Auf der Jagd

  • Erleichtert stellte Mallalai fest, dass es gelungen war! Doch anstatt sich um den Yassalar zu kümmern, wandte er sich der Elfe zu. Tauchte unter ihr durch, so dass er ihm nicht den Rücken zukehrte, wer wusste schon, wie er auf den Angriff reagieren würde. Doch jener machte kehrt, schwamm zügig davon.


    "Ist dir etwas geschehen?" Er musterte sie streng, doch sie schien heil. "Jetzt haben wir uns einen wahren Freund geschaffen!" Er lachte und wandte sich um. "Wir sollten ihn in den Augen behalten, mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass er sich der Stadt zuwendet und nicht seinem eigenen Reich." Aus Versehen hatte er wir gesagt, es aber nicht bemerkt, wohl davon ausgehend, dass sie nicht daran zweifelte, was zu tun sein würde. Die Yassalar waren zwar eine Plage für alle, dennoch eine besondere Plage der Mira'Tanar und Mallalai fühlte sich als solcher verpflichtet, die Inselbewohner, besonders die Stadtbewohner, vor Schmutz aus dem Ozean zu bewahren.

  • Amaray gelang es nur mit Mühe, die Augen von dem Yassalar los zu reissen, der eilig weiter in Richtung des Festlandes unter dem Meer davon schwamm. Noch immer ließ sie das Gefühl in Watte gepackt zu sein nicht los und es dauerte einen Augenblick, bis sie die Worte fand, dem anderen Mira'Tanar zu antworten.


    "Ich... nein, ich bin nur leicht verletzt, es ist nichts ernstes. Doch ihr seht aus, als hätte euch der Yassalar weitaus übler mitgespielt als mir."


    Mit diesen Worten glitten Amarays Augen über die Gestalt des Meereselfen, dann huschten sie zu dem davonschwimmenden Yassalar zurück, während eine Hand gedankenverloren über ihre Wunde strich. Wenn sie doch nur eine vollwertige Magierin wäre... niemals hätte der Yassalar sie so einfach überrumpeln können.


    "Ihr habt recht... mein Weg wird mich ohnehin in die Stadt führen, auch wenn ich wenig Lust verspüre, ihm erneut gegenüber zu stehen. Wer weiß, welche Überraschungen er noch parat hält?"

  • "Es ist nichts", Mallalai wandte den Kopf ab, sein Gesicht gefror zu einer Maske, Schmerz machte stärker, nichts war beschämender als auf die eigenen Schwächen hingewiesen zu werden, dass er nicht hatte standhalten können, zornig wischte er das Blut ab, dass aus seiner Nase lief, sich rot mit dem Wasser vermischte, zornig nahm er seine zitternden Knie wahr. Seine Messer fuhren klackend wieder in die Manschetten zurück. Seine Gefühle waren töricht, Mallalai erkannte die Erziehung der Yassalar darin, seine Hand fuhr über die Narbe, die lang über seinen Bauch verlief. Ärgerlich verzog er die Brauen.


    "Keine Überraschungen, wenn wir darauf vorbereitet sind zu reagieren", antwortete er knapp, während er die Augen zusammenkniff, um dem Yassalar so lange wie es ging mit dem Blick folgen zu können. "Wir kennen unseren Feind, wir müssen handeln." Der Splitter in unserem Fleisch ...Seine Hand zeigte auf die Stadt. "Sie sind auf ihre Art unschuldig, sie werden seinem Charme und seinen süßen Worten verfallen."
    Dann endlich löste er krampfhaft die Aufmerksamkeit und wandte den Kopf zu der Mira'Tanar. "Es ist deine Entscheidung, dein Risiko, lasse es dein Ziel sein oder schwimme deiner Wege."
    Es klang vielleicht härter als er es in jenen Herzschlägen meinte, denn Mallalai konnte verstehen, dass sich nicht jeder Mira'Tanar diesem Kampf hingab, sich nicht von einem Leben abwenden wollte, was nach Normalität schrie, das sich nach einer Welt ohne die Gefahr der Yassalar sehnte. Manche Kämpfe sollten andere ausfechten.

  • Für einen Augenblick stutzte Amaray verwirrt, nicht in der Lage, die Härte zu verstehen, mit der der Mira'Tanar ihr antwortete. Doch dann gewann ihre übliche Maske wieder die Oberhand und verdrängte die Gefühlsregung aus ihrem Herzen. Sie war es ohnehin nicht gewohnt, daß man ihr mit Freundlichkeit begegnete und so überging sie seine harten Worte. Es war wie ein Makel, der ihr anhaftete, so als ob andere Meereswesen etwas in ihr zu spüren vermochten, daß sich nicht mit ihrer eigenen Welt vereinbaren ließ.


    "Wie ich bereits sagte, mein Weg führt mich ebenfalls in die Stadt und wenn es euch nicht lieber ist allein zu gehen, so können wir gemeinsam dorthin gelangen. Aber es liegt mir fern, euch meine Anwesenheit aufzudrängen wenn ihr sie nicht wünscht."


    Amarays Worte waren betont nüchtern gesprochen und verrieten keine Gefühlsregung. Sie verstand nicht, was den anderen Meereselfen zu seinen Worten und zu seiner Reaktion bewegt hatte und so schob sie es auf die übliche Kälte, die man ihr unter ihresgleichen entgegen brachte. Wer wusste schon, ob er in der Akademie der Magier verkehrte und ob sie sich dort schon einmal begegnet waren. Entschlossen schüttelte die Meereselfe diese Gedanken ab und wandte ihren Blick auf die Stadt, die vor ihnen lag und die den Yassalar verschluckt hatte.

  • "Deine Entscheidung ist gefallen, so sei es, sie kommt mir entgegen und ich zolle dir Achtung dafür. Nicht alleine sollte man gegen einen Yassalar stehen und natürlich ist mir eine Verbündete aus den Reihen der Mira'Tanar, die so mutig eingegriffen hat, lieber als jeder andere an meiner Seite." Mit diesen Worten konnte sich Mallalai ihr nun ganz zuwenden, denn es fiel ihm wie Schuppen von den Augen, dass ...


    "Hab Dank dafür, Freund. Wahrscheinlich ist, dass ich schneller gestorben wäre als ich hätte fliehen können ..." er lächelte beschämt, denn einmal kam sein Dank recht spät, es hätten die ersten Worte auf seinen Lippen sein müssen, und auf der anderen Seite - hatte er denn je überhaupt an Flucht gedacht? "Du brachtest dich für mich in Gefahr!" Seine Stimme brach. "Es wäre mir eine Ehre mit dir in die Stadt zu schwimmen, um ihm zu folgen."


    Mit einem Beinschlag stob Mallalai in die Höhe, lachte erfreut mit glitzernden Augen, breitete die Arme aus, während er auf sie hinunter sah:"Lass uns auf die Jagd gehen!"

  • Amarays blaue Augen spiegelten die Überraschung wider, die Mallalais Worte in diesem Augenblick in ihr auslösten. Der Meereself schien seine düstere, abweisende Haltung von einem Augenblick auf den anderen abgelegt zu haben und es fiel ihr schwer, seine Reaktionen einzuordnen. So stutzte sie also für einen Moment und sah ihm mit großen Augen nach, während er so mühelos in die Höhe glitt. Dann schüttelte sie das Erstaunen ab und folgte ihm mit einer gleitenden Bewegung, die sie auf die Stadt zutrug. Ein unsicheres Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab - denn Amaray, die es wohl gewohnt war mit Ablehnung umzugehen, hatte selten aufrichtig wirkende Freundlichkeit von ihresgleichen erfahren.


    "Ja, lasst uns auf die Jagd gehen.", stimmte sie dem anderen Mira'Tanar zu. Und in dem Augenblick, in dem die Worte ihre Lippen verlassen hatten, leuchtete das innere Feuer erneut in ihren Augen auf. Amaray mochte dies zwar selbst nicht bemerken, doch die Wärme, die sich in ihr ausbreitete, vermochte sie dennoch zu spüren. Mit wenigen Stößen hatte sie zu Mallalai aufgeschlossen und schwamm nun an seiner Seite.

  • "Er wird wissen, dass wir ihm folgen werden ..." Mallalai überlegte kurz, seine Augen huschten über den Sand, die Pflanzen auf dem Meeresgrund, eine Schnecke, die sich trotzig ihrer Anwesenheit entgegenstellte, indem sie sich nicht in ihr Haus zurückzog, "oder möglicherweise nicht damit rechnen, dass wir so wagemutig sind." Seine hellen Augen blinzelten ihr zu, jener, die jetzt an seiner Seite schwamm, es sollte eine Aufmunterung sein, die er sich auch selbst zuwarf. Im Moment sah es so aus, dass der Yassalar sich nicht um sie kümmerte, ja, seinen Weg einfach weiterschwamm ohne einen Blick zurück geworfen zu haben. So erschien es Mallalai ein Vorteil für sie zu sein, wenn auch winzig nur, so dass er seine eigenen Bewegungen einschränkte, zaghafter nach vorne schwamm, um das Wasser nicht all zu sehr von sich zu stoßen.
    Wieso fühlte er sich dann so herabgesetzt? Beleidigt gar, dass sie nicht mehr seine Aufmerksamkeit besaßen? Du bist unterlegen ... sein Handrücken strich über seine Nase, so dass er sogleich zurückzuckte. Der Gedanke schmerzte sogar noch mehr, es bohrte in seinem Bauch, er fröstelte. Verbissen gestand er sich ein, dass doch er es war, der den Yassalar am besten einzuschätzen wissen müsste. Doch gerade dies war es, was er nicht zulassen wollte, was er fürchtete. Wollte er etwa genauso unwissend sein? Ja, ich will! Lass mein Herz dort begraben, wo es ruht. Es war mehr das Bewusstsein, dass er glaubte, Verwunderung für sie zu empfinden, es war eine Schande, seine Schande. Mallalai wollte hinaus rufen: Ich kenne deine Art! Ich weiß, wie du denkst! Doch der Ekel über sich selbst wuchs mit jedem Gedanken, den er erzwang.
    Ein leichtes Pochen in den Schläfen, welches zu Kopfschmerzen werden konnte, begann ihn zu ärgern. Was konnte da besser sein als ein ablenkendes Gespräch? Denn schließlich bekam er nicht oft die Gelegenheit mit seinesgleichen zu plaudern, ja, eigentlich war er in der letzten Zeit mehr an Land in Gespräche verwickelt. Stolz konnte er behaupten, dass seine Worte in der fremden Sprache zahlreicher und seine Sätze fließender wurden. Spöttisch verzog sich sein Mund, ob des Ablenkungsmanövers, welches er vor sich selbst zu inzenieren versuchte. So entschied er sich für ein nichtssagendes Lächeln, welches ihm nicht so recht passen wollte.


    "Wie ruft man dich?" fragte er deshalb. "Möchtest du mir deinen Namen nennen, denn ihn zu umgehen, fällt mir von mal zu mal schwerer."

  • "Mein Name ist Amaray..."


    Die Worte hatten ihre Lippen verlassen, kaum daß sie sich dessen bewusst geworden war und für einen Augenblick richteten sich ihre blauen Augen auf die Kuppel, die die Stadt in ihrem Inneren barg. Der Yassalar war nun nicht mehr weit davon entfert und es war unwahrscheinlich, daß sie ihn einholen würden, bevor er das Festland betreten hatte. Der Gedanke erfüllte Amaray mit einer leisen Unbehaglichkeit, während sie die weißen Türme der Stadt durch den Schleier des Meeres wahrnahm, lenkte sie damit gar von der Unsicherheit ab, die sie dem anderen Meereselfen gegenüber empfand.
    So schien ihre Stimme beinahe ein Eigenleben entwickelt zu haben, als sie ihn nach seinem eigenen Namen fragte und nun, da die Worte ausgesprochen waren, wagte sie sich den anderen anzublicken, obgleich ihr die vage Unsicherheit, von der sie nun wieder erfüllt war, ins Gesicht geschrieben sein musste.


    "... und wie werdet ihr genannt?"


    Scheu wandte sie sich wieder von ihm ab und ließ den fremden Anblick der Stadt auf sich wirken - nein, Amaray hatte noch nie zuvor Land betreten und mit jeder Sekunde, in der sie sich ihr näherten, wurde das flaue Gefühl in ihrem Magen stärker.

  • Er wusste, dass sie nie Land betreten hatte, flüchtende Gedanken an sein erstes Betreten flatterten durch seine Erinnerungen. Er sah es in ihren Augen, hörte es in der Art, wie sie sprach. Damals ... am Brunnen, man hatte ihn gezwungen Schiffsbrüchigen zu helfen, sie anzufassen, ihnen seinen Atem zu spenden ... jetzt wunderte er sich, dass er ihnen nicht aus eigenem Antrieb zu Hilfe geschwommen war. Unerfahren hatte er sie nur fasziniert beobachtet, wie sie Luftblasen spuckten, ihnen die Augen überquollen und ihre Arme hilflos ruderten. Planschende Klumpen unter Wasser. Mallalai dachte an seinen Zusammenprall mit der Menschenfrau, an den wundersamen Gnom ... aber auch an die windige Begegnung mit der Sylphe Ji'Sai.
    Nichts konnte Amaray darauf vorbereiten diese Wesen zu sehen, die trockene Luft außerhalb der Fülle zu atmen, wenn sie das Wasser aus den Lungen presste, so dass man glaubte, der Druck würde jeden sogleich ersticken. Man keuchte, man öffnete hilflos die Kiemen. Man gewöhnte sich daran. Sie würde es lernen.


    Samtig breitete sich das Lächeln auf sein Gesicht.
    "Amaray ist ein großartiger Name", versicherte er ihr nun, sollte sie nicht so sorgenvoll nach vorne sehen. "Ich bin Mallalai!" So schlängelte er sich, während sie voran schwammen, einmal um ihren Körper, flink, eine Drehung um sich selbst, seine langen Haare streiften ihm folgend ihre Schuppen. Es war sein Gruß.

  • "Mallalai..."


    Amaray wiederholte die geschmeidigen Silben, die in der Sprache der Meereselfen seinen Namen formten und mühte sich, vor seiner Begrüßung nicht zurück zu zucken. Zu wenig war sie die Nähe eines anderen Wesens gewohnt, um sie gleichmütig hinzunehmen und so sehr sie sich auch bemühte, ihre Gefühle zu verschleiern, so war ihre Unsicherheit dennoch spürbar wie eine zitternde Aura, die sie umgab. Ihre Augen huschten zu Mallalai, der gleichmütig wirkte und seine Gleichmütigkeit trieb eine rötliche Färbung auf ihre Wangen und ließ sie eine unangenehme Wärme auf ihrem Gesicht spüren. Mühsam unterdrückte sie die Wut, die in ihr aufsteigen wollte - keine Wut auf ihn, jedoch Wut über ihre eigene Unzulänglichkeit und ihre mangelnde Erfahrung. So straffte sie ihren Körper und blickte durch die Kuppel hindurch, nahm das Leben auf dem Land wahr, daß dort seinen Fortgang nahm und sich nicht an den beiden Meereselfen störte, die vor dem Übertreten seiner Grenzen standen.
    Ein tiefe Bewegung ihrer Kiemen, auf dem Land wohl einem Seufzen gleich und Amaray blickte ergeben zu ihrem Begleiter hinüber. So sehr sie es auch hasste und es nicht gewohnt war, sich in die Abhängigkeit eines anderen Wesens zu begeben - hier gab es keinen anderen Weg, wenn sie sich nicht vollends eine Blöße geben mochte.


    "Ihr... wart bereits auf dem Land, nicht wahr?"


    Die Worte kamen zögerlich und kosteten Überwindung, doch Amaray zwang sich dazu, sie über die Lippen zu bringen.

  • Ein scheuer Fisch, der in seine Anemone flüchtet, dachte Mallalai verwundert, da ihm der Vergleich passend erschien, aber doch nicht vor deinesgleichen! Es erschien ihm so bekannt. Seine Finger ergriffen unwillkürlich den Muschelanhänger, drehten ihn einen vergessenen Flossenschlag.


    „Ich bin regelmäßig in der trockenen Stadt, Amaray, doch ist sie mir oft so fremd, wie sie dir beim ersten Betreten erscheinen mag“, erklärte er dem nicht ungeachtet. Seine nächste Schwimmbewegung führte ihn, in Achtung ihrer Gefühle, geringfügig von ihr fort, denn die Abneigung spiegelte sich in ihren zögerlichen Bewegungen. Es war ihm nicht direkt unangenehm, doch aufdrängen wollte Mallalai sich nicht, wenn es nicht erwünscht war.


    „Manchem wird sie mehr offenbaren, vor anderen wird sie sich immer verbergen.“
    Ein allzu kluger, wie unnützer Spruch, Mira’Tanar! War dies nicht immer aller Weisheiten Schluss? Sprich es ruhig aus! schalt er sich in Gedanken, du denkst an dich. Seine Wangen wollten auf einmal so rot brennen, wie die Scham in ihm, doch weswegen? Es gab nichts zu bereuen, er war wie er war. Welch schlechte Begleitung du bist! Muntere sie auf!
    Mallalai musste lachen, als er sah, wie auch ihre Wangen sich färbten und es war für ihn die Befreiung aus der leicht bedrückenden Atmosphäre. „Lerne sie kennen und vielleicht auch in ihrer Andersartigkeit lieben. Wer weiß?“


    So schwamm er voran, dem Yassalar folgend, auch wenn sich ihm die Einsicht aufdrängen wollte, dass der Yassalar sich den Trockenen nicht im gleichen abscheulichen Bild zeigen musste, wie er es den Meeresvölker gegenüber tat. Eben dies würde es nicht erleichtern, aber man würde sich an einen Yassalar erinnern, der die Straßen entlang gelaufen war … die Zeit drängt ...
    Es war das Seeviertel, der Hafen, in dem der nachtblaue-weiße Schopf Mallalais aus dem Wasser stieß, ein Ächzen, als die Luft das Wasser im Atem verdrängte. Seine Hand hielt er nur behelfsmäßig in Amarays Richtung, er erwartete nicht, dass sie sie wirklich ergriff, lediglich ein Zeichen, dass er sie unterstützen würde.

  • Amaray war verwirrt. Es fiel ihr schwer, die Handlungen ihres Begleiters wirklich zu begreifen, doch mittlerweile war sie sich recht sicher, daß er sich nicht weder über sie lustig machte, noch daß er negative Gefühle gegenüber ihrer Person hinter seiner Freundlichkeit verbarg. Und so folgte sie ihm nun, da er sich schnell auf die Kuppel zubewegte, die das Meer vom Festland trennte, sich wohl seiner Eile bewusst, obgleich sie nicht zu verstehen vermochte, warum ihm die Verfolgung dieses einen Yassalar so wichtig war. Mallalai gab sich nicht damit zufrieden, mit dem Leben davongekommen zu sein. Er wollte Rache. Und Amaray folgte ihm aus einem Grund heraus, den sie selbst nicht verstand.


    Sie zögerte für einen Augenblick bevor sie schließlich die Kuppel überwand, unter der seltsamen, magischen Konstruktion hindurch schwamm, die das Land unter ihrer schützenden, nahezu flirrenden Schicht gefangen hielt. Es glich beinahe einem Schock, dieses seltsame Summen, das sie auf ihrer Haur spürte, als sie die Kuppel überwand und sie mit ihrem linken Bein nur zart berührte. Und dieser Schock fuhr durch ihren ganzen Körper, brachte sie dazu, in der Reaktion darauf nach der Hand des Meereselfen zu greifen, eher um das Gefühl der Angst verschwinden zu lassen, das sich in ihrem Geist zu regen begann, als um wirklich Hilfe zu finden.


    Und so durchstieß auch Amaray die Wasserdecke, um sich der schutzlosen Atmosphäre des Festlandes auszusetzen. Ein leichtes Zittern lief durch ihren Körper, ein kurzes Schnappen nach der ungewohnten Luft, die schmerzhaft in ihre Lungen drang und darin für einen furchtbaren Augenblick brannte. Dann öffnete sie die Augen und strich das silbrige Haar aus ihrem Gesicht, um unsicher ihre neue Umgebung zu mustern - den Hafen von Nir'alenar, die gestrandeten Schiffe, deren Segel zerrissen und trostlos von einer magischen Brise berührt wurden und die darin ein geisterhaft anmutendes Geräusch verursachten.

  • Unerwartet ergriff sie seine Hand und er drückte sie dann auch leicht, bevor er sie wieder frei gab, vergrößerte abermals den Abstand, den Amaray unbewusst überwunden hatte, nicht eher doch, bevor das seichte Zittern zu ihm geströmt war. Ein Bitzeln in seiner Handfläche, ein Funken Wärme, an den er sich von letzter Nacht erinnerte … Tehanu … ein Gedanke, den er sich nicht versagen konnte. Er errötete zutiefst, was ihn zugleich ärgerte und gewiss auch lächerlich aussehen ließ. Anmutig drehte sich sein Körper auf den Rücken, absichtlich Amaray Zeit zu gewähren, ebenso sich selbst, hatte er sich schon bemüht, nicht einfach los zu stürmen, wurden seine Augen an einem zerfetzten Segel hinauf gezogen, verloren sich in der Höhe, glitten weiter … irgendwo ließe sich gewiss die Ruhe finden, die er benötigte, sich nicht in dem Netz der Rache zu verfangen … dieser Yassalar oder ein anderer … der Schaden war angerichtet und ließe sich nicht berichtigen, indem er diesen erwischte … nur vielleicht seinem Stolz wäre geholfen. Und dann, was dann? Seine Gelüste würden nicht an jenem Genugtuung finden, nichts konnte ihm seine Kindheit wiedergeben. Nichts. Er tastete über seine Nase. Zweifel an der Jagd bäumten sich auf, Besonnenheit, lediglich Amaray zu begleiten, ihr die Stadt näher zu bringen.
    Der Hafen hatte eine traurige Schönheit, die dem Betrachter ihr Gesicht zuwandte, in dem sich vergangene Stärke und die Niederlage spiegelten, ein zertrümmerter Traum, der hier bedrückend fühlbar war, ein Land mit zerbrechlichen Wurzeln im Ozean. Es gab keinen anderen Ort in Nir’alenar, fand Mallalai, der mehr zeigte, dass es Kräfte gab, denen sie nichts entgegen zu setzen hatten und sein Zorn wurde beschwichtigt. Glitt er langsam weiter, durchpflügte ebenmäßig das Wasser, Richtung der glitschigen Stufen, die hinauf in das Seeviertel führten. Ganz und gar Meereswesen, voller Freude eins in seinem Element, dass wie ein betörender Teil ihn umschmiegte …


    ... und Mallalai sah das schwarze Gesicht, abwartend an einer Hausecke, Aussicht haltend, ob man ihm folgte. Die Zähne blitzten in dem verwegenen Lächeln, welches Mallalai einen Stich versetzte, war er sich wohl bewusst, dass es ein Zeitvertreib für den Yassalar war, ein Spiel, so tief in ihrer beiden Geschichte verwurzelt, dass selbst die Götter die Welle angestoßen hatten.
    Er wehrte sich niemals. Und Mallalai bettelte nicht um Linderung. Er nahm, was man ihm anbot. Jeden Augenblick würde er aufwachen und der Alptraum würde wieder beginnen. So hatte das Kind nie eine eigene Zufriedenheit gefunden. Und da waren alle Gedanken an Ruhe und Tatenlosigkeit verloren.

  • Nicht ahnend, was den anderen Mira'Tanar in diesem Augenblick beschäftigen mochte und in ihren eigenen Gedanken gefangen, erblickte Amaray den Yassalar nicht sofort. Zu viele Eindrücke schwebten durch ihren Geist und lähmten diesen in ihren ersten Augenblicken auf dem Land. Und selbst wenn sie in diesem Moment alle Energie darauf verwendet hätte, auf den Yassalar oder ihren Begleiter zu achten, so hätte sie es dennoch nicht vermocht. Zuviel Neues umgab sie, lenkte sie ab und verlangte nach ihrer Aufmerksamkeit. Zu merkwürdig war das Gefühl, Luft zu atmen und sich nicht in der schützenden Umarmung des Wassers zu befinden.
    Ein kurzer Stich fuhr durch ihr Herz, als ein nagendes Gefühl, irgendwo in den verborgensten Tiefen ihres Kopfes leise zu sticheln begann, daß dies wohl der Grund dafür sein müsse, daß sich ihr keine Fee nähern wollte. Denn mangelnde Konzentration war der Todesstoß für den Fluß der magischen Energie...


    Entschlossen wischte sie den Gedanken beiseite und er half ihr dabei, in die Realität zurück zu kehren und die seltsame Spannung im Körper ihres Begleiters zu bemerken, dessen Aufmerksamkeit auf etwas gerichtet war, das sich im Augenblick noch ihrem Bewusstsein zu entziehen vermochte.
    Amarays Augen glitten über den Hafen, suchten nach dem, was Mallalai wohl beunruhigen mochte und blieben schließlich an dem dunklen Gesicht des Yassalars hängen, der nach seinen Verfolgern Ausschau hielt, wohl um ihnen endgültig zu entkommen.


    Unwillkürlich wandte sie sich von ihm ab, zu dem Mira'Tanar an ihrer Seite, noch immer nicht verstehend, was ihn bewegte. Und ohne zu wollen, kam die leise Frage über ihre Lippen: "Warum?". Denn sie verstand ihn nicht, verstand nicht, warum er es nicht zufrieden war, mit dem Leben davon gekommen zu sein. Was ihn dazu trieb, den Yassalar zu verfolgen und Rache zu nehmen.

  • Warum.
    Ein einfaches Wort, das vielerlei Auslegung für sich beanspruchen könnte. Sein Kummer machte ihn klein, der Schmerz drückte ihn nieder, um ihn lebendiger zurück zu lassen. Mallalai ahnte wieder einmal mehr, an der letzten Grenze seines Bewusstseins, wie gespalten er war und durch ihr einfaches Wort „Warum“ quoll seine Freude auf, dass er den Alptraum verlassen durfte, zu dem seine Gedanken drifteten, nur um ihn jetzt in Worte zu fassen ... wohl möglich in Worte zu fassen. Denn die Gefühle, die gegen sein Innerstes brandeten, waren ihm nicht willkommen, zeugten sie von einer erschöpften Verwirrtheit, seinem Fluch, seiner Schwäche, die er noch nicht hatte abwaschen können.
    Und ja, er musste zugeben, dass er zwar ebenso Freude empfand, doch gemäßigt von der Befürchtung, dass er kaum imstande war, es angemessen zu erklären, denn eben jetzt wusste der Mira'Tanar wieder, dass sein wahres Lächeln ungeboren gestorben war.


    Mallalai richtete sich im Wasser auf, brauchte nicht noch einmal gehetzt zu der Stadt zu sehen, denn gewiss war, er wurde erwartet und gelockt. Sein Blick drang flegelhaft an Amaray vorbei, wollte ihr nicht begegnen – war das Leid nicht denn schon verblichen, dass Worte leicht zu finden waren?
    Sein ruheloses Herz wollte betört werden, schlug ihm über den Hals in den Schläfen, erinnerte Mallalai drängend, dass es mehr gab, wo er nur beabsichtigte es zur Ruhe zu betten.


    „Verlorenes kann wieder gefunden werden, ist nur vermisst, nicht wirklich verschwunden. Aber wie soll man Frieden finden, wenn man es beklagt?“ sagte er tonlos, ein bitteres Lächeln folgte. “Ich suche meine Kindheit in den Händen der Yassalar, Amaray, ich suche mich in dem Yassalar, der in mir ist.“
    Und dann in einem Anflug von Übermut entzündete sich der Gedanke, der seinem Herz es erlaubte, fast den Brustkorb zu sprengen: „Doch vielleicht, wenn du ... Schutz verlangst, dich zu begleiten an einen unbestimmten Ort, dir die Stadt zu zeigen ..." Schimmer nur, ihn abzulenken, zu bannen von der Jagd, die ihn nur zerstören würde – wollte sie eingehen auf das Flehen, welches sich möglich in seiner Stimme erhob?

  • Amaray gab nicht vor zu verstehen, was Mallalai in seinem Inneren bewegte, denn die Geschichte, die er nur so kurz anschnitt, gab ihr kaum Aufschluss darüber, was ihn bewegen mochte und sie zweifelte daran, daß er es ihr offenbaren wollte. Doch eines verstand sie, auf einer tieferen Ebene, die ihr selbst kaum bewusst war - er würde sich in diesen Augenblicken nicht daraus befreien können, wenn sie ihm nicht dabei half. Er würde sich auf den Yassalar stürzen, mit ihm kämpfen, bis einer von ihnen blutend auf dem Boden lag und sich nicht mehr zu erheben vermochte. Und sie war alles, was noch dazwischen stand.
    Und so focht Amaray ihren eigenen Kampf aus, von dem er nichts ahnen konnte. Kämpfte gegen ihre Unabhängigkeit und die schlechten Erfahrungen an, die das Leben unter den Meereselfen für sie bereit gehalten hatte. Nein, Amaray vertraute sich niemandem an, sie suchte keinen Schutz und erbat sich keine Hilfe, denn nur zu sehr war sie sich der Tatsache bewusst, daß es Enttäuschung und Schmerz mit sich brachte, wenn man sich in die Hände eines anderen begab. Und Schutz suchen bedeutete Schwäche. Schwäche, die sie in ihrem Leben nicht dulden konnte und für die sie sich verachtete.


    Und doch... wenn es Schwäche war, die über Leben und Tod entschied, wie konnte sie sich ihr dann entziehen? So wandte sie ihren Blick vom Boden ab, auf den anderen Meereselfen. Und die Worte kamen ihr nur widerwillig über die Lippen, stockend und unsicher, tröpfelnd wie zäher Honig, der sich nicht lösen wollte.


    "Das Philosophenviertel... bitte zeig mir den Weg. Ich... ich habe diesen Ort noch nie zuvor betreten und..."


    Ein erneutes Zögern, das die quälenden Worte, die Eingeständnis ihrer eigenen Unfähigkeit nicht über ihre Lippen lassen wollte.


    "... ich weiß nicht, wie ich dorthin gelangen soll. Und dieser Ort... bereitet mir Unbehagen in seiner Fremdartigkeit. Ich fühle mich, als sei ich in einem Käfig gefangen, der mich niemals mehr gehen lassen wird."


    Die Worte, die nun endlich über ihre Lippen gekommen waren, hatten einen zarten, rötlichen Schimmer auf ihren Wangen hinterlassen und Amaray wandte beinahe beschämt den Blick ihrer blauen Augen von Mallalai ab, sah erneut zu Boden, um sich zu fassen.

  • Ihr Blick verlor sich nur mehr, tat es seinem gleich, und er sah die Zerbrechlichkeit, in die sich kurz zu enthüllen wagte, das Aufblitzen eines Verständnisses, so flüchtig, dass Mallalai sogleich zweifelte, denn die Mira'Tanar strahlte so viel Selbstbewusstsein aus, dass alles andere in dessen Schatten verschwand.
    Ihr Schweigen konnte er nachempfinden. Ohne Worte zu sein verlangte nicht viel. Man verlor sie auf dem Weg zwischen Kehle und Kopf, dass man vergaß, nicht, wie man sie formte, sondern mehr ihren Sinn, der damit die Berechtigung verwirkte sich bilden zu lassen.
    Manche versuchen die Zeit aufzuhalten, damit Unweigerliches nicht geschehen möge. Ich falle in Dunkelheit und vergesse sie einfach, es geschieht, ob ich dabei zusehe oder nicht.


    Und als ihr Blick ihn erneut traf, zuckte sein Kinn leicht zurück, feinfühlig begreifend, was sie selbst sich abringen musste, um sein Flehen zu erhören, das er nicht aus sich hatte befreien wollen. Ihr Stimme brandete schmerzlich dort ein, wo sein Schuldgefühl sich dann aus der Welle herausschälte. Seine Oberlippe bebte seicht, perlend pflanzte es sich auf der Haut weiter.
    Es war nicht die Anteilnahme, die sie wohl empfinden konnte, nein, es war mehr, dass sie sich hinab lassen musste, auf den Vorsprung der Klippe, auf dem er jetzt stand, nur um ihm die Furcht zu nehmen, die sie nicht empfand. Sich in seine Obhut zu geben, um ihn zu stärken, wo sie sich selbst schwach fühlen musste.
    Ein Schauspiel, eine Maskerade.


    Mallalai ärgerte sich plötzlich, ob seines Unvermögens, sich selbst zu helfen, es auszudrücken, was er im eigentlichen Sinne meinte, wollte, wünschte ... sie in Gefühle zu stürzen, ihre Pläne zu ändern, aufgrund eines Fremden, der ihr nichts bedeuten konnte. Sollte er untergehen, strampelnd im Moor, in dem seine Bewegungen zäh wären!
    So ließ der Mira'Tanar locker alle Muskeln und schloss beschämt die Lider.


    Das Philosophenviertel, er kannte es wohl.
    Seine Augen belebten sich wieder. Konnte er annehmen, was sie ihm dargebracht hatte? Konnte er ihr Opfer jetzt noch abweisen, da sie sich überwunden hatte? All ihre Abwehr hatte in ihrer Stimme gelegen, schwerfällig, dem wahren Wunsch entgegenpaddelnd.
    Ihr Gedanke war sein Gedanke: sie saßen beide in einem Käfig, den er für sich gebaut hatte und sie nun mit umfing. So hätte es nicht sein dürfen, niemals sein sollen.
    Und es erschreckte ihn zutiefst, derart, dass ihr Wohl mehr wog, als alles um sie herum auf dem Meeresgrund wiegen mochte.
    Wenn er sie nun so sah, mit rötlich angehauchten Wangen, wuchs der dunkle Fleck dort in seinem Bauch. Wohin mit den Gefühlen, wohin mit der Glut? Wir neigen unser Haupt, unsere schweren Lider vor der inneren Macht.
    Doch kalter Boden würde ihr nicht antworten können. Es war an ihm.


    "Verzeih mir, Amaray, ich sollte nicht Grund für Zwiespalt sein. Ich gehe an deiner Seite, wie du an meiner, zusammen, wenn du es denn willst", sagte er betont höflich, legte die Hand entschuldigend an seine Brust, denn nach ihrer zu greifen, wagte er nicht. "Doch es soll dein Weg alleine sein, wenn es dein Wunsch ist." Das Meer rief ihn immerfort in seine Tiefen, lockte und zog, wie der Yassalar es getan hatte. Doch auf sie konzentriert, in ihre blauen Augen blickend, konnte er sich dem entziehen, einer Aufgabe folgen. Wenn sie es fordern würde, wollte er dem Ruf folgen, abtauchen, die Kuppel hinter sich lassen.
    "Sprich und ich werde dem entsprechen."

  • Amaray erkannte wohl den Ausweg, den Mallalai ihr bieten wollte und ihr Gesicht wurde von einer heftigen Röte überzogen, als in ihr Bewusstsein drang, wie leicht es ihm doch gefallen sein musste, ihre Gefühle, ihren inneren Zweispalt so einfach und mühelos zu erkennen. Lagen ihre Gefühle so deutlich sichtbar vor allen, die sie traf? Gleich einem Silbertablett, das sie willig präsentierte?
    Ärger erfasste sie, Ärger über sich selbst und über ihre eigene Unbeherrschtheit. Ja, sie war an ihrem Unglück selbst schuld und sie wusste es. Unbeherrschtheit war der Todesstoß für jeden Magier, die Garantie dafür, daß sie es niemals vermögen würde, eine Fee an sich zu binden.
    Sie sah zu Boden, kämpfte erneut mit sich und blickte dann zu ihm auf auf. Beinahe lag etwas herausforderndes in ihrem Blick, als ihre Augen Mallalai begegneten und mehr zu sagen vermochten, als es ihr Mund zu tun bereit war.


    Ja, ich bringe dieses Opfer für Dich. Und ich habe mich dazu entschlossen. Bring mich nicht davon ab.


    Doch dies sprach sie nicht aus. Die Worte, die über ihre Lippen kamen waren anders, weniger von Entschlossenheit gefärbt als ihr Blick, so als sei es noch ungewohnt für sie, wirklich das in die Freiheit zu entlassen, was ihr Kopf so einfach in ihrem Mund legen wollte.


    "Ja, ich möchte, daß wir zusammen gehen. Dieser Ort ist mir nicht vertraut... er ängstigt mich."


    Und dies war noch nicht einmal gelogen. Die Welt außerhalb des Meeres war fremd für Amaray und die Eindrücke, die sie zu überwältigen drohten, benebelten ihre Sinne und machten sie nahezu unbrauchbar. Womöglich, ganz tief in ihrem Inneren, war sie froh darüber, ein Wesen gefunden zu haben, daß sie zu leiten vermochte, ihr bei den ersten Schritten auf diesem ungewohnten Terrain zu gehen half. Doch dies würde sie sich niemals eingestehen. Und der Teil, der darum wusste, hoffte inständig, daß ihre Gefühle diesmal nicht leicht zu lesen waren und dies offenbaren würden.


    Und da war noch mehr - Neugier. Neugier auf dieses andere Wesen, das so anders war als sie selbst und doch dem gleichen Volk entsprungen war. Neugier darauf, was ihm wohl wiederfahren sein mochte, um ihn zu dem zu machen, was er war. Um ihn blind zu machen, wenn er einem Yassalar begegnete. Doch gleichzeitig glaubte sie nicht daran, daß er es ihr so einfach servieren würde, wie sie ihre Gefühle wohl wider ihren Willen dargelegt hatte.

  • Intensive Augenblicke für Mallalai, für sie, die sie so feinfühlige Wesen waren, stürzte er nieder, wenn der Moment ihn berührte. Aber ungeachtet dessen, war er dem Ehrgefühl verhaftet, jetzt, mehr denn je, unbestreitbar. Dankbar für ihre scheuen Worte, welche seine Augen von den ihren losrissen, damit er nicht mehr in die Tiefe ihrer losen Gedanken gezogen wurde, sondern die wohlgeformten Lippen beachtete.
    Vielleicht waren sie gelogen, denkbar wahr. Es war gleich, denn sie hatte sie ihm und den Winden gegeben, wer wollte sie noch einfangen können?
    „So wird es mein Glück sein, Meeresfreundin“, erklärte Mallalai ernsthaft. „Lass mehr Vorsicht walten und eine Handvoll Misstrauen nimm mit.“ … denn in der Furcht lag Strafe, keine Liebe. Und sie sollte lieben, weil ihre Götter sie zuerst liebten und Amaray gewiss jene liebte und ebenso von ihrer Familie wie Freunden geliebt wurde und alle jene Gebote sind unser aller Schild, den man vor sich werfen sollte.


    Dann erreichte er die Stufen, hob seinen Körper aus dem Nass, um sich der Luft entgegen zu stemmen, die ihn in ihrer Schwere zu packen bekam. Wie schwer die Beine sich heben wollten, wie bleiern die Arme. Manchmal fiel es dem Meeresgeschöpf schwer sich zu entscheiden, ob alles leichter oder doch schwerer wurde. Schon wog die Sehnsucht nach den Fluten gewaltiger als zuvor noch vorgestellt, aber er lächelte seicht. „Auf in einen neuen Tag.“
    Ein trauriger Ort für frohe Worte war der Hafen, in dem niemand sie sonderlich beachten würde. „Was möchtest du sehen, Amaray? Ein Gasthaus, einen Tempel, den Markt? Die Bücherei?“
    Mallalai konnte es nicht verhindern, seine Augen suchten die Anwesenheit des Yassalars.

  • Amaray folgte dem anderen Meereselfen aus dem Wasser hinaus. Noch immer schmerzhaft füllten sich ihre Lungen wieder und wieder mit der Luft und verwandelten sie in das, was sei einst hätte sein sollen, bevor die Sternensplitter den Ozean berührt hatten - ein Geschöpf der Oberwelt, dazu erschaffen, um unter den Sternen zu tanzen und Luft zu atmen.


    Mallalais Frage erinnerte sie an den eigentlichen Zweck ihrer Reise, der unter den neuen Eindrucken so sehr in den Hintergrund getreten war.
    Ein plötzliches Zittern lief durch den zarten Körper, endete schließlich in einem kaum merklichen Beben, das sie nicht zu unterdrücken vermochte. Ihre Augen wurden groß, als ihr das Ausmaß ihres Auftrages plötzlich in seinem vollen Umfang zu Bewusstsein kam. Sie war hier fremd! Eine fremde Stadt, eine fremde Stadt, die fremdartiger war als alles, was sie sich vorzustellen vermochte. Und sie war allein. Noch nicht einmal eine Fee war an ihrer Seite, denn Amaray besaß keine solche Wesenheit, die sie mit ihrer Macht zu stärken vermochte. Wie sollte sie ihren Auftrag erfüllen? Wie sollte sie sich hier zurechtfinden, wenn alles, was sie in diesem Augenblick wollte, die Flucht zurück in das Meer war?


    Wie klein sie sich plötzlich fühlte, wie hilflos. Sie verachtete diese Gefühle, die sich ihrer bemächtigen wollten, versuchte, sie in einer riesigen Kraftanstrengung zu verdrängen. Doch was half es, wenn sie sich selbst belog? Wenn sie ihre Angst verleugnete? Aber ebenso wenig half es ihr, wenn sie sich von der Panik übermannen ließ und sich in den wirbelnden, dunklen Schlund stürzte, der sie dann erwartete.


    Ihre Schultern hoben und senkten sich in einer Geste, die ihre Hilflosigkeit gegen ihren Willen offenbar machte. Sie räusperte sich, als es sie einmal mehr Mühe kostete, unter diesen merkwürdigen Bedingungen Worte zu formulieren und sie mit unsicherer Stimme hervorzubringen.


    “Ich suche jemanden. Einen Magier, ein Halbblut unseres Volkes. Mein Meister möchte, dass ich ihm eine Nachricht überbringe.”


    Sie verstummte, unsicher, ob sie zu viel gesagt hatte. Unsicher, was sie offenbaren durfte. Der Inhalt der Nachricht war ihr nicht bekannt. Sie sollte sie überbringen und in Empfang nehmen, was sie daraufhin erhalten würde. Mehr wusste sie nicht.
    Ein nervöses Lachen erklang, als ihr bewusst wurde, wie absurd all das war. Sie hatte Niralor imponieren wollen und sich für dieses Unterfangen gemeldet. Blind dafür, was es wirklich bedeuten würde.


    “Aber ich befürchte, dass ich die Größe dieses Ortes unterschätzt habe.”

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