Die Pfandstube "Acai"

  • Tilla Acai musterte ihn einen Augenblick, ließ dabei jedoch Anzeichen einer gewissen Belustigung erkennen. Tamrin war froh darüber, er hätte es sehr bedauert, wenn es die Pfandleiherin noch mehr verärgert hätte, dass auch seine Gedanken um die Situation kreisten und mögliche Vorgehensweisen erwogen. Schade, dass sie über den Diebstahl in persönlicher Hinsicht so empört war sonst hätte er sich vielleicht sogar gewagt, ihr seinerseits einen Vorschlag zu machen. Aber er selbst konnte dieses Gefühl Tilla Acai's nicht einordnen, weil er es nicht empfand.


    Leute stahlen aus Not oder aus Habgier und auch wenn es keine Lüge gewesen war, dass er für sich selbst Ehrlichkeit vorzog - für ihn war es Gerechtigkeit genug, wenn die rechtmäßigen Eigentumsverhältnisse wieder hergestellt wurden. Darüber hinaus gehende Rachegelüste waren ihm bislang fremd und verletzt oder getötet worden war schließlich auch niemand. Und Tamrin's vorwitziger Verstand fragte sich insgeheim, ob man Tilla's Eigentum nicht auch zurück erlangen könne, ohne die schöne Diebin bei ihrem Liebhaber auffliegen zu lassen. Und ob dies nicht vielleicht auch in Tilla Acai's Sinn sein könne, wenn der so bereitwillig und ganz legal Geld für seine 'Gespielin' auszugeben bereit war. Tamrin's Mitgefühl für reiche Adelige, die ihn fälschlicherweise bezichtigten, hielt sich gerade ziemlich in Grenzen. Und außerdem - Herrn Müsig blieb ja immerhin die bezaubernde Schönheit erhalten, deren frecher Mut Tamrin insgeheim immer noch etwas amüsierte.


    Aber - er war hier letztendlich nur ein Bote. Und für ihn hatten Tilla Acai's Wünsche zu zählen. Und so nahm er schweigend die Skizze entgegen, ebenso wie den Pfandschein, der noch auf dem Tresen lag und nickte der Pfandleiherin noch einmal höflich verneigend zu. "Ich werde Euch dann berichten.", versicherte er zum Abschied "Auf bald!", wandte sich um und verließ das Geschäft. Leise klang die Türglocke ihm auf der Straße noch hinterher.....


    <--- weiter beim Haus der Amandils

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

    3 Mal editiert, zuletzt von Tamrin ()

  • -------> vom Haus der Amandils


    Mit dem Hauch von Tári's unaufdringlichem Duft in der Nase ging es weiter die Straße hinab. Das Tageslicht war inzwischen vollends verschwunden und Tamrin fragte sich, ob es nicht eigentlich schon zu spät sei, um noch bei der Pfandleiherin vorbei zu gehen. Unmittelbar darauf schalt er sich einen Dummkopf. Reiche hochangesehene Adelige mit ihren Begleitungen mochten am hellichten Tag dieses Geschäft aufsuchen, um zu sehen, ob sich unter den verpfändeten Gegenständen nicht etwas von Interesse befand - wie dieses Ohrgeschmeide zum Beispiel. ABER - wer so etwas verkaufen musste, und davon war auszugehen sonst trennte man sich bestimmt nicht von solch besonderen Wertgegenständen - der würde wohl kaum am Tage vor aller Augen dort hinein spazieren. Und auch wer dringend Bargeld für seine Zeche benötigte, würde sicher nicht bereits am frühen Abend schon soweit sein, dass er nicht mehr liquide war. Eigentlich sollte er gute Aussichten haben, dass die Pfandleihe noch geöffnet war. Neugierig spähte er zu den Fenstern des Geschäfts hin sobald dieses einigermassen in Sichtweite war.

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • In der Pfandstube brannte noch Licht.


    Tilla hatten die Vorkommnisse des Tages so geärgert, dass sie noch lange nicht dafür bereit war, die Stube zu schließen.


    Tatsächlich hatte sie Kunden die - aufgrund ihrer Lichtscheue oder/und ihres Gewerbes - die späteren Abendstunden bevorzugen. Wenn Tilla nicht selbst hinter der Ladentheke stand, war normalerweise Bassam hier anzutreffen. Versunken in ein Buch oder dem Studium eines schönen Schmuckstückes liebte Bassam es bis spät in die Nacht hier zu sitzen. Das Licht gedämpft, die einzigen Geräusche verursacht durch ihn selbst und ein paar Mäuse in den Wänden und den Geruch von feinem Jasmintee in der Nase.


    Heute war es jedoch keineswegs ruhig oder besonnen oder auch nur irgendwie "gemütlich". Tilla hatte beschlossen den Vorfall für eine gründliche Inventur zu nutzen und nun hockte Bassam in der hellerleuchteten Pfandstubeüber eine lange Liste die er abhakte, während Tilla ihm immer wieder Namen entgegenrief.

  • Tamrin musste den Hals gar nicht groß recken. Der Lichtschein in der Pfandstube fiel weithin sichtbar durch die Fenster nach draussen in die Dunkelheit der Strasse und bildete eine kleine helle Insel vor dem Geschäft. Der junge Mann nahm zügig Kurs darauf zu, denn es war ihm ganz recht, wenn er die Nachricht der Gräfin noch am selbigen Tag an die Pfandleiherin würde aushändigen können.
    Kurz spitzte er vor dem Geschäft doe Ohren. War da nicht ein schärferer Ruf zu hören gewesen ? Und noch einer ? Tamrin spähte durch die Scheibe in den hellerleuchteten Raum hinein. Tilla Acai war zu sehen und auch der schweigsame Hüne war noch im Laden. Die Pfandleiherin stand bei einer ihrer Auslagen, der Hüne war über einen langen Bogen gebeugt.
    Trotz der späteren Stunde saher beide noch sehr beschäftigt aus.
    Tamrin öffnete die Eingangstür, das Glöckchen bimmelte hell und er schob Kopf und Oberkörper in den Laden hinein. "Ich entbiete Euch einen Guten Abend!", grüßte er Tilla Acai und nickte auch dem Hünen höflich zu. "Darf ich eintreten ?"

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • "Ahm, Tamrin, tretet ein." Tilla begrüßte den jungen Elf in seiner Muttersprache und Bassam sah nur kurz von der langen Liste auf. Ein wenig skeptisch zog er die Augenbrauen zusammen, bevor er sich wieder der Blatt vor sich widmete.


    Tilla hingegen wirkte gelöst. Es schien fast so, als habe sie auf Tamrin gewartet. So trat sie mit einem seichten Lächeln auf den Lippen hinter der Theke hervor und Tamrin entgegen.
    "Sagt, habt ihr Herr von Müsig erreichen können? Gibt es etwas Neues von meinen Ohrringen?"
    Zwischendurch hatte Tilla sich mehrfach gefragt, ob sie den jungen Elfen nicht zu schnell Müsig hinterher geschickt hatte. Er sprach ja kaum die hiesige Sprache, wie sollte er sich dann nach ihren Schmuckstücken erkundigen? Aber er war wieder hier, also würde er es wohl irgendwie versucht haben.
    Gespannt wartete sie auf seinen Bericht.

  • Mit zusammengekniffenen Äuglein zwinkerte Klivv ins Licht des Händlerviertels. Nun, Licht war wohl nicht gerade der richtige Ausdruck, denn der Abend war bereits so fortgeschritten, dass man ihn nur mehr als Nacht bezeichnen konnte, und die Straßenbeleuchtung war hier nicht gerade üppig. Dennoch reichte es aus um dem Rattenfänger, der die Oberfläche nur selten und ungern betrat, Tränen in die Augen und einen Fluch in der Sprache des Nordens über die Lippen zu treiben.

    Mit festem Griff umklammerte er die grob getöpferte Schüssel, die mit einem Teller ähnlicher Machart abgedeckt war, als wäre sie sein einziger Halt in dieser gefährlichen Welt. Dann überzeugte er sich einmal mehr, dass ihn gute Gründe und wichtige Geschäfte hierher führten.

    Mit zaghaften leisen Schritten ließ er die Katakomben endgültig hinter sich und streckte die schnüffelnde Nase in die Luft, als würde sie ihm mehr verraten als seine Augen. Sein Orientierungssinn war zwar gewiss nicht schlecht, doch hier oben war er sich nie wirklich sicher und das Geschäft, das er suchte, kannte er nur vom Hörensagen. Eine Frau, die klingende Münze für wertvolles oder kurioses Gut zahlte, so hieß es zumindest.

    Als er sich dann einmal überwunden hatte, war das schlichte Gebäude nicht weiter schwer zu finden. Große Lettern, ganz wie er hatte tuscheln hören. Auch wenn er sie nicht zu entziffern konnte, hatte er keine Zweifel, dass er hier richtig war. Doch was war das? Etwas Licht fiel durch die halb geöffnete Tür und umriss die Gestalt eines Kunden zeichnete sich darin ab. Jemand war schon vor ihm hier und das trotz der unmenschlichen Uhrzeit!

    Instinktiv drückte sich Klivv in den Schatten einer nahen Hauswand und haderte erneut mit dieser grässlichen, oberflächlichen Welt. Es vergingen gut und gerne ein Dutzend Herzschläge eher er sich wieder weit genug im Griff hatte, um seine tapsenden Schritte fortsetzte. Vorsichtig und leise näherte er sich dem Laden und hielt eine Mannslänge Sicherheitsabstand.

    Der andere Kunde war jetzt da drinnen und gewiss nicht allein. Schon der Gedanke an eine solche Menschenansammlung war dem Rattenfänger ein Gräuel. Unruhig zappelte er hin und her, spürte das Gewicht der Schüssel in seinen Händen, prüfte ob auch Dolch und Schleuder an ihrem Platz waren – sie waren es wie immer – und brachte schließlich die letzten Schritte hinter sich um unglaublich zaghaft anzuklopfen.

  • Auf Tilla's Aufforderung hin schob Tamrin sich vollständig in die Pfandstube hinein und erwiderte das etwas reservierte Lächeln der Pfandleiherin um so freundlicher. "Ich sah noch Licht im Geschäft und dachte, Ihr würdet vielleicht den Bericht gern noch hören." Etwas verhalten trat er näher, weil er im Umhang nach der Nachricht der Gräfin angelte. "Nein, der Herr Graf war leider nicht zu sprechen - nur eine Familienangehörige. Schwarzhaarig, sehr auf Konventionen bedacht und ....." Tamrin fasste sich ein Herz "....überaus launisch, wenn Ihr mich fragt." gestand er dann mit leisem Seufzer offenherzig ein. "Ich glaube, die ehrenwerte Gräfin wollte mir das Geld für den Ohrschmuck aushändigen und wurde sehr ungehalten als ich ihr sagte, dass sie dafür mit Euch persönlich verhandeln müsse." Er reichte der Pfandleiherin das immer noch glatte Kuvert mit intaktem Siegel entgegen. "Daraufhin gab sie mir diese Nachricht für Euch mit."
    Tamrin hielt in seinem Bericht inne, um Tilla Acai die Möglichkeit zu geben, die Botschaft erst lesen zu können, wenn sie das wollte.

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

    Einmal editiert, zuletzt von Tamrin ()

  • Tilla hielt inne und lauschte Tamrins Worten. Ihre Mimik war schwer zu lesen.
    Am Ende griff sie nach dem Stück Papier, welches Tamrin ihr reichte.


    ... biete ich an, dass ich meinen Schatzmeister mit der
    ausgestatteten Summe .... schmallippiger Oberprimat nicht mitgeteilt
    hat, ... Höhe Eures Zahlungsausfalles ... in Eurer Schuld ... nicht mehr Bedeutung beimesset ... versalzen nur den Eintopf


    Je näher Tilla sich dem Ende entgegenlas, desto tiefer wurde die Furche zwischen ihren Augenbrauen.
    "Adelige." Spuckte sie am Ende aus und lies den Brief auf den Fußboden gleiten.
    Der Ton dieser "Schloßherrin" hatte ihr nicht gefallen und Tilla Acai wußte nicht, was ihr weniger gefiel - bestohlen worden zu sein, oder dass sie das Gefühl hatte, man wolle sich ihr Schweigen erkaufen.


    Sie setzte gerade zu einem tiefen Seufzen an, als es an der Tür klopfte.


    "Es ist offen!" Rief sie dem Draußenstehenden in ihrer Muttersprache entgegen, während sie Tamrins Muttersprache dazu nutzte um das Wort noch einmal an den Elfen zu richten.
    "Wartet bitte einen Augenblick hier. Lasst euch von Bassam einen Tee und etwas Speck.. ähm.. oder Obst reichen."
    "Bassam, zeig Tamrin, wo er sein Schwert lagern kann!"
    Bassam nickte wortlos und bat durch eine knappe Geste den Elfen, ihm zu folgen.

  • Klivv wurde hineingebeten und wirkte fast so, als käme die Entwicklung ganz unerwartet. Langsam öffnete er die Tür und späte mit misstrauischen Äuglein ins Innere des Geschäfts. Als er sich dann endlich einen Ruck gab und eintrat, hatte er den Blick bereits wieder gesenkt und hielt seine Schüssel vor sich wie einen Schutzschild. Sicher sah ihn die Frau jetzt ganz komisch an. Eigentlich hätte er daran gewöhnt sein sollen, doch der Rattenfänger hasste diesen leicht angeekelten Blick seiner Mitmenschen. Dass er sich deshalb an die Ränder der Kanalisation zurückgezogen hatte und ihn entsprechend eine, wenn auch leichte, Duftwolke umgab, machte die Sache wohl nicht wirklich besser.

    Nun, war er aber schon einmal hier und der Weg hatte ihn zu viel Überwindung gekostet, um jetzt noch umzukehren. Mit kleinen Schritten näherte er sich dem Verkaufstisch und stellte sein abgedecktes Gefäß darauf ab. “Ich hab hier etwas… Besonderes. Möchte es verkaufen“, erklärte er mit etwas leiser Stimme und hörbarem ausländischen Einschlag.

  • Tilla Acai hatte ihre Mimik bemerkenswert gut im Griff, wie Tamrin festgestellt hatte während er seine Worte sprach. Nichts in dem eigentlich ausdrucksvollen glatten Gesicht verriet, was die Pfandleiherin dazu dachte. Erst nachdem sie offenkundig die Nachricht vollständig gelesen hatte, stand eine Falte des Missfallens in ihrem Gesicht geschrieben und wurde von dem einzigen, abfällig geäußerten Wort eindrucksvoller untermalt als jede zornige Tirade es vermocht hätte.
    Tamrin fragte sich unwillkürlich, was ihren Unwillen erregt hatte. War die angebotene Summe so unverschämt gering ? Oder die gräfliche Schlossherrin im geschriebenen Wort ähnlich wechselhaft wie beim Gesprochenen ?
    Das Klopfen an der Eingangstür bekam Tamrin gar nicht mit, denn der nächste - erheblich unangenehmere - Gedanke war, ob sich die adelige Dame wohl über ihn beschwert hatte und Tilla bedauerte, dass sie ihm diesen Botengang ........ Erst ihre offensichtlich zur Tür gerichteten Worte und der fast unmerkliche Lufthauch ließen Tamrin ein wenig zusammen zucken und automatisch wollte er sich nach hinten orientieren. Ein Kunde ...... ?


    Doch bei Tilla Acai's freundlichen Worten hellte sich seine etwas besorgt gewordene Miene wieder auf und er nickte der Pfandleiherin dankbar zu. 'Bassam' war dann jedenfalls der schweigsame Hüne, der für die Pfandleiherin arbeitete, denn dieser bedeutete ihm unmittelbar auf die Ansprache der Pfandleiherin hin, mit sparsamer Geste ihn zu begleiten. Zu gern hätte Tamrin einen Blick auf den Kunden geworfen, aber er wollte der Pfandleiherin gern beweisen, dass er nicht neugierig war und so zwang er sich, nicht über die Schulter zurück zur Tür und dem Neuankömmling zu sehen sondern folgte Bassam schnellen Schrittes hinterdrein - die Augen stur geradeaus gerichtet.

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Tilla sah den rattengesichtigen Mann kurz an und schüttelte den Kopf.
    "Ich bin kein Trödelhändler." Antwortete sie dann ohne auch nur einen Blick auf die Schüssel zu werfen, die der Fremde in seinen Händlern hielt.
    Der Fremde - genau das war das Problem, dass Tilla mit dem Mann hatte. Natürlich war das Pfandgeschäft nicht die einzige Einnahmequelle, die sich ihr hier bot. Und um diese Uhrzeit kamen häufiger Gestalten in die Stube, die mit Klivvs Schönheit und Geruch durchaus konkurrieren konnten. Aber jeden einzelnen von ihnen kannte Tilla. Und sie kannte das Risiko, wenn sie ihnen Waren abnahm. Dieser Wicht hier aber..


    "Geht morgen zum alten Sepp Rumpelberg am Ende der Straße. Der findet an allem Gefallen." sprach sie weiter und ihre Gedanken glitten bereits wieder rüber zu Tamrin und der Botschaft der Giftnatter.


    Tamrin hatte in der Zwischenzeit auf einer violettgepolsterten Bank Platz nehmen müssen. Bassam hatte ihn sanft hinauf gedrückt und war dabei ein Teegeschirr vor ihm aufzubauen.
    Kleines Gebäck, Trauben und Zuckerrohr fanden ihren Platz in verschiedenen Schüsselchen vor Tamrin, während Bassam schweigend dabei war, einen reich verzierten Samowar zu bedienen.

  • “Nennt es Trödel, ohne es gesehen zu haben“, ereiferte sich Klivv grummelnd und machte keinerlei Anstalten seine Schüssel wieder an sich zu nehmen. “Morgen? Am Tag wie?“ Das kam nun wirklich nicht in Frage. Sah er tatsächlich aus, als hätte er das Geld so bitter nötig? “Die einen sagen drei Pfenning, die andern einen Silberling und die jetzt will es gar nicht sehen.“ Beinahe hätte der Rattenfänger abfällig ausgespuckt, erinnerte sich jedoch noch rechtzeitig, dass er sich derzeit nicht einem seiner Kanäle befand. “Is was Besonderes, aber wenn sie das am, am, am… Markt nicht erkennen, was habe ich dann von hier oben erwartet…“

    Mit einem Gesicht, als hätte man ihn soeben tödlich Beleidigt, wandte sich Klivv ab und ließ seinen Topf einfach stehen. “Rechnet nicht mit meiner Hilfe, wenn Ihr sie mal braucht“, giftete er vor sich hin. Die Leute übersahen ständig wie wichtig er für die Stadt eigentlich war und diese Frau wäre nicht die erste, die das zu spät begriff. Vor Ratten war schließlich kein Haus gefeit – nicht dass er jemals nachgeholfen hätte, höchstens in den ganz schweren Fällen…

  • Tamrin durchlebte einige höchst unangenehme Momente im Hinterzimmer der Pfandstube als nämlich der hünenhafte Angestellte der Pfandleiherin ihm bedeutete, er möge sich auf den lila-farbenen Polstern einer Bank nieder lassen. Tamrin hatte dieses Ansinnen höflich lächelnd ablehnen wollen, aber der Riese verstand seine Geste entweder nicht oder sie interessierte ihn nicht, denn seine Hand auf Tamrin's Schulter erstickte jeden weiteren Gedanken an Widerstand im Keim. Gehorsam sank der junge Mann auf die Bank nieder, verfolgte mit großen Augen die Reihe kleiner Köstlichkeiten, die Bassam nach und nach vor ihm auf dem Tisch abstellte und ignorierte hartnäckig die Hitze, die er an den Ohren verspürte. Einen guten Eindruck machen zu wollen, war ganz schön mühselig - das zumindest hatte ihn der heutige Tag gelehrt. Das letzte Gefühl von Peinlichkeit wurde von seiner Neugier vertrieben, als Bassam sich an einem sehr kunstvoll gestalteten Objekt zu schaffen machte, das Tamrin noch nie gesehen hatte. Irgendwie ähnelte es einer sehr kostbaren Vase auf der eine Art Kerzenhalter befestigt war - der aber nicht mit einer Kerze sondern mit einem weiteren, reich verzierten Kännchen bestückt war. Es dämmerte ihm jedoch schnell, um was es sich da handelte und wäre diese Gerätschaft nicht so edel gestaltet gewesen, hätte sie auch gut etwas sein können, was sich im Labor seines Vaters finden ließ. Der Gedanke ließ Tamrin schmunzeln und er wurde etwas mutiger. "Ihr seid Bassam ? Mein Name ist Tamrin Farepoynt.", stellte er sich in langsam und sorgfältig gesprochenen Beleriarnai vor.

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • "Hey!" rief Tilla hinter dem Fremden her und sah auf die Schüssel.
    Ein wenig angewidert packte sie das Stück an - man konnte schließlich nicht wissen, wo diese Gestalt das Ding her hatte, was hier und jetzt auf ihrem Tresen thronte.


    "Ihr habt eure Schüssel vergessen!" Sprach sie mit herrischem Ton und wandt sich zur Tür hin, auf die Klivv schnurstracks zutrabte.
    "Glaubt nicht, ich behalte dieses.. dieses Ding.. in.." Tillas Blick glitt hinab zu dem Gegenstand in ihren Händen und das erste Mal besah sie es sich etwas näher. Nun, die Verzierungen schienen ja ganz hübsch. Vielleicht aus der Zeit von Chen, der Einschlag der Kirschblütenlande war nicht zu übersehen. Und Kunst aus den Kirschblütenlande hatte immer wieder seine Verehrer.


    "Nun gut.." Ein tiefer Seufzer entwich den rotgeschminkten Lippen.
    "Wer seid ihr und was ist so Besonders an diesem Stück. Vielleicht kommen wir ja doch noch ins Geschäft."


    In der Hinterstube bereitete Bassam zwischenzeitlich mit routinierten Handgriffen den Tee zu und reichte ihn dann Tamrin.
    "Ja, ich bin Bassam." Antwortete er. "Braucht ihr viel Platz für euer Schwert? Wir haben drüben einen Raum in dem wir Waffen lagern. Nicht zu feucht, nicht zu trocken. Ich zeig ihn euch gerne.."
    Mit dem Kopf nickte er in Richtung des Verkaufsraum. Einzelne Worte waren zu verstehen.
    "Klingt nicht so, als würde sich da ein längeres Verkaufsgespräch anschließen. Vielleicht möchtet ihr auch lieber auf Tilla warten."
    Bassam sprach langsam und besonnen. Als sei er darauf bedacht, dass Tamrin ihn auch wirklich verstehen konnte.

  • Klivv machte nur eine wegwerfende Geste. Was sollte er mit dem Ding, wenn es ihm nirgendwo mehr als einen Silbertaler einbrachte? Erst das Wort Geschäft ließ ihn aufhorchen. “Was so besonderes daran ist?“ De Rattenfänger wandte sich um und blinzelte Tilla verwirrt an. “Na der Inhalt.“ Er streckte eine schmale Hand mit klauenartigen gelben Fingernägeln nach der Schüssel aus und nahm den Teller, der als Abdeckung gedient hatte, ab. Daraufhin schlug ihnen süßlicher Alkoholgeruch entgegen und inmitten der dafür verantwortlichen Flüssigkeit trieb eine tote Ratte.

    Flink griff Klivv das Tier am Schwanz, hob es in die Höhe und drehte es so, dass man deutlich die beiden Köpfe sehen konnte. “Seht Ihr, was Besonderes. Kenne mich mit den Viechern aus und habe so etwas noch nie gesehen“, erklärte er mit Augen, in denen so etwas wie Stolz funkelte. “Und das ist noch nicht alles…“

  • Tillas Gesicht entgleiste ihr vollkommen. Angewidert rümpfte sie die Nase, kniff die Augen zusammen und stieß die Schüssel, die sie soeben noch in den Händen gehalten hatte, Klivv entgegen.
    Der Alkohol schwappte heraus und ergoss sich auf Tillas Schuhe und den Boden.


    "Raus!" Schrie die Grauäugige biestig. "Sofort raus!"
    Wutentbrannt deutete sie in Richtung der Tür. So eine Unverschämtheit hatte sie noch nie erlebt. Eine Ratte! Eine tote und missgestaltete Ratte!!!!


    "Und nehmt eure Ratte mit! Baaaaassaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaam!"
    Schrie sie in den Hinterraum und es dauerte nur Sekunden das der Hüne im Türrahmen erschien.
    Tilla hingegen blickte den Rattenmann mit kalten Augen an und prägte sich sein Gesicht, seine gekrümmte Gestalt ein.

  • Mit artigem "Vielen Dank!" nahm Tamrin seine Teetasse entgegen und balancierte sie konzentriert herunter auf den Tisch, um sie vor sich abzustellen. Der beeindruckende Mitarbeiter der Pfandleiherin, den er bislang nur sehr wortkarg kannte, unterhielt sich tatsächlich mit ihm - in langsamen, deutlich artikulierten Worten und Tamrin gab sich alle Mühe, sie zu verstehen. Die erste Frage und der letzte Satz waren recht einfach und der junge Mann nickte. "Danke!", sagte er abermals und formulierte im Kopf die Antwort vor, bei der es ihm zur genaueren Ausführung noch an manchem Wort mangelte. "Da ist noch etwas neben dem Schwert.", versuchte er zu erklären und fügte etwas zaghaft "Aber ich sehe den Raum gern an." hinterdrein. Bassam's Worte schienen zu bedeuten, dass Tilla Acai damit einverstanden war, die Sachen für ihn aufzubewahren. Dann war zumindest sie wohl nicht unzufrieden mit ihm und das war allemal wichtiger als die Frage, ob die adelige Dame es gewesen war. Bei Bassam's Erwähnung der Pfandleiherin ging Tamrin's Blick unwillkürlich zum Geschäftsraum hinüber. "Bassam, wissen Ihr, warum sie zornig ...." geworden ist, gehörte eigentlich dahinter aber es fehlte noch an den sprachlichen Feinheiten und so wurde es nur ein etwas verlegenes "...war ?"

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

    2 Mal editiert, zuletzt von Tamrin ()

  • Die Schüssel und mit ihr ein Schwall Alkohol kam Klivv entgegen. Es gelang ihm zwar das Gefäß aufzufangen, dafür ließ er jedoch den Teller fallen und dieser zerbrach in tausend Stücke. Entgeistert starrte der Rattenfänger die Pfandleiherin an und wich einen Schritt zurück. Hätte sie ihm erzählen wollen, das Tier sei wertlos, hätte er das ja noch verstanden, aber so… Was hatte sie nur?

    “Ist was Besonderes“, murrte er trotzig. “Dachte hier wüsste man so etwas zu schätzen.“ Als die große Gestalt erschien war der kleine Mann bereits bis an die Eingangstür zurückgewichen und hatte seinen erlesenen Fund bereits wieder in der nun leeren und offenen Schüssel verschwinden lassen. Da sollte jemand schlau aus den Geschäftsleuten werden. Wonach sie den Wert ihrer Güter bestimmten wussten wohl nur die dunklen Götter. Für einen goldenen Ring, den man irgendwo aus der Gosse fischte, konnte man mit etwas Glück drei oder vier Silberlinge bekommen und für so ein Prachtexemplar von einer Missgeburt war einer schon zuviel…

    Vielleicht war ja genau das der Trick an der Geschichte und man musste den Leuten möglichst unnützen Kram verkaufen um ihnen eine Freude zu machen. Eine These die zu überprüfen sich eventuell lohnte. “Ich habe noch mehr“, quiekte er vorsichtig, als ihm die Tür ihm Rücken den Weg versperrte. Mit der Hand, mit der eben noch die Ratte gehalten hatte, tastete er nun nach einem Beutel in seiner Manteltasche aus dem sogleich ein vielversprechendes Klimpern erklang.

  • Bassam kam nicht zum Antworten, denn im selben Moment waren die Schreie der Pfandleiherin zu hören. 'Raus!' Mit beachtlichen Sätzen stürmte der Hüne in den Verkaufsraum hinüber sobald nur der Anfang seines Namens erschall. Und Tamrin trabte flink hinterdrein, ohne lange darüber nach zu denken. War die Pfandleiherin in Gefahr ?
    Gefährlich wirkte die Situation drüben allerdings nicht. Offenbar war etwas zerbrochen und eine Flüssigkeit, die nach Alkohol roch, schwamm auf dem Boden. Der andere Kunde drückte sich in der Nähe der Eingangstür herum, Bassam anstarrend, der sich drohend vor ihm aufgebaut hatte. Er war klein und recht unansehlich und presste eine Schüssel vor sich an den Leib.
    Tamrin steckte seinen Dolch zurück in den Gürtel, den er beim Laufen gezogen hatte. Stumm betrachtete er die Szene, den kleinen schmuddeligen Kerl, der mit einem Beutel klimperte und wartete, ob die Pfandleiherin vielleicht eine Anweisung hätte.

    .................


    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Bassam war als Djirinn durchaus eine Erscheinung. Groß, muskolös gebaut und mit einem Gesichtsausdruck, der einem nicht verriet, ob er einen gleich freundlich begrüßen oder zum Abendessen fressen wollte. Doch war der der Mann mit dem exotisch-mysteriösen Äußeren vor allem eins: lammfromm.


    Er blieb nur vor Klivv stehen und sondierte die Lage. Das alleine reichte offensichtlich schon um den Rattenfänger einzuschüchtern.


    Als Tilla auch noch Tamrin mit gezücktem Dolch hinter sich auftauchen sah, wurde die Pfandleiherin augenblicklich ruhiger. Für einen Moment standen sie so alle ruhig in der Stube. Still, abwartend, die anderen beobachtend.
    Tilla fragte sich ernsthaft was der Mann mit dem.. "markanten" Gesicht hier vor gehabt hatte. Eine Ratte verkaufen? So dumm konnte er nicht sein. Wahrscheinlich arbeitete er für Gilhorn Schwarzzeh. Mit dem hatte sie sich eins übernommen und wahrscheinlich galt die Ratte als stumme Drohung...


    Stumme Drohung.. Tilla unterdrückte ein Seufzen. Was für ein Tag. Erst der Diebstahl, dann dieser Brief der Adeligen, der jeglichen Respekt zu wünschen übrig lies und nun auch noch dieser Wicht mit der Ratte. Nicht ungerne hätte sie Lust, die Ratte in einen Briefumschlag zu stecken und an eine gewisse Alimea zu schicken.


    Unbedacht stahl sich bei dieser Vorstellung ein seichtes, ruchloses Lächeln auf die ebenen Züge der Menschenfrau, als sie selbst einen Schritt auf Klivv zuging und ihn erneut ansprach.


    "Ihr habt meine Frage nicht beantwortet. Wer seid ihr? Und was habe ich aus eurem Beutel zu befürchten? Springen mir ein dutzend Kakerlaken entgegen oder sind es nur ein paar rostige Muttern?"


    Bassam - mit deutlich mehr Taktgefühl ausgestattet als Tilla, Klivv und vielleicht sogar als Tamrin - zog sich wieder ein Stück zurück. Die dünne Stimme des Mannes zeigten ihm zur Genüge, dass hier keine Gefahr drohte und so zischte er Tamrin zu:
    "Sie ist sehr launenhaft..." und meinte damit eindeutig die Hausherrin.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!