In die Zange genommen zwischen Pottler und seinem Assassinen hätte Ascan seinen vorteilhaften Posten räumen müssen, um keine ungeschützte Angriffsfläche zu bieten, doch die Cath'Shyrr bewies ein willkommenes Gespür für die neue Ausgangslage. Wie sie ihr Versteck verließ und geschickt neue Aufstellung bezog, ähnelte sie auf erstaunliche Weise selbst einer Attentäterin... oder jemandem, der vergiftete Dolche trug...
Für einen flüchtigen Moment verfing sich ein vertrauter Duft in seinen Überlegungen, überdeckte die stickige Luft der Halle. Der Eindruck verblasste so rasch wie er gekommen war und machte praktischen Gedanken Platz. Möglich, dass die Cath'Shyrr nicht nur mit Geheimnissen handelte, sondern selbst einige Zeugen verschwinden ließ, und ihre Unsicherheit nur vorgetäuscht hatte. Sicher war bloß, dass sie ihm nicht aus reiner Nächstenliebe half. Ihr restlicher Lohn wäre an Pottler verloren, sollte er durch die dunkle Trumpfkarte des Satyr sterben.
Kühl registrierte er ihr angedeutetes Kopfschütteln aus dem Augenwinkel. Noch keine unmittelbare Bedrohung. Gut. Nur ein warnendes Zucken der Katze und er würde sich mit einem Flügelschlag Luft nach hinten verschaffen. Schon so manchen Siegessicheren hatte die Wucht seiner Schwingen ein letztes Mal überrascht.
Der Satyr zwirbelte an seinem breiten Schnurrbart und stemmte anschließend die Hände in die Hüften. Argwöhnisch behielt er die Komplizin im Auge, die fast geräuschlos in die offene Halle getreten war.
Ascan hatte schon damit gerechnet, sich mit dem Satyr auf eine Diskussion einlassen zu müssen. Umso nervtötender war es, dass mit Mal auch dessen Meuchler den Mund aufmachte. Der Syreniae machte sich nicht die Mühe, sich umzudrehen. "War das lose Mundwerk in seinem Preis mit inbegriffen?" fragte er mit einer Stimme, die vor Hohn nur so troff. Das Lächeln wich von seinen Lippen als er seine Kapuze nach hinten schlug und Pottler nun offen fixierte. "Ich will meine Antwort. Jetzt."
"Nicht so hastig", hob Sprungbart die Hände und tatsächlich wanderten seine Augen kurz abwägend zu Daerid. "Mein Freund hat da keineswegs Unrecht. Du dringst hier ein, randalierst und verscheuchst meine Kunden als würde dir der ganze Laden gehören." Bitter grollend zog der Satyr die Augenbrauen zusammen. "Du weißt, was du meinem Ruf damit antust, Rabe. Respekt. Ehrfurcht. Damit hält man das Pack da draußen klein. Wenn ich dich hier ungeschoren heraus spazieren lasse, kann ich mich auch gleich im nächsten Kanal ersäufen."
Ascans Miene verriet gemeißelte Gleichgültigkeit. "Nicht mein Problem."
"Nicht dein Problem, Rabe?", wiederholte Pottler lautstark und schnappte nach Luft. "Sollte es aber sein!" So erbost mit der Hand wedelnd, als wollte er damit einen Steinhagel von der Decke beschwören, rang er sichtlich bemüht um seine nächsten Worte. "Ich bin nämlich der Einzige, der weiß, wo die graue Schlange zu finden ist! Sie ist nicht sehr zutraulich... wie du wohl weißt." Mit mürrischer Miene senkte Pottler seine Hand und stieß mit dem Huf ein besudeltes Kissen zur Seite, bevor er dem Syreniae wieder in die Augen sah. "Ich sage dir nur, was du wissen willst, wenn mein Respekt auf dem Nachtmarkt nach diesem desaströischen Vorfall so unbeschadet ist wie zuvor!"
Es war nicht nur erbärmlich, was Pottler für eine Figur machte, es brachte Ascan tatsächlich zum Lachen. Schwer und wohlklingend hing der Klang seiner schallenden Erheiterung in der Luft, bevor er seine verschränkten Arme löste und sich dem Satyr grinsend ein Stück entgegen neigte. "Und wie hat man sich das vorzustellen, Herr Satyr? Soll ich eine offizielle Entschuldigung unterzeichnen, die du dir an dein Brustfell kleben kannst?" Ernst werdend, richtete Ascan sich wieder auf. "Du bist geliefert, Sprungbart. Wie du selbst sagst. Der einzige Unterschied ist, ob du dich jetzt noch heimlich verdrücken kannst oder ich die Antwort gleich öffentlich aus dir heraus quetsche. Also spuck es schon aus!"
"Niemals!" reckte Sprungbart das Kinn in die Höhe. Plötzlich schimmerte echte Tollkühnheit in seinen Augen. "Ich bin ein Prophet für diese verirrten Seelen! Ein wohltätiger Heiliger, der Genuss sät zwischen den Armen und Lustlosen! Ich werde eher zum Märtyrer als meine Mission zu verraten!" Noch einmal holte der Satyr tief Luft und verkündete: "Ich bringe dich zur grauen Schlage, aber dafür musst du dich von mir gefesselt und geknebelt aus dieser Halle führen lassen!"
Ascan blinzelte. Hatte er sich da verhört?