[Caraska] Im Abgrund einer dunklen Stadt

  • Für einen kurzen Augenblick bekam Uera das Gefühl, dass sein Blick geradewegs durch sie hindurch ging, als habe er sie gänzlich aus dem Fokus verloren. Unvermittelt erhielten die fremdartigen Augen eine fast schon entsetzte Qualität, fast als sähe er ein Gespenst, dort wo doch nur ihr magerer Körper saß. Uera blinzelte. Er musste ein paar wirklich kräftige Schläge auf den Kopf abbekommen haben.
    Als sein Blick ins Hier und Jetzt zurückkehrte, hatte sich seine Stimmung deutlich verschlechtert. Tonlos und mit knirschenden Zähnen sprach er zu ihr. 'Welche Bedeutung soll das haben? Jetzt bin ich nichts anderes, wie Ihr auch.'
    Falsche Antwort, bedauerte die Yassalar und auch sie war versucht, die Zahnreihen aufeinander zu schlagen und verächtlich zu zischen, doch sie blieb ungerührt sitzen, entgegnete seinen grimmigen Blick mit einem gefährlichen Glanz in den Augen. Du bist nicht wie wir. Nicht in geringster Weise … wir befinden uns lediglich in der selben misslichen Lage, törichte Eidechse.


    Sie ließ ihn zu Ende sprechen, gestattete ihm, sie grollend zu mustern. Er gab sich unbeugsam, sprach mit fester Stimme davon, dass er nicht aufgeben würde, bevor er freikam. Uera gefiel seine Einstellung, doch die Art und Weise in der er sprach, ließ sie hinter ihrer weißen Stirn leise lachen. Irgendwann gab jeder auf und auch sie spürte längst, dass es Zeit wurde, diesen Ort zu verlassen.
    456 Tage hatte sie in diesem Loch ausgeharrt, standgehalten, hatte jede verfügbare Minute dazu genutzt einen minuziös ausgefeilten Plan zu erschaffen, ihn bis ins letzte Detail auszuarbeiten. Sie war vorbereitet. Der richtige Tag würde bald anbrechen. Und dann würde sie triumphieren, zumindest war das der Plan.


    Keine persönlichen Fragen … bildete sich der Schuppenmensch ein, er bestimme die Regeln? Ihr fiel nicht ein, warum sie sich daran halten sollte … wenn ihm Antworten auf seine Fragen wirklich so viel wert waren, würde er schon beikommen. Und sie würde erfahren, was er für ein seltsames Geschöpf war, wenn er es denn selbst wusste.
    Uera begann zu mutmaßen, dass ihr Gegenüber nicht mit den Umgangsformen der unteren Schichten vertraut war, er wirkte so kultiviert als stamme er aus einem der dünnblütigen Adelsgeschlechter der Trockenen. Vielleicht würde ihn bald jemand freikaufen? Für einen privaten Tiergarten vielleicht?
    Gerade wollte sie darüber hämisch auflachen, doch dieser eine, bohrende Gedanke in ihrem Kopf ließ nicht locker, drängte sich auf, zwang sie dazu, ihre Idee erneut zu überdenken und den Spott erneut fallen zu lassen. Seine Hände waren derart fest um die Eisenstangen geschlossen, dass die Fingerknöchel weiß schimmerten. Mit genügend Kraft wäre er sicher ausgestattet ...
    Doch wenn er nichts verraten wollte, würde sie sich selbst zusammenreimen müssen, ob er auch nur einen einzigen weiteren Gedanken in diese Richtung wert war.


    "Dein Wort? Ein Wort, das … genau was wert ist?", hakte sie nach und schüttelte sachte den Kopf, woraufhin ihr silberne Haarsträhnen ins Gesicht fielen, und führte mit ihrer Hand eine wegwerfende Geste aus. Sie erwartete keine Antwort, denn sie konnte sie sich selbst geben. Uera machte sich keine Illusionen, schon lange nicht mehr. Wenn er wollte, würde sie ihm tausende Worte geben ... und jedes davon ohne zu Zögern brechen.
    Doch wie du mir, so ich dir., dachte sie bei sich und ihr Blick fiel beinahe desinteressiert von ihm ab, als wüsste sie bereits, was als nächstes kommen würde, richtete sich auf den Lichtstrahl in ihrer Zelle. Der längliche Lichtpunkt war näher an sie herangekrochen, berührte mittlerweile fast ihre nackten Füße. Sie zog sie ein wenig näher an sich heran. "Frag deine Fragen.", sagte sie trocken, musterte den schmutzigen Boden um ihre Füße herum. "Wenn sie Bedeutung haben und nicht persönlich sind." Ich werde sehen, ob ich sie wahrheitsgemäß beantworten will.

  • Erneut schwieg die blasse Gestalt als Antwort - lange und beinah völlig bewegungslos. Nur in ihren Augen glomm ein Funkeln auf, dass Khoor zur Vorsicht mahnte. Er hätte gern gewusst, welche Gedanken sie hinter dieser glatten Stirn bewegte. Er war erleichtert gewesen, dass sie noch über ihren Verstand gebot, doch bekamen diese Pausen langen Schweigens dadurch eine ganz neue Qualität. Khoor fragte sich, ob sie sich womöglich so fast betont gleichgültig gab, um ihn aus der Reserve zu locken ? Ob sie Spielchen mit ihm trieb ? Fast hätte er abermals zornig aufgeschnaubt. Wie töricht sie doch hier oben waren. Und wie viele Beleidigungen würde er wohl noch ertragen müssen an dieser ........ Oberfläche ?
    Es kam Khoor gar nicht in den Sinn, welch unverschämtes Glück er hatte, ausgerechnet an diesem Ort auf jemanden zu stoßen, der geistig wie körperlich noch gesund genug war, um eine solche - in seinen Augen - Unverschämtheit zu begehen. In Khoor's Gedanken- und Vorstellungswelt existierte das Wort Resignation nicht - kein verzweifeltes Aufgeben oder sich Gehenlassen geschweige denn, darüber den Verstand zu verlieren. Es gab nur Aufgaben und Pflichten - und man war erfolgreich darin oder man starb. Wer auch könnte die Schande ertragen, über einem Schicksalsschlag seine Aufgabe zu vergessen ?


    "Mein Wort ist mein Leben." Khoor's Stimme war dunkel vor unterdrückter Wut. Die Frage allein war schon schlimm - die abwertende Handbewegung ....... nahezu unerträglich. Im inneren Aufruhr entging ihm völlig, dass die Stange aus Licht ganz langsam und allmählich über den Zellenboden seiner Gesprächspartnerin gekrochen war. Es kostete ihn übermächtige Willensanstrengung, sich darauf zu konzentrieren, was er denn nun eigentlich von ihr wissen wollte, nachdem sie ihn zuletzt doch aufforderte, seine Fragen zu stellen. In der stummen Auseinandersetzung mit sich selbst suchte sein Blick den schmutzig kargen Boden zwischen ihren beiden Zellen. "Bevor ich hier erwachte ..." begann er langsam und mühevoll. ".... war da ein Raum. Ich lag auf dem Boden, direkt neben einer offenen Feuerstelle. Ein wuchtiger Schreibtisch versperrte mir den Blick, der Raum war nicht groß." Khoor bemühte sich, das leise Grollen aus seiner Stimme heraus zu halten beim Gedanken an zahllose Hände, die ihm seine Kleider vom Leib rissen und nach seinen wenigen Habseligkeiten durchstöberten. "Zuletzt erinnere ich mich an einen Mann. Er sagte, er würde wieder kommen. Wisst Ihr, wer er sein könnte ? Und wie lange es wohl dauern wird bis er wieder erscheint ? Ich hörte, dass es Gesetze und Richter gibt, die darüber entscheiden, ob jemand in einen Käfig gesperrt wird. Warum bin ich dann hier ? Oder wird dieser Richter erst noch kommen ? Ist es dieser Mann ?" Es kostete den Drak'khir einiges an Anstrengung, seine Erinnerungen an die Nacht mit dem in Verbindung zu bringen, was er während seiner Ausbildung über die Verhältnisse auf der Oberfläche gelernt hatte. Von zahlreichen Gefahren und Risiken hatte er gehört. Aber die Möglichkeit, wegen Gesetzesverstößen eingesperrt zu werden, war ihm undenkbar erschienen. Die Gedankenmühle bewirkte jedoch, dass sein Zorn sich legte. Er war nur hinderlich, wenn er hier heraus wollte.
    Khoor's Blick hob sich wieder zu der weißen Frau empor. Ob sie diese Fragen wohl beantworten konnte ? Erwartungsvoll musterte er sie und fragte sich, ob sie sie wohl als beantwortungswürdig erachten würde.

  • Ohne den Kopf zu drehen, warf sie einen skeptischen Blick auf den Geschuppten. Sein Wort, sein Leben? Die Dunkelheit in seiner Stimme und die mühsam zurückgehaltene, kochende Wut darin ließ Ueras Kopfhaut unangenehm prickeln. Etwas in dem sonoren Vibrieren dieser Stimme machte der Yassalar klar, dass es sein voller Ernst war, so sehr sie sich anstrengte, den Worten keinen Glauben zu schenken. Wenn ihm ein Versprechen so viel wert war, würde er es ihr sicherlich nicht mit Leichtigkeit geben. Doch wenn es erst ausgesprochen war ...
    Ein funkelndes Lächeln ließ ihre Eckzähne aufleuchten, doch es verblasste zunehmend, sobald er damit begonnen hatte, langsam und mühsam weiterzusprechen und eine Frage nach der nächsten in den Raum stellte. Am Ende war nichts mehr davon zu sehen und sein erwartungsvoller, sie musternder Blick glitt spurlos an ihren eisigen Zügen ab.


    Die Beschreibung des Raumes, die er ihr gab erinnerte sie blass an etwas. Ein wuchtiger Schreibtisch, ein offenes Feuer … es klang ein wenig nach dem Raum, in dem man sie damals 'verhört' hatte, in dem ihre Taschen geleert und ihr sämtliche brauchbaren Gegenstände abgenommen worden waren. Inklusive ihrer mühevoll zusammengeklauten Kleidung, was sie noch immer manchmal mit den Zähnen knirschen ließ. Das einfache Leinenhemd, das sie nun trug, mit seinen zerfransten Kanten und die Hose mit den viel zu kurzen Hosenbeinen, besaßen dagegen eine unangenehme Rauheit, die sich an ihren schwarzen Schuppen rieb.
    Uera beobachtete ihn genau, während ihre bleichen Hände in einer lockeren Faust aneinander rieben, von angestrengten Überlegungen berichteten. Wenn er noch nicht verurteilt war, noch nicht entschieden war, wie lange er bleiben würde … blieb ihr vielleicht nicht viel Zeit! Sie brachte ihr Gesicht nahe an die Gitter, spähte den Gang hinab. Nach einem kurzen Lauschen erhob sie sich geräuschlos und schnell, presste ihren schlanken Körper so nahe an die Gitterstäbe, wie es ihr möglich war. Sogar ihre weiße Wange war an die kühlen Metallstreben geschmiegt.
    "Ich habe keine Ahnung von wem du sprichst … aber wenn sie sagen, sie kommen wieder, tun sie das. Früher oder später.", wisperte sie, hoffend, dass er gute Ohren hatte. Uera pausierte und bewegte sich unbehaglich, warf einen weiteren achtsamen, flüchtigen Blick nach rechts, wo sie noch immer keine verdächtigen Geräusche vernahm. Aber man konnte nie wissen. Ueras helle, feine Brauen waren über den schmutzgrauen Augen fest zusammengezogen und zwischen ihnen formte sich eine steile Falte.
    "Pass gut auf.", zischte sie und blickte tief und mit Nachdruck in die beunruhigend starren Goldaugen ihres Gegenübers. "Ich weiß nicht, wer du bist und warum du hier bist. Aber wenn du auch nur einen Funken Verstand in deinem Schädel hast, dann sieh zu, dass du hier rauskommst. Bevor dieser Mann wiederkommt und deine letzte Chance zunichte macht."
    Ihre Hände schlossen sich fester um die Eisenstäbe und auch ihre Knöchel traten nun weiß hervor, als sie fortfuhr, ihn nicht für einen Moment aus den Augen lassend. Sie holte Luft für die kommenden Worte, die über vieles entscheiden würden. Ob er von selbst darauf kommen würde? Mal sehen, wie viel Grips in diesem trockenen Echsenhirn steckte.
    "Du musst wissen, diese Türen öffnen sich nur zu wenigen Anlässen. Wenn sie dich reinbringen … und wenn sie eines Tages deinen toten Körper wieder rausziehen.", flüsterte sie und ihre klaren Worte waren rasch verklungen. Das Grau ihrer Augen begann, immer heller zu leuchten. "Und … wenn sie dich in der Arena kämpfen sehen wollen."

  • Ihr Gesicht schien zu einer starren Maske erfroren zu sein bei seinen Worten. Khoor zuckte vor innerer Anspannung beinah zusammen als sie sich schließlich doch wieder bewegte, die Fäuste sacht gegeneinander rieb und das Leben in ihre grauen Augen zurück kehrte. Tatsächlich zuckte sein Kopf nach hinten als sie in einer einzigen geschmeidigen Bewegung dicht an die Wand aus Eisenstäben heranglitt und Gesicht und Körper dagegen presste - nicht ohne dass ihr Blick erneut zuvor umher glitt und in den Gang hinein sicherte. Khoor erinnerte sich schmerzlich an die Explosion auf den Sinneszellen seiner Zunge beim Erwachen. Nur einen winzigen Spalt weit öffnete er die Lippen und sog sacht die Luft aus der Richtung des Ganges ein, in die sie lauschte. War dort jemand ?
    Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Wenn, dann befand sich derjenige so gerade eben außerhalb der Reichweite, in der seine Präsenz in der bewegungslosen Luft hier unten noch sicher auszumachen gewesen wäre. Aber WENN da jemand war, dann war derjenige es schon die ganze Zeit gewesen, denn gehört hatte Khoor absolut nichts. Aber eine andere gänzlich unbekannte Präsenz streifte seine Sinne und es dauerte tatsächlich ein, zwei Sekunden, bis dem Drak'khir klar wurde, dass es diejenige seiner Gesprächspartnerin war. Sie war völlig anders als alle Präsenzen, die er bislang hier oben bewusst wahr genommen hatte.


    Er kam jedoch nicht dazu, genauer darüber nachzudenken, was das bedeuten mochte, denn der leicht zwischen den Gitterstäben hindurch gepresste Mund begann zu reden und erhielt unverzüglich all seine Aufmerksamkeit. Die bedurfte ihre sehr leise Stimme auch. Den Mann kannte sie nicht - aber dennoch hatte sie eine Vorstellung, was sein Erlebnis hier bedeuten mochte.
    Die weiteren Worte schienen der weißen Frau Unbehagen zu bereiten. Erneut spähte sie in den Gang und eine ausdrucksvolle Falte entstand auf der zuvor so glatten Stirn.
    So eindringlich war die gezischte Warnung, dass Khoor darüber über die freche Anrede komplett hinweg sah. Starr und ohne Blinzeln hielt er den Blick der grauen Augen. Sagte sie ihm da, dass seine Information über Gesetze und Richter falsch waren ? Und es keine Hoffnung auf Entkommen gab, wenn man nicht selbst dafür sorgte ?
    Nur am Rande war er sich ihrer weißen Finger bewusst, die sich um die Gitterstäbe krallten. Was sagte sie da ? Man kam nur hier heraus, wenn man tot war ?
    Die Gedanken rasten in Khoor's Geist. Sagte sie die Wahrheit ? Die Oberflächler nahmen es sehr häufig nicht all zu genau damit - eine Ungeheuerlichkeit, die Khoor zwar sehr bald erkannt - aber an die er sich wohl niemals würde gewöhnen können. Und wenn er noch 200 Jahre dazu verdammt wäre hier oben herum zu laufen. Andererseits ........... Hatte es den schwarzäugigen Mann interessiert, ob der widerliche Oberflächler mit dem dünnen Bärtchen die Wahrheit gesagt hatte bei seinem jämmerlichen Geschrei ? Nicht mit dem leisesten Anzeichen ! Aber - es war der Schwarzäugige gewesen ..... und Khoor erschauderte innerlich noch immer, wenn er an die magische Klaue dachte, die ihn gepackt und auf die Stelle gebannt hatte. Vielleicht gab es in dieser schmutzigen Stadt so etwas wie Recht und Gesetz gar nicht, wenn man auf offener Straße - noch im Tageslicht - einfach so überfallen und ausgeraubt wurde. Und dann HIER landete, wenn man sich dagegen zur Wehr setzte. Der Gedanke allein verschlug dem Drak'khir den Atem. Wenn es tatsächlich wahr war, was sie da sagte .....


    Der Glanz, der zum Ende in die Augen der silberhaarigen Frau stieg, entging Khoor nicht, denn immer noch starrte er sie mit vollkommen ausdruckslosem Gesicht unentwegt an und trank gierig die Worte aus ihrem Mund, ohne dass etwas von dem eigenen Gedankenkarussell von außen zu sehen gewesen wäre.
    Jetzt - zum Ende - weiteten sich die goldbraunen Augen doch in offenkundigem Unverständnis. Wer sollte ihn kämpfen sehen wollen ? Gegen wen ? Und von was für einer Arena sprach sie da ?
    "Vergebt mir.", begann er, beugte sich etwas vor und passte sich beim Sprechen unwillkürlich der Lautstärke an, die ihre Stimme vorgegeben hatte. "Ich verstehe nicht ganz den Sinn Eurer Worte." bekannte er offen. "Aber wenn ich Euch richtig verstehe, ist diese eine offene Tür der Weg, der hier heraus führt. Nicht wahr ?" Er machte eine Pause und neigte ehrerbietig leicht den Kopf in einer Art und Weise, die sehr an die abgehackte Kopfbewegung einer Eidechse erinnerte. "Doch verzeiht! Ihr seid an der Reihe mir Eure Fragen zu stellen."

  • Die geweiteten Echsenaugen hatten etwas unheimliches an sich und erst jetzt, wo er sie so groß und golden ansah, bemerkte sie, dass er nicht so oft blinzelte, wie es eigentlich nötig gewesen wäre. Sein Kopf bewegte sich ruckartig und doch fließend, gerade wie der einer Eidechse. Was war er nur für ein seltsames Geschöpf? Uera war nicht gerade in einem Umfeld aufgewachsen, in dem man als Kind viele Märchen erzählt bekam … doch gerade aus einem solchen schien der Geschuppte entsprungen zu sein. Vielleicht gab es auf Beleriar noch mehr wie ihn? Sie begann zu befürchten, dass es doch jemanden in der Außenwelt gab, der ihn hier herausholen würde.
    Ueras Lippen zuckten und formten einen etwas säuerlichen Ausdruck, auch wenn sie glaubte, dass er ihre Warnung verstanden hatte. Es war ein Anfang. Er schien zu verstehen, dass es hier nicht darauf ankam, ob man frei von Schuld war. Frei kam hier nur derjenige, der selbst genug Geld hatte, oder der, an dessen Freikommen genügend Interesse von den richtigen Leuten bestand.
    Auf seine Nachfrage nickte sie leicht, fragte sich jedoch im selben Moment, was noch alles hinter seiner Stirn vorging. Sie hätte viel dafür gegeben, genau jetzt in seinen Kopf blicken zu können und zu sehen, wie das Echsenhirn darin auf eine Lösung hinarbeitete. Vor dieser Türe befand sich nur ein karger Innenhof, in dessen Ecken Unkraut wucherte und über dessen hohe Mauern nur wenige Sonnenstrahlen klettern konnten. Manchmal zerrten sie jemanden dort hinaus, wenn er Probleme machte … mit Vorliebe nachts und noch lieber, wenn es regnete. Uera schüttelte den Gedanken energisch ab.


    "Meine Fragen.", begann sie und trat ein wenig von ihrem Gitter zurück um dahinter auf und ab gehen zu können.Weich federte ihr Gang und sie spürte, wie die letzte Steifigkeit aus ihrer Muskulatur verschwand. Sie ließ ihn warten, doch dann blieb sie unvermittelt stehen, drehte ruckartig den Kopf, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Ja, warum nicht einfach fragen?
    "Du bist fremd hier. Du kannst mir nichts von oben erzählen … richtig?", fragte sie und ihre Stimme war eine Spur lauter geworden, blieb jedoch weiterhin gesenkt. Sie lauerte auf eine stumme Antwort auf diese Frage in seinem eigenartigen Gesicht. Dann glitt ihr Blick ein weiteres Mal über seine nicht unbeeindruckende Statur, wanderte zurück zu seinem Gesicht und blieb dort mit einem anerkennenden Ausdruck hängen. Etwas sagte ihr, dass diese Muskeln nicht zur Dekoration gedacht waren.


    "Aber verrate mir etwas … ich kann mich nicht daran erinnern, in Caraska oder an irgendeinem anderen Ort jemals jemanden wie dich gesehen zu haben. Wenn du mir nicht verrätst was du bist, sag mir wenigstens eins: gibt es mehr von deiner Sorte? Wartet man oben auf dich? Und wie war der Name nochmal … Kho – wie?"
    Sie zog die Brauen hoch, starrte ihn mit erwartungsvoller Miene an und wartete geduldig darauf, dass er den Namen für sie vervollständigte. Caraska war nicht nur ein Ort, an dem zügellosen Süchten nachgegangen wurde, sondern auch der Ort, an dem sich die besten Schmiede in ganz Beleriar einen Namen gemacht hatten. Es gab viele Durchreisende und Besucher aus fremden Gegenden. Vielleicht hatte sie seinen Namen ja doch schon einmal gehört?

  • "Khoínoor ... Charad ... dek ... l'Bryre" vervollständigte er Drak'khir den Anfang seines Namens überaus langsam und deutlich, jedes Wort ein schmerzhafter Nachhall in seiner Seele. So viele senkten das Haupt, wenn sie seiner ansichtig wurden und es war seine allerhöchste Pflicht, ihnen allen gerecht zu werden. Khoor war es sehr schwergefallen, zu akzeptieren, dass er auf der Oberfläche ein Niemand war und auch entsprechend behandelt wurde. Nicht, weil er besonders überheblich oder versessen darauf gewesen wäre, aber wer konnte von heute auf Morgen abstreifen, was 50 Jahre lang eine Selbstverständlichkeit gewesen war ? Und hier, an diesem armseligen Ort .... war er noch weniger als ein Niemand.
    "Und ja ! Und ja !"
    Seine Miene verfinsterte sich ein wenig bei den knappen Antworten, wo sie zuvor noch in aufrichtiger Anerkennung das geschmeidige Spiel der Muskeln unter dieser ungewöhnlichen weißen Haut und der etwas schäbigen Kleidung zur Kenntnis genommen hatte, als die Silberhaarige die Gitterstäbe losgelassen und sich im spärlichen Raum der Zelle anmutig und fließend auf und ab bewegt hatte. Das WAREN persönliche Fragen, aber die schlanke weiße Frau war in Vorlage getreten und die Ehre verbot, sie nun vor den Kopf zu stoßen, in dem er die Antworten vollständig verweigerte. Auch wenn sich Khoor nicht erschloss, warum sie dies für wichtig erachtete. Gemessen an den Zahlen der Oberflächenvölker gab es nicht viele Drak'khir, aber es gab sie. Und Khoor verstand besser als je zuvor, warum man keinen von ihnen auf der Oberfläche sah. Dort gab es nichts als das, was jeder Drak'khir hasste und fürchtete. Und in Amediye wurde wohl kaum etwas sehnsüchtiger erwartet als seine Rückkehr. Jeden einzelnen Tag, an dem die Spiegel wieder das Licht über die Narbondel hinweg fluten ließen und ein neuer Tag anbrach unter der Erde.
    Khoor atmete tief durch, um die Gedanken daran zu vertreiben und nickte langsam.
    "Ihr habt Recht: Ich bin fremd hier und es war ursprünglich nicht meine Absicht, diese Stadt aufzusuchen. Aber ich verlor in Sian 'Darai zwei meiner Waffen und man sagte mir, dass diese Stadt berühmt sei für die Kunst ihrer Waffenschmiede. Nur deshalb kam ich her. Die Information war korrekt." Zum ersten Mal seit seiner Festsetzung dachte Khoor an den zwergischen Schmiedemeister. Was würde Meister Xoron von ihm denken, wenn er nicht pünktlich erschien, um seine Sachen abzuholen und ihn zu entlohnen ? Azar ... seine Sachen ..... das Amulett ....
    Khoor's Miene wurde entschlossen. Es musste einen Weg hinaus geben !
    "Sagt mir mehr über diese Arena!", nahm er seinen eigenen Fragestrang wieder auf. "Was steht zu erwarten, wenn diese Tür..." sein Kopf zuckte in Richtung seiner eigenen Zellentür " ... sich dafür öffnet ?"

  • Aufmerksam lauschte Uera seinem Namen und prägte sich seinen seltsamen Klang ein, der sie an keinen bestimmten Ort und keine Sprache erinnerte, die sie jemals vernommen hatte. Zähneknirschend nahm sie zur Kenntnis, dass er keinesfalls in der selben Situation war wie sie. Sie wurde von niemanden an der Oberfläche vermisst, höchstens wegen irgendeines Verbrechens gesucht, doch auch das schien keinen dazu zu motivieren, in den Verließen Caraskas nach der Diebin zu suchen. Verständlich, wie Uera fand.
    Und dass es mehr ihrer Sorte gab ... hielt Uera für mehr als unwahrscheinlich. Sie musste der schlechteste Scherz des Schicksal sein, den die Welt jemals gesehen hatte. Ein missgestaltetes Wesen aus dem Meer, von den ihren verstoßen, an Land gebracht und von den Trockenen ebenso verstoßen … in einer Gefängiszelle so weit vom Meer entfernt, dass es Uera unmöglich war, seine Witterung aufzunehmen.


    Sian'darai. Nicht mehr als eine Ansammlung staubiger Ruinen, wenn sie den Geschichten über diese verfallene Stadt glauben durfte. Nördlich von hier gelegen, lag Sian'darai nicht weit von Caraska entfernt, doch es galt das Gebirgsmassiv der Wolkenspitzen zu überwinden, eine sehr beschwerliche Reise. Was hatte ihn in diese Geisterstadt gebracht? Er hatte Waffen dort verloren … und wollte sich in Caraska neue besorgen? Neugier stieg in der Yassalar auf und ihre Brauen zogen sich skeptisch zusammen, doch drängte sie weitere Fragen in diese Richtung zurück.
    Khoínoor Charad dek l'Bryre … musste trotz allem fern seiner Heimat sein und damit mochte auch seine Chance, durch die seine Leute freigekauft zu werden, in unerreichbarer Ferne liegen. Und er schien so wütend und entschlossen, dass er auch kaum darauf warten würde …


    "Das siehst du früh genug mit eigenen Augen.", begann sie und ein leichtes Lächeln zeigte sich auf ihren blassen Lippen, während ihre grauen Augen im Dunkel der Zelle leise glommen. Sie hatte sein Interesse geweckt. "Was dich erwartet hängt davon ab, zu was du in der Lage bist und zu was nicht."
    Uera erinnerte sich an den Tag, an dem sie die Arena zum ersten Mal gesehen hatte. Niemand hatte sie zuvor gewarnt, hatte ihr verraten, was dort geschah, doch das Konzept hinter den Kämpfen war so selbsterklärend, dass sie es bald verstanden hatte. Sie traute ihrem Gegenüber zu, dass er es selbst begriff, wenn er es sah, doch womöglich war es eine weise Entscheidung, es ihm zu erklären, bevor sie sich gegenüberstanden.
    "Es ist ein Spiel.", grinste sie hinter ihren Haarsträhnen hervor. "Du trittst gegen einen anderen Gefangenen an. Es gibt wenige Regeln. Aber sieh zu, dass den Trock- … den Leuten gefällt was sie sehen. Töte deinen Gegner und sie werden enttäuscht sein. Sie entscheiden, nicht du. Wenn du dich gut anstellst, wirst du belohnt. Wenn du versagst ..."
    Ihr Schweigen blieb ein Schweigen und sie führte ihren Satz nicht zu Ende. Stattdessen blickte sie stumm auf den Lichtstrahl herab, der sich an ihre Gestalt herangestastet hatte und damit begann, dass Mauerwerk hinaufzuklettern. Es war an der Zeit. Sie trat durch das geradezu blendend helle Licht, ihre Haut und ihre Haare leuchteten für einen Moment auf, ehe sie sich auf ihrer Pritsche niederließ und in tiefes Schweigen verfiel.


    Nach wenigen Augenblicken trat jemand die Türe links der Zelle des Echsenmannes auf und mit den Männern trat der entsetzliche Geruch des dickflüssigen Eintopfes in den Raum, den sie in einem Kessel hereintrugen.
    "Letzte Chance!", verkündete einer von ihnen, laut genug, dass es der gesamte Trakt hören musste, wandte sich als erstes der Echse zu und fuchtelte mit dem hölzernen Schöpflöffel vor dessen Gesicht herum. "Schuppengesicht! Wenn du was essen willst, musst du dafür arbeiten.", rief er, viel zu laut angesichts des geringen Abstands zwischen ihnen. Eine hölzerne Schüssel wurde gefüllt und der Sprecher fächelte dem Gefangenen den Dampf zu. Ein paar der anderen hüstelten ein Lachen. "Riecht fein, oder? Appetit? Dann geht es später für dich eine Etage nach unten ... in die Arena zu den anderen Viechern."

  • So knapp seine Antworten gewesen waren - sie gaben der weißhäutigen Frau offenbar dennoch zu denken. Erst nach einer Weile zierte der Anflug eines Lächelns ihr Gesicht und sie begann, ihrerseits zu antworten. Allerdings blieb sie mehr als vage in ihren Aussagen und in Khoor riefen sie mehr Fragen hervor als dass sie Antworten gaben. Zu was er in der Lage wäre ? Worauf spielte sie da an ?
    Die nähere Ausführung, zu der seine Miteingesperrte sich aus irgendeinem Grund dann doch noch entschloss, versteinerte die Miene des Drak'khirs. Unergründlich und ohne jedes Blinzeln starrte er in die andere Zelle hinüber, nicht einmal der helle Blitz, in den die schlanke Gestalt auf ihrem Weg zurück zu ihrer Pritsche für eine Sekunde getaucht wurde, rief auch nur die leiseste Reaktion hervor.
    Khoor's Verstand umkreiste die Worte, die er gehört hatte und weigerte sich, sie zu begreifen. Wahrlich - er erwartete nicht mehr besonders viel von den Personen hier oben. Der überwiegende Teil war nahezu unerträglich. Und die wenigen, die er so etwas wie schätzen gelernt hatte ....... nicht einmal sie waren wirkliche Ausnahmen gewesen. Aber eine gewisse Annäherung war möglich gewesen, nachdem Khoor begriffen hatte, dass er ihnen mit seinem Verhalten und Denken ebenso fremd war, wie sie ihm. Aber wie tollwütige Tiere aufeinander gehetzt zu werden, um sich gegenseitig zu töten, weil diese Obeflächler - was hatte sie da für ein merkwürdiges Wort benutzen wollen ? - daran Gefallen fanden, war die ungeheuerlichste Abscheulichkeit, die er je gehört hatte. Es sprengte schlicht seine Vorstellungskraft und alles in ihm wich voller Entsetzen davor zurück. Arkandos dröhnte es in seinem Schädel. Sie sind wie Arkandos. Sie erschaffen Bestien. Willenlose Bestien. Nicht, um zu erobern. Es ist noch perfider. Sie laben und amüsieren sich daran....


    Irgendwann blinzelten die Augen wieder. Und die erstarrte ausdruckslose Miene wich grimmigster Entschlossenheit. "Ich töte niemanden!", knurrte Khoor die silberhaarige Frau hasserfüllt an, die in tiefen Schweigen auf ihrer Pritsche saß, auch wenn sein Zorn gar nicht ihr galt.
    Geräusche drangen nun an seine Ohren, die nach kurzem Augenblick in die Schritte mehrerer Personen mündeten. Irgendetwas schepperte im Rhythmus ihrer Schritte vor sich hin.
    Das Gespräch war zu Ende.


    Schon bei den ersten Geräuschen hatten Khoor's Hände sich vom Gitter gelöst, nun trat er auch noch einen Schritt zurück, den Blick aufmerksam auf den Punkt gerichtet, wo die Gruppe erscheinen musste. Der erste, der in das Blickfeld des Drak'khir geriet, wandte sich ihm augenblicklich zu und schwenkte hektisch eine Suppenkelle hin und her. Seine Worte waren ..... Khoor's Gesicht wurde womöglich noch ausdrucksloser, nur seine Augen funkelten wie goldene Edelsteine, legten Zeugnis ab von der unaussprechlichen Wut, die hinter der Fassade loderte und liessen das Gesicht des Unverschämten keinen Moment lang los. Als der Rest den Mann eingeholt hatte - zwei mühten sich mit einem großen Kessel, der auf ein holpriges, zweirädriges Gebilde geschnallt war und das Scheppern verursachte, das zu hören gewesen war. Ein Dritter schien zu Sicherheitszwecken hinterdrein zu stiefeln. Einer am Kessel lachte, während der Letzte leise durch die Zähne pfiff. "Heilige Moravon - Ihr habt nicht übertrieben." ließ er vernehmen und bemühte sich gar nicht, die Abscheu in seinem Blick zu verbergen. Er grinste und sah zu der anderen Zelle. "Da habt Ihr ihn ja richtig geparkt, gleich zwei so Scheusale. Das wird ein Spaß." Der am Kessel, der zuvor gelacht hatte und inzwischen eine gefüllte Holzschale vor Khoor's Gitter präsentierte, sah ihn an. "Was ist nun ? Bekommt er ? Oder geht er mit ? Ich hab gleich Feierabend!" Der Erste lachte irre. "Na Goldauge ? Willst Du ?" Das grelle Lachen erstarb. "Der versteht kein Wort." und wandte sich Uera's Zelle zu. "Im Gegensatz zu meinem Liebling hier." Anzüglich presste er das Gesicht zwischen die Stäbe und grinste breit.
    Der Letzte musterte Khoor abermals. "Nein, der verhungert schon nicht. Mal sehen, wie er sich anstellt hernach. Wird's schon begreifen, wenn's soweit ist." Der mit der Schüssel nahm diese fort und deutete zu der weißen Yassalar hinüber. "Die ?"
    Der am Kessel Verbliebene warf einen Blick auf Khoor. Er war schön älter, sein graues Kopfhaar ebenso verstruppt wie sein ungepflegter Bart. "Der versteht jedes Wort.", brummte er nur und Khoor's Augen starrten ihn auf der Stelle an. "Dann kriegt er erst recht nichts.", johlte der Erste. "Dem bring ich schon bei, wer sein Herr ist. Nicht wahr, Täubchen ?" immer noch warf er der Frau obszöne Blicke zu.


    "Wann kommt der Mann, der mit mir sprechen will ?" Khoor's tiefe Stimme hallte von den Steinwänden und übertönte mühelos das Gejohle des Verrückten.
    "Was meint er ?", fragte der mit der Schüssel sofort und der Grauhaarige hob die Achseln. "Kommandant Thalanos hat ihn angeschleppt. Vermutlich den." Einen Moment lang herrschte Schweigen und die Soldaten wandten sich zunächst der anderen Gefangenen zu. Nur der Letzte grinste verächtlich. "Thalanos, ja ? Der kommt nicht, Echsenfresse. Vorher bist Du hier verrottet."


  • Uera ging nicht auf die spottenden Worte der Wachen ein. Statt deren Hohn, schwangen die grimmigen Worte des Echsenmannes in ihren Ohren nach. 'Ich töte niemanden.'
    Dein Fehler., antwortete sie in Gedanken, doch ihre Lippen blieben unbewegt und wurden so fest aufeinander gepresst, dass sie zu zwei weißen Strichen verblassten. Aber wenn 'niemanden' mich beinhaltet …


    Auf der Pritsche sitzend hörte sie die Worte der Wachen und auch die durchdringende Stimme der Echse, doch sie konnte weder sie noch den Gefangenen sehen, da ihr dieses nervtötende Ekel mit seinem schmierigen Grinsen das Blickfeld versperrte. Was sie jedoch hörte, beschleunigte ihren Herzschlag und ließ ihren Blick ein wenig wachsamer werden. Verstand sie die Männer richtig? Wollten sie den Neuankömmling schon heute antreten lassen?
    Thalanos. Dieser Name klang, als hätte sie ihn schon einmal gehört, doch sie konnte dem Namen kein Gesicht zuordnen und bezweifelte, schon einmal näher mit ihm zu tun gehabt zu haben. Aber sollte diese Wache recht behalten, so würde dieser Mann nicht all zu bald kommen um ihren schuppigen Zellennachbarn zu verhören … Uera zog unterbewusst ihre Unterlippe zwischen die Zähne, kaute angestrengt darauf herum. Ihre Hände hatten sich in die Strohmatratze verkrallt und ihr linkes Bein wippte nervös.
    Uera witterte die Gunst der Stunde, doch in ihr war so viel Zweifel und Unruhe, dass ihre Gedanken nur so durcheinander stoben und sie kaum klar denken konnte. Alleine einer Sache war sie sich sicher: Wenn er heute in die Arena ging … musste Uera sicherstellen, dass sie dabei war. Sie hatte nur einen Versuch. Einen einzigen. Und der musste gelingen, sonst würde sie noch heute ihren letzten Atemzug tun. Vielleicht war heute der Tag, auf den sie so lange gewartet hatte. Vielleicht nicht.


    Ihre innere Anspannung ließ sich nicht länger beherrschen und sie sprang geradezu von ihrem Sitzplatz auf, wandte sich dem Trockenen zu, der immer noch an den Gitterstäben ihrer Zelle hing. Ueras angestrengtes Gesicht zeigte kaum eine Regung, doch die schmalen Lippen teilten sich schließlich doch zu ein paar trockenen Worten.
    "Ich gehe in die Arena.", sagte sie, wissend, dass sie in diesem Moment den Herzenwunsch des Wachmanns, der nahe an ihrer Zelle verblieb, erfüllte und dies an seinem verdorbenen Gesichtsausdruck ablesen konnte. Ihr Blick ging jedoch an ihm vorbei, über den Gang und fand schließlich die goldenen Augen des Echsenmannes. Bedeutungsvoll hielt sie den Blickkontakt für einige Sekunden, wobei im Grau ihrer Augen ein leichter, violetter Schimmer erschien, der nach einem Blinzeln jedoch wieder verschwunden war. Nutze deine Chance, Eidechse.

  • Alle Aufmerksamkeit der Wärter richtete sich nun auf die weiße Frau in der Zelle gegenüber. Khoor starrte finster ins Nirgendwo. Dieser kurze Moment der Unsicherheit .... diese überflüssige, fast hasserfüllte Bemerkung des einen ...... er hatte das Gefühl, als ob es eine Lüge gewesen sei.
    Und dieser Thalanos sehr wohl auftauchen würde.
    Nur wann ? Das stand wohl im ewigen unterirdischen Funkeln der Calzitkristalle mancher Höhlenwände verborgen - und Khoor war nicht gewillt, sich auf eine vermutete Hoffnung von 'früher' anstatt 'später' zu verlassen. 'Ich gehe in die Arena' klang es an seine Ohren und Khoor's Blick sowie seine Gedanken kehrten zurück aus dem Nirgendwo und fixierten die schlanke silberhaarige Frau über die Köpfe der Wachmänner hinweg, die teils johlend, teils Übelkeit erregend ihre Zustimmung zu ihren Worten erkennen ließen.
    Was sagte sie da ?
    Die grauen Augen suchten ebenfalls seinen Blick und für einen kurzen Augenblick erschien ein farbiger Glanz in der zuvor farblosen Iris, ein Funkeln gleich einem Amethyst in der Tiefe unter der Erde, wenn der Schein einer Fackel auf ihn traf. Schon einen Lidschlag später war es verschwunden, hinterließ in dem Drak'khir aber das untrügliche Gefühl, dass ihr das nicht aus Versehen passiert war. Sie wollte ihm damit etwas sagen.
    Kurz zuckte sein Blick den Wachmännern hinterher, die mit ihrem obskuren Terrinen Gestell tiefer in den Gang gezogen waren, die Kelle klapperte am Metall des Behälters - anscheinend war er hier mit der Frau doch nicht völlig allein in diesem Teil des Gefängnisses. "Mist ... das nicht gewusst" " vorsichtig sein...." " ...und die ganz unten ? ... kein Spaß mehr .... die Neue wehrt sich wenigstens" Ein dreckiges Lachen. Wortfetzen der versucht leisen Unterhaltung drangen an seine Ohren, auf die Khoor sich aber keinen rechten Reim machen konnte.
    Wollte die blasse Frau etwa, dass er sich ebenfalls für diese Arena meldete ? Freiwillig den Weg zurück ging zum Ursprung und der ewigen Schande seines Volkes ? Khoor's Augen verengte sich zu Schlitzen. Mehr denn je zuvor glich sein Gesicht dem eines lauernden Reptils. Tief in seinem Inneren führte die Vernunft (Sie kann es nicht wissen !!) einen verzweifelten Kampf gegen den brodelnden Wirbel aus Zorn, der ihn zu überfluten drohte.
    "Wieso ?" zischte er mühsam beherrscht aber fast lautlos zu ihr hinüber.

  • Als die Wachmänner johlend weitergegangen waren und sich den wenigen anderen Gefangen in diesem Gang zuwendeten, näherte sich Uera wieder den Gitterstäben, trat nahe an sie heran und fixierte den Echsenmenschen namens Khoínoor mit dem selben festen, ungerührten Ausdruck wie zuvor. Lauernd und unangenehm kalt entgegnete er ihren Blick mit reptilienartigem Starren.
    Wieso?, fragte er und Uera war versucht mit den Augen zu rollen. Hatte er es denn noch nicht begriffen? Hatte sie seine mentale Leistungsfähigkeit so unterschätzt? Der Blick der Yassalar flackerte kurz nach rechts, doch sie sah nichts mehr von den Wachen und ihre Stimmen entfernten sich bereits immer weiter.
    "Es ist die einzige Möglichkeit.", flüsterte sie und ihr Zellennachbar musste die Worte mehr von ihren Lippen ablesen, als sie hören zu können. Er hatte doch verstanden, wofür ... oder?


    Ueras Herzschlag beschleunigte sich spürbar und sie fühlte eine gewaltige Nervosität heranrollen, wie ein Unwetter, das sich mit knisternder Spannung in der Luft ankündigte. Sie atmete tief ein, legte den Kopf dazu in den Nacken, als bräuchte sie den Anblick der steinernen Decken über sich um klare Gedanken fassen zu können.
    Was tust du da?, erscholl es hinter ihrer Stirn und als sie zurücksah zu ihrem Gegenüber, war ein kleiner Funken Zweifel in ihre leicht verengten, grauen Augen getreten. Es war Irrsinn. Wenn sie ihn in ihren Plan integrieren wollte, musste sie wissen, wie sie ihn benutzen konnte. Ob er gewillt war, ihr zu trauen und ihrem Wort Gehorsam zu leisten. Sie würden sich keine Patzer erlauben können. Gleichzeitig blieb ihnen kaum Möglichkeit zur Absprache und Uera wünschte sich nichts mehr, als etwas mehr Zeit - doch gerade jetzt, wo sie den Geschuppten noch nicht kannten, ihn noch nicht einschätzen konnten, schien ihr ein Versuch erfolgversprechend.


    Es vergingen einige Momente, in denen sie nur nachdenklich schwieg, völlig unbewegt dastand, doch dann setzte sich ihr Körper wieder in Bewegung. Sie zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf ihn, dann auf ihre eigene Brust, verhakte schließlich die Daumen ineinander und bewegte ihre Handflächen wie schlagende Flügel eines Vogels, der sich in die Lüfte erhob. Die Geste war unmissverständlich. Du – ich – gemeinsame Flucht. Ihre Brauen zogen sich ein wenig zusammen, fragend, unentschieden während in ihren dunklen, geweiteten Pupillen ein erwartungsvoller Glanz lag.

  • Die Silberhaarige überzeugte sich zunächst davon, dass die Wachmänner mit ihrem Eintopf auch sicher weiter gezogen waren bevor sie wieder näher an die trennenden Gitterwände herantrat. Und trotzdem waren ihre Worte nur ein gewisperter Hauch, dessen Sinn Khoor mehr erriet als dass er ihn wirklich hörte. 'die einzige Möglichkeit....' Khoor's Blick huschte für einen Lidschlag lang zu seiner Zellentür. Ja - das hatte sie gesagt. Wenn es überhaupt eine Chance zum Entkommen geben sollte ...... dann, wenn sich diese Tür für die Arena öffnete.


    Er sah gerade wieder zu ihr hin als sie den Kopf wieder nach vorn nahm. Anscheinend hatte sie ihn in den Nacken gelegt. Genervt ? Oder um Ruhe bemüht ? Und glomm da nicht eine fast unmerkliche Spur Misstrauen in ihren Augen auf ? Khoor vergaß für den Moment seine Empörung über die Vorgänge in dieser Arena - das Gebaren der blassen Frau gab ihm Rätsel auf. Sie hatte offenbar lange genug Zeit hier drin verbracht, um sich über erfolgversprechende Fluchtmöglichkeiten Gedanken zu machen. Und hatte aus seinen Fragen wohl ersehen, dass er diese Situation ebenfalls so schnell wie möglich ändern wollte. Anscheinend brauchte sie auch jemanden, um ihren Plan verwirklichen zu können - einen anderen Grund konnte der Drak'khir sich für ihre Aufforderung, dabei mit zu machen, nicht vorstellen.
    Immerhin kannten sie sich erst wenige Stunden.
    Und was dazu kam - sie war sehr wahrscheinlich eine Verbrecherin. Und angesichts dessen, was Khoor bislang von den Oberflächlern gesehen und erfahren hatte, bestand sehr wohl die Möglichkeit, dass sie ihn zwar brauchte - aber keinesfalls aus purer Freundlichkeit mitnahm sondern ihn durchaus als Fluchthelfer und Opfer zugleich einplante. Oberflächler dachten fast ausnahmslos an sich selbst. Und scherten sich nicht darum, ob andere dafür über die Klinge sprangen - das hatte der Drak'khir sehr schnell begriffen. Vielleicht war das so, dass der Einzelne nicht mehr zählte, wenn man so zahlreich war wie sie. Er würde sehr SEHR vorsichtig sein müssen.


    Fast hätte der Drak'khir höhnisch schnaubend aufgelacht als ihm bewusst wurde, dass er sich eigentlich schon entschieden hatte. Geräusch und Mimik unterdrückend, machte er - wie als Antwort auf ihren auf ihn deutenden Finger - einen Schritt nach vorn und umfasste wieder die Gitterstäbe seiner Zelle. Mit langsamen, grimmigen Nicken beantwortete er die eindeutige Geste der Silberhaarigen. "Was muss ich wissen ?" zischte er leise hinüber.

  • Er dachte offenbar nicht all zu lange über ihren Vorschlag nach. Sein Nicken löste die Anspannung ein wenig, die sich in Uera aufgebaut hatte, doch statt einem zufriedenen Lächeln trat eine kalte, entschlossene Härte in ihre Augen. Gut. Sehr gut.
    Die Frage, die er zu ihr hinüber zischelte, ließ ihren Verstand rasen und brannte in ihren Ohren. Ja … was musste er wissen? Er konnte ihr nur von Nutzen sein, wenn er wusste, was er zu tun hatte … doch wie konnte sie sichergehen, dass er es auch tun würde? Sie vertraute der Echse nicht, kein Stück, genauso wenig wie jedem anderen Trockenen in diesen Gemäuern. Sie wusste nicht, wieviel Tücke hinter der verknöcherten Stirn dieses Mannes lauerte. Es würde die einfachste Option sein, ihm diese schwierigen Überlegungen abzunehmen und die Ausweglosigkeit für ihn entscheiden zu lassen. Er wollte hier heraus - sie hatte den Plan. So einfach war das.


    Uera hob eine ihrer Hände, legte sich den Zeigefinger auf die blutleeren Lippen und bedeutete ihm damit, darüber zu schweigen. Gleichzeitig schüttelte sie sacht den Kopf, sodass ihr Haar wieder an seinen Platz hinter ihren Schultern fand. Sie würde ihre Pläne nicht hier und jetzt vor ihm offenbaren können, es war viel zu riskant.
    Selbst wenn sie dem Gehör nach mittlerweile sicher war, dass die Wachen bereits in den nächsten Trakt weitergegangen waren und außer dem penetranten Geruch nach Eintopf nichts mehr von ihrer Anwesenheit kündete. Selbst, wenn die einzigen, die ihr Gespräch momentan mithören würden, die halbwahnsinnigen Gefangenen waren, die weiter flurabwärts ihr Dasein fristeten.
    "Später.", formten ihre Lippen und nur ein sachter Atemhauch machte ein gesprochenes Wort daraus. Sie ließ unklar, wann dieses 'später' sein mochte ... denn selbst wenn sie ehrlich war, konnte sie nicht wissen, wie viel Zeit ihr für erklärende Worte bleiben würde.


    "Ich bin an der Reihe. Meine Frage.", sagte sie möglichst belanglos, doch ihr noch immer angespannte Gesichtsausdruck und der steinerner Blick verriet ihr falsches Spiel. „Du bist also an Waffen interessiert … welche ist die Waffe deiner Wahl?“
    Mit welcher Waffe bist du mir am meisten von Nutzen, Schuppengesicht?

  • Eiserne Entschlossenheit war die Reaktion im Gesicht und in den grauen Augen der blassen Frau, die einen Finger an die Lippen legte. Nicht hier. Und nicht jetzt. Vielleicht war das der Grund, warum es ihr so wichtig war, dass er in diese Arena folgte - weil es dort bessere Möglichkeiten gab, sich abzusprechen. Denn wenn dort das geschah, was diese Gefangene behauptet hatte, dann würde es dort viele bewaffnete Wärter an den offensichtlichen Fluchtpunkten geben. Und ihrer beider Aktionen würden ineinander greifen müssen, wie ein Uhrwerk.
    So begegnete Khoor ihrem noch weniger als gehauchtem 'Später!' nur mit einem knappen Nicken, kaum mehr als ein Zucken seines Schädels.


    Betont lässig kehrte die Silberhaarige wieder zu ihrer ursprünglichen Vereinbarung zurück. Khoor registrierte zwar, dass ihre Mimik und ihr Blick die vorgebliche Lockerheit Lügen straften, schob es aber darauf, dass ihre Frage - entgegen des Handels - einen persönlichen Anstrich hatte. Allerdings auf eine Art und Weise, die angesichts dieser neuen Entwicklung vernünftig war. Es wäre dumm gewesen, den Plan nicht auf ihrer beider Stärken hin abzuklopfen und darauf aufzubauen. Der Drak'khir verzog sein Gesicht ein wenig. Ein anderer Drak'khir hätte es 'friedlich gestimmt' genannt - für einen Oberflächer war es wohl eher eine unbestimmbare Grimasse.


    "Das kommt auf den Gegner an." kam es ernst und dunkel aus seinem Mund. "Bei berittenen oder großen Gegnern ist das Schwert die beste Waffe. Kleinen und wendigen Gegner ...." jetzt grinste Khoor eindeutig etwas anzüglich - zur eigenen Befriedigung als kleine Strafe für den Bruch des Abkommens sozusagen " ... begegnet man am Besten mit dem Streitkolben. Der Dolch ist die Waffe der Heimlichkeit und die Lanze streckt den weiter entfernten Gegner nieder." Eindringlich sah er in die starren grauen Augen hinein. "Ein Krieger muss an vielen Orten dienen und die Wahl der Waffe, so er denn eine Wahl hat, bestimmt der Gegner." Langsam hob nun der Drak'khir die Hand und tippte sich gegen den Kopf. "Weil die beste Waffe hier oben sitzt." endete er dann und fügte nur in seinem eigenen Kopf stumm hinzu 'Es sei denn, ihm brennen angesichts einer ausweglosen Lage und einer Überzahl an Gegnern gerade alle Sicherungen durch.'
    Eigentlich wäre er nun wieder daran, seine Frage zu stellen - doch Khoor schwieg und sah sein Gegenüber nur weiterhin unablässig an. Zum einen war er nicht sicher, ob ihre Frage damit auch beantwortet war. Zum anderen zögerte er, sie nach dem weißgesichtigen Mann mit den schwarzen Augen zu fragen. Allein bei dem Gedanken an ihn, fühlte der Drak'khir eine unangenehme Kälte sich von seinem Nacken über den Rücken ausbreiten.

  • Uera hörte interessiert zu, rätselte jedoch insgeheim auch ein wenig über den spottenden Blick, den er ihr zugeworfen hatte. Klein und wendig hatte er sie genannt … und lag mit seiner Einschätzung goldrichtig, doch über die Erwähnung des Streitkolbens hätte sie trotzdem fast gelacht. Er würde ihr niemals nahe genug kommen, um ihn einsetzen zu können, es sei denn er war bereit den Kolben zu nach ihr zu werfen.
    Sie verbiss sich den Spott und ließ ihn aussprechen, stellte zufrieden fest, dass er offenbar mit vielen Waffentypen und Gegnern Erfahrung hatte. Sie hatte gewusst, dass er ein Krieger war. Vom ersten Moment an. Es sprach aus jeder Bewegung der beeindruckenden Muskelstränge und der harten Züge, aus den kräftigen Händen, aus dem ruckartigen, entschlossenen Nicken. Was für ein Glücksfang.


    Die grauen Augen der weißen Yassalar leuchteten auf, als er sich an den Kopf tippte und vom Geist als wichtigste Waffe sprach. Sieh an, er teilt bereits Lebensweisheiten mit uns!, dachte sie halb amüsiert, doch gleichzeitig zog sich in ihrem Inneren etwas krampfartig zusammen und das Lächeln, das in ihrem Gesicht erscheinen wollte, erstarrte, noch bevor es Gestalt annehmen konnte. Uera musste wegsehen, den Kontakt zu diesen starren, goldenen Augen unterbrechen, sah stattdessen auf den Boden zwischen ihren Zellen, doch ihr Blick ging durch das Gestein hindurch, weit in die Leere.
    Sie schwieg, denn es brodelte dunkel in ihr. Seine Worte hatten einen wunden Punkt getroffen, hatten sie erneut an den schwarzen Tag erinnert, an dem Uera eben diese Waffe den Dienst versagt hatte. Ungeduld, Unerfahrenheit … Panik. Jede Waffe der Welt hätte ihr in diesem Moment nicht mehr genutzt, als ihre bloßen Hände. Niemals wieder würde das geschehen, das hatte sie sich geschworen und eine kalte Strenge trat in ihren unfokussierten Blick.
    Es vergingen einige Augenblicke, bevor Uera realisierte, dass der Echsenmann verstummt war und keine Anstalten machte, weiterzusprechen. Sie sah rasch auf, doch nichts in ihren stumpfgrauen Augen erzählte ihm von ihren Gedanken.


    Einer ihrer weißen Zeigefinger hob sich und sie tippte sich selbst leicht gegen die Schläfe. "Halte diese Waffe scharf und einsatzbereit.", sagte sie mit ein Nachdruck und in der Atemstille zwischen ihren Sätzen ergänzten sich ihre Worte um eine unausgesprochene Warnung. Denn vielleicht werden sie dir keine Waffen geben. Vielleicht werden sie dich gegen wilde Tiere kämpfen lassen. Und womöglich … wirst du mir gegenüberstehen.
    Es würde sich bald zeigen, aus welchem Stoff er gemacht war.


    "Uns bleibt noch Zeit für eine letzte Frage ... Krieger.", sagte sie trocken und tatsächlich erwartete sie jeden Moment die Leute, die sie abführen und dorthin bringen würden, wo sich ihr Schicksal eines Tages - vielleicht sogar heute noch - entscheiden würde. "Du bist dran."

  • Noch während er sprach und sich an den Kopf tippte, funkelte es in grauen Augen auf. Doch dann hatte die schlanke weißhäutige Frau den Blickkontakt unterbrochen und starrte stattdessen den Steinboden an, die Augen in eine weite Ferne gerichtet, die nur sie allein sehen konnte.
    Khoor bemühte sich gar nicht erst darum zu ergründen, was ihr Sinnen nun ausgelöst hatte. Seine Worte, ein Erlebnis, vielleicht der Plan, der sich in ihrem Kopf befand. Sie würde sprechen - oder sie würde nicht sprechen. In sie zu dringen kam nicht in Frage, auch wenn viele Oberflächler aus irgendeinem Grund zu glauben schienen, sie hätten quasi ein Recht darauf, dass jedermann ihre Neugier zu befriedigen und ihnen die tiefsten Geheimnisse seiner Seele zu offenbaren habe.


    Irgendwann schien sein Schweigen ihr ihre Abwesenheit bewusst zu machen, denn ihr Blick kehrte zurück und sie wandte sich Khoor wieder zu. Ihre Worte nahm er mit ausdruckslosem Gesicht zur Kenntnis - es musste etwas für sie außerordentlich Bewegendes gewesen sein, was sie gerufen hatte, da sie nun so überflüssige Worte an ihn richtete. Insgesamt unterschied sie sich ganz erheblich von den vielen Oberflächlern, denen er bislang begegnet war - und das nicht nur äußerlich. Nur konnte der Drak'khir nicht sagen, ob womöglich ihr ganzes Volk so anders war oder ob es an der besonderen Situation lag, in der sie sich hier im Verließ befand.
    Ihre Frage schien ansonsten aber zu ihrer Zufriedenheit beantwortet, denn sie gab das Fragerecht an ihn zurück.


    Khoor blickt kurz den mittlerweile verschwundenen Wärtern hinterher. Eine Frage also noch .....
    Er sah sie wieder an, immer noch mit Zweifeln. Diese weiße Haut. Allerdings hatte er von ihr noch keinerlei magische Einwirkung gespürt, vielleicht täuschte diese rein äußerliche Ähnlichkeit auch und es gab keine völkische Verbindung zwischen dieser Frau und dem Unheimlichen. Oder Frauen besaßen die Magie nicht. Auch ihre Augen waren anders. In ihnen spiegelten sich Gefühle, auch wenn sie sehr darauf bedacht war, keinerlei Gefühle zu zeigen.
    "Bei meiner ......... Gefangennahme" Khoor's Stimme grollte bei diesem Wort erneut als er daran dachte, aber er hatte sich entschieden "war noch ein anderer Mann zugegen. Er behauptete, der Oberbefehlshaber der Stadtwache zu sein." Er fasste den Entschluss, nichts über das Äußere dieses Mannes zu sagen, beobachtete die Frau jetzt aber mit noch größerer Aufmerksamkeit als bisher schon. "Könnt Ihr mir mehr über ihn sagen ?"

  • Aufmerksam und ungerührt hatte sie auf Khoínoors Frage gewartet, doch als er dann den Oberbefehlshaber erwähnte, wich auch noch der letzte Rest Farbe aus ihrem Gesicht.
    Hatte sie das eben richtig verstanden? Sprach er von ihm? Gerade er war bei seiner Gefangennahme zugegen gewesen?
    Die dunklen Augen der Yassalar weiteten sich ein wenig und in ihnen lag ein Schimmer, der davon kündete, dass sie verstand, was das bedeutete. Ueras Blick ging starr hinüber in die andere Zelle, maß den geschuppten Mann dort drüben mit der selben Eindringlichkeit, mit welcher er sich ihr zuwendete. Dieser Echsenmann hatte die Aufmerksamkeit des obersten Befehlshabers der Stadtwache erregt und nun fiel es Uera wie Schuppen von den Augen … warum war sie nicht von alleine darauf gekommen? Es mochte gut sein, dass er völlig zu Unrecht hier gelandet war, womöglich nicht einmal ansatzweise etwas verbrochen hatte … denn er sprach von niemandem anderen als … "Rhasstin Swalmor."


    Sie hatte den Namen nur mit Mühe über die Lippen gebracht, und als wollten sich schließlich auch noch ihre Stimmbänder gegen dessen Aussprache wehren, klang er krächzend aus ihrem Mund. Ohne, dass sie sich dagegen wehren konnte, erschien vor ihrem inneren Auge das knochige, wachsweiße Gesicht mit den abgrundtief schwarzen Augen, welches zu diesem Namen gehörte, und ein eisiger Schauer lief ihr Rückgrat hinab.
    Mit einem bleichen Gesicht leergefegt von jeder Emotion schwieg sie ein, zwei Atemzüge, dann leckte ihre Zunge nervös über ihre trockenen Lippen und sie fuhr fort. "Oh ja … ich kann dir mehr über ihn erzählen."


    "Du wirst ihn heute garantiert sehen, wenn du in die Arena gehst. Er ist immer dort. Es scheint ihm dort zu gefallen.", erklärte sie und ein zynisches Lächeln zog kurz an ihren Mundwinkeln. Das sonst so ausdruckslose Maskengesicht dieses Mannes sprach jedes Mal Bände, sobald die Kämpfe begannen und in den vielen Monaten, die Uera hier verbracht hatte, war er der einzige, der keinen einzigen ihrer Kämpfe verpasst hatte.
    Es war Uera nicht gänzlich unverständlich, denn auch sie wusste sich an Gewalt zu ergötzen, konnte sich an der Angst laben, die in den Blicken ihrer Kontrahenten aufloderte, wenn sie begriffen, mit wem sie es zu tun hatten. Sie liebte den süßen Rausch, der sie überwältigte, sobald das erste Blut floss, wusste sich darin zu verlieren und ging davon gestärkt aus jeden Kampf hervor. Doch Swalmor war ein Mann seltsamer Interessen und Uera war sich so gut wie sicher, dass es etwas gab, das ganz und gar nicht mit ihm stimmte und was über die offensichtliche Verstrickung in die Geschehnisse der Arena hinausging. Seine unnatürliche Aura lehrte viele das fürchten und Uera konnte sich dieser Furcht ebenfalls nicht völlig verschließen. Jeder seiner eigenartigen Besuche hinterließ sie ausgelaugt, fahrig und gereizt, auch wenn er sie niemals anrührte. Um genau zu sein ... niemand an diesem Ort hatte es jemals gewagt, sie in irgendeiner Form anzurühren - auch wenn es sicher genug derer gab, die es gerne getan hätten - und es hatte nicht lange gedauert, bis sie begriffen hatte, unter wessen Schutz sie stand.


    "Manche Gefangene gefallen ihm besonders … denen macht er gelegentlich Geschenke."
    Ein schwaches Nicken mit ihrem Kopf deutete auf den Holzkübel mit Wasser, der unweit ihrer schlanken Gestalt auf dem Boden stand. Dann kehrte ihr Blick ruckartig zu Khoínoor zurück und das Grau ihrer Augen war dunkel und klar. "Er wird dich genau beobachten. Er gibt Acht auf die ... Schmuckstücke seiner Sammlung." Und du bist nur ein weiteres von ihnen.

  • Sie reagierte. Khoor wusste selbst nicht, was er erwartet hatte – aber in ihren grauen Augen dieselbe Spur des Entsetzens erahnen zu können, dass auch seinen eigenen Rücken hinauf gekrochen kam, steigerte sein Unbehagen beim Gedanken an den Schwarzäugigen um ein Beträchtliches. Rhasstin Swalmor ….. der Name sagte ihm nichts. Vielleicht sollte ihn das ein klitzekleines bisschen erleichtern, denn dann war dieser – ja was eigentlich ? - zumindest nicht DAMALS zugegen gewesen. Oder jemand aus seiner Sippe nicht. DAS hätte Khoor gewusst. So wie jeder Drak'khir es gewusst hätte. Und wenn er den Namen geändert hatte ? Khoor fühlte, dass er den irrationalen Gedanken Einhalt gebieten musste. WENN dieser unwirkliche Oberbefehlshaber etwas wusste, dann würde er all seinen Verstand und seine Sinne benötigen, um ihm zu entkommen. Sein Gegenüber rettete ihn, denn sie bot einen höchst grotesken Anblick als ihre Zunge, wie das einzige noch Lebendige in ihrem zur Maske erstarrten Gesicht, ihre Lippen befeuchtete. Sie wusste mehr.


    Khoor's Augen schienen sie verschlingen zu wollen und er hielt unwillkürlich den Atem an. Der Schwarzäugige würde in dieser Arena sein …... Augenblicklich bereute Khoor den Entschluss, dort ebenfalls hin zu gehen. Es war mehr als nur ein unbestimmtes Gefühl, dass er diesem Mann eigentlich besser nicht noch einmal unter die Augen kam. Vielleicht hatte er die Begegnung vergessen …...... 'So wie Du ihn vergessen hast, was ?' flüsterte ihm sein Unterbewusstsein höhnisch zu. Und der Drak'khir atmete so tief durch, dass der mächtige rasselnde Atemzug seine Brust erbeben ließ und scharf die Luft durchschnitt. Verständnislos starrte er auf den Wassereimer, zu dem das Nicken der weißen Frau seinen Blick gelenkt hatte. Was für ein „Geschenk“ sollte DAS sein ? Ihre weiteren Worte bestärkten Khoor darin, dass es eine Torheit war, sich auf diese Arena einzulassen. Er wollte von diesem Mann nicht beobachtet werden. Und schon gar nicht wollte er ein Schmuckstück seiner Sammlung, oder noch verheerender, ein Forschungsobjekt für ihn sein.


    "Er ist ein überaus mächtiger Magier.“ stieß der Drak'khir mit tonloser Stimme hervor. "Verdorbene Magie, die den Willen und den Lebensfunken in anderen Geschöpfen angreift. Aber er kann nicht allein so mächtig sein. Da ist noch etwas anderes in ihm.“ sprach er dunkel und erschauderte abermals. "Ich kenne nur eine Sorte Wesen, die sich an Grausamkeiten, der Todesangst und dem Leid sterblicher Geschöpfe dermaßen ergötzen. Für die es beinah ihre Lebensessenz ist......“
    Und dann machte es im Nachhinein Sinn, gestand der Drak'khir sich ein. Der Magier-Dämon hatte nach ihm gegriffen - mit einer Kraft, die ihn eigentlich hätte umhauen müssen. Wenn – ja wenn er nicht selbst ein magisches Geschöpf wäre und ihm deshalb eine gewiss Immunität gegenüber Magie immanent wäre von Geburt und noch viel weiter darüber hinaus an. Vom Augenblick der Erschaffung seines Volkes an. Khoor's Blick suchte die grauen Augen. "Ich muss hier schnellstmöglich heraus!“ gestand er ernst. "Wie gut ist Euer Plan wirklich, weiße Frau ?“

  • In den Augen der bleichen Yassalar erschien ein überraschter Ausdruck. Dafür, dass ihr geschuppter Freund Swalmor nur so kurz gesehen hatte, und vermutlich kaum ein Wort gefallen war, war seine Beschreibung erstaunlich zutreffend. Ueras Augen verengten sich ein wenig und sie lauschte skeptisch den Ausführungen Khoínoors. Sie verstand zwar nicht viel von Magie, doch Swalmor – ein Magier? Diese Theorie erschien ihr zwar nicht abwegig … aber es überzeugte sie auch nicht sonderlich. Woher nahm er diese Idee?
    Bitter und ernst klang die Stimme des Echsenmannes und sein bernsteingelber Blick suchte eindringlich nach ihrem. Schnellstmöglich hier raus? Wer hätte das gedacht … Uera war versucht zu lachen, doch der steinerne Ausdruck im Gesicht ihres Gegenübers behagte ihr nicht und sie wollte es sich mit ihrem neuen „Verbündeten“ nicht mehr verderben, besonders nicht jetzt, da er offenbar die Dringlichkeit seiner Lage realisiert hatte. So verzog sich ihr Mund lediglich zu einem schiefen Lächeln, sie nickte und ihre Lippen wollten sich zu einer Antwort teilen, bevor sie jäh von einem rumpelnden Geräusch unterbrochen wurde.


    Die Tür zu Khoors rechter Seite öffnete sich erneut und herein traten jene traurigen sechs Gestalten, die sie abführen sollten. Die Aufmerksamkeit der großen, breitschultrigen Männer richtete sich sogleich auf die weiße Yassalar und den Schuppenmenschen und sie bewegten sich wortlos auf die Zellen zu. Die Männer trugen die Kleidung der Wachen, grau und abgetragen, doch anders als bei den anderen, war in ihren grausamen Gesichtern kaum ein Ausdruck ablesbar. Kein süffisantes, schmutziges Grinsen, kein Hohn, kein nichts. Die Männer sprachen kein Wort. An der Hüfte eines jeden hing ein zerschrammter hölzerner Schlagstock, welche allesamt den Eindruck vermittelten, dass sie mit dessen Einsatz nicht sparten.
    Einer schleppte einen schweren Sack voller metallisch klappernder Gegenstände mit herein, was die Brauen der Yassalar erstaunt nach oben wandern ließ. Sie mussten ein wahres Arsenal an verschiedenen Fesseln und Ketten zusammengetragen haben.


    Uera kannte den Ablauf und so kehrte sie den Gitterstäben wortlos den Rücken zu, nicht ohne einen letzten, aufleuchtenden Blick zu Khoor hinüber zu werfen. Sie hatte ihm keine Antwort mehr geben können, doch sie legte ihre ganze Überzeugung in diesen letzten Blick und hoffte, dass er verstand. Schweigend legte sie ihre Hände hinter dem Rücken ineinander, sodass sie auf der Höhe ihrer Taille in der Luft schwebten und wartete geduldig darauf, dass man ihr die einfachen, aber massiven Handschellen anlegte. Längst vergangen waren die Zeiten, in denen sie sich gegen diesen Vorgang gewehrt hatte.
    Das Schloss ihrer Zellentür gab rasselnd dem Schlüssel nach und mit einem durchdringen Kreischen bewegte sich die Türe sich in ihren Scharnieren. Ein Schaudern durchwanderte ihr Innerstes und ein kalter Schmerz bohrte sich in ihre Magengegend. Ihrer gleichgültigen Miene war es nicht anszusehen, doch das Herz schlug ihr bis zum Hals und sie spürte, wie ihre Hände vor Nervosität kalt und feucht wurden. Vielleicht war dies das letzte Mal, dass sie dieses Geräusch vernahm?
    Bald lastete das Metall kalt und schwer an ihren Handgelenken, doch es war die einzige Fessel, die man ihr anlegte. Sie konnte nicht sehen, wie sie mit Khoor verfuhren, doch sie konnte anhand der Geräuschkulisse mutmaßen, dass sie sich bei der Fesselung des kräftigen Mannes deutlich mehr Mühe gaben und als sie den Ruck spürte, mit dem ihr bedeutet wurde, sich herumzudrehen, sah sie, dass sich tatsächlich vier der sechs Männer um ihn geschart hatten.

  • Goldbraune Augen brannten sich in graue Iriden, die weiße Gefangene war kurz davor zu Antworten und Khoor brannte darauf, sie zu hören. Ein dumpfes Rumpeln hinter dem Drak'khir zerriss den Bann, der für Sekunden zwischen den beiden unterschiedlichen Wesen bestanden hatte und versiegelte ihr die Lippen. Vor Enttäuschung schlug Khoor die Fäuste kurz oberhalb seines Kopfes gegen die Gitterstäbe und schloss die Augen.


    Schritte drangen an seine Ohren. Von auffallend vielen Füßen und der Hüne wandte den Kopf zu ihnen hin. Sechs Wachen waren die Tür hinter seiner rechten Schulter herein getreten. Khoor zuckte nach kurzer Musterung innerlich vor ihnen zurück. Äußerlich war den Männern nichts anzusehen, auch wenn ihre einförmige Kleidung schon bessere Tage gesehen hatte. Aber ihre Gesichter. Und ihre Augen. Sie wirkten wie tot, Puppen ohne Gefühl und vielleicht sogar ohne Verstand. Und die Knüppel an ihren Gürteln waren Zeugnis, dass sie selbigen aus jedem widerspenstigem Gefangenen heraus prügelten, wenn es nötig war. Der Drak'khir trat von den Gitterstäben zurück. Lauernd betrachtete er die willenlosen Figuren und beobachtete, wie einer einen Sack auf den Zellengang entleerte und Handschellen, Ketten und Riemen einen Haufen bildeten.


    Sein Blick huschte zu seiner neuen Verbündeten, die ihm einen auffordernden Blick zu warf und dann den Männern, die zu ihr hingetreten waren, bereitwillig die Arme rücklings entgegen streckte. Khoor's Augen huschten zu seiner Zellentür. Dort warteten bereits zwei der Männer, der Schlüssel vor der Öffnung. Einer sah ihn durch die Stäbe an, ein vierter wandte sich gerade um. Khoor wappnete sich - aber auf der geistigen Ebene blieb jeder Anschlag aus. Die toten Augen sahen ihn an, aber es ging keine Macht von ihnen aus.
    Mit unwilligem Schnauben streckte der Drak'khir die Arme vor, den Männern entgegen. Es widerstrebte ihm zutiefst, aber mahnte sich, an seine Verbündete zu denken. Sie hatte seine Zusage - und die umfasste kein zusammengeprügeltes Wrack sondern einen Krieger. Besser, er vermied alles, was seinen Zorn nur unnötig anstacheln würde. Wenn er hier die Beherrschung verlor, würde es keine Arena geben.


    Der Mann vor ihm zeigte keinerlei Regung. Als habe er Khoor schon immer für diesen Marsch vorbereitet, entnahm er dem Haufen ein paar massive Handschellen und legte sie dem Drak'khir an. Mit einem weiteren Paar band er Khoor an das Gitter, der Schlüssel kreischte im Schloss. Der zweite Mann draussen reichte dem Drinnen zwei besonders große Handschellen mit langer Verbindungskette, mit welchen seine Oberarme kurz über den Rücken gefesselt wurden. Als die Fessel am Gitter sich öffnete, legte sich ein Kopfeisen um Khoor's Hals. Er knirschte mit den Zähnen, gab aber sonst keinen Laut von sich. Dermassen verkettet mutete das Seil, mit dem der vierte Mann Khoor's Schrittlänge begrenzte, fast lächerlich. Der erste hakte die Kette in das Halseisen und zog energisch daran. Mit hasserfüllten Augen folgte Khoor ihm wie es das Seil um die Knöchel zu ließ. Nicht einen Blick warf er der blassen Frau zu. Wehe, wenn sie keinen erfolgversprechenden Plan haben sollte - er würde ihr jeden einzelnen ihrer dürren Knochen brechen. Tief in seinem Inneren wusste Khoor, dass seine fiktiven Rachegedanken unsinnig waren, aber er brauchte etwas, worauf er seinen zutiefst verletzten Stolz lenken konnte, während er wie ein räudiger Hund hinter dem Wachmann her trippelte TRIPPELTE, denn zu mehr reichte das verfluchte Seil nicht. Scharf rechts ging es nach der Zellentür, zurück durch die Tür, durch die die Männer gekommen waren. Nicht einmal die höhlenartige Umgebung vermochte Khoor zu besänftigen, weder die massiven Felswände noch das vertraute dämmrige Licht, das nur unzulänglich von Fackeln erhellt wurden, die in großem Abstand an den Wänden befestigt waren. Khoor's Augen passten sich automatisch den Lichtverhältnissen an und so stolperte er zumindest nicht über Steine oder Knochen, die hier und da im Gang lagen. Er hatte den Eindruck als wenn es hinab ginge, tiefer in dieses Felsmassiv hinein.


    Irgendwann machte der Gang eine Kehre und jetzt konnte Khoor Einbuchtungen gegenüber den Fackeln erkennen. Aufmerksam sah er in die erste hinein als sein Trupp sie passierte. Seine Augen weiteten sich. An einem Gitter hing eine Gestalt. Es war nicht zu erkennen, ob sie menschlich war, ob sie Mann oder Frau war. Blutunterlaufene Augen starrten aus einem zerstörten Gesicht zu ihm hin, die verfilzten Haare klebten in Platten am Schädel und bekleidet war sie nur mit Fetzen. Keinen Laut gab sie von und das war vielleicht das Furchtbarste an ihr. Nichts als dieses Starren. Auch die weiteren Einbuchten offenbarten ein Sammelsurium an geschundenen Leibern und ihr armseliger Anblick vertrieb die Wut aus Khoor's Innerem. Was er sah, bestärkte sein Bild von Rhusstin Swalmor. Die Oberflächler waren intrigant und scheinheilig, ohne Ehrgefühl und es fiel Khoor schwer zu sehen, was sie einander anzutun imstande waren. Doch was er hier zu Gesicht bekam, sprengte an Grausamkeit jedes Vorstellungsvermögen. Das war nicht das Werk der Oberflächler, hier in den Gängen offenbarte sich dem Drak'khir die Anwesenheit von etwas Üblerem ....

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