Die Pfandstube "Acai"

  • Der kleine Mann war nicht wirklich gut darin in den Zügen anderer Menschen zu lesen, doch dieses Grinsen der unhöflichen Frau gefiel ihm ganz und gar nicht. “Ich bin Klivv, Rattenfänger“, antwortete er etwas zögerlich. Er war es nicht gewöhnt, dass Leute die ihn nicht ohnehin schon kannten, nach ihm fragten. Zumindest nicht, wenn sie nicht gerade seine Dienste benötigten. “Niemand hat was von mir zu befürchten, abgesehen von diesen Biestern“, ergänzte er mit einem vielsagenden Schwenk der Schüssel. “In diesem Beutel ist nur etwas Tand, wie ihn die Damen gerne haben. Sie verlieren dauernd Dinge und ich bin viel drunten. Was in den Rinnstein fällt, landet früher oder später bei mir.“ Die klingenden Münzen nahm er gerne, aber was bitteschön sollte er mit all dem Plunder?

    Nun hatte er jedoch das Problem, dass der Beutel in seinen Fingern aus Rattenfell bestand und er sich relativ sicher war, dass er ihn besser nicht in die Hand der Pfandleiherin drückte. Auch die Idee ihn in seine Schüssel mit der toten Missgeburt zu leeren, schien ihm, obwohl diese die naheliegendste Ablagefläche so nahe an der Tür war, keine gute Idee. Hilflos blickte er sich um, ehe er sich verrenkte und Inhalt des Säckchens unter Zuhilfenahme seiner Zähne in die nun freie Hand, kippte. Anschließend ließ er den Beutel fallen und fing ihn mit der Schale auf.

    “Hier“, meinte er und reckte Tilla den Plunder auf seiner Handfläche entgegen. Zugleich überschlug er im Kopf: Ein feiner silberner Armreif, der von der Formgebung wohl Korallen nachempfunden war, im Vergleich zum Rest recht groß – vielleicht vier Taler – ein goldener Fingerring mit leerer Fassung. Vermutlich nicht so schlimm, denn was konnte so ein Steinchen schon wert sein? Drei Taler. Der Anhänger eines Ohrings, filigranes Geflecht aus Golddraht, in dessen Mitte ein grüner Stein saß. Es war nicht der größte oder reinste, doch eindeutig ein echter Smaragd. Ohne die Nadel, die durchs Ohr gestochen wurde, gewiss nicht zu gebrauchen – vielleicht noch zwei Silbergulden. “Für weniger als einen Dukat gebe ich das aber nicht her“, eröffnete er das Handeln.

  • Die Sekunden verstrichen, aber Tamrin 's Eindruck veränderte sich nicht. Es hatte offensichtlich ein Missgeschick gegeben - aber gefährlich war die Situation nicht. Und nichts ließ vermuten, dass sie es noch werden würde. Bassam war wohl zum gleichen Schluss gekommen, denn er wandte sich von dem kleinen Mann mit dem schmutzigen Umhang ab. Auf gleicher Höhe zu Tamrin flüsterte er ihm scharf ein paar Worte zu. Es dauerte etwas bis Tamrin begriff, dass der Hüne ihm tatsächlich noch auf seine letzte Frage antwortete. 'Sie ist sehr ...' es war gar nicht so einfach, den schnellen leisen Worten die richtige Bedeutung zu zuordnen. Aber dann ? In leisem Unverständnis zog Tamrin die Stirn kraus und betrachtete Tilla Acai von hinten. Sie war die einzige im Raum, auf die "sie" zutraf. Wie sie nach ihrem Geschrei nun selbst auf den verschüchtert wirkenden Mann zutrat und ihm mit strenger Stimme Fragen stellte. Erst Wut, dann Geschrei, jetzt Strenge...... Begreifen blitzte in Tamrin 's Gesicht auf, welches augenblicklich von einem fragenden Blick auf den Hünen abgelöst wurde. "Lau - nenha - ft ?" wiederholte er fast unhörbar in der noch immer fremden Sprache. Der kleingewachsene Mann hielt der Pfandleiherin inzwischen einige Gegenstände in der Hand vor das Gesicht und Tamrin begann, sich etwas fehl am Platze zu fühlen. Vielleicht lag es an diesem Mann selbst, dass er dieses Gefühl hervor rief. Auf kuriose Weise schien er sich selbst nicht ganz über den Weg zu trauen. Und dem Rest hier drin schon gleich dreimal nicht. Obwohl seine Stimme einen gewissen trotzigen Klang aufwies als er das Wort an Tilla Acai richtete.
    Fragend sah Tamrin Bassam an, bereit sich an dem zu orientieren, was der Hüne tun würde.

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    >> Es ist so schwer, das Glück in uns selbst zu finden, nur leider ist es ganz unmöglich, es anderswo zu finden. <<


    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Bassam erwiderte den Blick Tamrins und zuckte mit den Schultern.
    "Ich denke, wir werden hier nicht weiter gebraucht." Sprach er mit seinem melodischen Bariton.
    "Sollen wir nun die Waffenkammer ansehen?" Fragte er Tamrin und drehte sich wieder nach hinten ab, darauf bedacht, dass der junge Mann ihm folgte.


    Zwei Türen weiter standen sie vor einer engen Kammer, ohne Fenster. In mehreren Regalen lagen hier die unterschiedlichsten Klingen. Manch eine eingehüllt in feines Leinen, mit juwelen besetzten Scheiden, genügend aber auch einfach wahllos und ohne weiteren Schutz in eine der Ecken abgestellt.


    Tilla hingegen musteterte derweil Klivv weiter. Das, was der Rattenmann in seiner Handfläche hatte, war bei weitem nicht so uninteressant, wie die Mißgeburt.
    Einen Augenblick bedauerte Tilla, dass Bassam sich schon wieder auf gemacht hatte. Er hatte ein untrügbares Gespür für Schmuck. Andererseits kannte auch Tilla sich auf dem Markt aus und sie hatte nicht das Gefühl, dass Klivv jemand war, der groß zu feilschen dachte.
    Im Gegenteil. Wahrscheinlich ließ er schon alles fallen, wenn sie einmal laut "Buh" rief.


    Mit spitzen Fingern nahm die Pfandleiherin den Silberreif in die Hand. Tatsächlich schien dies das wertvollste Stück in der kleinen Sammlung des Rattenfängers zu sein. Tilla hielt den Reif in die Nähe einer Lichtmuschel, kratzte etwas Schmutz ab (sie wollte gar nicht wissen, WAS für Schmutz der Reif in der Kanalisation angesetzt hatte) und legte ihn probehalber an.
    Wenn man erst den Dreck aus den Korallenarmen gekratzt hatte und etwas Polierarbeit geleistet hatte, wäre alleine schon dieser Reif doppelt soviel wert, wie von Klivv gefordert.
    Der Rest hingegen schien wertloser Tand zu sein.


    "Nun, Klivv... mein Name ist Tilla Acai." Begann sie zu erklären. "Ihr befindet euch in einem Pfandleihhaus. Und das bedeutet soviel, dass ich Gegenstände nur aufbewahre und sie nur veräußer, wenn ich meinen Pfand nicht wiederbekomme." Belehrte sie ihn weiter, nicht sicher ob der Kurzgewachsene überhaupt den Sinn eines Pfandes verstand.
    "Ich bin kein Trödelhändler und erst recht niemand der Kuriositäten vertreibt. Dennoch..."


    Tilla sah vor ihrem geistigen Auge abermals eine mißgestaltene Ratte in den Händen einer adeligen Dame.. "ihr sollt einen Dukaten für eure Schmuckstücke bekommen. Wenn ihr mir die Ratte dazu gebt."
    Als wenn sie keine Absage erwarten würde, schritt Tilla zur Kasse und nahm ein Geldstück heraus, bereit es Klivv in die Hand zu drücken.

  • Erst als der Hüne endlich den Raum verließ, bemerkte der eingeschüchterte Klivv, dass hinter ihm auch der vermeintliche Kunde von vorhin gestanden war. Zu viele Leute, das hatte er ja gleich befürchtet. Hörbar atmete der Rattenfänger aus, als sie ihn nun endlich wieder mit der Verkäuferin alleine ließen. Wie er bereits angenommen hatte war das größte Stück am wertvollsten, denn Tilla begutachtete dieses am genausten.

    “Sehr erfreut“, nuschelte er eine für ihn bedeutungslose Floskel, die er nur aus Gesprächen anderer Leute kannte, als sie ihren Namen nannte und lauschte aufmerksam ihrer Erklärung. “Macht also keinen Unterschied, solange ich das Geld behalte“, folgerte er schließlich. Und er kam ohnehin selten in die Verlegenheit am Nachtmarkt keine Käufer zu finden. Meistens gab er seine Stücke an den ersten, der überhaupt etwas dafür bot, um nicht mit mehr Menschen als nötig in Kontakt treten zu müssen…

    Dass die Frau die Ratte nun ganz plötzlich doch haben wollte, nahm Klivv mit einem wissenden Lächeln auf. Sie musste von Anfang an begriffen haben, dass das Tier durchaus einen Dukat wert war und alles Weitere war nur Verhandlungstaktik gewesen. Nun, an dem unnützen Glitzerzeug als Dreingabe sollte es nicht scheitern. “Abgemacht!“, meinte er und streckte die schmale Hand aus – nach dem Gold natürlich und nicht in Erwartung sie würde ihm die ihre reichen. “Bei Bedarf an mehr Ratten jeder Zeit. Normale Tiere meistens nur, für fünf Pfenning, drei für Tiere ohne Schwanz.“ Schließlich zahlte da die Stadt ihren Teil. Dass er auch Glitzerzeug mitbringen würde, um sich die Geschäftsfrau gewogen zu halten, verstand sich von selbst. “Keine Sorge, alles gut gewaschen.“, fügte er hinzu, als er Tilla die Schüssel mit ihrem grausigen Inhalt erneut überließ.

  • Der Hüne schien seinen Blick zu fühlen. Achselzuckend bestätigte er Tamrin's Gefühl, dass die Situation im Verkaufsraum nun jedenfalls wieder den gewöhnlichen Verlauf nahm. Der zweite Satz erschloss sich dem jungen Mann nicht, aber 'wir' genügte ihm vollauf, um ohne Umschweife gemeinsam mit Tilla's Mitarbeiter den Raum zu verlassen. Vorbei ging es an der Bank mit den violetten Bezügen durch eine weitere Tür. Staunend fand Tamrin sich in einer kleinen Kammer wieder, in der sich ein beachtliche Anzahl von Schwertern, Säbeln und Degen gesammelt hatte - manche eher gewöhnlich, andere auf den ersten Blick als sehr wertvoll zu erkennen. Und er begriff, warum Bassam ihn hier her geführt hatte. Er sollte sein eigenes Schwert hier dazu legen dürfen. Das hatte er gewollt, überhaupt nur deshalb hatte er heute gegen Mittag die Pfandleihe betreten. Er sollte froh sein. Auch darüber, dass die Pfandleiherin seinen Botendienst dann wohl für brauchbar befunden hatte. Und doch ...... zögerte er etwas.
    Sein Blick glitt über die Waffen. "Bassam ?", fragte er leise, aber in der stillen Kamme war es dennoch gut zu verstehen. "Tilla Acai..... würde sie mich...." betrügen, wäre das passende Wort gewesen, welches Tamrin in Beleriarnai jedoch noch nicht unter gekommen war bislang. So überlegte er hastig und es fiel ihm eine Umschreibung seiner Heimat ein, deren Wörter er kannte "....hinter Licht führen ? Glaubt Ihr das ?" Er wandte sich um und sein Blick suchte die Augen des älteren Mannes.

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Sanft legte sich die Hand des Djirin auf Tamrins Schulter. Bassam sah dem Schwarzhaarigen in die Augen und sprach dann leise:


    "Was Tilla Acai tut oder läßt, ist nicht immer Recht. Aber dennoch ist sie einer der gerechtesten Menschen, die ich kenne." Er machte eine kleine Pause und ordnete einige Dolche neu, bevor er fortsetzte:
    "Sie hat ein offenes Ohr für jede Notlage, weiß es, wenn jemanden besonderes Leid erfahren hat. Und auch wenn viele über ihren Zinssatz schimpfen, so richtet er sich doch immer an der Lage des Einzelnen." Bassam sah über die Schulter in Richtung des Vorkaufsraums, auch wenn er ihn von der Stelle aus nicht einsehen konnte.


    "Es würde mich nicht einmal wundern, wenn der Fremde am Ende des Tages noch eine warme Mahlzeit und einen scharf geschliffenen Dolch zum Ratten erlegen bekommen würde."


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    "Habt Dank für.. ähm.. euer Angebot. Aber der Bedarf an Ratten ist bei meinen Kunden doch eher.. gering." Tilla versuchte sich an einem Lächeln, welches jedoch am Ende mehr gequält als echt wirkte. Aber alleine die Vorstellung, Klivv könne in Zukunft ihre Leihe als Kühlhaus für Rattenleichnahme verstehen, ließ ihr die Nackenhaare zu Berge stehen.


    Sie gab Klivv das Geldstück und nahm dafür die defekten Schmuckstücke in die Hand. Tatsächlich wollte sie gar nicht wissen, womit Klivv sie gewaschen hatte.
    Aber vielleicht konnte wenigstens Vidd mit den Einzelteilen etwas anfangen.

  • “Ratten sind widerliche Viecher“, gestand Klivv ein. “Hat seinen Grund, dass ich sie Jage. Hat seinen Grund, dass man mich bezahlt. Die hier ist aber was Besonderes. Dieser Kopf und der Körper“, der kleine Mann fuhr besagte Partien mit einem ausgeprägten Fingernagel nach, “weiblich und trächtig. Der Kopf hier, der Bruder. Hab ich noch nie gesehen.“

    Mit einem Schulterzucken tauschte er den Schmuck gegen die Münze und ließ diese in einem weiteren Beutel aus Rattenfell verschwinden. “Brauch Euch wohl auch nicht mit Glitzerzeug zu behelligen“, stellte er fast bedauernd fest. Am Ende hatte sich Tilla doch noch als gute Geschäftspartnerin für einen Oberflächenbewohner erwiesen. Erst das Geschrei, dann jedoch weniger Vorurteile, als er andernorts hätte überwinden müssen. Vielleicht würde er mal etwas finden, das sie wirklich interessieren würde – auch wenn er keine Ahnung hatte, was das sein sollte. “Sollten die Biester mal Probleme machen, gebt Bescheid. Für ein paar Münzen findet sich immer jemand der mich findet.“ Leider hätte er in manchen Fällen hinzufügen mögen.

  • Fast mitleidig sah Tilla Klivv an.
    "Mit Glitzerzeug könnt ihr Frauen wie Ratten fangen. Doch seid ihr auch da bei Rumpelberg besser aufgehoben."
    Sie schüttelte sacht den Kopf. Hehlerware war eine Sache. Trödel eine andere. Tilla hatte nicht vor, zukünftig Ramsch zu verkaufen.


    Dennoch hatte sie das Gefühl, dem Mann irgendetwas Nettes sagen zu müssen. Trotz der Ratte. Trotz dem unpassenden Auftritt. Und trotz seinem Äußeren, dass das totale Gegenteil von Tilla widerspiegelte, die man nie ungeschminkt sah.
    Oder vielleicht gerade deswegen.
    "Danke, Klivv. Ähm.. sollte ich eure Hilfe brauchen, werde ich sie dankend annehmen. Und solltet ihr jemals Geld brauchen, dann.. nun.. mich findet ihr immer hier."

  • “Um Glitzerzeug loszuwerden, muss ich nicht nach oben“, meinte Klivv in einem Tonfall, der nahe legte, dass er keine Ahnung hatte warum das so war. “Und Frauen fangen ist nichts für einen wie mich.“ Mitleidige Blicke konnte man sich schließlich auch einhandeln ohne sich dafür auch noch ins Zeug zu legen.

    Tillas Angebot war sicher nett gemeint, aber für den Rattenfänger nicht wirklich brauchbar. “Geld ist nie mein Problem.“, meinte er erneut in diesem fast bedauernden Tonfall. Auf seine eigene verschrobene Weise war er tatsächlich ein vermögender Mann. Als er diesmal einen Beutel klingen ließ, hörte es sich nach praller Münze an. “Ihr glaubt nicht, was man da unten alles findet. Hab nicht viel davon dabei. Kann’s nicht zeigen. Kann’s nicht brauchen. Mach’s zu Geld.“

  • Erstaunt hob Tilla eine Augenbraue.
    Ob Klivv tatsächlich vermögend war? Wenn, dann wäre es ihm gut geraten, er würde ein paar der Münzen in neue Kleidung stecken. Oder einen Haarschnitt. Oder wenigstens einem Stück Seife.


    "Nun.. dann..." Tilla wußte nicht, was sie dem kauzigen Kerl noch mit auf dem Weg geben sollte. Sie legte die kaputten Schmuckstücke in ein Körbchen und deckte die tote Ratte wieder ab. Widerlich. Ob sie es wirklich fertig brachte, sich mit diesem Vieh für die Unannehmlichkeiten des heutigen Tages zu revanchieren? Vielleicht sollte sie gleich Klivv....


    "Sagt, wäred ihr dennoch an einem weiteren Dukaten interessiert? Ich habe da eine Freundin, die würde das Tier mit Sicherheit gerne begutachten..."

  • Klivv zögerte. Mit dieser Frau hatte er inzwischen mehr geredet, als sonst in einer ganzen Woche, und das wusste er zu schätzen. Er hatte kein also kein Problem damit ihr einen Gefallen zu tun. Dieser Auftrag bedeutete für ihn jedoch in erster Linie weitere Begegnungen mit weiteren Leuten. “Ein Botengang sollte nicht mehr als einen Silberling wert sein“ Oder wollte Tilla ihn etwa in eine üble oder gar gefährliche Gegen schicken? Nun, damit konnte er umgehen. “Ich muss dafür die Stadt dafür nicht verlassen?“, erkundigte er sich misstrauisch. “Ich gehe hin, gib ihr die Ratte und bin wieder weg. Alles schnell und einfach für einen Taler.“

    Sei nützlich und nimm nicht zu viel. Dann lässt man Dich vielleicht die meiste Zeit über in Ruhe. So hatte er es gelernt und bisher immer gehalten.

  • "Es wird ein besonderer Botengang." Antwortete Tilla und griff sich Feder und Tinte.
    Dann schrieb sie in geschwungenen Buchstaben,


    Teure Amelia Imarkar,


    für Eure unglaubliche Mithilfe möchte ich mich tausendfach bedanken.
    Die Ohrringe, die versehentlich in dem Schmuckkästchen gelandet sind, waren Erbstücke einer reichen Familie eurer Nachbarschaft und 2 Golddukaten wert.


    Da dieses Missgeschick aber sicherlich auch in meiner Verfehlung begründet lag, möchte ich euch ein Angebot machen. Lasst mir 1 Golddukaten zukommen. Den zweiten gebt ihr dem Überbringer dieser Nachricht.
    Er ist ein wertgeschätzter Rattenfänger in Nir'alenar.
    Diese Plagegeister werden immer abscheulicher. Seht nur, was der gute Herr bei mir gefangen hat!
    Es ist mir somit eine große Freude, einer so freundlichen Schlossherrin wie euch zu einem ungezieferfreien Haushalt zu verhelfen.


    Ehrerbietenste Grüße
    Eure Tilla Acai
    Pfandleiherin


    Mit schneller Schrift fertigte Tilla den Brief und erklärte Klivv währenddessen ihr Ansinnen.
    "Seht bitte im Schloss Imarkar nach dem Rechten. Zeigt der Herrin dieses Prachtexemplar eine Missgeburt. Sie soll es sich genau ansehen - denn ich bin mir sicher, im Schloss laufen noch mehr dieser... irregeleiteten Wesen umher."


    Als die Dunkelhaarige den Brief unterzeichnet hatte, suchte sie ein schmuckloses Holzkästchen hervor. Mit spitzen Fingern bettete sie die Ratte hinein, verpackte dann alles ordentlich und überreichte es Klivv.


    "Die Stadt müßt ihr nicht verlassen und sonst nur eure Arbeit tun. Die gefangenen Ratten dürft ihr natürlich verkaufen." Tilla versuchte mit den Augen zu klimpern, nur um sich im selben Augenblick sicher zu sein, dass ein Mann wie Klivv durch soetwas nicht zu beeinflussen war.

  • Klivv ließ die Pfandleiherin ihren Brief schreiben ohne auch nur einen Versuch zu machen einen Blick auf dessen Inhalt zu erhaschen. Wieso auch? Die Schrift dieses Landes war ihm so fremd, wie die Kunst der Verführung. Bei Tillas Erklärung, die folgte, runzelte er skeptisch die Stirn. “Ihr sprecht von normalen Ratten“, mutmaßte er schließlich. Wenn er in zehn Jahren in der Kloake nicht mehr als eine solche Missgeburt zutage gefördert hatte, glaubte er kaum dass es in irgendeinem Schloss gleich mehrere dieser Tiere gab.

    Ansonsten hörte sich der Auftrag jedoch einfach genug an und keineswegs besonders, wie zuvor angekündigt worden war. Zudem lockte die Aussicht, dass der kleine Mann dort das würde tun können, in dem er am besten war. “Abgemacht, Eure Freundin soll ihr Päckchen noch heute Nacht erhalten. Hat keinen Zweck den Ratten Zeit zu geben sich weiter auszubreiten“, erklärte er sich deshalb bereit und bemühte sich dabei um seinen redlichsten Blick. Leider bekam seine Auftragsgeberin davon wohl nichts mit, weil ihr offenbar gerade in diesem eine Wimper ins Auge geraten war.

  • Es hatte Überwindung gekostet, seinen Befürchtungen Ausdruck zu verleihen. In den Augen des Djirin suchte Tamrin nach der Antwort. Die Anspannung fiel von ihm ab, da der Hüne ihm beruhigend die Hand auf die Schulter legte anstatt sich über die unschickliche Frage zu seiner Arbeitgeberin zu erzürnen. Mehr, als dass Tamrin die Worte verstehen konnte, die Bassam sprach, obwohl er durchaus einige verstand und damit auch die Kernaussage der Worte erraten konnte, überzeugte ihn das Gebaren des anderen. Leise und bedächtig wählte Bassam seine Worte und in völlig überflüssiger Weise sortierte er einige schon vorher ordentlich da gelegene Dolche neu. Die leise Verlegenheit, die diese Geste ausstrahlte, während der Hüne sich über die Pfandleiherin äußerte, machten seine Worte für Tamrin glaubhafter als jede überschwängliche Beteuerung von ihrer Ehrenhaftigkeit es vermocht hätte.


    Als Bassam den Blick zurück in Richtung des Geschäftsraum richtete, hatte Tamrin sich entschieden. Wenn der ernste Hüne Tilla Acai für vertrauenswürdig hielt, wollte er ihm glauben - und sich redlich bemühen, der Pfandleiherin keinen Anlass zu geben, etwaige Launen an ihm auszulassen.
    Unaufwendig und elegant löste der junge Mann die Verschnürungen der Schwertscheide und nahm sie mitsamt seinem Schwert vom Rücken. Kurz sah er sich um und legte sie dann sorgfältig, fast als sei sie ein lebendes Wesen, an einen leeren Platz nahe der Eingangstür. Zögernd ließen seine Hände von ihr ab und die rechte glitt unbewusst in eine Falte seines Umhangs und umklammerte die Phiole. Nein, dazu konnte er sich noch nicht überwinden, diese aus der Hand zu geben .... vielleicht später ......
    Tamrin wandte sich Bassam wieder zu und lächelte zaghaft. "Verzeiht bitte diese Frage." sagte er und neigte den Kopf. "Ich danke Euch sehr!" Noch einmal tief durchgeatmet, fühlte Tamrin sich bereits wieder gelöster und wartete, ob Bassam noch etwas sagen wollte oder ob sie wieder zurück ins Hinterzimmer gehen würden.

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • "Fantastisch!" Antwortete Tilla, vermied es aber Klivv die Hand zu reichen. Die Abmachung mußte auch auch Handschlag gelten. Und immerhin würde Klivv sein Geld ja erst von dem Schloßdrachen bekommen.
    Tilla fühlte Genugtuung in sich auf steigen. Nein, eigentlich hatte Amelia ihr nichts getan. Aber die Abfälligkeit tropfte geradezu aus den Worten in ihrem Brief. Und wenn Tilla eins nicht leiden konnte, dann das man sie abfällig behandelte. Sie war schließlich eine Acai mit Stil und Geschmack und einem ehrlichen Gewerbe. Keine adeliges Püppchen, das noch nie den Finger krumm gemacht hatte.


    "Habt Dank und seid euch sicher, ich werde nach euch rufen lassen, sollten hier irgendwo Ratten auftauchen." Bei Eriadne, lass den Tag bloß nie kommen.


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    Bassam nickte nur besonnen und schloß den Raum mit den Waffen ordentlich ab, nachdem Tamrin sein Schwert untergebracht hatte.


    "Kommt, es ist schon spät und euer Tag war sicher lang. Trinkt noch einen Tee mit mir, solange der Rattenfänger mit Tilla spricht. Und dann ist es wohl an der Zeit, dass wir alle nach Hause gehen."
    Bassam war sich nicht sicher, aber sein Zeitgefühl sagte ihm, dass der Mond schon hoch am Himmel stehen musste und die meisten ehrbaren Bürger Nir'alenars ihren Kopf schon auf ein Kissen gebettet hatten.

  • Aufmerksam sah Tamrin zu, wie Bassam die Kammer wieder verschloss - das innere Einverständnis mit seinem Handeln blieb und so folgte er dem Hünen recht zufrieden zurück zu der Bank. Sein Tee war nicht mehr ganz warm, aber immer noch lecker, und tat ihm gut. Es war tatsächlich ein langer Tag gewesen von den letzten frühmorgendlichen Arbeiten in seinem Zimmer über den Weg nach Imarkar bis hier her an diesen Tisch. Tamrin begann sich auf seine erste Nacht in seiner neuen Bleibe zu freuen. Fast ein wenig drängend blickte er die Tür zum Verkaufsraum an. "Glaubt Ihr, Tilla Acai hat noch ein wenig Zeit, Bassam ? Eine Frage nur ?" wandte er den Blick wieder zu dem Djirin. Da gab es immer noch den prallen Beutel mit 10 Goldmünzen darin.

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    Nicolas Chamfort, 1741 - 1794

  • Klivv war fort und so atmete Tilla einmal tief durch.
    Was für ein seltsamer Besuch am späten Abend. Ob nicht vielleicht doch für Schwarzzeh arbeitete und diese seltsame Drohung ab absurdum geführt hatte?
    Welcher der Götter wusste das schon. Am Wichtigsten war, dass diese Missgeburt von Ratte nicht mehr in ihren Räumen war. Tilla musste dringend den verschütteten Alkohol aufwischen. Und vor allen Dingen die Schuhe wechseln.


    Seufzend schlüpfte sie aus dem hohen Schuhwerk und wurde gleich 10 Zentimeter kleiner.
    Auf nackten Füßen lief sie in die hinteren Räume, in denen Tamrin und Bassam bei Tee zusammen saßen.
    "Ich denke, sie hat die Zeit." Brummte Bassam auf Tamrins Frage und nippte erneut an seinem Tee, während Tilla sich neben Tamrin auf die lila Bank fallen ließ.


    "Ich weiß nicht, ob die Schlossherrin so unfreundlich zu euch war, wie es der Brief mich glauben ließ.." schmallippiger Oberprimat
    ".. aber jetzt bekommt sie gleich eine Überraschung, mit der sie sicher nicht gerechnet hat." Tillas Augen funkelten vor Vergnügen und einige Trauben wanderten schnell in ihren Mund.

  • Tamrin machte große Augen als Tilla Acai in das Hinterzimmer herüber kam. Sie war eindeutig geschrumpft. Erst als sie neben ihm auf der Bank Platz nahm, bemerkte er, dass sie barfuß war. Bassam brummte etwas von Zeit haben, Tamrin nahm hastig den Blick unter dem Tisch hervor, fühlte sich aber etwas besser, nun, wo die Pfandleiherin nicht mehr so unnahbar und streng wirkte, wie zuvor. Aber wer wirkte schon so mit nackten Füßen. Kurz kramte er in seinem Gedächtnis, schüttelte dann sacht den Kopf. "Ich weiß gar nicht, ob sie besonders unfreundlich war...", sagte er dann langsam. "Aber sie schien mir unleidlich wie eine aufgeschreckte Giftschlange als es nicht nach ihrer Nase ging. Kurz. Urplötzlich wirkte sie wieder oberfreundlich." Schmunzelnd sah er Tilla Acai an. Sie wirkte, wie eine zufriedene Katze vor einem großen Napf Sahne, bei ihren Gedanken an die schwarzhaarige Schloßherrin. "Was habt Ihr getan ?", fragte er neugierig.

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  • Tilla zuckte mit den schmalen Schultern. "Nicht viel, ich habe ihr die Dienste des Rattenfängers aufgedrängt und als Empfehlung seine Mißgeburt mitgeschickt."
    Noch eine Traube wurde von der Dunkelhaarigen verspeist.
    "Die werte Schloßherrin meint offensichtlich, dass man jeden Kaufen kann und das jeder nach ihrer hochwohlgeborenen Nase tanzen muß."
    Tilla lächelte genüßlich. "Da mußte ich ihr doch dieses kleine Geschenk machen." Sie zwinkerte Tamrin zu und war offensichtlich das erste Mal an diesem Tag wirklich gelöst und zufrieden.


    "Seid ihr mit dem Lagerplatz für euer Schwert einverstanden? Wollt ihr die Vereinbarung daheim unterzeichnen?" Tilla holte hinter sich einen Block hervor, riß ein Blatt ab und reichte es Tamrin.
    Rigun Binder hatte ihr den Quittungsblock mit den üblichen Pfandfloskeln bedruckt.

  • Wie schon am Vorabend war Klivvs Klopfen recht zaghaft. Immerhin hatte er sich diesmal schon früher zur Pfandstube gewagt, denn Aufgaben, die ohnehin erledigt werden mussten, vor sich herzuschieben, brachte ziemlich wenig. Und verglichen mit der Rattenjagd für diese Schreckschraube kam ihm dies hier wie der reinste Spaziergang vor.

    Behutsam öffnete er die Tür, steckte den Kopf in den Verkaufsraum und obwohl die Beleuchtung weit davon entfernt war blenden hell zu sein, kniff er die Augen zusammen. “Bringe Antwort von dieser, dieser…“ Ihm wollte einfach kein passendes Wort für die Adelige einfallen und einen Hauptteil ihres Paketes hatte er ohnehin in einem Nachttopf vor dem Eingang stehengelassen. Angesichts des Inhalts würde es sich selbst der niederste Dieb der Stadt dreimal überlegen ihn mitzunehmen. “Und für diese Frau muss ich jetzt arbeiten“, klagte er und schüttelte sich dabei. “Zum Glück will sie mich dazu nicht im Schloss sehen, will ihr gar nicht mehr über den Weg laufen.“

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