dem Strohhut nicht einmal bemerkend.

  • Erst die Bewegung, dann der dunkle Umriss, welche Maida aus ihren Gedanken rissen und zurück in die Gasse holten. Jetzt hatte sie doch tatsächlich von Canthar geträumt. Canthar, die verlorene Heimat. Die Cath'shyrr blinzelte und fokussierte ihre Augen auf den Schemen, der unbeweglich hinter Iola stand.


    Hübscher Bursche, schoss es Maida durch den Kopf. Hübsch, aber vermutlich nicht sonderlich reich. Schade.


    Die Katze mauzte, da die Cath'shyrr in ihrer Bewunderung aufgehört hatte das Tier zu kraulen.


    Das Mädchen hingegen hatte den Mann nicht bemerkt, drehte sich wild wirbelnd um die Achse und prallte ungebremst und mit voller Wucht gegen das plötzlich aufgetauchte Hindernis. Wie ein Gummiball taumelte Iola vom eigenen Schwung rücklings und landete auf dem Hosenboden. Aus großen Augen und mit offenem Mund starrte sie zu dem Fremden hoch. Kein Ton kam über ihre Lippen, während sie hastig den hochgerutschten Rock über die Knie zog.


    Maida lachte hell auf und ließ ihren Blick zwischen den beiden Personen schweifen.


    "Iola, du sollst doch die Kundschaft nicht über den Haufen rennen. Was würde deine Großmutter dazu sagen? Verzeiht, der Herr, es war keine böse Absicht. Ist Eure Hose fleckig geworden? Das lässt sich leicht auswaschen."


    Maidas Gesicht nahm einen kecken, ein wenig frivolen Ausdruck an.

  • Auch Brennan war zusehr in seinen Gedanken vertieft, als dass er das Unglück mit dem Mädchen hätte hervorsehen können. Ein kurzen Augenblick blickte er erschrocken drein, ging dann jedoch gleich in die Knie um dem Kind aufzuhelfen. Freundlich hielt er ihr die Hand hin, damit sie wieder aufstehen konnte.


    Die Cath'shyrr, die hinzugetreten war, hatte Brennan erst im letzten Moment wahr genommen. Die typischen Samtpfoten einer Cath.. fuhr es ihm durch den Kopf, als er zu ihr hinauf blickte.
    Schnell richtete er sich auf, mäßig bedacht, dass das Kind ebenfalls aufstand.
    "Um meine Hosen sorgt euch nicht. Ich habe eine vortreffliche Magd, die würde aus meinen Hosen die ganzen Nir'alenarer Abwässer gewaschen bekommen, wenn sie müsste. Die Handabdrücke eines Kindes sollten kein Problem für sie darstellen." Sprach Brennan mit einer Mischung aus Reserviertheit und Neugierde.
    Und tatsächlich zierte ein staubiger Abdruck Iolas Brenns Oberschenkel, den dieser jedoch gleich abklopfte.
    "Leider erledigt nunmehr auch diese Magd, meine Einkäufe, so dass ihr in mir kaum einen Kunden erwarten könnt. Es sei denn.." Ein jungenhaftes Lächeln nahm auf Brennans Lippen Platz. "..eure Auslagen könnten von besonderem Interesse für mich sein."

  • Iola ergriff die dargebotene Hand und ließ sich auf die Beine helfen. Kurz sah sie zu Maida hin, konnte sich ein unverschämtes Grinsen nicht verkneifen und ergriff - hastig eine kaum verständliche Entschuldigung murmelnd - schlichtweg die Flucht. Der schmächtige Körper des Mädchens verschwand zwischen den Gemüsesteigen im Dunkel der Vordertür.


    Mit einem Schmunzeln betrachtete Maida die Hosen und bei der Gelegenheit gleich die gesamte Statur des Fremden. Das Räderwerk hinter ihrer Stirn, das bei Zweibeinern Verstand genannt wurde, ratterte los. Der Bursche konnte sich eine Magd leisten. Also kein Hungerleider. Und er hatte Charme. Ein weiterer Pluspunkt. Zwar war sie nicht wie eine Bäuerin oder Gemüsefrau gekleidet, doch ihre schlichte Aufmachung ließ in keinster Weise darauf schließen, in welch elitären Kreisen sie sich in Ausübung ihres Berufes bewegte.


    Nun denn, Maida, setz deinen ganzen Charme ein und lass uns herausfinden, wie gut situiert er ist, beschloss sie das Spiel zu beginnen und setzte ein berückendes Lächeln auf, das bei seinen Worten in ein herzliches Lachen überging.


    "Meine Auslagen?"


    Wie zufällig fiel ihr Blick für einen kurzen Moment auf ihr Dekolleté, das viel versprach und doch sittsam genug war um nicht ordinär zu wirken. Wenn sie sich im Händlerviertel aufhielt, trug Maida keinen Schmuck, so dass ihr anmutig geschwungener Hals genügen musste. Verspielt stahlen sich einige Haarsträhnen unter dem Strohhut hervor und ringelten sich an der Halsbeuge auf nackter Haut. Ihr Zeigefinger strich in eleganter Linie über das Schlüsselbein, als suche er etwas.


    "Wenn Ihr Obst und Gemüse meint, die gehören mir nicht. Ich bin nur auf Sommerfrische hier. Hübsche Gegend, ohne großartigen Prunk und neugierigen Leuten", stellte sie schwärmerisch fest.


    Sie ließ offen, ob sie es sich leisten konnte und wollte, einmal das einfache Leben einer Händlerin zu erforschen, oder ob sie zu den gewöhnlichen Leuten eines anderes Viertels gehörte.


    "Wohnt Ihr hier in der Gegend, werter Herr... ?"


    Jetzt würde er hoffentlich seinen Namen nennen.

  • "Sommerfrische, soso!" Brennan lachte offen und frei.


    Interesse war in seinem Blick klar zu erkennen, als er das Spiel von Maidas Zeigefinger beobachtete.
    Eine waschechte Cath'shyrr auf Mäusefang. Kam es ihm in den Sinn und es hätte nur noch ein Schnurren ihrerseits gefehlt und den Vergleich vollends zu bestätigen. Eigentlich war ihm die Art der Cath'shyrr oft zu katzengleich und er ging ihnen unbewusst meistens aus dem Weg. Wer sein Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Singvögeln bestritt, hatte selten Katzen um sich.


    "Targo." Antwortete er knapp und fügte dann mit einem Lächeln hinzu: "hübsche Damen auf Sommerfrische dürfen mich aber auch gerne Brennan nennen." Er holte weiter aus und deutete in die Richtung, in der sein Haus lag.


    "Mein Geschäft befindet sich ebenfalls hier im Händlerviertel. Einige Straßen weiter aufwärts. Wo es etwas grüner ist als hier."
    Er grinste und strich sich unbewusst über den Nacken.
    "Wenn ihr zu Besuch in Nir'alenar seid, solltet ihr euch den Rest des Viertels durchaus mal ansehen. Selten mehr Prunk, trotzdem viele neugierige Leute, aber durchaus einen eigenen, erwähnenswerten Charme." Was Brennan sagte, meinte er auch so. Er liebte seine eigentliche Heimat, dennoch fand er Shay'vinayar manchmal zu "gesichtslos". In Nir'alenar hingegen befand sich hinter jeder Ecke Geschichte und ein jeder Bewohner im Kern für die Lehren seiner Göttin empfänglich.


    "Auch wenn der Handel nicht euer ist, sind die Äpfel gut? Ich könnte durchaus etwas knackiges und süßes gebrauchen."

  • Er schien anzubeißen.


    "Brrrennan", schnurrte sie und rollte das R seines Namens. "Welch entzückender Name. Er zergeht förmlich auf der Zunge. Brennan. Ich bin Maida."


    In einer geschmeidigen Bewegung reichte sie ihm die rechte Hand hin und ließ sie auf jene Art in der Luft hängen, die deutlich machte, dass sie es gewohnt war Handküsse zu empfangen, wie dies adelige Damen gegenüber einem schnöden Handschlag bevorzugten. Es war eine unbewusste, selbstverständliche Geste. Zu spät realisierte Maida, dass sie damit verraten hatte in welchen Kreisen sie sich bevorzugt bewegte. Dies war einer der Gründe, warum sie Bekanntschaften außerhalb des Adelsviertels normalerweise vermied.


    "Ein Geschäft? Oh, wie aufregend. Was verkauft Ihr?" Ihr verträumtes Lächeln lag auf Brennans Gesicht. Wunderbar, ein Unternehmer. Jetzt galt es nur noch herauszufinden, wie gut sich seine Ware verkaufte. "Es stimmt, allzu viel habe ich von diesem Viertel noch nicht gesehen. Ich bin gern bereit, mich Eurer kundigen Führung anzuvertrauen, sofern Ihr Zeit habt, natürlich, und Eure Geschäfte dies zulassen. Keinesfalls will ich Euch zur Last fallen, Verehrtester."


    Als er die Äpfel erwähnte, drehte sich Maida herum und klopfte nachdenklich mit den Zeigefinger gegen das Kinn.


    "Hm, nun, köstlich sind sie allesamt. Diese hier, die gelben mit den roten Backen, sind ein wenig mürbe, doch recht süß. Die grünen hingeben, fest und knackig, mit leicht säuerlichem Geschmack. Ausgezeichnet erfrischend, meine bevorzugte Sorte, vor allem, wenn man gute Laune braucht", schäkerte sie und schenkte Brennan ein herzliches Lachen. Durch seine offene, zugängliche Art verlor die Cath'shyrr ein wenig von ihrer inneren Distanziertheit. "Dann gibt es da noch die grün-roten, fest und süß zugleich. Wenn es das ist, was Ihr sucht, rate ich zu dieser Sorte. Doch dies ist natürlich nur mein persönlicher Geschmack."

  • "Maida." Wiederholte der Vogelhändler und ergriff galant die Hand der Cath, führte sie ein wenig nach oben und deutete entfernt einen Handkuss an. Brennan Targo war zu Genüge in Adelskreisen unterwegs. Er kannte sich gut mit den Gepflogenheiten aus, die in solchen Kreisen gepflegt wurden, denn sein Kundenstamm bewegte sich zu einem Großteil in diesem Familien.
    Sicherlich war der Unterschied zwischen einem bis in die Vollendung perfektionierten Handkuss eines Adelsmannes und der einfachen Geste eines gutsituierten Kaufmannes für den Kenner deutlich zu erkennen, dennoch Schlug sich Brennan in dieser Disziplin recht wacker.

    "Vögel." Antwortete er dann knapp und sah Maida in die Augen. Sollte sie sich tatsächlich vermehrt in Adelskreisen aufhalten, so könnte sich ihre Bekanntschaft in barem Geld bezahlbar machen. Brennan setzte sein charmantestes Verkäuferlächeln auf.
    "Ich verkaufe Vögel. Gut abgerichtete und ausgebildete Vögel." Fügte er hinzu. "Vielleicht habt ihr bereits von den Singvögeln aus Shay'vinayar gehört. Sie sind haben ein ausgezeichnete Singstimme und sind von außergewöhnlicher Schönheit."
    Wieder blickte der Dunkeläugige Maida tief in die Augen, als wolle er ihr damit zu Verstehen geben, dass dies nicht die einzigen Qualitäten seiner Vögel waren.

    Dann jedoch löste sich sein Blick, das jungenhafte Lächeln huschte wieder über da Gesicht und Brennan wandte sich zu dem Stand mit den Äpfeln um.
    "Hey, Mädchen, bring mir einen Korb voll mit Äpfeln. Von jedem ein paar." Rief er Iola zu, holte einige Münzen aus seiner Geldkatze und gab sie dem Mädchen. "Wie schafft ihr es, dass man dank eurer wenigen Worte gleich einen unsäglichen Appetit auf Äpfel spürt?" Fragte er dann an Maida gewannt und grinste bis über beide Ohren. "In euch scheint ein unglaubliches Verkaufstalent trotz Sommerfrische zu stecken."

  • Mit einem überraschten Zucken ihrer Augenbraue nahm Maida zur Kenntnis, dass Brennan Targo ihre zarte Hand nicht wie ein Bauer mit grober Pranke nach unten riss und wild schüttelte. Ein Mann von Welt, fürwahr. Sein Handkuss war nahezu vollendet. Das Funkeln in ihren ansonsten kühl berechnenden Augen erwärmte sich für ihn.


    "Verkaufstalent? Ich? Oh, nicht doch", winkte sie mit einer Geste der linken Hand ab und schmunzelte. "Nicht halb so gut wie Ihr."


    Mit dem Zeigefinger tupfte sie ihm spielerisch gegen die Brust. Der nachfolgende Augenaufschlag ließ Männer reihenweise zu ihren Füßen sinken. Ob er auch bei Brennan wirkte? Ein herrliches Spiel. Sie musste bloß aufpassen, dass sie nicht anfing den Vogelhändler zu mögen. Zuneigung brachte bloß Schmerz und Verlust.


    "Ihr habt mich mit noch viel weniger Worte neugierig auf etwas gemacht, auf das ich normalerweise keinen Appetit verspüre." Sie lachte. "Ihr also seid der gerühmte Vogelmann, dessen Schätzchen, wie heißt es... trällern wie der Götter Gesang und von größerer Farbenpracht als das leuchtendste Kleid der schönsten Frau. Und ich habe auch gehört..."


    Ihre sanfte dunkle Stimme senkte sich zu einem halblauten Tonfall. "...dass Liebende Eure Tierchen wegen ihrer Diskretion besonders schätzen."


    Womit sie das Überbringen geheimster Botschaften in unscheinbaren Papierröllchen meinte.

  • Brennan lachte. Die Cath wusste wirklich zu schmeicheln. Wieder drängte sich in Brennans Gedanken der Vergleich mit einer Katze auf, die einem selig um die Beine schnurrte.


    "Berühmt bin ich sicherlich nicht." Entgegnete der Mann aus Shay'vinayar. "Aber mein Handwerk verstehe ich."
    Er blickte kurz zur Seite um sehen ob das Mädchen mit dem Korb schon wieder kam. Sie war weit und breit noch nicht zu sehen. Brennan schritt einen Schritt auf Maida zu und sprach zu ihr nun ebenfalls im verschwörerischen Unterton.
    "Nicht nur Liebende schätzen diese Diskretion besonders.." Die dunklen Augen des Händlers musterten Maida. Wenn er sie tatsächlich neugierig gemacht hatte, so wollte die Chance genutzt werden. Vielleicht hatte die Hübsche vielseitigere Verwendungsmöglichkeiten für seine Vögel, als sie sich bisher vorstellen konnte. Denn irgendetwas in Brennan sagte ihm, dass hinter der hübschen Fassade der Cath'shyrr mehr steckte, als ein "gelangweiltes Mädchen auf Sommerfrische".


    "Die Vögel von Shay'vinayar haben so vielfältige Talente wie ihr Federnkleid Farben trägt. Ihr würdet euch wundern, zu was sie alles im Stande sind.." Die letzten Worte hauchte Brennan Maida fast nur noch entgegen.

  • Die unerwartete Nähe des hübschen Vogelhändlers jagte ihr ein vergnügliches Schauern über den Rücken. Die meisten Adeligen, denen sie zu schmeicheln hatte, waren alte Knacker oder frönten zu sehr dem guten Essen und dem Alkohol. Von Drogen ganz zu schweigen. Wie viele verlebte junge Männer hatte sie in diesen Kreisen schon getroffen. Von dem Herrn von Muesig einmal abgesehen. DER sah zum anbeißen gut aus. Stattdessen war er ein Kotzbrocken, zumindest anderen Personen gegenüber. Maida dachte an das traumhafte Medaillon, das ihr der Rothaarige geschenkt hatte und lächelte versonnen.


    "Hach, ja, die Liebe. Sie schmeichelt unserer Seele, und doch verleitet sie uns dazu Dinge zu tun, die wir..."


    Sie unterbrach sich und ließ den Satz in der Luft hängen, ehe sie hauchte: "Ich weiß, es gehört sich nicht für eine Dame, aber ist es nicht verständlich, wenn sie alles über den Liebsten zu wissen begehrt?"


    Poetischer hätte sie das Wort Bespitzelung nicht zu umschreiben vermocht. Ob so ein Vögelein in der Lage war, einer bestimmten Person zu folgen und seine Besitzerin später zu demselben Ort zu führen? Oder zu beobachten, wo bestimmte Dinge, Akten, Schmuck, Geld versteckt wurden und die Cath'shyrr dezent darauf hinzuweisen? Maida war keine schnöde Diebin, Maida verkaufte Informationen. Und eigener Person in den Adelshäusern zu schnüffeln war höchst riskant.


    "Was denkt Ihr, welch hübsches Federkleid würde, nun sagen wir einmal, zu einem gut aussehenden, rothaarigen Adelsmann passen? Es soll ein Geschenk sein, wenn Ihr versteht." Das dennoch in meinem Besitz bleibt, stand in ihren Augen geschrieben. Vögel entflogen ab und an schon mal.


    "Ein Geschenk? Für wen denn?", fragte Iola keck und schob den Korb mit den Äpfeln frech zwischen die beiden Erwachsenen. "Das, was so ein Vogel kann, kann ich schon lange. Soll ich Euch etwas vorsingen?"

  • Brennan nickte langsam und sah Maida tief in die Augen. Mittlerweile war ihm klar geworden, dass er hier nicht nur "irgendein Mädchen" vor sich hatte. Maida hatte es faustdick hinter den Ohren. Schon wie sie die Worte wählte - unverfänglich, in ihrer Weise aber doch unmissverständlich - zeigte auf, dass sie das Spiel der Manipulation mit Sicherheit beherrschte und einen seiner Vögel genau dafür haben wollte, wofür Brennan sie in erster Linie züchtete.
    Für das Besorgen von Informationen.


    Der Mann mit der Priesterweihe wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Iola mit den Äpfeln vorbei kam.
    Brennan nickte dem Mädchen zu, nahm in den Korb ab und griff sich einen Apfel.


    "Ich kann mir vorstellen, dass du eine wunderschöne Singstimme hast, mein Kind. Aber so ein Vogel kann weit mehr. Er fliegt hoch in die Luft und zeigt uns wie süß die Freiheit sein kann, kehr aber dennoch immer wieder zu seinem Herrn in die Gefangenschaft, in kalte Käfige zurück. Ich glaube nicht, dass du fliegen kannst und ich wünsche dir mein Kind, dass du immer deine Freiheit ehrst und behältst."
    Er gab den Apfel Iola, ging in die Knie und lächelte das Kind an.
    "Jetzt sei bitte so gut und lass mich mit.." Er sah die Cath einen Moment an, schien nach ihrem Namen zu suchen. "Maida einen Augenblick alleine. Wir müssen über Geschäfte reden, die weit mehr als ein Korb mit Äpfeln sind und nichts in Kinderohren zu suchen habe. Meine Göttin sei mit dir."
    Sprach er, nickt Iola zu und richtete sich wieder auf.


    Eindringlich sah er Maida an.
    "Habt ihr.. Lust auf einen kleinen Spaziergang? Ich habe gerade einen ganzen Korb Äpfel erstanden, den ich kaum alleine essen kann."


    Ohne ihre Antwort abzuwarten, ging Brennan los.

  • Iola nickte artig und nahm den Apfel entgegen. Ihr Blick wanderte zu Maida hin, als erwarte sie eine spezielle Aufforderung. Die Cath'shyrr lächelte, griff in die Seitentasche des pastellgelben Sommerkleids - das zwar schlicht, aber von perfekt sitzendem Schnitt war - und holte ein paar Münzen daraus hervor.


    "Hier, mein Kind." Die Münzen klimperten in Iolas ausgestreckte Hand. "Kauf dir etwas Hübsches auf dem Markt. Spielzeug oder Naschwerk, wonach es dir gelüstet. Aber sag deiner Großmutter nichts davon."


    Maida zwinkerte. Iola strahlte und hatte die Mitteilung verstanden. Geh auf den Markt und hör dich um. Was gibt es über Brennan Targo zu wissen? Iola war ein schlaues Mädchen mit äußerst spitzen Ohren. Meist verbarg sie sich unter den bodenlangen Leinentüchern, welche die hässlichen Holzstände verdeckten, und lauschte den Gesprächen der Kunden. Die Hausmädchen der Adeligen und Kaufleute waren das klatschsüchtigste Volk, das Maida kannte. Und Brennan hatte eine Magd erwähnt.


    Brennan war bereits losgegangen, doch er kam nicht weit. Schon nach wenigen Schritten hatte Maida ihn eingeholt und schob ihm keck eine Hand unter den Arm, um sich einzuhängen. Somit war es an ihr, das Tempo zu bestimmen, sofern der Vogelhändler genug Gentleman war die Dame an seiner Seite nicht grob neben sich her zu schleifen.


    "Ein Spaziergang? Liebend gern, werter Herr", schnurrte sie anzüglich. "Was gibt es in diesem Viertel zu sehen, das ich nach meiner Sommerfrische unbedingt meinen Freundinnen erzählen muss? Ihr erwähntet eine Göttin? Welche ist die Auserwählte? Seid Ihr sehr gläubig?"

  • Brennan spürte die Hand auf seinem Unterarm, ließ sich aber nichts anmerken. Mit gedrosseltem Tempo ging er weiter.


    "Oh ja, werte Maida, mein Glaube ist mir sehr wichtig. So wichtig, dass ich vor etwas über einem Jahr die Priesterweihe empfangen habe."
    Nicht immer rückte Brennan mit diesem Detail heraus. Nicht jeder konnte es verstehen, dass man sich derart an eine Gottheit binden konnte. Doch Brennan war schon so lange mit Shirashai verbunden, dass ihm damals dieser Schritt als der einzig richtige erschienen war.


    "Ich diene der Göttin der Schatten, Shirashai." Antwortete er weiter wahrheitsgemäß. Er schätzte Maida so ein, dass es ihr nichts ausmachte, welchem Glauben jemand angehörte. Die Cath'shyrr wirkte eher, als würde sie Wert auf andere Dinge legen. Andere Werte.


    "Aber wir wollten nicht über Shirashai oder mein Amt als Priester sprechen. Auch wenn ihr ihren Palast dort vorne schon erahnen könnt." Brennan zeigte in die Richtung. Sie waren tatsächlich unbewusst nach Norden unterwegs. Das Palastviertel war nicht mehr weit entfernt."
    Ich meine mich zu erinnern, dass wir über meinen eigentlichen Beruf reden wollten." Versuchte er wieder an das Gespräch anzuknüpfen. Schließlich wollte er in Maida in erster Linie eine neue Kundin finden.

  • Maida schob den Strohhut wieder tiefer ins Gesicht, denn die Helligkeit stach unangenehm in ihren Augen. Sie war ein Geschöpf der Dämmerung und der Nacht. Anderes hätte sie von Brennan Targo vermutet, deshalb schnaufte sie überrascht, als sie hörte welcher Göttin er diente. Dass der Vogelhändler einer Fremden gegenüber offen gestand, die Herrin der Lüge und Intrige anzubeten, erstaunte sie. Selten, dass ein Anhänger Shirashais dies offen zugab.


    Die Cath'shyrr folgte Brennans ausgestrecktem Zeigefinger mit den Augen. Rauchiger, dunkler Marmor schimmerte in der Ferne und hob sich deutlich von den anderen Gebäuden ab.


    "Ein Priester der Schatten also. Interessant." Ein amüsiertes Lächeln umspielte Maidas Lippen. "Eine Göttin, die mir wohl gefallen könnte. Immerhin sagt man, sie sei die Göttin der Verführung. Ich ahne bereits, wohin unsere heutige Begegnung führen wird. Aber nein, wir sprachen von einem Geschenk, nicht wahr?"

  • "Ihr macht mir nicht den Eindruck einer Frau, die sich bereits am ersten Tag verführen lässt, ohne dass sie nicht selbst dabei die Zügel in der Hand hält."
    Brennan lachte und besah sich die Cath'shyrr noch einmal genauer. Eine Göttin, die ihr gefallen könnte? Hatte er hier nicht nur eine Kundin vor sich, sondern vielleicht sogar jemand, der eines Tages seine Liebe zu Shirashai nachempfinden konnte?


    Das Herz des Dunkeläugigen schlug einige Schläge schneller, als sein Blick Maidas streifte, bevor er wieder zum Geschäft zurück kam.
    "Aber nun gut, das Geschenk, genau.." Versuchte er den roten Faden wieder zu finden.
    "Ihr spracht davon einen Adelsmann zu beschenken? Dann solltet ihr ein auffälliges Tier nehmen. Buntes Federkleid, klare Singstimme.. bei den unscheinbaren Geschenken werden gerade Besserbetuchte doch ein wenig misstrauisch." Brennan zog eine Augenbraue hoch.

  • Maida lachte hell auf. Der Vogelhändler gefiel ihr.


    "Schlagfertig seid Ihr, das muss ich Euch lassen, werter Brennan Targo. Nun, was das Vögelchen betrifft. Der Herr, den ich meine, hat möglicherweise selbst wenig für so ein Tier übrig... zu viele Geschäfte, Ihr versteht? Doch das macht nichts, das Dienstpersonal wird sich kümmern. Wichtig ist nur, dass es seine Äuglein offen hält. Bei meinen Besuchen wird es meine ungeteilte Aufmerksamkeit erhalten. Auffällig und unauffällig zugleich. Ja, das trifft es perfekt. Ich möchte auf gar keinen Fall Misstrauen erwecken. Ganz im Gegenteil. Seltsamerweise liebt der Herr die Farbe Flieder, zumindest an einer Frau..."


    Mit dem Zeigefinger der freien Hand tippte sich Maida nachdenklich gegen die Oberlippe. "...doch ich denke, ein kräftiges, sündhaftes Rot wird seinen Zweck viel besser erfüllen. Was habt Ihr in dieser Richtung anzubieten? Oder ist das zu ordinär, was denkt Ihr? Kann eigentlich jeder Eurer Singvögel erlernen, was ich mir wünsche? Oder hat jede Art seine speziellen Vorzüge?"

  • Mit gesenktem Kopf nachdenkend ging Brennan einige Schritte weiter. Für einige Sekunden war er vollkommen still. Er dachte an seinen Handlung, die große Voliere, die Tiere, die er besser kannte als seine direkten Nachbarn.


    "Nicht jeder Vogel hat die gleichen Talente. Sie unterscheiden sich da nicht sehr von uns. So gibt es Tiere, die treffen tatsächlich keinen Ton oder können mit Befehlen einfach nicht umgehen. Aber im Grunde kann man ihnen mit der richtigen Haltung und Handhabung sehr viel beibringen. Dem einen Tier mehr, dem anderen weniger."


    Der Dunkeläugige blieb stehen. Sie waren schon fast im Palastviertel und unter einem großen Kirschbaum stand hier eine Bank.
    "Lasst uns einen Augenblick lang setzen, dann kann ich euch mehr erzählen." Sprach er und führte die Cath'shyrr unter die Kirsche.


    "Ich habe tatsächlich bereits ein Tier für euch im Kopf. Ich habe sie erst vor kurzem aus Shay'vinayar mitgebracht und ihre Dressur ist noch nicht weit fortgeschritten.
    Sie hat ein wunderschönes Federkleid aus satten Rot- und Orangetönen - doch sind ihre Schwungfedern in unscheinbarem Braun gehalten. Putzt sie sich so versteckt sie einen Großteil des auffälligen Gefieders.."
    Mit der Hand fuhr sich der Händler wieder über den Nacken. Er kannte die kleine Vogeldame noch nicht gut, sie hatte nicht einmal einen Namen bekommen. So waren ihm ihre Talente noch recht verborgen und er konnte wenig weiteres berichten.

  • Bisher hatte sich die Cath'shyrr nie für Flugtiere interessiert. Brennans Erzählungen allerdings weckten die Neugier. Die Lebhaftigkeit seiner Worte ließen deutlich werden, wie sehr er diese Tiere mochte.


    "Tatsächlich? Vögel, die nicht singen können?", warf sie zwischendurch ein, um dann wieder andächtig zu lauschen.


    Nachdenklich ließ sie sich zu einer Bank führen und setzte sich. Die Kirschblüte war längst vorüber, doch der Schatten unter den ausladenden Ästen war höchst angenehm. Maida schob den Strohhut aus der Stirn und wandte sich zu Brennan hin, während er fortfuhr.


    "Rot-Orange, oh, das klingt herzallerliebst. Schwungfedern, hm, die Flügel meint Ihr, ist das richtig? Eine Dame mit Geheimnis, wenn ich Euch richtig verstehe. Sehr schön, das gefällt mir. Ihr macht mich richtig gespannt. Sagt, wenn Ihr so viel Zeit und Engagement in diese Tiere investiert, fällt es Euch dann nicht schwer Euch von Ihnen zu trennen? Und wie anhänglich sind solche Vögel? Würden sie jederzeit zu Euch zurückkehren? Ich meine, natürlich nur, wenn sie freigelassen werden."


    Ihr kam der Gedanke, dass es für Brennan über seine Vögel ein Leichtes wäre, Wertsachen seiner Kundschaft entwenden zu lassen. Ein Diamantring hier, ein paar Perlen dort. Aber vielleicht war sie einfach nur paranoid. Das sollte vorkommen, in ihrem Metier.

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