Vogelhandel "Feder und Schnabel"

  • Ta’shara erwiderte den Kuss. Ihre Lippen lagen auf den seinen und öffneten sich. Doch Brennans Worte bewirkten, dass sie keine Maske trug und so auch kein Funke Leidenschaft in ihrem Kuss lag. Auch keine vorgetäuschte Leidenschaft. Zum ersten Mal in ihrem Leben zeigte sie sich einem anderen Wesen, wie sie war: unterkühlt, abweisend, hart, leidenschaftslos, gefühllos. Eine Berührung, ein Kuss, doch alles nur Mittel zum Zweck und ohne den tiefen Wunsch nach erlebter Nähe dahinter.


    "Weil die Menschen, eigentlich alle Wesen, die Gefühle empfinden, es so machen und unser Kodex ihre Verhaltensmuster aufgezeichnet und an uns weitergegeben hat. Wir richten unser gesamtes Verhalten nach dem Kodex aus, damit wir dem Anschein nach das sein können, was du unter 'menschlich' oder 'gefühlvoll' verstehst. Ihr gebt einander hin. Dem Fremden ebenso wie dem Freund. Ihr gebt einander hin und liebt euch. Wo sonst kann man Liebe finden, wenn nicht dabei? Ist das nicht so?" Ta’shara hielt bei ihren eigenen Worten inne. Lag da etwa ein Hauch von Unsicherheit in ihrer Stimme?


    Zum ersten Mal nach all den vielen Jahren, die sie bereits zählte und auf den Kodex vertraute, stellte sie diesen und die Worte ihrer Mutter plötzlich in Frage!
    Ihre Lehren waren es, denen sie letztlich folgte und die sie zu dem Denken und den Vorstellungen geführtt haben, die sie heute hat. Konnte es sein, dass sie falsch lag? War das überhaupt möglich?
    "Warum nimmst du fremde Frauen mit in dein Bett? Warum hast du keine Gefährtin oder bist verheiratet?"
    Warum stellst du so viele Fragen? Warum stelle ICH so viele Fragen? Dieser Mann will mich nicht, also sollte ich gehen.

  • Der Vogelhändler hielt einen Augenblick inne. Er schien sich genau überlegen zu müssen, was er sagen wollte. Ein weiterer Schluck Wein und endlich Sprach Brennan.
    "Nein, wenn wir uns "hingeben" hat das nicht immer etwas mit Liebe zu tun. Weder bei Fremden, noch bei Freunden. Manchmal steckt dahinter einfach der Wunsch, sich nicht einsam fühlen zu müssen."
    Er wußte nicht genau, wie er es Ta'shara besser erklären sollte, aber das was die junge Frau bisher dachte, erschien ihm so falsch.


    "Liebe braucht den Körper nicht zwingend, sowie man für das Körperliche nicht lieben muß." Er strich Ta'shara über das Haar und für einen Augenblick kam die junge Frau ihm unschuldig wie ein Kind vor. Doch kein Kind der Welt konnte so kalte Augen haben.


    Brennan versuchte sich an einem Lächeln.
    "Die Nacht mit einer schönen Frau zu verbringen ist etwas herrliches. Auch wenn es den Funken im Herzen nicht entfacht, so läßt es uns doch für einen kleinen Augenblick erahnen, wie es ist zu lieben. Und warum ich keine Gefährtin habe..." Der Dunkelhaarige stellte das fast leere Glas auf den Fußboden und rieb sich über den Nacken. "Nun, ich habe bisher noch nicht die gefunden, die ihr Leben mit mir teilen will. Oder die mein Leben teilen will. Viele schreckt mein Glaube ab oder meine tiefe Liebe zu Shirashai." Er lächelte schief, wurde aber erneut nachdenklicher.
    Wahrscheinlich war das nur die halbe Wahrheit. Wahrscheinlich fühlte er sich einfach noch nicht bereit für eine Partnerschaft. Wahrscheinlich hatte auch er Angst davor, zuviele Kompromisse eingehen zu müssen...

  • "Nicht? Hmm.." Ihr Leben hat aber funktioniert… bisher. Mehr als gut sogar. Sie ist nicht aufgefallen. Also kann der Kodex so falsch nicht sein. Warum aber ist sie nie auf den Gedanken gekommen, die Liebe anderswo zu suchen, als in der Leidenschaft einer verbrachten Nacht?


    Die junge Valisar leerte ihr Glas Wein. Nicht in einem Zug, aber Schluck für Schluck, während Brennan ihr etwas zu erklären versuchte, zu dem sie nicht den geringsten Zugang hatte.
    "Ich fühle mich nie einsam. Ich kenne nicht das Verlangen nach körperlicher Nähe und ich hege nicht den Wunsch nach Gesellschaft."
    Wieder stockte Ta’shara. Sie hatte ihre Worte überdacht, bevor sie sie ausgesprochen hat und doch hörten sie sich jetzt anders an, als eben in ihrem Kopf. Überhaupt stimmte mit ihrem Kopf etwas nicht, wie sie meinte. Warum saß sie noch immer hier und redete über Dinge über die es sich nicht zu reden lohnte? Man tat es oder ließ es. Aber so viel hat sie noch nie geredet.
    "Ich habe nur einen einzigen, brennenden Wunsch." Wieder wartete sie einen Moment, überlegte ob sie ihre Zeit nicht verschwendete und sprach doch weiter. "Du hast heute eine andere Valisar kennengelernt." Mehr brauchte sie sicher nicht zu erklären. Brennan musste den Unterschied bemerkt haben, zwischen ihr und dieser… anderen.


    "Wenn du Shirashai so sehr liebst, kannst du keine andere lieben." bemerkte Ta’shara leichthin. "Aber mich stört es nichts aus, wenn du der Göttin mehr Liebe entgegenbringst, als mir." fügte sie lächelnd an. Sie nahm Brennans Hand, legte ihre Wange hinein und schloss die Augen. Sie suchte nach etwas; wie nannte Brennan es eben? Einen Funken?
    Ta'shara schwindelte. Ihr Augen brannten und ihre Kehle.
    Der Wein! Zu viel davon. So einen Zustand hatte die Halbvalisar in ihren ganzen Daseinsjahren nicht erfahren. Ihr Kodex verbat übertriebenen Alkoholgenuss, weil er Denken und Handeln beeinflusste. Sie aber hatte unbemerkt ihr Maß überschritten. Sie hatten zu viel geredet und jetzt zerbrach ein Schild, bröckelte eine Mauer. Das 'Dahinter' erschreckte sie zutiefst und Ta'shara begann zu zittern. Eine Träne löste sich aus ihren Augen und lief an Brennans Hand entlang, ehe sie fiel und in seinem Weinglas zersprang.

  • Brennan dachte nach. Vielleicht war das wirklich ein Grund. Seine Liebe zu Shirashai war unglaublich stark, stärker als alles, was ihn bisher mit einer weltlichen Frau verbunden hatte. Für sie würde er sterben, für sie würde er morden... war das der Grund, warum er sein Leben noch immer alleine führte?
    Ließ er einfach keine andere Frau an sich heran?


    Der Vogelhändler beschloss auf dieses Thema Ta'shara gegenüber nicht weiter einzugehen.
    "Die andere Valisar, ja.." Brennan nickte. Sie war.. wunderschön gewesen, anziehend und voller Lebenslust. Doch..
    "Ich habe nicht lange mit ihr gesprochen, doch Deleila erzählte mir, dass sie von einer anderen Frau geliebt wird, auch wenn sie selbst diese Liebe nicht mehr erwidert." Brennan fuhr sich mit dem Finger über die Lippen. Ihr Kuss war nur noch eine Erinnerung, doch fiel ihm erst jetzt auf, wie sehr er sich von denen Ta'sharas unterschieden hatte.


    "Die Liebe geht die seltsamsten Wege und man kann sie nicht erzwingen. Auch nicht, wenn man sich jedem Schuft hingibt."
    Er lächelte und strich sanft über Ta'sharas Wange, die er nun wie einen kostbaren Schatz in der Hand hielt.


    Als er ihre Träne an seiner Haut spürte, war der Händler einen Augenblick versucht, die Hand fortzuziehen. Doch er ließ sie wo sie war. Sein erschreckter Gesichtsausdruck wandelte sich in breites Grinsen.


    "Ta'shara, du.. du weinst!" Seine Finger glitten vorsichtig unter ihrem Auge vorbei und spürten die Nässe. Wie zum Beweis hielt er sie der schönen Valisar entgegen.


    "Du bist nur eine Halbvalisar, was ist.. was ist, wenn der Fluch gar nicht so schwer auf dir lastet?" Auch wenn Brennan Ta'shara erst seit einigen Stunden kannte, schwang soetwas wie Hoffnung in seiner Stimme mit. Und tief in seinem Inneren reifte ein Plan. Der Plan, diese junge Frau nicht am nächsten Morgen wieder aus seinem Leben verschwinden zu lassen.

  • Noch immer saß Ta’shara da und zitterte. "Was… was passiert mit mir?" flüsterte sie. Eine riesige Woge rollte auf sie zu. Hoch wie ein Berg und sie konnte nichts dagegen tun, nur dasitzen und warten. "Das geht nicht!!! Das soll aufhören!!" Sie glaubte gegen den Lärm der heranbrausenden Gefühle anschreien zu müssen, doch war es nur ein leises, verzweifeltes Flüstern, mehr einem Wimmern gleich. Sie hob ihren Kopf und sah sich gehetzt um. Sie suchte etwas, an dem sie sich festhalten konnte; irgendetwas Bekanntes musste es doch hier geben. Aber in diesem fremden Raum fand sie nur Brennan. Hilfesuchend blickte sie ihn an. In ihren Augen loderte Angst.
    "Mach dass es aufhört! Das ist zu viel. Alles zu viel!" Gequält schloss Ta'shara die Augen. Noch immer brannten Tränen darin und sie hatte das Gefühl, jemand würde mit glühenden Klingen ihre Innereien bearbeiten! Sie stöhnte auf.


    Dann war es vorbei. Bevor diese furchtbare Welle sie überrollen konnte, schloss sich das Tor. Nur ein winziger, unscheinbarer Teil schwappte noch hindurch und traf Ta’shara unbemerkt mitten ins Herz.
    Die junge Frau erhob sich. Sie fühlte sich wie zerschlagen. Erschöpft. Und sie war verwirrt. Doch sie hatte sich gefangen und wieder unter Kontrolle. Daran hielt sie fest. "Kann ich ein Glas Wasser bekommen?"


    Ta’shara lauschte angespannt in ihr Innerstes. Die Worte Brennans, die sie eigentlich zuversichtlich stimmen sollten, drohten erneut ein Chaos zu verursachen. Wenn Gefühle das bedeuteten, was sie gerade mitgemacht hat, sollte sie darauf besser verzichten. Aber was, wenn Brennan recht hatte? Wenn der Fluch gar nicht so stark war? Wenn nun schon alles zu spät war? Sie konnte so nicht leben. So konnte sie nicht arbeiten. So konnte sie nicht einmal alleine bleiben! Fieberhaft dachte die Halbvalisar nach. Sie musste eine Möglichkeit finden und herausbekommen, was sie in der Zukunft erwartete. Wenn sie das wusste, konnte sie sich darauf einstellen. Das barg eine Logik, der sie sich nicht entziehen konnte. "Kennst du einen… Wahrsager? Hier oder anderswo?"

  • Ein wenig ratlos betrachtete Brennan Ta'shara und es war schon fast eine Erleichterung für ihn, als sie ihn um ein Glas Wasser bat. Der Vogelhändler nickte stumm und ließ Ta'shara für einige Momente allein. Vielleicht brauchte sie gerade das jetzt in ihrer Situation.


    Dabei war Brennan nicht weniger verwirrt. Er hielt sich eigentlich für einen guten Menschenkenner. Jemand der einer anderen Person nur in die Augen sehen mußte und schon wußte, was in dessem Kopf vor sich ging. Aber wenn man eine Valisar vor sich hatte, war alle Menschenkenntnis unnütz.


    Der Dunkelhaarige nahm einen Tonbecher in die Hand und füllte ihn in der Küche aus einem Krug mit frischem Wasser. Zusätzlich schnitt er noch etwas von dem Brot- sowie dem Käselaib ab, die dort einladend auf dem Tisch lagen und legte ein paar Trauben dazu. Ein Lächeln schlich über Brennans Gesicht. Wie gut, dass seine Nachbarin ihm für ein paar wenige Münzen ab und an den Haushalt machte und einkaufen ging, sonst hätte er mit Sicherheit auf dieses köstliche Nachtmahl verzichten müssen.


    Er atmete noch einmal tief durch und ging dann wieder zu Ta'shara. Fast fürchtete er sich davor, was er wohl sehen würde. Sie schien ängstlich zu sein und doch.. kalt..
    Brennan stellte das Essen auf eine nahe Truhe und gab Ta'shara den Becher.


    Dann setzte er sich neben sie und sah sie ernst an.
    "Es... es wurde in letzter Zeit viel von einer Wahrsagerin gesprochen. Ich habe sie selbst nur auf einer kleinen Feier vor einiger Zeit gesehen, aber nicht wirklich kennengelernt. Wenn du möchtest, führe ich dich morgen zu ihr."
    Brennan legte den Arm um Ta'shara.
    "Bleib heute Nacht bei mir. Ich werde dich nicht anrühren, aber ich möchte dich so nicht gehen lassen. Morgen früh, können wir dann zu Silene gehen.. und.." Brennan schwieg. Er verschwieg ihr auch, dass man von Silene ebenfalls sagte, dass sie eine Valisar sei.

  • Die junge Halbvalisar stand auf, setzte sich wieder und stand erneut auf, während sie Brennan in einem der anderen Räume hantieren hörte. Wie ein eingesperrtes Raubtier tigerte sie unruhig durch das Schlafgemach und setzte sich am Ende doch wieder auf den Rand des Bettes, wartete. "Danke.“ meinte sie zu Brennan, als dieser ihr das Glas Wasser reichte. Und obwohl sie heute Abend bereits ein mehr als ansprechendes Mahl verzehrt hatte, konnte sie dem appetitlich angerichteten Käse und dem Brot nicht wiederstehen. Dabei war es nur einfaches trockenes Brot und in kleine Häppchen geschnittener Käse, den sie gerade zu ihrem Mund führte. Mitten in der Bewegung hielt sie inne. WAS hatte sie gerade gedacht? Appetitlich? Mit dem Wort kann sie doch überhaupt nichts anfangen! Sie hatte Hunger oder nicht! Und wenn ja, dann aß sie etwas. Aber Appetit bedeutete, etwas essen zu wollen auch ohne Hunger zu verspüren. Das hatte sie nie getan.


    Ta’shara steckte das Stück Käse trotzdem in den Mund, weil es sich nicht gerhörte, es wieder zurück zu legen, nachdem sie es bereits in den Fingern hatte. Hilflos lächelnd blickte sie zu Brennan und ließ es geschehen, dass er den Arm um sie legte. Und damit sie sich nicht zusehends noch mehr in unsinnigen Gedanken verlieren konnte, nahm sie das Seil, das der Mann ihr hinwarf.
    "Danke, ja gut. Ich bleibe hier und morgen früh dann zu dieser … Wahrsagerin. Silene.“ Ta’shara nahm das Bett in Augenschein. Es war groß genug, dass zwei Menschen darin Platz fänden, ohne sich gegenseitig zu berühren. Sie hätte kein Problem damit dort zu liegen und Brennan neben sich zu wissen. Nur wusste sie nicht, ob das dem Mann recht wäre. "Ich bin müde. Wo kann ich mich schlafen legen?"

  • "Du kannst ruhig hier schlafen." Antwortete Brennan und stand wieder auf.
    "Ich habe unten noch eine kleine Kammer, in der ein Bett steht. Ich kann die Nacht auch dort verbringen, wenn es dir lieber ist."


    Er deutete auf eine der Truhen, die neben dem Bett standen.
    "Nimm dir ruhig eines meiner Hemden, das stört mich nicht weiter." Seine Hand fuhr durch das kurze, dunkle Haar. "Und wenn du sonst noch etwas brauchst.." Brennan hob und senkte die nackten Schultern. Auch für ihn war es seltsam, eine fremde Frau in seinem Bett schlafen zu lassen, ohne das er mit ihr schlief. Doch er konnte Ta'shara jetzt nicht ziehen lassen und schon gar nicht in der kleinen Kammer nächtigen lassen, die nicht mehr als ein Bett enthielt und für einen Gehilfen gedacht war, den er noch immer nicht gefunden hatte.


    Trotzdem kamen ihm für einen Augenblick lang Zweifel, als er Ta'shara auf dem Bett sitzen sah. Durch ihre Profession sollte man ihr wohl nicht unbedingt Vertrauen entgegenbringen - doch aus irgendeinem Grund tat Brennan das. Vielleicht, weil sie in diesen kurzen Momenten, wo sie den Hauch eines Gefühles gespührt hatte, so unwahrscheinlich hilflos gewirkt hatte.

  • Ta’shara entging Brennans kurzes Zögern nicht. Still betrachtete sie ihn und erhob sich dann. "Es macht mir nichts aus, in der Kammer zu schlafen. Ich bin eine Valisar. Ein Dach. Ein Platz zum Schlafen. Das ist genug.“ Ihr Blick lag weiterhin prüfend auf ihm. "Es würde mir auch nichts ausmachen, wenn du neben mir liegst. Wirklich nicht. Du musst nicht wegen mir auf dein bequemes Nachtlager verzichten.“ Eigentlich wollte sie nicht, dass er ging. Und doch meinte sie, es müsse ihr egal sein. Glaubte sie zumindest. Sie würde es zwar nicht zugeben, aber insgeheim fürchtete sie, dass die Woge zurückkäme und sie erwischt, wenn sie alleine ist.


    "Ich konnte das eben nicht kontrollieren. Ist das immer so? Und was muss ich machen, damit das nicht wieder so ... unvorbereitet kommt?“ Ihr analytischer Verstand arbeitete auf Hochtouren und kam doch nicht von der Stelle. Sie wollte erklären können, was passiert war, aber sie merkte, dass sie sich schon wieder verrannte. Das kleine Seufzen konnte sie wenigstens zurückhalten und fand nun auch endlich etwas, das ihr 'vertraut' war. Damit konnte sie auch nicht viel falsch machen, denn sie wollten schlafen gehen: ohne jede Scheu begann Ta'shara sich zu entkleiden. Egal letztlich, wie Brennan sich entscheiden würde, sie war müde und wollte aus diesem Kostüm heraus. Zielstrebig steuerte sie die Truhe an und kniete sich vor ihr auf den Boden. "Und es ist dir gleich, welches Hemd ich anziehe?" fragte sie noch einmal nach und nahm gleich das zu oberst Liegende. "Das hier?“ Ein Schwarzes.Dieses Hemd würde nicht passen. Nicht von der Größe und nicht vom Stil. Aber sie stellte fest, dass es ihr egal war. Sie streifte es sich über und nahm sich vor, sich heute über nichts mehr zu wundern. Ta'shara schloss den Truhendeckel und drehte sich, noch immer auf dem Boden hockend, wieder zu Brennan.

  • Brennan war felsenfest davon überzeugt, dass er den Rest der Nacht in der Kammer verbringen würde, doch als Ta'shara ihn fragte, wie das mit den Gefühlen sein, setzte er sich wieder auf's Bett.


    "Nun, ich weiß nicht, wie es bei den Valisar ist, aber bei uns.. uns Menschen kommt es selten in Schüben. Manchmal überkommt dich die Freude oder die Trauer und du meinst, du würdest innerlich zerissen, aber im Grunde kommen und gehen die Gefühle viel.. viel schleichender."
    Der Vogelhändler wußte nicht, wie er es beschreiben sollte. Wie beschreibt man Gefühle?


    "Nimm, welches dir gefäl... irgendeins." Brennan war es tatsächlich egal, welches Hemd sie nahm. Respektvoll drehte er sich von Ta'shara fort, als diese begann sich umzukleiden. Und auch wenn er nichts von dem Körper der schönen Valisar sah, begann sein Herz doch ein wenig schneller zu schlagen.


    Als er den Truhendeckel zufallen hörte, drehte auch Brennan sich wieder zu Ta'shara. Er stand auf und reichte ihr die Hand um ihr hochzuhelfen. Ein sanftes Lächeln schlich auf seine Züge. "Es steht dir." meinte er ehrlich und war erstaunt darüber, von welcher puristischen Schönheit die Valisar ohne ihr Kostüm war. Es wurde ihr nicht gerecht und sie wirkte ohne das Äußere der Schlange noch viel graziler, wenn auch noch kühler.


    "Ich.." Brennan sah Ta'shara an und obwohl er sagen wollte, das er das Schlafgemach nun verlassen wollte um sich in die Kammer zu begeben, konnte er das nicht. Irgendetwas in Ta'sharas kühlem Blick veranlasste ihn dazu, bei ihr zu bleiben. Vielleicht war es ein gewisser Beschützerinstinkt, der wach geworden war, vielleicht auch einfach die Ahnung einer unwahrscheinlichen Sehnsucht, die er alleine in der kalten Kammer erfahren würde.


    "Ich denke es ist vielleicht doch besser, wenn.. wenn ich bei dir bleibe. Nur, falls du heute Nacht etwas suchst oder so. Das.. das Bett ist ja wirklich groß genug." Er lächelte sie an und strich ihr über die kühle Wange.

  • "Nicht ganz das, was ich für gewöhnlich trage." meinte Ta’shara leichthin und musste wider Erwarten lächeln. Die junge Valisar ließ sich aufhelfen und stand nun nahe bei Brennan. Sie konnte die Wärme seiner Haut spüren. Angenehm. Denn sie selbst fing an zu frieren. Hatte sie je auf so etwas geachtet?
    Ihr Kopf neigte sich ein wenig zur Seite, während sie Brennan wohlwollend betrachtete. Er sah wirklich gut aus, wie er so dastand und lächelte. Sie würde an der Seite eines faszinierenden und schönen Mannes schlafen und nicht frieren. Unwillkürlich musste sie an die 'goldene Kugel' vom Maskenball denken. Auch faszinierend. Und ein ausgesprochen guter Tänzer! Sie fragte sich, wie dieser wohl ohne Kostüm… aussähe. Noch interessanter die Überlegung, was genau denn Kostüm gewesen war und was nicht. Das Land unter der Kuppel war voll von Magie und Zauber. Manchmal allerdings auch Fauler. Doch der 'Goldene' war ihr in angenehmer Erinnerung geblieben. Ein Mann mit guten Manieren. Nicht aufdringlich sondern höflich und zuvorkommend. Wie Brennan. Ein Verhalten Seitens des Vogelhändlers, wie sie es so nicht erwartet hatte.


    Wieder schloss die junge Valisar ihre Augen, als Brennan ihr über die Wange strich. Irgendwas war anders in seiner Berührung als bei den ungezählten anderen, bei denen sie schon gelegen hatte und die immer auf ihre Kosten gekommen waren. Aber sie fühlte es nicht real. Das von eben war schon nichts weiter mehr als eine bloße Ahnung. Sie hatte keine Erinnerung für ein Gefühl. Beinahe so, als gäbe es keinen Platz dafür in ihrem Kopf. "Ich kannte mal jemanden, der hat vergessen, wer er war. Ein Unfall. Ähnlich ist das bei uns Valisar, mit dem, was Gefühle sind."
    Die junge Frau legte ihre Hand kurz auf Brennans Hand an ihrer Wange. Eine Geste, die sie einmal in irgendeinem Park beobachtet hat.
    "Danke, dass du bleibst." Ta’shara wusste selbst nicht genau, was sie damit eigentlich meinte, aber es erschien ihr richtig. Sie nahm ihre Hand wieder zurück und schlüpfte unter die Decke. Im Gegensatz zu Brennan sah sie nicht gleich zur Seite oder schloss die Lider, sondern ihr Blick ruhte auf seiner Gestalt, ehe sie ihre Augen doch schloss und still wartete. Noch so etwas, was sie nicht verstand: schöne Dinge waren dazu da, betrachtet zu werden; so wie ein makelloses Bild oder ein geschmackvoller Gegenstand, eine Blume. Ein wohlgebauter Mann machte da keine Ausnahme. Aber der Kodex lehrte ein gewisses Maß an Zurückhaltung bezüglich der Intimsphäre eines Menschen.

  • Während Ta'shara schon unter der Decke verschwand, verließ Brennan das Zimmer noch einmal. Leise nahm er sein Shirashai-Amulett wieder auf und hing es sich um den Hals.
    Dann schloß er das Fenster in seinem Wohnbereicht und löschte die Kerzen. Einige wenige Lichtmuscheln ließ er an.


    Selbiges wiederholte er in seinem Schlafgemacht. Das Kerzenlicht verschwand und nur im matten Schein der Lichtmuscheln entledigte der Vogelhändler sich seiner Beinkleider. Ordentlich legte er sie zusammen, während sein Blick auf Ta'shara ruhte. Wie schön sie aussah. Brennan hob die Hand an das Amulett und mußte tief durchatmen um die Gefühle, die erneut in ihm hochkamen, niederzukämpfen.


    Irgendwie gelang es ihm und er legte sich neben die Valisar. Mit einer sanften Bewegung löschte er das Licht der Lichtmuschel, die neben seinem Bett stand und drehte sich dann auf den Rücken.


    "Hey, komm her.." Flüsterte er Ta'shara zu und hob den Arm an, so dass sie sich hineinlegen und den Kopf auf seine Schulter legen konnte.

  • Nach und nach verlöschten die Lichter. Sie konnte es hinter ihren geschlossenen Lidern 'sehen', bis es am Ende fast dunkel war und sie Brennans Bewegungen neben sich spürte, als er sich hinlegte und die leichte Bettdecke zurechtzog. In der Dunkelheit forderte er sie flüsternd auf, zu ihm zu kommen und sie folgte seiner Stimme, bettete ihren Kopf an seine Schulter. Ihre Hand ruhte an seiner Brust. Leicht und warm. Brennans Herz schlug gleichmäßig... schnell. Die junge Frau wartete auf seine Hände, seine Lippen, denn sie glaubte nicht daran, dass er sie nicht würde berühren wollen.


    Doch nichts geschah. Im Geiste zählte sie die Schläge seines Herzens. Wartete. Schneller als ihr eigenes, auch wenn ihres ganz im Gegensatz zu sonst mehr Schläge zählte. Dieser Abend, diese Nacht waren seltsam.
    Doch am Allerseltsamsten war der Umstand, dass sie im Arm eines Mannes lag, der sonst nichts weiter von ihr wollte.
    NEIN! Falsch! Ein Mann, dessen Reaktionen deutlich das Gegenteil bewiesen, wie sie gerade feststellte, der aber nichts weiter in dieser Richtung unternahm, was bei weitem noch seltsamer war.


    Ta’sharas Hand berührte sein Amulett. Hatte er es also wieder angezogen. Fast zärtlich strich sie darüber.
    "Ist sie es?“ fragte die junge Halbvalisar. "Gibt sie dir die Kraft oder bist du es allein?" Sie wusste nur zu genau um ihre Wirkung auf andere Wesen. Nicht umsonst hatte sie bei Unzähligen gelegen und mit ihnen das Lager geteilt.

  • Brennan versuchte zu schlafen. Er hatte die Augen geschlossen und übte sich darin, seine Gedanken vertreiben. Doch neben einer Frau wie Ta'shara war das nicht so einfach. Immer wieder wanderten seine Gedanken zu ihrem schönen Gesicht, dem duftenden Haar und dem sanften Heben und Senken ihres Brustkorbes, welches er an seiner eigenen Haut spüren konnte.


    Er spürte Ta'sharas Hand auf seiner Brust und gleichzeitig strich seine Hand warm über ihre Schulter.


    "Kraft? Ja.." Brennan sprach mit gedämpfter Stimme und trotzdem klang sie stark und sicher. "Shirashai gibt mir Kraft. Mehr Kraft als alles andere auf der Welt."
    Die Hand des Vogelhändlers fand eine Haarsträhne der Valisar und begann mit ihr zu spielen.
    "Shirashai ist unglaublich. Ich begegnete ihr.. ihrem Glauben zum ersten Mal, als mein Vater grade gestorben war. Ich erinner mich noch gut daran. Gerade 19 war ich geworden. Seitdem begleitet sie mich und ja.. sie hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin."


    Brennan war sich nicht sicher, worauf Ta'sharas Frage abzielte. Wohl kaum auf seinen trainierten Körper. Darauf, dass er ihr wiederstand? Oh, nur Shirashai wußte, wie schwer es ihm fiel, sie nicht doch in seinen Arm zu schließen und seine Lippen über ihren Körper streichen zu lassen. Doch es wäre ihm falsch vorgekommen. Falsch eine Frau zu verführen, die dies nicht aus.. ja, aus freiem Willen wollte.
    Für ihn hatte das nichts mit Stärke zu tun. Vielmehr ängstigte er sich vor seinem eigenen Gewissen..

  • "Erkläre mir eines, Brennan Targo. Deine Göttin, Shirashai, sie ist dunkel. Ihr folgen für gewöhnlich Wesen, die, nun, sagen wir mal, oft mit zwielichten Dingen zu tun haben. Diebe, Hehler… du weißt schon. Oft jene, die ihr als 'Menschen mit schlechtem Charakter' bezeichnet. Was genau hat dich zu ihr geführt?"


    Wenn sie auch schon viele Jahre auf dieser Welt weilte und für menschliche Verhältnisse bereits über einiges an Wissen verfügte, dieser Mann gab ihr Rätsel auf. Er schien skrupellos auf den ersten Blick. Egoistisch. Wie sie selbst folgte er einer … Bestimmung? War es das? Blieb sie deshalb hier, weil sie eine Art Verwandtschaft zu seinem Wesen empfand? Floss vielleicht doch mehr Ashaironi-Blut in ihr, als sie bisher vermutet hatte?


    Die junge Frau gähnte verhalten. Ihr Körper war müde, doch ihr Geist arbeitete rege. Brennan war nicht schlecht. Sie musste es wissen, denn der Kodex äußerte sich eindeutig über alles, was schlecht war. Brennann also war nicht schlecht; nicht im Sinne von dem, was sie wusste. Also das, was die Menschen dazu veranlasste, in jemandem Schlechtes zu sehen. Ta‘shara war verwirrt. Müde und verwirrt.
    "Ich möchte deine Göttin kennenlernen. Kannst du mich zu ihr bringen?"
    Gewiss würde sie klarer sehen, wenn sie sich ein besseres Bild von der Göttin machen könnte.

  • Brennan lächelte, doch im Schutz der Dunkelheit war dies kaum zu sehen.
    "Ja, Shirashai mag dunkel sein und nach außen erscheint es häufig, als wenn die finstersten Gesellen sich ihr anschließen würden. Doch ist die Sicht der Dinge eine andere."


    Der Vogelhändler drehte sich Ta'shara zu, so dass die Valisar zwar noch immer auf seinem Arm lag, er sie aber betrachten konnte. Nur dämmriges Licht herrschte in seinem Schlafgemach und doch sah er ihre Konturen - das wunderbar seidigschwarze Haar, die schlanke Gestalt.
    Sanft strich er mit der freien Hand über ihre Schulter.


    "Shirasha ist ehrlich. Ja, viele von uns haben ihre dunklen Geheimnisse und auch ich bin mehr als ein einfacher Vogelhändler. Aber wir verstecken uns erst gar nicht hinter der Maske des Guten.
    Eriadne, das Licht, ein weißes Gewand.. signalisiert das nicht die absolute Reinheit und die Unschuld? Doch welches Wesen ist schon unschuldig? Wieviele Anhänger der Eriadne haben dennoch schoneinmal die Hand gegen einen Schwächeren erhoben? Wieviele haben sich etwas genommen, was ihnen nicht gehörte? Die Jünger Shirashais machen kein Geheimnis um ihre eigenen Schwächen. Wir blenden nicht." Brennan hielt einen Augenblick inne und konzentrierte sich auf Ta'sharas Atem. Gleichzeitig sammelte er seine Gedanken.


    "Shirashais Ehrlichkeit und ihre grenzenlose Liebe haben mich zu ihr geführt." Der Vogelhändler dachte an das erste Treffen. Tatsächlich hatte er die Göttin schon in jungen Jahren selber kennengelernt und war ihr vollkommen verfallen.
    "Ihre Fähigkeit in jedem das zu sehen, was er wirklich ist und das Wunder der ewigschönen Nacht." Brennan ließ sich wieder zurückfallen und zog Ta'shara näher an sich heran.


    Sie wollte Shirashai also kennenlernen. Er schwieg einen Augenblick, nickte dann jedoch begleitend zu seinen Worten.
    "Wir können ihren Tempel aufsuchen, wenn du möchtest. Sie wird begierig darauf sein, eine so schöne Frau kennenzulernen." Langsam aber sicher klang Brennans Stimme schläfrig.

  • "Ja, das möchte ich. Ehrlichkeit ist ein hohes Gut." murmelte Ta’shara leise, aber überzeugt. "Es mutet vielleicht seltsam an, wenn ich davon spreche, aber..." Ta'shara seufzte leise. Das einzige ehrliche Gefühl das sie bisher im Stande gewesen war zu empfinden, ohne es zu vergessen, war diese unsägliche Sehnsucht nach etwas, das sie nicht einmal wirklich gekannt hat. Und sie ging einem Beruf nach, der alles andere als ehrlich war. Wobei dies in ihren Augen etwas anderes war. Das tat sie, weil sie gut darin war, weil sie es konnte und sie es zur Perfektion bringen wollte, weil sie sich mit nichts geringerem zufrieden gab. Für Heuchelei hingegen hatte sie kein Verständnis. Es machte keinen Sinn, einem anderen etwas vorzuspielen.


    Im Halbdunkel betrachtete sie Brennans markantes Gesicht. Es gefiel ihr, wie unbeirrt er von Shirashai sprach. Es würde ihr ebenso imponieren, würde er von einer anderen Gottheit sprechen. Götter waren ihr im Grunde egal. Wenn überhaupt war sie ihrer überdrüssig. Götter waren ebenso unberechenbare und teils missgünstige Geschöpfe, wie alle fühlenden Wesenheiten. Göttern war zu verdanken, dass Beleriar im Meer versunken war. Göttern und deren Missgunst verdankte sie ihr Dasein, das jedem fühlenden Wesen trostlos und öde erscheinen musste. Würde es nach ihr gehen, gäbe es keinen Platz für Götter auf dieser Welt. Wohl aber für gefestigte und starke Menschen wie Brennan. Die Inbrunst mit der er von Shirashai sprach; das, was er in ihr sah, beeindruckte die junge Valisar und sie war überzeugt, dass sie hier am richtigen Ort war. Und sie war überzeugt, dass sie Shirashai verstehen würde.
    "Schlaf gut, Brennan Targo." flüsterte sie leise und schlief ein.

  • Es brauchte nicht lange, das Brennan einschließ.
    Er fiel in einen tiefen und ruhigen Schlaf, nur gegen Morgen erreichten ihn die Bilder eines verwirrenden Traumes, voll mit Schlangen, Vögeln und Menschen aus purem Gold.


    Doch die Reste dieses Traumes und jegliche Erinnerung waren bereits erloschen, als Brennan die Augen aufschlug.
    Es war hell im Zimmer. Offensichtlich hatte er vergessen, die Fensterläden zu schließen. Brennan rieb sich die Augen und streckte sich. Lächelnd sah er auf die Valisar neben sich hinab. Wie wunderschön sie aussah. Bei Tageslicht sogar noch hübscher als im Schein der Lichtmuscheln.


    Der Versuchung, Ta'shara sanft zu küssen, wiederstand Brennan. Er wußte, welche Wünsche und Gelüste das gleich wieder in ihm wachgerufen hätte und so versuchte er sich vorsichtig und ohne Ta'shara zu wecken aufzusetzen und die Füße über die Bettkante zu schwingen.


    Zeitgleich hörte er draußen an der Fensterscheibe ein bekanntes Klopfen. Kalli saß auf dem Fenstersims und schlug mit dem harten Rabenschnabel gegen das Fenster. Brennan lachte und öffnete das Fenster. Kühle Morgenluft strömte ins Innere und der Vogelhändler schloß einen Augenblick lang die Augen und atmete tief ein. Dann ließ er Kalli auf seinem Arm Platz nehmen und sprach leise und mit gedämpfter Stimme zu dem schwarzen Tier.


    "Na, meine Liebe? Schön ist sie, nicht wahr? Wir sollten ihr ein gutes Frühstück machen. Hilfst du mir?" Kalli auf der Schulter umrundete Brennan sein Bett und sammelte die leeren Weingläser und die Reste des Mitternachtimbisses auf - die Kalli liebend gerne verspeiste. Doch immer wieder glitt Brennans Blick auf Ta'shara.

  • Ta’shara war allein im Raum, als sie nach einem traumlosen Schlaf endgültig erwachte. Der Duft von Kaffee stieg ihr in die Nase. Das war gut. Zu einem Morgen gehörte ein anständiger, starker, schwarzer Kaffee. Die junge Frau setzte sich im Bett auf, streckte sich und wollte eben die Decke zurückschlagen, als sie inne hielt und lauschte. In einem der Zimmer hörte sie Brennan hantieren, was nicht weiter ungewöhnlich war, denn es war schließlich sein Heim. Doch hatte sie so früh am morgen nicht mit Besuch gerechnet. Nochmals lauschte sie. Doch ja. Brennan unterhielt sich mit jemandem und während sie aufstand und ans offene Fenster trat, überlegte sie kurz, ob er gestern einen Besuch erwähnt hat. Aber ihr fiel nichts ein. Einen Moment noch verharrte sie still, atmete tief die kühle Morgenluft und ließ ihren Blick über die Straße und die angrenzenden Häuser schweifen. Sie war lange nicht in der Stadt gewesen. Nur die ältesten würden sich ihrer vielleicht noch erinnern, wenn überhaupt. Sie ging unauffällig durchs Leben. So unauffällig zumindest, wie es ihr möglich war. Sie war eine Einzelgängerin. Ohne Grund verbrachte sie ihre Zeit nicht mit anderen.


    Und doch war sie heute morgen nicht in ihrem eigenen, sondern in Brennans Bett erwacht… ohne irgendeinen besonderen Grund. Sie drehte sich um und folgte den Geräuschen, bis sie in dem Durchgang zu Brennans Küche stehen blieb und sich nach dem vermeintlichen Besucher umsah. Aber da war niemand. Niemand außer einem Raben, der auf Brennans Schulter saß und sie aus intelligenten, schwarzen Knopfaugen aufmerksam musterte.
    Kalli. Das musste das Tier sein, von dem Brennan die Nacht erzählt hat und dessen Gemälde im Wohnzimmer hing.
    "Guten Morgen." wünschte sie, blieb jedoch, wo sie war. "Kann ich einen Kaffee bekommen, bitte?"

  • Brennan drehte sich um und gleichzeitig gab Kalli einen empörtes Krächzen von sich. Als der Vogelhändler Ta'shara dort so stehen sah, verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln.


    "Guten Morgen, hast du gut geschlafen?" Brennan wartete keine Antwort ab, stattdessen hantierte er weiter herum, stellte einige Töpfchen auf den schmalen Tisch und deutete dann auf einen Stuhl.


    "Setz dich. Dein Kaffee kommt sofort."
    Brennan holte eine silberne Kanne, siebte den Kaffeesatz ab und schenkte Ta'shara und sich aus. Dann holte er einen ganzen Laib Brot und ein großes Messer herbei und legte es neben die Töpfe voll Honig, Konfitüre und anderen Köstlichkeiten.


    Kalli blieb die ganze Zeit auf seiner Schulter setzen und erst als auch Brennan sich setzte, hüpfte der Vogel auf die Lehne des dritten Stuhles. Gierig pickte er nach einigen Stücken getrocknetem Fleisches, die Brennan dem Raben hingelegt hatte.


    "Nun, du kannst es dir wohl denken, aber nicht das mir schlechte Manieren nachgesagt werden. Das ist Kalli, meine Mitbewohnerin." Er grinste und musterte Ta'sharas Gesicht. Ihre wunderbar ebenmäßige Haut, die kalten Augen, die feingeschnittenen Züge. Wahrhaft ein Anblick in dem man sich verlieren konnte.

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