Der Nachtmarkt (alt)

  • In die Zange genommen zwischen Pottler und seinem Assassinen hätte Ascan seinen vorteilhaften Posten räumen müssen, um keine ungeschützte Angriffsfläche zu bieten, doch die Cath'Shyrr bewies ein willkommenes Gespür für die neue Ausgangslage. Wie sie ihr Versteck verließ und geschickt neue Aufstellung bezog, ähnelte sie auf erstaunliche Weise selbst einer Attentäterin... oder jemandem, der vergiftete Dolche trug...
    Für einen flüchtigen Moment verfing sich ein vertrauter Duft in seinen Überlegungen, überdeckte die stickige Luft der Halle. Der Eindruck verblasste so rasch wie er gekommen war und machte praktischen Gedanken Platz. Möglich, dass die Cath'Shyrr nicht nur mit Geheimnissen handelte, sondern selbst einige Zeugen verschwinden ließ, und ihre Unsicherheit nur vorgetäuscht hatte. Sicher war bloß, dass sie ihm nicht aus reiner Nächstenliebe half. Ihr restlicher Lohn wäre an Pottler verloren, sollte er durch die dunkle Trumpfkarte des Satyr sterben.
    Kühl registrierte er ihr angedeutetes Kopfschütteln aus dem Augenwinkel. Noch keine unmittelbare Bedrohung. Gut. Nur ein warnendes Zucken der Katze und er würde sich mit einem Flügelschlag Luft nach hinten verschaffen. Schon so manchen Siegessicheren hatte die Wucht seiner Schwingen ein letztes Mal überrascht.


    Der Satyr zwirbelte an seinem breiten Schnurrbart und stemmte anschließend die Hände in die Hüften. Argwöhnisch behielt er die Komplizin im Auge, die fast geräuschlos in die offene Halle getreten war.


    Ascan hatte schon damit gerechnet, sich mit dem Satyr auf eine Diskussion einlassen zu müssen. Umso nervtötender war es, dass mit Mal auch dessen Meuchler den Mund aufmachte. Der Syreniae machte sich nicht die Mühe, sich umzudrehen. "War das lose Mundwerk in seinem Preis mit inbegriffen?" fragte er mit einer Stimme, die vor Hohn nur so troff. Das Lächeln wich von seinen Lippen als er seine Kapuze nach hinten schlug und Pottler nun offen fixierte. "Ich will meine Antwort. Jetzt."


    "Nicht so hastig", hob Sprungbart die Hände und tatsächlich wanderten seine Augen kurz abwägend zu Daerid. "Mein Freund hat da keineswegs Unrecht. Du dringst hier ein, randalierst und verscheuchst meine Kunden als würde dir der ganze Laden gehören." Bitter grollend zog der Satyr die Augenbrauen zusammen. "Du weißt, was du meinem Ruf damit antust, Rabe. Respekt. Ehrfurcht. Damit hält man das Pack da draußen klein. Wenn ich dich hier ungeschoren heraus spazieren lasse, kann ich mich auch gleich im nächsten Kanal ersäufen."
    Ascans Miene verriet gemeißelte Gleichgültigkeit. "Nicht mein Problem."


    "Nicht dein Problem, Rabe?", wiederholte Pottler lautstark und schnappte nach Luft. "Sollte es aber sein!" So erbost mit der Hand wedelnd, als wollte er damit einen Steinhagel von der Decke beschwören, rang er sichtlich bemüht um seine nächsten Worte. "Ich bin nämlich der Einzige, der weiß, wo die graue Schlange zu finden ist! Sie ist nicht sehr zutraulich... wie du wohl weißt." Mit mürrischer Miene senkte Pottler seine Hand und stieß mit dem Huf ein besudeltes Kissen zur Seite, bevor er dem Syreniae wieder in die Augen sah. "Ich sage dir nur, was du wissen willst, wenn mein Respekt auf dem Nachtmarkt nach diesem desaströischen Vorfall so unbeschadet ist wie zuvor!"


    Es war nicht nur erbärmlich, was Pottler für eine Figur machte, es brachte Ascan tatsächlich zum Lachen. Schwer und wohlklingend hing der Klang seiner schallenden Erheiterung in der Luft, bevor er seine verschränkten Arme löste und sich dem Satyr grinsend ein Stück entgegen neigte. "Und wie hat man sich das vorzustellen, Herr Satyr? Soll ich eine offizielle Entschuldigung unterzeichnen, die du dir an dein Brustfell kleben kannst?" Ernst werdend, richtete Ascan sich wieder auf. "Du bist geliefert, Sprungbart. Wie du selbst sagst. Der einzige Unterschied ist, ob du dich jetzt noch heimlich verdrücken kannst oder ich die Antwort gleich öffentlich aus dir heraus quetsche. Also spuck es schon aus!"


    "Niemals!" reckte Sprungbart das Kinn in die Höhe. Plötzlich schimmerte echte Tollkühnheit in seinen Augen. "Ich bin ein Prophet für diese verirrten Seelen! Ein wohltätiger Heiliger, der Genuss sät zwischen den Armen und Lustlosen! Ich werde eher zum Märtyrer als meine Mission zu verraten!" Noch einmal holte der Satyr tief Luft und verkündete: "Ich bringe dich zur grauen Schlage, aber dafür musst du dich von mir gefesselt und geknebelt aus dieser Halle führen lassen!"


    Ascan blinzelte. Hatte er sich da verhört?

  • Der Dunkle mischte sich ein. Seine ausdruckslose Stimme stand in krassem Gegensatz zu den aparten, fein geschnittenen Linien des Gesichts. Doch sie passte zu den kalten, mitleidlosen Augen. Nicht zu laut, nicht aufdringlich, beherrscht und doch schneidend, so dass man ihr einfach zuhören musste und instinktiv den Hals einzog, als könne allein der Ton die Kehle durchtrennen. Dort stand ein Mann, der kein Mitgefühl kannte. Oder er gab sich nur so. Wer wusste das so genau. Zumindest machte er keine Anstalten, dem Raben in den Rücken zu fallen.


    Das Gespräch verlief in eine Richtung, die nur zu einer Eskalation führen konnte. Maida versteifte sich. Allein das Lachen des Syreniae entlockte ihr ein Schmunzeln. Pottler spielte mit dem Teufel und wusste es nicht einmal. Er meinte tatsächlich, eine Wahl zu haben. Die Bedingungen stellen zu können. Welche ihr um ein Haar ein amüsiertes Prusten entlockt hätten.


    Kurz überschlug Maida ihre Möglichkeiten. Der Satyr war am Ende, und mit ihm ihre Quelle für magische Gifte. Dieses Etablissement war das Einzige seiner Art. Handelsübliche Gifte konnte sie auch selbst herstellen, aber nicht jene mit magischem Extra. Pottler würde nur im Geschäft bleiben, wenn der Rabe auf den Vorschlag einging. Was sie als höchst unwahrscheinlich einstufte. Dem Satyr war keine Wimpernlänge weit zu trauen. Ein gefesselter Rabe war ein toter Rabe.


    Sie konnte sich auf Pottlers Seite stellen und ihre Bezugsquelle retten. Doch der Satyr war ein geldgieriger, schmieriger, hinterhältiger Hurenbock, fein ausgedrückt. Bran Boréas aber hatte sich bisher als vertrauenswürdig erwiesen. Wenn sie aufs falsche Pferd setzte, konnte dies äußerst unangenehm enden.


    Wenn schon. Man lebte nur neun Mal.


    Mit einem amüsierten Grinsen auf den Lippen und in ihrer Stimme - die Vorstellung, der Rabe würde sich freiwillig fesseln und knebeln lassen, war absurd und zu köstlich - schob sich die Cath'shyrr so weit von dem dunklen Leibwächter rückwärts, dass Pottler sie gut sehen konnte. Ihre Finger spielten lässig mit dem Dolch in ihrer Hand, drehten und kippten ihn, so dass ein feines Glänzen auf der Klinge zu erkennen war, als ob eine dünne Schicht darauf aufgetragen war. Den Kopf hielt sie gesenkt, so dass der Satyrn ihr Gesicht unter der Kapuze nur erahnen konnte.


    "Willian Sprungbart Pottler. Es freut mich sehr, Euch persönlich für Eure ausgezeichnete Auswahl an Giften danken zu können. Ich war stets von Eurer Ware überzeugt. Auch von dieser hier... wie war doch gleich sein Name? Muskeltorpor nanntet Ihr es."


    Sie ließ die Bezeichnung kurz im Raum hängen und meinte Betroffenheit in den Zügen des Satyr zu erkennen. Stank er noch mehr nach Angst als zuvor?


    "Ihr kennt es bestimmt. Erzählt man sich doch..." Sie tat einen theatralisch bedrohlichen Schritt in Pottlers Richtung, blieb jedoch sofort wieder stehen, ehe der Dunkle sich aufgefordert fühlte einzugreifen. Noch war es das Spiel des Raben.


    "...so mancher Eurer Gegenspieler hätte damit Bekanntschaft gemacht. Es lähmt die Gliedmaßen, doch nicht den Schmerz. Und auch nicht die Zunge. Unserem geflügelten Freund hier..."


    Sie sah zu Bran Boréas hoch. "...wäre bestimmt daran gelegen, die Wirkung an jemandem in diesem Raum auszuprobieren. Was meint Ihr, Willian Sprungbart Pottler?"


    Zwar war ihr Dolch mit einem Gift präpariert, doch nicht mit diesem. Zum Glück wusste das keiner.


    "Also gebt Euch mit einer Rabenfeder, ein bisschen roter Farbe auf dem Fußboden und einem verschwundenen Syreniae zufrieden und sagt ihm, was er wissen will."

  • Da standen sie, die beiden, fast auf gleicher Höhe vor ihm.
    Er beinahe das Ebenbild einer der kunstvollen Statuen überirdischer Männlichkeit, wie sie so manchen Tempel in Nir'alenar zierten. Und sie so geschmeidig und ansehlich wie es die Damen sein mussten, die mit wehmütigen klangvollen Stimmen auf den Bühnen dieser Stadt besungen wurden, in denen ihnen die Herzen zu Füßen gelegt wurden.
    Völlig freies Trefferfeld auf beide.
    Daerid hatte keinerlei Idee, was die Frau dazu bewogen haben mochte, den Platz hinter Pottler frei zu geben und sich zu dem Syreniae in die Zange zwischen Sprungbart und sich selbst zu begeben. Ein schwerer taktischer Fehler seiner Meinung nach - denn einer der beiden würde nun immer sterben, wenn diese Situation hier eskalierte.


    Sinnlos, es ergründen zu wollen und so lauschte Daerid dem Wortwechsel der beiden Kontrahenten. Willian hatte offenbar begriffen, dass er im Augenblick so oder so der Gelackmeierte war. Die graue Schlange würde von dieser Sache hier erfahren - Zeugen gab es zuhauf - es spielte gar keine Rolle mehr, ob Sprungbart etwas verriet oder nicht.
    Wenn der Geflügelte die Halle aufrecht verließ - war Willian so gut wie tot.
    Dann konnte er sich jeden sonstigen Respekt des Haufens dort draußen sonst wo hinschmieren, mit seiner Büste zerhacken und mitsamt seiner roten Pampe konsumieren.
    Als Henkersrausch, sozusagen.


    Das laute melodische Lachen des Geflügelten durchdrang die fast leere Halle bis in ihren letzten schmutzigen Winkel hinein und schien sie für einen winzigen Augenblick von ihrer Besudeltheit zu erlösen. Für den Sekundenbruchteil konnte Daerid sich den Mann selbst auf einer Bühne stehend vorstellen und mit glockenklarer Stimme die Frau an seiner Seite umschmeicheln sehen.
    Der Gedanke blieb - den Worten des Satyr geschuldet, der dem Syreniae einen Vorschlag an den Kopf donnerte, der ebenso aberwitzig wie tollkühn war.
    Ein Bühnenstück für die graue Schlange......
    Vielleicht steckte in Sprungbart doch etwas mehr von dem kühl kalkulierenden Auftraggeber als den Daerid ihn kennen gelernt hatte.
    Und nicht ganz so viel ............ Der Valisar verzog leicht das Gesicht.


    Und der Syreniae ? Daerid fragte sich, ob er selbst dem Satyr trauen würde - und Antwort war einfach: Um's Verrecken nicht. Aber was mochte in Sprungbart überwiegen ? Würde er den Geflügelten hintergehen, um weiterhin vor der grauen Schlange zu buckeln ? Oder würde er es als den heiligen Aufgang allen Glanzes ansehen, wenn er selbst an der Spitze stehen konnte ?
    Der Sturz der grauen Schlange würde den Nachtmarkt in seinen Grundfesten erschüttern - so viel war sicher.
    Und Pottler ? Würde Aufträge über Aufträge haben......


    Die schlanke Frau orientierte sich etwas nach hinten und Daerid schenkte ihr sofort mehr Aufmerksamkeit. Sie spielte mit einem Dolch herum. Konkurrenz für ihn selbst war sie jedenfalls nicht - aber vielleicht würde auch sie von einer solchen Bodenwelle im Gefüge des Nachtmarkts profitieren können.... was auch immer sie war.
    Die Hand des Valisar verharrte im allerletzten Moment vor der Seite seiner Kapuze als er erkannte, dass die Frau sich nicht wirklich auf Willian zubewegte sondern ihr Schritt in dessen Richtung nur ihren Worten mehr Gewicht verleihen sollte.


    "Er meint, dass ein Dolch im Nacken jedes Gift vollkommen überflüssig macht, Weib.", sirrte die Stimme des Assassinen pfeilgleich als Antwort wie Warnung auf ihre spöttische Frage an den Satyr durch die Halle, als die Frau ihre Worte kurz unterbrach, um einen Blick mit dem Syreniae zu wechseln.
    Dennoch fuhr die Schönheit in ihrer Rede fort und Daerid fragte sich abermals unwillkürlich, welcher Profession sie wohl angehören mochte und was sie hier tat. Wollte sie Pottler für dumm verkaufen ? Oder glaubte sie selber ernsthaft daran, die graue Schlange würde sich mit den Tatortrequisiten eines Kindergeburtstags als Beweis für das Ableben des Syreniae zufrieden geben ?


    Daerid's Gedanken kehrten zurück zu dem Bühnenstück - die drei Darsteller vor Augen, den edlen Syreniae, die atemberaubende Schöne und den häßlichen überzeichneten Satyr - in jeder Hinsicht so viel passender als jeder Dramatiker in der alten Oper es hätte ersinnen können.
    "Was sagst Du zu Willian's Vorschlag, Syreniae ? Ist der Mut groß genug, um aus der Konfrontation eine Zweckgemeinschaft zu bilden ? Alle könnten profitieren - und niemand müsste tatsächlich hier liegen bleiben.", warf der Valisar reichlich nüchtern und undramatisch seine Überlegungen zum Auftakt des Schauspiels in die Halle hinein.

    Man beherrscht die Leute mit dem Kopf - mit einem guten Herzen spielt man nicht Schach.


    Nicolas Chamfort

  • Die nicht minder verspielte wie bedrohliche Weise mit der die Cath'Shyrr sich in die Diskussion einbrachte, zeichnete ein schmales Lächeln auf die Lippen des Raben. Wieso hatte er früher keine Geschäfte mit ihr gemacht?
    Auch Sprungbart kam nicht umhin, sie zu beachten, kaum dass sie zu sprechen begann. In der Atempause, sie sie ihm verschaffte, fasste Ascan nüchtern kalkulierend die gesammelten Eindrücke zusammen. Es stand außer Frage, dass Pottler das Geschäft mit Blutasche zu größerer Blüte geführt hatte, doch es wurde mit jeder Sekunde deutlicher, dass er nur ein Händler war. Ein geschickter Seelenverkäufer, wenn man so großzügig sein wollte. Als solcher konnte man sich auf dem Nachtmarkt einen Namen machen, doch Verkaufsgeschick und Skrupellosigkeit allein erschufen noch keine kaltblütige Legende, die man hier sein musste, um sowohl Freund als auch Feind berechenbar zu machen. Einfluss gewann man durch Furcht. Etwas, das ihm selbst nie schwer gefallen war. Wie leicht es erschien, nur die Stimme erheben zu müssen und alles zurück zu erlangen, was ihm immer gehört hatte.
    Eine kluge Spionin, ein berüchtigter Assassine, ein bekannter Händler... bei Askalar, kein schlechter Neuanfang.


    Mit undeutbarer Miene registrierte er, dass die Katze zu ihm aufblickte. Muskeltorpor. Er kannte dieses Gift. Mehr als einmal hatte er es selbst verwendet. Früher...
    Ein beklemmendes Gefühl schlich in seine Brust, seinen Kopf. Es war alles wie früher...
    Die eisige Stimme des Assassinen zerschnitt diesen Gedanken und machte deutlich, dass sie einem Kampf ins Auge blickten. Hatte sich die Cath'Shyrr anfangs zurückgehalten, würde ihr nach dieser Einmischung keine Wahl mehr bleiben. Sie hatte sich auf seine Seite geschlagen - mit allen Konsequenzen. Sein Blick, mit dem er sie bei ihrem letzten Satz betrachtete, wurde bitter. Hier ging es nicht länger um 30 Dukaten. Er hatte sie in seinen Krieg verwickelt.
    So einfach ihr Vorschlag klang, so unausgereift war er zugleich. Ein Phänomen des Nachtmarkts war, dass derlei Vertuschungen nur nach außen hin funktionierten, niemals innerhalb seiner eigenen Strukturen. Und schon gar nicht mit einer losen Feder und Farbe.


    Pottlers Augen hingen dennoch nicht unbekümmert an ihrer glänzenden Waffe. Hinter seiner Stirn schien es fieberhaft zu arbeiten, sodass sein hilfesuchender Blick zu dem Assassinen kaum verwunderte. Zuverlässig erklang dessen frostige Stimme erneut und traf unvermittelt einen kritischen Punkt bei Ascan. Wie von einer eisigen Lawine begraben, erstickte die aufkeimende Besinnung des Syreniae unter dessen zielsicheren Fragen.
    Womöglich verhandelte er hier mit dem Falschen.


    Seine Flügel anziehend, drehte er sich zu dem Assassinen um. Sein Blick bohrte sich in den des dreisten Sprechers, spiegelte sich. Er brauchte keine Zweckgemeinschaft, keine Verbündeten oder Partner. Wenn er wollte, hätte er längst jeden in dieser Halle von seinem Anrecht auf Pottlers Handel überzeugt. Er wollte es nicht. Nicht mehr. Sollte Pottler sich mit seinen heißgeliebten Suchtopfern herumplagen.


    Aber was - das war die eigentliche Frage - war gegen eine geschenkte Goldgrube einzuwenden?


    Nach diesem Vorfall musste selbst Pottler klar sein, dass seine Ware und seine Verbindung zur grauen Schlange nicht ausreichen würde, um ihm langfristig seinen bunten Sessel zu sichern. Er brauchte eine machtvollere Absicherung als zugedröhnte Wachen und wortgewandte Freunde. Er brauchte wahre Größe, die er selbst nicht besaß. Er brauchte ihn.
    "Du hast dir da einen scharfsinnigen Freund ausgesucht, Pottler", stellte Ascan fest ohne seine Haltung zu verändern.


    Sprungbart wirkte irritiert, dass er plötzlich nur noch den Rücken des Geflügelten zu sehen bekam. "Also... stimmst du meinen Bedingungen zu?" Die Frage kam zu stockend, so als glaubte der Satyr es selbst nicht recht.


    "Natürlich nicht!" knurrte Ascan. "Nicht mal, wenn es nur zur Schau wäre!" Viel zu deutlich spürte der Syreniae die schlanke Kette an seinem Hals, an der zentnerschwer das Amulett Emulars hing. Es war nicht wie früher, gelobte er seinem Gott in Gedanken. Er würde nur ein ehrliches Geschäft machen... mit etwas ungewöhnlichen Mitteln. Dafür bliebe im Gegenzug sogar das Leben der Cath'Shyrr verschont.


    "Wir bilden diese Zweckgemeinschaft von der dein Assassine spricht...", begann er mit seiner Erklärung und widmete diesem ein angedeutetes Nicken, bevor er sich wieder Pottler zuwandte. "Wir verlassen diese Halle zusammen und der Nachtmarkt wird keine Feinde sehen, sondern Partner. Du wirst deinem Ruf nicht gerecht, Sprungbart, und ich werde nicht der Letzte sein, der das erkennt. Das kann Morgen passieren oder in einem Jahr, aber es wird passieren." Er gab seinen Worten einen Moment, um ganz bei dem Händler anzukommen. "Ich biete dir meinen Namen, meinen Ruf. Dass der noch immer die Gemüter erhitzt, muss ich dir wohl kaum erzählen." Ascan zuckte mit den Schultern und sah selbstsicher drein. "Du brauchst mich, Pottler. Beteilige mich an deinem Handel, genieße die Vorteile echten Respekts... oder schieß alles in den Wind. Ich kann damit leben, die graue Schlange auf andere Weise zu finden... du kannst es nicht."


    Ein Teil von ihm verfolgte die Wendung der Ereignisse fassungslos. Beteiligung an diesem widerwärtigen Nest? War er von allen guten Geistern verlassen? Was er brauchte, war eine Antwort, nichts weiter... auf was ließ er sich hier ein?
    Sollte Pottler doch seinen Spaß haben und ihn abführen, wenn er nur erfuhr, wo sich Selcaria versteckte. In wenigen Tagen würde er nie wieder einen Fuß auf diese Insel setzen, was störte es ihn da, was aus seinem Ruf auf dem Nachtmarkt wurde?


    Doch so sehr er den Gedanken wälzte und sich selbst verfluchte, die Antwort war unabänderlich: Er würde es niemals mit sich machen lassen.

  • Es klappte. Pottler war irritiert. Natürlich war ihr dilettantischer Vorschlag keine brauchbare Option, aber es half dem Raben sich zu fangen und seinerseits eine Entscheidung zu treffen. Sie hatte ihn richtig eingeschätzt. Niemand wie er wäre so töricht sich auf eine Fesselung einzulassen. Maida wäre nur allzu enttäuscht gewesen, hätte sich dieser stattliche Bran Boréas so billig verkauft.


    Der Dunkle mischte sich wieder ein und drohte ihr.


    "Versucht es", zischte sie verärgert, doch der Leibwächter wandte sich bereits dem Geflügelten zu. Was war das für ein Kerl? Er benutzte Dolche. Ein Assassine? Maida spannte sich und ließ den Mann nicht mehr aus den Augen.


    Die Verhandlungen setzten sich fort. Eine Zweckgemeinschaft also. Von Partnerschaft wurde gesprochen. Maida runzelte die Stirn. Was ging hier vor? Hatte der Syreniae nicht behauptet, er suche bloß die graue Schlange? War er wieder im Geschäft? Es wurde Zeit, dass sie sich auf ihren Abgang vorbereitete. Sie hatte nicht vor, die drei zu begleiten. Schon gar nicht wollte sie in die Nähe des Assassinen geraten. Und Pottler brauchte auch nicht zu wissen, wer sie war. Schließlich wollte sie weiterhin Geschäfte mit ihm machen. Oder mit dem Raben. Was womöglich die bessere Option war.


    So hielt sie weiterhin den Kopf gesenkt und spielte mit dem Dolch. Sie würde den dreien den Vortritt lassen und dann lautlos verschwinden. Den Syreniae würde sie schon wiederfinden um ihr Geld einzutreiben.

  • Daerid registrierte die gezischte Antwort der geschmeidigen Komplizin sehr wohl. Nicht nur bildschön - um das fest zu stellen hatte dem Valisar der kurze Augenblick genügt als sich seine Augen mit den ihren getroffen und ihm einen flüchtigen Blick auf das Gesicht unter der Kapuze gewährt hatten - sondern auch noch mutig. Pottler tat gut daran, sich vor ihr in Acht zu nehmen. Welch Verschwendung, wenn sie diesem Ereignis hier zum Opfer fallen würde. Und Daerid war ein entschiedener Gegner jeder Art von Verschwendung. Er ließ seine Hand wieder sinken, langsam und bedächtig - bevor er erneut seine Stimme erhob.


    Einen Moment lang rührte der Syreniae sich nicht. Dann erst drehte er sich langsam zu Daerid herum und fixierte ihn Auge in Auge. Stumm frassen ihre Blicke sich ineinander und der Assassine registrierte die immense Kraft, die durch diese Augen hindurch schimmerte. Aber auch einen hellen, wachen Geist glaubte er zu sehen. Ein höchst ungewöhnlicher Mann, befand der Assassine für sich. Und ein über alle Massen würdiger Gegenspieler - wenn es denn soweit würde kommen müssen. Er ersparte sich den ernüchternden Blick zu Pottler.
    Zumindest schien der Geflügelte dem von Willian geäußerten Gedanken nicht völlig ablehnend gegenüber zu stehen, wie der folgende Wortwechsel zwischen ihm und Pottler zeigte.


    Daerid hob für die elegante Begleitung des Syreniae die Hände und glitt etwas nach rechts zu einem vereinsamten Tisch hinüber, um sich lässig dagegen zu lehnen. Erfahrungsgemäß wirkte es etwas entspannend, wenn man sich selbst in eine vorgeblich entspannte Haltung begab - auch wenn dem geübten Beobachter nicht entgangen wäre, dass der Assassine nach wie vor bis in die letzte Faser seines Körpers angespannt war. Nachdenklich hörte er die Worte - und schüttelte unmerklich den Kopf. Er verstand den Gefügelten. Oder glaubte es zumindest. Es musste gerade zu eine Vergewaltigung seines Stolzes darstellen, sich von dieser Karrikatur eines Satyrs in Fesseln abschleppen zu lassen. Abschätzend betrachtete der Valisar den Syreniae. Auch seine größte Schwäche waren Gefühle ........ aber vielleicht war sein Verstand ja größer als sein Stolz.


    "Geflügelter" sprach er ruhig, nachdem der Syreniae geendet hatte. "Die graue Schlange hat Pottler bereits vor Dir gewarnt. Sie hat damit gerechnet, dass Du ihn aufsuchen würdest. Glaubst Du nicht, dass dort draussen ..." Daerid deutete mit dem Kopf in die Richtung des Eingangs hinüber "... schon längst ihre Spione darauf warten, wer hier in welchem Zustand diese Halle verlässt ? Meine würden es. Ihr müsst sie täuschen, wenn Ihr beide Eure Ziele erreichen wollt. Wenn sie Euch einträchtig nebeneinander sieht, werden weder Du noch der Satyr etwas von Eurer Zweckgemeinschaft haben. Ich weiß nicht, wie Eure reizende Begleitung zu den Dingen steht - aber ich für meinen Teil werde mich nur dann sichtbar gegen die Graue Schlange stellen, wenn sicher gestellt ist, dass sie das nicht überleben wird."


    Der Blick des Valisar glitt zurück zu der schönen Unbekannten mit dem Dolch. Ihm war immer noch nicht so recht klar, was sie eigentlich war - aber wenn sie öfters hier auf dem Nachtmarkt verkehrte, konnte es auch nicht in ihrem Interesse liegen, die Feindschaft und Rachsucht der Grauen Schlange auf sich zu ziehen, in dem sie in Begleitung des von der Grauen Schlange eliminierten Vertrauten und des aktuellen Vertrauen gesehen wurde. Vielleicht war diese Frau nicht nur schön und mutig sondern auch noch klug und begriff, dass er gerade auch in ihrem Interesse sprach. "Wenn Du Dich an der Grauen Schlange rächen willst, Geflügelter, und Pottler Dich zu ihr bringen soll ohne vorher selbst über die Klinge zu springen - dann darfst Du diese Halle nicht aufrecht verlassen."

    Man beherrscht die Leute mit dem Kopf - mit einem guten Herzen spielt man nicht Schach.


    Nicolas Chamfort

    2 Mal editiert, zuletzt von Daerid Canvele ()

  • Zuerst hatte Pottler gewirkt als würde er augenblicklich an die Decke gehen, ehe sein Gesicht unversehens entspannter geworden war. Noch bevor er jedoch einen Ton herausbringen konnte, begann der Assassine erneut zu sprechen.
    Was er leichtfertig ausplauderte, bestätigte Ascans dunkelste Vermutungen und grub eine steile Furche zwischen seine Augenbrauen. Sel wusste Bescheid. All die Vorsicht... umsonst. Sie hatte damit begonnen, seine Schritte zu berechnen.
    Grimmig waren seine Augen auf Sprungbart gerichtet und blickten dennoch durch ihn hindurch.
    Sollte sie ruhig glauben, es hätte sich nichts geändert. Sollte sie ihn für berechenbar halten. Sein Entschluss stand fest.


    "Canvele, bei allen Göttern sei still!" entfuhr es da dem Satyr. Mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und blanker Wut funkelte Pottler seine tödliche Absicherung an. "Du quatscht da einen Mist, da kräuseln sich einem die Hufe! Die graue Schlange hintergehen oder beseitigen - bin ich denn wahnsinnig? Ohne sie keine Blutasche, keine magischen Gifte, kein Geschäft! Niemand rührt diese dreimal verfluchte Hexe an!" Abwägend musterte Pottler den Syreniae, dessen Angebot noch immer in der Luft hing, und grinste dann: "Und das Geschäft ist es doch, das dich interessiert, nicht wahr, Rabe? Warum in einen Handel ohne Zukunft einsteigen wollen?"


    Der Hinweis zu Selcaria war nützlich gewesen, doch die restlichen Sätze des Assassinen hatten Ascan die Augen verengen lassen. Munkelte man auf dem Nachtmarkt, die graue Schlange hätte etwas getan, das seine Rache verdiente? Glaubte man womöglich, sie habe ihn damals verschwinden lassen?


    "Es geht euch alle einen feuchten Dreck an, was ich mit der grauen Schlange zu schaffen habe!" grollte Ascan und seine Stimme füllte die Halle wie eine tief schwingende Saite. Das Ende seiner Geduld rückte gefährlich nahe. Pottlers altkluges Lächeln machte das nicht besser, auch wenn es ein gutes Zeichen war, dass der Satyr den Nutzen eines Bündnisses erfasst hatte.
    Mit einer großspurigen Handbewegung ließ der Satyr den Groll des Raben an sich abgleiten. "Um auf dieses Zweckbündnis zurückzukommen. Diese... Beteiligung. Wie sähe die aus?" Seine Finger rieben sehr bezeichnend aneinander. "Sprechen wir dabei von Moneten..." Seine Miene wurde etwas unwilliger. "... von einer Einmischung in meine Geschäftsführung..." Plötzlich blitzte es in den Augen des Satyr auf. "... oder von unbegrenztem, freien Zugriff auf meine Lagerbestände? Unmengen von Blutasche, wenn ich das mal so offen anmerken darf."
    Sprungbarts Blick heftete sich dabei an die Mimik des Rabens, als ginge es darum, nicht das leiseste Zucken zu übersehen.

  • Maida beobachtete den Assassinen eindringlich. Dieser drängte geradezu darauf, der Syreniae solle sich fesseln lassen. Schließlich fiel auch ihr Name. Ihr Interesse wäre es vielmehr gewesen, es sich nicht mit Pottler zu verscherzen. Und dann passierte es. Sprungbart brüllte den Namen des Assassinen hinaus. Maida grinste. Canvele also. Nun war sie die Einzige im Raum, welche die Namen aller Beteiligen kannte. Zumindest was den Assassinen betraf, würde sie sich gleich morgen bei einem ihrer Geschäftspartner um eine Lebensversicherung kümmern. Sicher ist sicher, hatte schon ihr Vater gesagt. Leider hatte er zuletzt seinen eigenen Wahlspruch missachtet.


    Das Gespräch wurde immer interessanter und sie bereute es nicht mehr, sich mit dem Raben eingelassen zu haben. Die magischen Gifte stammten also gar nicht von Pottler, sondern der Grauen Schlange!


    "Was seid Ihr doch für ein Heuchler, Willian Pottler." Die Cath'shyrr sprach leise, sodass man genau hinhören musste um sie zu verstehen. "Eurer Kundschaft gegenüber behauptet Ihr gern, dass bis auf die Blutasche alle Waren allein Eurem Labor entspringen. Mir scheint, Euch schwimmen die Felle davon. Am Nachtmarkt munkelt man, die graue Schlange mache es nicht mehr lange. Und siehe da, es stellt sich heraus, ohne sie seid Ihr ein Nichts. Was käme Euch da mehr gelegen als derjenige, der in die Geheimnisse der grauen Schlange eingeweiht ist. Im Grunde braucht Ihr nur das, was in seinem Kopf ist." Sie tipte sich gegen die Schläfe und fing an hin und her zu spazieren. "Besteht Euer dunkler Freund deshalb auf der Fesselung? Befragungen liegen ihm im Blut, hm?"


    Die Cath'shyrr grinste und kam so zu stehen, dass sich der Körper des Raben zwischen ihr und Canvele befand. So konnte sie der Assassine nicht plötzlich angreifen. Zudem stand sie nun näher bei Pottler. Auffordernd winkte sie mit dem Dolch. Ihre Augen blitzten.


    "Und jetzt hört auf zu quatschen, sondern nennt uns was der Geflügelte wissen will. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit", fauchte sie. Sie wollte endlich hier raus. Allmählich bekam sie Kopfschmerzen.

  • Daerid lächelte schmallippig zu Pottler's empörten Geschnaube und auch zu dessen Worten an den Syreniae, die mit einer Reihe von Fragen endeten. "Willian, ich fürchte, viel etwas anderes bleibt Dir nicht mehr. Die Graue Schlange wird wissen, dass er " der Kopf des Valisars zuckte Richtung des Syreniae "hier war. Und wenn er hinaus GEHT, bist Du ohnehin dran. Glaubst Du, die Graue Schlange lässt auch nur im Ansatz den Eindruck entstehen, sie liesse sich ungerächt von Dir verraten ? Du bist für sie austauschbar. Genau so austauschbar, wie es der Geflügelte hier war. Du wirst wohl darauf hoffen müssen, dass es in ihrem Versteck auch Aufzeichnungen über ihre Waren gibt und die Wege, die sie nehmen bevor sie bei ihr landen. Oder die Waren selbst - und findige Alchemisten und Magier, die sie entschlüsseln können. Oder traust Du Dir nicht zu, ihr Netzwerk zu übernehmen, Sprungbart ?" Es mutete grotesk an, die zynischen, provozierenden Worte von dieser tonlosen, unbeteiligten Stimme zu vernehmen.


    Die Komplizin ergriff erneut das Wort. Und Daerid's Lächeln wurde eine Spur breiter. Ihre Stimme klang haargenau so verächtlich, wie ihre Worte es waren. Er musste sich zwar etwas anstrengen, um die Worte verstehen zu können - aber es ging einigermassen, da es ansonsten totenstill in der Halle war. Fehlte nur noch die Beleuchtung eines Schauspielhauses, um den jeweiligen Sprecher durch Licht jeweils zum Zentrum der Szene zu machen, ging es dem Valiar kurz durch den Kopf. Ihre Worte über die Graue Schlange waren nach seinem Dafürhalten allerdings glatt gelogen. Die Graue Schlange war ein Machtfaktor auf dem Nachtmarkt - ein Schwächeln hätte längst die vorhandenen Hyänen und Aasgeier auf den Plan gerufen, von denen es hier mehr als genug gab. Immer zu auf der Lauer, selbst eine Stufe empor zu steigen. Und dafür musste man die nun einmal erst leerräumen. Abschätzend wanderte Daerid's Blick wieder zu dem beeindruckenden Mann auf Pottler's heiligem Thron hinüber. Er sollte die Geheimnisse der Grauen Schlange kennen ? Was wollte er dann hier ? Er hätte leicht selbst ein Refugium errichten können - er hatte die Ware, die Kenntnisse der Strukturen - nichts wäre leichter gewesen als das Geschäft der Schlange mit diesem Wissen zu sprengen. Wenn DAS sie nicht aus der Reserve gelockt hätte - was denn dann ?
    Wozu dann DIESER Auftritt hier ? Der die Graue Schlange nur noch mehr auf der Hut sein lassen würde. Der Assassine sortierte auch diese Behauptung der Dame unter Lügen ein - sagte jedoch nichts dazu. Wenn Pottler es selbst nicht besser wusste, sondern sich durch so etwas einschüchtern ließ, war ihm eh nicht zu helfen. Dann überlebte er vielleicht diese Nacht. Ob er auch die folgende überleben würde oder seine Hochheilige ihm die Kehle durchschneiden ließ, war dann schon erheblich ungewisser. Aber das war dann nicht mehr Daerid's Angelegenheit. Wenn die beiden dort dieses Bündnis eingehen wollten, würde er sich aus dieser Sache augenblicklich zurückziehen. Pottler mochte seinen eigenen Mord besiegeln, aber dabei würde Daerid ihm ganz bestimmt nicht die Hand halten.


    Seine Augen folgtem wieder dem Weg der schlanken Frau mit dem Dolch, welcher den Syreniae zwischen Daerid und ihre eigene Person brachte, und Daerid presste die Lippen kurz zusammen.
    Abermals glitt sein Blick zu dem Geflügelten. War das wirklich sein Wille, dass diese Frau hier Tote provozierte, die es gar nicht geben musste ? War ER mit ihrem Gehabe einverstanden, welches seine eigenen Worte zu einem Bündnis gerade ins Lächerliche zogen ? Daerid's Interesse an seiner Person begann rapide zu schwinden. Vielleicht hatte die Ahnung auch einfach getäuscht, dass dieser weißhaarige Mann mit den tiefschwarzen Schwingen etwas Besonderes sein könnte unter dem feigen Dreck und dem verräterischen Abschaum, in dem man hier sonst zu waten pflegte. Hatte er es wirklich in Erwägung gezogen, ihn als ebenbürtig zu betrachten und ihm sein Wort zu geben, dass er sein Vertrauen nicht würde bereuen müssen, wenn er Gleiches auch in ihm hätte erkennen können und sich in Daerid's Hände begeben hätte ? Nüchtern zog der Valisar einen dicken Strich durch solcherlei Erwägungen. Es war dann eben an der Zeit, wieder seine eigenen Wege zu gehen. Mochten der Satyr und der Syreniae sich für die Graue Schlange offenkundig verbünden - diese Suppe würden sie ohne ihn auslöffeln.
    "Syreniae!", zischte Daerid's Stimme wie einer seiner Wurfsterne kalt und tödlich durch die Halle. "Wenn Du ihr nicht Einhalt gebietest und sie Pottler auch nur ein Haar krümmt bevor Du in Euer Bündnis eingewilligt hast, dann trägst Du sie nur noch tot hier heraus. Schließt Euer Bündnis - damit ist mein Aufenthalt hier beendet. Das versichere ich Dir."

    Man beherrscht die Leute mit dem Kopf - mit einem guten Herzen spielt man nicht Schach.


    Nicolas Chamfort

  • Flüchtiger als der Flügelschlag eines Spatzen flackerte Gier im Blick des Raben auf, um ebenso rasch wieder zu verschwinden und nur einen bitteren Zug um seinen Mund zurückzulassen. Eher wollte er sich mit verbundenen Flügeln vom nächsten Turm stürzen als dieses verteufelte Zeug noch einmal anzurühren!
    Was der Assassine dem Satyr erklärte, kam der Wahrheit näher als dieser ahnen mochte. Wenn Sel etwas hasste, war es Unzuverlässigkeit. Ihren Aufenthaltsort zu verraten - selbst ihm... oder gerade ihm - würde Pottler nicht gut bekommen. Sehr wahrscheinlich, dass Sel den Handel mit Pottler einstellen würde. Wenn er Glück hatte und sie milde gestimmt war. Andernfalls wäre das Leben des Satyr schneller verwirkt als er seinen Hintern wieder in seinen geschmacklosen Sessel pflanzen konnte. Ein kurzlebiges Bündnis somit, das wenig Gewinn versprach...
    Ascans stahlgraue Augen ruhten durchdringend auf Pottler ... bis auf das, was es hier und jetzt zu erfahren galt.


    Die weiteren Vermutungen von Canvele berührten Ascan nicht. Er wusste, dass Sel keine brauchbaren Güter bezog; bis auf mehr oder weniger legale Reagenzien. Sie war der Ursprung der begehrten Ware und daher unangreifbar für jeden, der mit eben jenen auf dem Nachtmarkt sein Geschäft machen wollte. Das Einzige, was ihr je Sorge bereitet hatte, war die mitunter tödliche Konkurrenz unter den Giftmischern gewesen. Nicht umsonst war es schier unmöglich, sie auf dem Nachtmarkt zu erwischen oder sonstwie ausfindig zu machen. Doch selbst, wenn es jemandem gelang... blieb sie noch immer eine brandgefährliche wahre Magierin, die sich ihrer Haut zu erwehren wusste.
    Ein schmales Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Vielleicht hatte Damiel Recht und es würde ihn umbringen, sie wiedersehen zu wollen.


    Die Katze schien etwas erfahren zu haben, das sie überraschte. Ascan musterte sie. Es war ihm einerlei, ob Pottler die magischen Gifte unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verkaufte und genauso dürfte es Sel dabei gehen. Er würde sogar soweit gehen, ihr zu unterstellen, dass sie es dem Händler bewusst aufgetragen hatte. Was die Cath'Shyrr daraufhin verriet, überrumpelte ihn dann doch. Hatte Sel sich eine Schwäche erlaubt? War sie wirklich angeschlagen? Ascans Blick verfinsterte sich. Er konnte es sich nicht vorstellen. Ein Gerücht, nichts weiter. Trotzdem blieb es hartnäckig in seinem Hinterkopf kleben, sodass der Drang, weiter daran zu kratzen, fast unwiderstehlich war.
    Ihre Gesten im Auge behaltend, zog ihr Verdacht, man könnte versuchen, ihm sein Wissen über die graue Schlange abzuringen, wie eine dunkle Wolke über alle Beteiligten hinweg. Er erwog noch die Konsequenzen dieser Möglichkeit, da drohte sie Pottler abermals mit dem vergifteten Dolch.


    Mit einem beruhigenden Lächeln hob der Satyr daraufhin die offenen Handflächen vor seine haarige Brust und wich etwas vor der Komplizin des Raben zurück. Sie war nun weit genug ins Licht getreten; zu weit, um noch ausreichend durch die Schatten geschützt zu sein. Wie zufällig neigte er sich beim Rückwärtsschritt etwas und erhaschte dadurch einen sehr aufschlussreichen Blick unter ihre Kapuze. Er hatte dieses Gesicht schon einmal gesehen und ihr offenkundiges Wissen über seine magischen Gifte ließ rasch die passende Verknüpfung hinter seiner Stirn aufleuchten. Das Frettchen. Ein nervöses Zucken machte sich bei dieser Erkenntnis in seinem Augenwinkel breit. Ihre Anwesenheit hier bedeutete nichts Geringeres, als dass sich der gesamte Nachtmarkt über jedes Detail dieses unrühmlichen Gesprächs schlau kaufen konnte.


    Kaum bemerkte Ascan, dass die Cath'Shyrr vor ihn trat und damit seinen Rücken schutzlos dem Assassinen preisgab, fuhr er so jäh zu diesem herum, dass seine Schwingen einmal kraftvoll schlugen, um sein Gleichgewicht zu bewahren. Seine Hand glitt dabei hinab, berührte den goldenen Revolver ansatzweise und verharrte dort. Schon im selben Moment hatte Canvele seine Warnung formuliert. Dass der schneidende Klang zu dessen Stimme gehörte und kein heran fliegender Dolch war, lockerte die angespannten Muskeln des Syrenias nur geringfügig. "Ruhig Blut", sprach er mit dunkler Ruhe, sodass es für jeden im Raum gelten mochte. Er plante nicht, seine frisch gewonnene Spionin aus blanker Ungeduld zu opfern.
    "Das Bündnis ist besiegelt... wenn ich die Hälfte der Einnahmen erhalte."


    "Die HÄLFTE?" platzte es lautstark aus Sprungbart heraus. Er konnte gar nicht so inbrünstig seine Hände schwenken, um sein Kopfschütteln zu unterstreichen. Sein langer Schnurrbart flog ihm nur so um die Backen. "Ein Drittel wäre schon zu viel, aber gerade noch verhandelbar! Ich habe Ausgaben! Horrende Summen! Das hier..." wies er umfassend durch die große Halle und konnte kaum entrüsteter gucken. "... unterhält sich nicht von selbst! Das wäre mein Ruin! Ein Fiasko! Das Ende einer Odea bevor sie begann! Ich bin doch auch nur ein..." Flüchtig huschte Pottlers Blick zu Maida, worafuhin er sich merklich zusammenriss. Die Schultern streckend und den Bauch einziehend, stemmte er die Fäuste in seine Seiten und klang mit einem Mal wie ein würdevoller General. "Ein Viertel und das ist mein letztes Wort, Rabe!"


    Der Syreniae drehte sich nicht einmal um. "Ein Drittel und das Versteck der grauen Schlange." Er behielt Canvele im Auge, den Einzigen in dieser Halle, der jetzt noch eine Gefahr darstellen konnte.


    Pottler presste seine Lippen fest aufeinander und sein dunkler Blick verriet seinen ungehemmten Hass auf den Geflügelten, nun da dieser ihm den Rücken zuwandte. "Einverstanden. Ein Drittel und das andere", knirschte er mit den Zähnen und ballte die Fäuste. Heute würde er wohl oder übel mitspielen, der grauen Schlange ihre gefiederte Lieferung schicken, aber dieses unselige Bündnis... Pottler verengte seine Augen zu gefährlichen Schlitzen. Nun... es würde sich nur allzu schnell wieder in Schall und Rauch auflösen, sobald der Nachtmarkt ihre Namen erst einmal in einem Atemzug nannte. Dafür würde er schon sorgen.
    Der Satyr zwang sich, seine Fäuste zu öffnen und zu seinem geschäftsmäßigen Lächeln zu greifen, als er sah, dass der Rabe sich umdrehte. "Ich bringe dich persönlich zur grauen Schlange. Es würde einfach zu lange dauern den Weg zu beschreiben", erklärte er großmütig. "Denn so wie ich es verstanden habe, scheinst du es wohl sehr eilig zu haben, Partner."


    Ascan nahm seinen Revolver an sich, richtete sich wieder ganz auf und legte die Schwingen an seinen Rücken. "Bleiben wir bei 'Rabe'."
    Ein Sprung brachte seine Stiefel mit einem schweren Klang auf den Hallenboden zurück und während er auf die Cath'Shyrr zu trat, langte seine Hand zu dem versprochenen Gold in seiner Manteltasche. Auffordernd, jedoch ohne ein Wort, bot er ihr den Beutel mit dem restlichen Gold an und suchte den Blick in ihre Augen. Sie hatte mehr für ihn riskiert als er jemals hätte erwarten können.


    Auch Pottler bewegte sich nun, näherte sich Canvele mit weit ausgreifenden Schritten und deutete ihm dabei, noch kurz zu warten.

  • Mist. Pottler hatte sie erkannt. Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Zwar hatten sie nur ein Mal miteinander zu tun gehabt, doch Botenjungen waren Tratschmäuler, also wusste Sprungbart vermutlich mehr über sie als sie ahnte. Hoffentlich reichte es, um Respekt vor ihrer Drohung zu haben.


    Die Verhandlungen liefen endlich vielversprechend und kamen schließlich zum Abschluss. Erleichtert atmete Maida aus. Wenn keiner der drei Mannsbilder im letzten Moment die Nerven verlor, dann war es überstanden. Die Cath'shyrr hätte jubeln mögen. Sie lebte noch, alle Körperteile waren noch dran und alsbald würde sich ihr Wohlstand mehren.


    Maida ließ den Dolch unter dem Umhang verschwinden, als Bran Boréas von dem Podest sprang. Der Syreniae kam auf sie zu und reichte ihr den versprochenen Lohn. Das Zeichen für sie, dass ihre Abwesenheit nicht länger von Nöten war. Der Rabe sprang kein Wort, nur seine kalten Augen suchten die ihren. Maida erwiderte den Blick, lächelte und neigte den Kopf vor Ehrerbietung. Ihre Stimme war sanft und gedämpft, damit nur er sie hören konnte.


    "Ihr versteht es, Euch in Szene zu setzen. Ich aber werde Euch in Erinnerung behalten als einen der wenigen, denen man hier unten vertrauen kann." Schon wandte sie sich ab, ehe sie über die Schulter zu ihm zurück blickte. "Wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja eines Tages wieder." Sie zwinkerte. "Fragt nach dem Frettchen, wenn Ihr Informationen braucht. Oder betet am Sonnabend im Tempel des Herrn der Münzen. Möge Emular über Euch wachen."


    Sie wartete nur einen Augenblick auf eine mögliche Erwiderung, wehe sie durch den Ausgang in die Nacht huschte.

  • Noch während Daerid's Worten war offenbar auch dem Syreniae klar geworden, dass seine Komplizin den Assassinen mit ihrem Positionswechsel zwang - ähnlich der Taktik in einem Schachspiel - Pottler zu schützen, in dem er nun den Syreniae intensiver bedrohen musste.
    Und der Valisar fragte sich, ob der Geflügelte begriff, dass er genau diesen Druck mit der Drohung an die Komplizin aus der Situation hatte heraus nehmen wollen. In dem er ihn an seine Verantwortung für das Handeln seiner Komplizin erinnerte. Zumindest nahm der Mann die Hand wieder von der Pistole, die nach wie vor zu seinen Fußen auf der Pultplatte ruhte. Und Daerid entspannte sich unmerklich wieder.
    Auch während er noch mit Pottler die Konditionen verhandelte, blieb der Syreniae dem Assassinen zugewandt. Daerid wusste nicht, ob er seinen spöttisch empor gezogenen Mundwinkel und die zu Boden gerichteten Augen bemerkte, mit denen Daerid Sprungbarts Gehabe stumm kommentierte - seine fast in Zeitlupe gehobenen Arme, die sich knapp unter der Brust des Valisar verschränkten, sah er mit Sicherheit. Nur damit hier keiner mehr nervös wurde .....


    Als der Satyr und der Geflügelte sich geeinigt hatten, huschten Daerid's Augen durch den Raum.
    War nicht irgendwo ......... ? Kurz entfernte er endgültig seinen Ohrschutz und wandte sich dann um. Tatsächlich, in seinem Rücken befand sich die gesuchte Treppe. Kurz suchte er die Deckenkonstruktion der großen Halle ab - das Gerüst, dass der großen Deckenfläche Stabilität verlieh, war leicht zu durchklettern. Und der Syreniae hatte vorausschauender Weise ja bereits seinen Ausgang zum Dach hinauf geöffnet.
    Gelassen richtete Daerid seine Aufmerksamkeit wieder auf die Hauptdarsteller des Abends. Er für seinen Teil würde diesen Ort jedenfalls ungesehen für mögliche weitere Augen dort draußen verlassen - und ein 'vielleicht' würde auf dem Nachtmarkt niemanden in Unruhe versetzen, geschweige denn die Graue Schlange zu überflüssigen Aktionen mit ungewissem Erfolg veranlassen. Und das genügte dann auch.


    Die schöne Komplizin hatte sich soeben noch einmal zu dem Geflügelten umgewandt und sprach einige Worte zu ihm. Daerid's Augen saugten sich an ihren Lippen fest, ansonsten liess der Assassine aber keinerlei Regung erkennen. Sein Blick folgte ihr weiter als sie elegant und geschmeidig zur Eingangstür hinaus huschte. Nun - wer vermochte zu sagen, ob er selbst nicht auch einmal das dringende Bedürfnis nach einem Sonnabend in Emular's Tempel verspürte, wisperte es leise durch Daerid's Gedanken. Sein Miene verzog sich kaum wahrnehmbar als er Pottler's Geste gewahr wurde. Ungerührt wartete er, welches Anliegen Sprungbart noch an ihn richten mochte.

  • Mehr noch als über den Respekt, den sie mit dem Neigen des Kopfes zum Ausdruck brachte, freute Ascan sich über das Lächeln seiner hübschen Spionin. Er genoss es, ihre volle Aufmerksamkeit auf sich zu wissen, hütete sich jedoch, sich davon etwas anmerken zu lassen. In ihren Augen war derweil keine Ablehnung mehr zu lesen. Sie hatte die kühlen Krallen eingezogen und ihre Worte strichen sanft und schmeichelnd an sein Ohr, doch die Erinnerung an ihre raubtierhafte Mimik war nichts, das er einfach vergessen würde.
    Einer Cath'Shyrr zu gefallen war so unberechenbar wie verlockend. Ihr Zwinkern und die Einladung in seinen Tempel regten seine Vorstellung an und führten ihn für einen Moment ernsthaft in Versuchung, Emular in diesen Tagen ein besonders treuer Gläubiger zu sein.
    Ihr Zögern verriet, dass sie eine Antwort von ihm erwartete. Eine Zusage, soviel war sicher. Er bezweifelte, dass ihr Locken jemals verschmäht worden war. Der nächste Falaviar war in zwei Tagen und es würde der letzte sein, den er auf Beleriar verbrachte.
    "Wenn Emular seine Sache gut macht, sehen wir uns dort", nickte er und sah ihr nach wie sie ins Dunkel jenseits des Halleneingangs verschwand. Nachdenklich zog er sich die Kapuze wieder in die Stirn und spähte zu Pottler, der Absprache mit dem Assassinen hielt.


    Auch der Satyr sah in diesem Moment über die Schulter und schätzte die dunkle Gestalt des Raben ab. Er hatte Canvele gerade eine beachtliche Belohnung in Aussicht gestellt. Eine Summe von einhundert Dukaten. Zum Dank für seine zuverlässige Treue und seine Verschwiegenheit natürlich, nur geknüpft an die Bedingung, dass er noch schnell Lady Karosh aufgabelte, die sich hoffentlich irgendwo draußen herumtreiben musste, und ihr ausrichtete, sie solle die Wächter zusammen trommeln und die zugesperrte Halle in seiner Abwesenheit genau im Auge behalten. Als Pfand und zum Zeichen seines guten Willens reichte er Daerid einen seiner wertvollsten Ringe, ein klobiges Exemplar, das ein ausladender Rubin zierte. "Ein Andenken an meine verstorbene Mutter, Kireala sei ihren üppigen Seele gnädig", murmelte er dabei noch in seinen Bart, dann wandte er sich um und schritt weit ausgreifenden Hufes auf die Eingangspforte zu. Dem Raben gab er mit einem knappen Nicken zu verstehen, dass sie nun aufbrechen konnten.

  • Regungslos betrachtete der Valisar den pompösen Ring, den Sprungbart ihm vor die Nase hielt, nachdem er seine Rede beendet hatte. Träge öffnete er seine immer noch verschränkten Arme, um den Ring ohne Federlesen in Empfang zu nehmen und einzustecken. Wenn Willian der Meinung war, dass dies dem Wert des Ergebnisses dieser Nacht entsprach, dann war das seine Sache.
    Daerid konnte in dem Abkommen keinen einzigen Vorteil für Pottler erkennen - aber es war schließlich auch der Satyr, der damit leben musste.


    Zum Rest verengte der Assassine seine Augen ein wenig, ansonsten starrte er Pottler mit gleichgültiger Miene ins Gesicht. "Ich bin keiner von Deinen Speichelleckern, Willian, die Du von A nach B befehligen und Kunststücke für Dich aufführen lassen kannst. Für 100 Dukaten nicht. Und auch nicht für 1000 Dukaten. Such nur selbst nach Deiner überaus reizenden Leibwächterin." Er stieß sich lässig von dem Tisch ab, an dem er gelehnt hatte. "Leb wohl, Willian. Vielleicht lebst Du lange genug und wir können unsere geschäftliche Beziehung bei Gelegenheit fortsetzen."
    Und während der Satyr sich zu seinem neuen Bündnispartner begab, huschte Daerid die Treppe hinauf und erklomm über das Geländer des zweiten Stocks sowie einem der aufgehängten Teppiche die Hallenwand bis zum Gerüst der Deckenkonstruktion. Geschickt arbeitete er sich zu dem zerschossenen Fenster hin, entfernte die restlichen Splitter mit dem Knauf seines Dolches und entschwand durch das Loch in der Decke in die Nacht hinaus.

    Man beherrscht die Leute mit dem Kopf - mit einem guten Herzen spielt man nicht Schach.


    Nicolas Chamfort

  • Fortführung der Handlung Feuer und Schatten


    Zitat von Erelthea


    Seine Worte verwunderten sie nicht. Keines seiner Worte würden sie wohl noch überraschen. Er war eine mysteriöse Person, finster, finsterer als so manche, welche sich hier herum trieben und Verbrecher nannten. Doch das steigerte nur den Reiz dieses Abenteuers und so kam sie auf ihn zu, trat näher an ihn heran. Andere Leute wären geflohen, wenn sie die Gefahr gewittert hätten. Sie nicht, denn sie wusste, dass sie nur dann, wenn sie sich in riskante Situationen bringen würde, auch ihren Spaß haben würde. Und Erfolg. Darauf zielte sie in dieser Situation nicht ab, doch es konnte sich immer etwas ergeben.


    „Oh, ich denke ich werde dir auch weiterhin freiwillig Gesellschaft leisten.“ Und um die schon angespannte Situation – denn die Spannung zwischen ihnen beiden war beinahe greifbar – noch weiter zu strapazieren, hakte sie sich bei ihm unter. Das Feuer tanzte in ihren Augen. Das Spiel machte ihr Spaß und sie hatte noch keine Lust wieder damit aufzuhören.



    Zeciass wartete unbewegt darauf, dass sie näher kam. Ihre Schritte wirkten zielsicher und ein verwegener Ausdruck glomm in ihren dunklen Augen. Ein unbedarfter Beobachter hätte sie für die Jägerin halten können. So dicht vor ihm, dass der Geruch ihrer warmen Haut zu ihm aufstieg, kam sie zum Stehen. Kleine Flammen schienen auf ihrer Iris zu tanzen und obwohl Zeciass seinen anderen Hunger im Moment nicht verspürte, merkte er plötzlich, dass dessen bodenlose Finsternis in seinen Blick rann. Seine schwarzen Augen wirkten mit Mal noch tiefer, als wollten sie dem lebhaften Feuer mit tödlicher Dunkelheit antworten.


    Es war selten, dass er eine Frau nicht an Größe überragte und obwohl er wusste, dass es nur eine Illusion der Wahrnehmung war, erschien sie ihm dadurch auf merkwürdige Weise ebenbürtig. Die Spannung brach abrupt als sie sich seinen Arm schnappte und sich so bei ihm unterhakte. Wie bei seiner Begegnung am Nachmittag schien auch das Flammenmädchen diese Verschränkung der Arme als angenehm zu empfinden und Zeciass nahm es als gegeben hin. Der enge Körperkontakt, der dadurch entstand, war ihm recht und es war nur in seinem Sinne, dass sie seine körperlichen Vorzüge damit umso deutlicher spürte.


    "Sehen wir uns das Ganze genauer an", entschied er mit dunkler Ruhe und bewegte sich auf die Stände zu, seine forsche Begleiterin dabei an seinem angewinkelten Arm führend. Es gab eine Auswahl an Substanzen in stechenden Farben zu begutachten und der Trockene hinter dem Stand zog gerade am Mundstück einer eigentümlichen Konstruktion, die dabei blubbernde Geräusche von sich gab. Mit einem seligen Lächeln sah der Verkäufer ihnen daraufhin entgegen. Die Ausdünstungen der Ware vertrieben die Neugier des Yassa'Dhar und er ging ohne ein Wort zum nächsten Stand weiter. Bevor er sich dessen Auslagen genauer ansah, wanderte sein Blick zu seiner Begleiterin. "Was für Waren kaufst du hier?"

  • Sie schwieg und ließ ihren Blick aufmerksam über den Nachtmarkt huschen. Dabei betrachtete sie nicht einzelne der Waren, oder Stände, sondern machte sich einen generellen Eindruck, wie die Stimmung war und ob man heute aufmerksamer sein musste als zu den meiste Zeiten. Hier konnte die Stimmung schnell umschwenken, in dem einem Moment wurde noch höfflich und mit Respekt über den Preis verhandelt, im nächsten Moment wurden die Stimmen schon laut und lenkten die Aufmerksamkeit der drum herum stehenden Leute auf sich. Die Wetten wurden meisten geschlossen, bevor sich die beiden Partner der fehlgeschlagenen Verhandlung am Boden wieder fanden, die Faust des anderen im Gesicht oder einen Zahn weniger.
    Sie hielt sich aus solchen Wetten nicht heraus, ganz im Gegenteil empfand sie das immer als großen Spaß, aber in der heutigen Nacht hatte sie nicht vor, dass sie sich solch einem Spaß hingeben würde, weder in der Rolle des Wettenden, noch in jener, auf welche gewettet wurde.


    „Wer sprach von Waren?“, fragte sie nach und sah ihn mit belustigtem und fragendem Blick an. „Hier wird viel mehr als nur einfache Waren angeboten. Doch wenn ich doch zu jenen fragwürdigen Angeboten greife, beschränkt sich meine Auswahl meistens auf jenes, was einem Freude bereitet.“
    Sie hatte sich selbst schon oft gefragt, ob sie abhängig war, doch dafür nahm sie zu unregelmäßig etwas ein. Doch dass sie den Drogen trotzdem nicht abgeneigt war, bestreitet sie nicht. Sie stand zu dem, wie sie war, selbst wenn es ein schmutziges Leben war, welchem die meisten sicherlich mit angewidertem Gesicht antworten würden. Zumindest jene, welche nicht selbst bis zu den Knien im Schutz des alltäglichen Lebens versanken und dabei nicht das Glück hatten, welches das Flammenmädchen gehabt hatte.
    Doch dessen war sie sich nicht bewusst. Sie lebte jeden Tag, ohne einen Gedanken daran zu verschwendend ob das gerade vernünftig war oder nicht. Und immer mit dem Fokus, dass sie zu dem kam, was sie wollte.

  • Seine Begleiterin hatte kaum ihren Satz beendet, da erklang ein lautstarkes Räuspern hinter ihnen. Zeciass sah mit einem Stirnrunzeln über seine Schulter. Vier Gestalten hatten sich hinter ihnen aufgebaut. Drei von ihnen waren männlich, die vierte weiblich, doch da hörten die Gewissheiten auch schon auf. Am Größten von ihnen erkannte er Hörner, der Kleine neben ihm war offenbar ein Zwerg und die breitschultrige Frau, die sich gerade mit der Zunge über die Lippen fuhr, mochte sonst eine Mischung sein. Der Kerl, der wohl ein Problem mit seinem Hals hatte, stand in vorderster Reihe, während sich der Rest des Haufens hinter ihm postiert hatte.


    „He, Yassalar!“ riss der Vordermann nun sein Maul auf, präsentierte eine Reihe schlechter Zähne und stemmte bei seiner Ansprach die Fäuste in die Seiten. „Mir gefällt deine schwarze Visage nicht!“ Geräuschvoll zog er durch die Nase ein, die so krumm und breit war als habe er Erfahrung damit, sich mit ihr Schläge einzufangen. „Und mir gefällt nicht wie du unsere Frauen anfasst“, setzte der Trockene mit einem aggressiven Grinsen hinterher, als wäre seine erste Aussage nicht schon deutlich - und dumm - genug gewesen. Sein Blick taxierte dabei das Flammenmädchen und die Art wie sie an der Seite des Angesprochenen lehnte.


    Ein zustimmendes Gackern erklang von den Schergen im Hintergrund und Zeciass musste kein Kenner der gängigen Szene sein, um zu wittern, dass sich hier ein Kampf ankündigte. Entspannt lag seine Rechte an seinem Oberschenkel, während er sich den Gesellen nun gänzlich zuwandte. Noch zuckte kein einziger Muskel in seinem Gesicht, doch würde nur eines dieser niederen Wesen verdächtig zucken, läge sein Dolch schneller in seinem Griff als sich seine Zähne fletschen konnten.

  • Als Erelthea sich zusammen mit Zeciass umdrehte, war das Feuer in ihren Augen aufgeflammt, wohl wissend, in was das ganze bald enden würde. Doch das Zucken ihrer Mundwinkel zeigte deutlich, wie sie dazu stand. Angst vor solch einer Gruppe? Vermutlich wäre es besser, denn sie sahen nicht so aus, als würden sie keine Erfahrung damit haben sich Ärger einzuhandeln, im Gegensatz zu ihrem ersten „Opfer“ heute.


    „Ich denke es steht der Frau selbst zu, sich auszusuchen mit wem sie ihre Zeit verbringt, oder nicht? Und da ich die Auswahl hier nicht einmal anfassen würde, wenn ich dafür Gold bezahlt bekäme…“ Nicht nur ihre Stimme troff vor Sarkasmus, auch in ihrer Miene war der, scheinbare, unverhüllte Ekel zu sehen.


    Dies waren mit Sicherheit keine Worte, mit welcher sie beide aus der Gefahrenzone entkamen, aber das war auch bei weitem nicht ihre Absicht gewesen. Man möge sie als dumm bezeichnen, sich in diese Gefahr zu stürzen, als leichtsinnig und naiv zu glauben, dass sie diesen Kampf gewinnen könnten, doch wer verschwändet schon solch unnötigen Gedanken, wenn sich ihr die Chance auf einen neuen Nervenkitzel bot. Und jene unzivilisierten Gestalten waren die perfekte Verkörperung eben dessen.


    „Zudem bin ich niemanden Frau. Weder eure, noch die der Stadt, noch die der Schwarzschuppe.“ Sie fühlte sich niemanden verbunden – wenn man einmal von Gold und Schmuck absah – und hatte auch nicht vor, sich an jemanden in irgendeiner Form zu binden. Sie machte sich den einen oder anderen Spaß mit den Leuten, gab ihnen das Gefühl, dass sie die eine Person waren, welche sie begehrte, doch spätesten am nächsten Morgen, wenn sie mitsamt ihrem Geld verschwunden war, platze der Traum recht schnell.


    Eine erwartungsvolle Anspannung hatte sie gepackt, welche sie kaum merklich zittern ließ. Eine falsche Bewegung ihres Gegenübers und sie würde die beiden Dolch, welche sie im Kreuz versteckt trug, gezückt haben. In einem fairen Kampf würde sie die Fäuste bevorzugen, doch in diesem Fall würde sie dann doch nicht darauf verzichten wollen, nicht wenn ihnen doppelt so viele feindselig gestimmte Seelen gegenüber standen.

  • Die Worte des Flammenmädchens besiegelten die Gewissheit, dass gleich Blut fließen würde. Zeciass spürte ihr erregtes Zittern an seinen Schuppen und wusste, dass sie an seiner Seite kämpfen würde. Ihr Kampfgeschick bezweifelte er nicht, dafür hatte er ihre Rauferei in der Schwarzen Katze zu genau studiert, doch die Fähigkeiten ihrer Feinde waren ihm unbekannt und er hasste unberechenbare Elemente.


    Der Sprecher der Bande glotzte das Flammenmädchen an als habe er nicht damit gerechnet, dass gerade die Frau eine dicke Lippe riskieren würde. Eine Ablenkung, die willkommener nicht sein konnte. Blitzschnell die Rechte ballend, schnellte Zeciass' Arm vor. Die brutale Wucht des Schlags trieb seine Faust tief in den Kehlkopf des Trockenen, dessen Schicksal besiegelt war, bevor auch nur einer der Anwesenden eine Waffe gezückt hatte.


    Der Todgeweihte kam noch dazu, seine Augen weit aufzureißen und zu seinem Hals zu greifen, doch da knickten ihm bereits die Beine weg. Der Yassa'Dhar setzte reflexartig einen Schritt zurück. Sein linker Arm löste sich von seiner Begleiterin. Unglücklicherweise trat sein Hacken dabei auf das lose Gerümpel, das unter dem Stand dicht in ihrem Rücken lauerte. Seine Konzentration auf den Kampf flackerte, während sein Körper darum rang, sein Gleichgewicht nicht zu verlieren. In dieser Sekunde lief bereits eine Welle der Bewegung durch ihre drei übrigen Gegner.

  • Bei dem Schlag des Finsteren, wie sie Zeciass nun kurzerhand in Gedanken nannte, hatte sie einen anerkennenden Pfiff ausgestoßen und die Augenbrauen anerkennend hochgezogen. Sie hatte also nicht falsch gelegen mit ihrer Einschätzung, dass ist Begleiter durchaus auszuteilen wusste. Das war gut, im Gegensatz dazu, dass er gerade in einen der Stände hinein stolperte.


    In dem Moment, wo er ihren Arm losgelassen hatte, waren ihre Hände in ihr Kreuz gewandert, hatten die Griffstücke mit traumwandlerischer Sicherheit umgriffen und gezückt. Sie setzte darauf schnell zu sein, schnell und überraschend. Das dabei die Dolche nicht ihre einzigen Hilfsmittel waren, schien ihr selbstverständlich.Nachdem sie die Dolche in abwehrende Position gebracht hatte, machte sie noch einen Schritt nach vorne und zur Seite, um Zeciass einen Moment zu geben, damit er sich wieder fangen konnte.


    Es war die Frau, welche Erelthea als Erste erreichte und ohne zu zögern mit einem Kurzschwert in den Angriff überging. Sie stach mit der Spitze zu, doch das Flammenmädchen verkreuzte die Dolche, führte sie unter die Klinge und riss sie nach oben, sodass die Schneide knapp an ihrem Kopf vorbei lief, so knapp, dass nun einige Haare zu Boden segelten. Und da waren dann auch schon die beiden anderen Begleiter da. Der Gehörnte schien auf seine Fäuste zu setzten, während der Zwerg schon seine zweischneidige Streitaxt wild schwang. Wild und koordiniert, sodass das Flammenmädchen ausweichen konnte, aber zugleich damit auch Zeciass für die Angreifer frei gab.

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