Weihrauch und Orakelsteine

  • Zalida hob die Hand ans Kinn. "Interessant." antwortete sie und sah für einen Augenblick auf ihre Handinnenfläche. Sie selbst sah nur die üblichen Falten, gemehrt von einigen kleinen Narben, die sich sich beim Giftmischen auf die ein oder andere Art zugezogen hatte. Das darin stand, ein Kind würde in ihrem Leben auftauchen...


    Zalida blickte Silene an. Wärme. Das Gefühl, was die beiden Frauen um Welten trennte, auch wenn sie sich wohl beide immer danach sehnten. Die Ashaironi nickte.


    "Ich danke euch vielmals für eure Weissagung. Alles was nun geschieht, wissen nur die Götter. Wieviel schulde ich euch?" Wieder griff Zalida in ihren Beute, diesmal holte sie jedoch einige Münzen heraus und legte sie vor Silene hin.


    "Sollte dieses Kind in mein Leben treten, werde ich euch wohl erneut um Rat bitten wollen. Ich hoffe, dies reicht, damit ihr eure Zelte für lange Zeit immer gerne in Nir'alenar austellt."
    Tatsächlich gab Zalida Silene nicht wenige Münzen. Offensichtlich war ihr die Frage doch sehr viel wert gewesen.


    Die Ashaironi erhob sich und ein seichtes Lächeln entblößte ihre Giftzähne. "Auf bald."

  • "Bitte, behaltet Euer Geld.", wandte die Valisar ein und heftete ihren Blick auf das gesicht der Ashaironi mit ihrem warm getönten Gesicht. "Ich brauche es nicht."
    Das entsprach durchaus der Wahrheit. Sie brauchte kaum Geld, noch immer lebte sie von einem vor Unzeiten verdienten Vermögen, das angesichts der Tatsache, dass sie keine wirklichen Bedürfnisse hatte, auch kaum schrumpfte.
    Vielleicht würde eine Zeit kommen, in der sie ihre Künste für Geld zur Verfügung stellen müsste, doch solange dies nicht der Fall war, wollte sie es nicht haben.


    Das Giftzähne entblößende Lächeln der Schlangenfrau wirkte auf sie ehrlich, doch wusste sie nicht, was es heißen sollte.
    Freute sie sich, die Seherin wiederzusehen? Warum?
    War es die Nachricht darüber, dass ein Kind in ihr Leben treten würde, die sie zum Lächeln brachte?


    "Gebt mir etwas anderes dafür.", ergänzte sie und zeigte ein schwaches Lächeln. "Etwas, mit dem ich etwas anfangen kann."

    Nur ewigen und ernsten Dingen / Sei ihr metallner Mund geweiht
    Und stündlich mit den schnellen Schwingen / Berühr' im Fluge sie die Zeit
    Dem Schicksal leihe sie die Zunge / Selbst herzlos, ohne Mitgefühl
    Begleite sie mit ihrem Schwunge / Des Lebens wechselvolles Spiel
    Friedrich Schiller - Das Lied von der Glocke

  • "Mit dem ihr etwas anfangen könnt?" Zalida hob eine Augenbraue und musterte Silene. Was konnte eine Valisar wohl gebrauchen? Nein, war die Frage nicht eher, was Zalida geben konnte? Ausser den Münzen aus ihrem gut gefüllten Geldbeutel?


    Diese Frage war für Zalida weitaus einfach zu beantworten. Sie griff eine der Ketten, die sie trug und zog sie sich über den Kopf. An schmalen, goldenen Gliedern hing eine große, elfenbeinfarbene Perle.
    Zalida drehte die Perle und tatsächlich war sie mit einem feinen Gewinde an die Kette verschraubt worden. Jetzt, wo die Ashaironi die Perle in der Hand hielt, konnte man sehen, dass ein kleines Loch an die Oberseite gefräst worden und die Perle im Inneren hohl war.


    "Staub der Schlaf-Annemonen. Löst ihr es in etwas Flüssigkeit auf, werdet ihr jedem Durstenden einen langen, tiefen Schlaf bescheren. Der Inhalt reicht für eine Anwendung." erklärte Zalida ihr aussergewöhnliches Geschmeide. Dann drehte sie die Perle wieder zu und überreichte Silene die Kette.


    "Ich hoffe, damit könnt ihr etwas anfangen. Irgendwann."

  • "Mit Sicherheit.", antwortete die Valisar und nahm die Kette mit der perfekten Perle daran dankend an und betrachtete sie noch einen Moment auf ihre Handfläche liegend, ehe sie die Hand schloss.
    Ein langer, tiefer Schlaf... oh ja. War das nicht ein wundervolles Geschenk? War es nicht manchmal so, als wache man auf und alles ist anders als zuvor? Natürlich, die Illusion währt nur kurze Zeit, doch war da immer noch die Sehnsucht in Silene einfach einzuschlafen und aufzuwachen, bemerkend, dass alles nur ein böser Traum war.
    Sie würde das Geschenk in Ehren halten. Nur das Schicksal wusste, wann sie es gebrauchen würde.


    "Ich danke Euch.",sagte die Valisar voller Würde und ihre kalte Stimme füllte geschmemidig den Raum zwischen den beiden Frauen, während ihre Augen bedeutungsleer auf Zalida gerichtet waren. War da noch eine Frage, die insgeheim in ihr wohnte? War jetzt die Zeit sie zu stellen?


    Silene wartete und dachte.

    Nur ewigen und ernsten Dingen / Sei ihr metallner Mund geweiht
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    Friedrich Schiller - Das Lied von der Glocke

  • Offenbar hatte Zalida keine weiteren Fragen mehr. Mit langen, würdevollen Schritten ging sie in Richtung Ausgang.


    Kurz bevor sie das Zelt verließ, drehte sie sich nochmal um, nickte der Weissagenden zu und schritt dann endgültig durch die Zeltöffnung.


    Ob Silenes Weissagung Zalida weiterhelfen würde, wußte die junge Frau noch nicht. Sie hatte sie aber auf jeden Fall zum Nachdenken angeregt.

  • - Komme von Vogelhandel -


    Ta’shara lächelte noch immer. Sie spürte Brennans Ernst, auch wenn er dem Umstand, dass er verhältnismäßig viele Valisar um sich scharte, etwas Spaßiges abzugewinnen versuchte.


    "Vielleicht ist es deine Nähe zur Göttin…", überlegte die Halbvalisar und blickte in Brennans Augen. "Sie verleiht dir Stärke und Macht. Beides Eigenschaften, die dich am Umgang mit solchen wie mir nicht zerbrechen lassen. Möglich, dass es das ist, was wir spüren, obwohl…"
    Ta’shara schüttelte leicht den Kopf und lachte. "Obwohl das natürlich Unfug ist. Denn die Weissagerin kam nicht zu dir."


    Gleichzeitig überlegte die junge Frau, wie zufriedenstellend es doch war, dass Brennan sich nicht gleich auf sie eingelassen hatte. Denn sie war überzeugt, dass er ihr danach völlig egal gewesen wäre. Alles wäre seinen Weg gegangen, so wie seit vielen Jahren alles seinen Weg genommen und immer gleich geendet hatte. Sie zog Männer an, wie die Dunkelheit lichtscheues Gesindel... sie weckte Leidenschaft in den Männern und innerhalb einer Nacht verglühten sie darin. Jetzt war einiges verändert. Sie kannte sich nicht mehr aus; nicht so, wie es sein müsste.


    "Ah ja. Sehr gut", meinte Ta’shara und blickte hinaus. Gerade trat jemand durch den Eingang ins Freie. Eine Ashaironi. Kurz nickte Ta’shara zum Gruße, während sie und Brennan sich dem weißen Zelt näherten, dessen Eingang durch transparente Schleier verhangen war.
    Nur wenig später standen sie davor. Ein Blick ins Innere des Zeltes war nicht möglich. Die Besitzerin hatte die Schleier so geschickt angeordnet, dass ihre Transparenz sich aufhob.
    "Sehen und doch nichts erkennen", meinte Ta’shara und ihre Hand ging zu der kleinen Glocke. "Wenn das nicht passt?!"
    Es läutete hell.

  • Silene verabschiedete die Ashaironi mit demselben Nicken, das sie ihr entgegenbrachte und zupfte ihren Schleier zurecht. Er gab ihr irgendetwas gutes, sie wusste nicht was, aber es machte ihr die Arbeit leichter wenn sie slebst entscheiden konnte, wer ihre Augen zu sehen bekam und wer nicht. Wer ihre kalten Züge sehen durfte und wer nicht.


    Vielleicht machte der Schleier es auch den Fragenden leichter sich zu öffnen? Wer mochte schon das innerste seiner Gedanken preisgeben, wenn man vor einer emotionslosen, unberechenbaren Person saß, deren eisiger Blick zu brennen vermochte?


    Sie schnippte erneut ein winziges Klümpchen Weihrauch auf die glühende Kohle, ehe sie die Glocke am Eingang vernahm.


    "Herein.", entgegnete sie sogleich und wartete auf den Anblick des nächsten Fragenden, den das Shcicksal zu ihr gebracht hatte. Eine eigenartige Vorahnung ergriff Besitz von der Valisar. Eine Ähnlichkeit zu der Person die dort draußen stand, eine Warnung, die fast greifbar wurde als sie durch ihr Bewusstsein zuckte.

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  • Brennan kam der Aufforderung Silenes nach und machte sich auf, das Zelt zu betreten.
    Sanft legte er seine linke Hand auf Ta'sharas Rücken und führte sie so vorsichtig hinein in das Innere des Wahrsagerzeltes.


    "Dann wollen wir mal sehen, was wir nach diesem Besuch sehen und erkennen können." Seine Stimme klang immer noch feste, dennoch konnte man soetwas wie einen stillen Zweifel erkennen. Brennan wußte nicht, was ihn plötzlich stutzen ließ, doch ein seltsames Gefühl ergreifte ihn. Eine eigentümliche Kälte schien von seinen Gliedern besitz zu ergreifen. Ob das die Anwesenheit von gleich zwei Valisar verursachte? Wieviel emotionale Kälte konnte ein "normaler" Mensch wie er es war ertragen? Und was würde er in den Worten der Wahrsagerin finden?


    "Möge Shirashai uns beistehen." Murmelte er, als er nun endgültig im Zelt stand und sah sich interessiert um. Da waren sie. Und die seltsame Vorahnung wurde durch eine eigenartige Neugierde abgelöst.


    "Seit uns gegrüßt." Sprach Brennan Silene an. "Mein Name ist Brennan Targo und meine Begleiterin hier heißt Ta'shara. Wir möchten.. eure Dienste in Anspruch nehmen." Erklärte er sich.

  • Brennan geleitete sie in das Zelt. Im Inneren wirkte es viel größer als sein Äußeres vermuten ließ. Doch selbst die einladende Ausstattung täuschte nicht über den Anflug des unguten Gefühls hinweg, das sich ihrer bemächtigte, während Ta‘shara sich mit Brennan der verschleierten Frau näherte. Umsonst bemühte sie sich, einen Blick auf deren Gesicht oder in deren Augen zu werfen. Andererseits wusste sie ohnehin, was sie sehen würde…
    Ta’shara grüßte ihrerseits und ließ sich auf einem der dunkelblauen Polsterstühle nieder. Sehr bequem. Ihre Hand strich über die makellose Marmorplatte. Angenehme Kühle wanderte über ihre Fingerspitzen durch Arm und Schulter bis tief in ihr Herz und ließ sie beruhigt sich zurück lehnen. Ein Lächeln umspielte kurz ihre Lippen. Das war die Kühle die sie schätzte und kannte und die sie willkommen hieß. Ihr konnte nichts geschehen. Die vergangene Nacht war inzwischen so unwirklich, wie dieses Eiland unter freiem Himmel und glitzernden Sternen.
    Gewiss würde sie bleiben, was sie war, wer sie war. Und doch. Brennans gemurmelter Ruf nach dem Schutz Shirashais, weckte erneut eine Erinnerung, die sie lieber getilgt sähe.


    "Ta’shara Yerir", ergänzte sie Brennans Vorstellung und nahm den breitkrempigen Hut vom Kopf. "Wie mein Begleiter schon sagte. Wir möchten Eure Dienste in Anspruch nehmen."
    Es störte Ta’shara, dass sie nur Brennans Worte wiederholte. Aber etwas Besseres fiel ihr gerade nicht ein. Sie würde nicht gleich mit dem Vorhang ins Zelt fallen. Ohnehin war diese ganze Sache eine Schnapsidee!! Geboren aus der Unsicherheit der vergangenen Nacht. Doch nichts mehr war davon übrig, außer ihrem eigens geäußerten Wunsch, den sie nun nicht mehr zurück nehmen konnte.
    … Ta’shara blickte zu Brennan und seufzte leise. Nunja. Nun war sie einmal hier. Und zugegeben auch interessiert zu erfahren, in wie weit diese Valisar, Silene, tatsächlich Vergangenheit und Gegenwart deuten konnte, um daraus die Zukunft zu sehen.

  • Silene erhob sich, ihren Blick bedeutungsleer und doch auf eine bestimmte Art, von Brennan zu Tashara gleiten lassend, die Aura die beide umfasste mit Blicken schmeckend. Die Warnung schwebte noch immer im Raum wie ein Duft - unsichtbar und doch wahrnehmbar.
    Ein Anhänger der dunklen Göttin ... eine Frau, die das gleiche Schicksal traf wie sie selbst. Was auch immer sie gemeinsam hatten; es lag gut verborgen. Verborgen in den Fragen, die in den Köpfen der beiden Geschöpfe brannten ... Dinge, die ihnen sonst wichtig waren tilgend.
    Was mochte das Schicksal ihnen bieten? War es die Erlösung, die sich die Halbvalisar Ta'shara ersehnte, erflehte und die sie doch zugleich fürchtete? War es bittere Enttäuschung, die sie sanft umarmend würde, heuchlerisch tröstend und erschütternd?


    Die Valisar nickte.


    "Ihr wollt meine Dienste in Anspruch stellen, gut.", begann sie und fing an um den Tisch herumzugehen, langsam, beherrscht, in absoluter Perfektheit die Hand hebend um den Schleier, der ihr Gesicht verbarg, zurecht zu rücken. Sie ging an Brennan vorbei zur Seitenwand des Zeltes, zurrte einen Vorhang zur Seite und holte einen Stuhl dahinter hervor - fast so wie ein Zauberer, wenn er Kaninchen aus einem Hut zauberte.
    Natürlich war es kein Zauber, aber es täuschte die Augen. Wo war der Raum dafür gewesen?


    "So verlangt es Euch zu sehen, was Euch bisher verborgen blieb? Die Vergangenheit, die Zukunft? Oder die Erinnerungen, wie verlorene Schäfchen auf einsamer Flur weidend?", sagte sie, zurückkehrend an ihren Platz, den Stuhl an den kreisrunden Tisch stellend. Zu welch poetischen Ausdrucksweisen die Anwesenheit dieser geheimnissumwitterten Leidensgenossin inspirieren konnte... "So setzt Euch und ich werde tun, was ich tun kann."

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    Friedrich Schiller - Das Lied von der Glocke

  • Brennan ließ Ta'shara den Vortritt, sich zu setzen. Er selbst zögerte einen Augenblick. Sollte er Platz nehmen? Oder wäre es Ta'shara wohl lieber, wenn er die beiden Valisar alleine ließ? Immerhin konnte die Zukunft etwas sehr intimes sein, was vielleicht einfacher unter Artgenossen zu erfassen war.


    Gedanklich schüttelte der Vogelhändler den Kopf. Er hatte es hier mit zwei Valisar zu tun. Das die beiden Damen keine Gefühle saßen, mußte er sich erst wieder ins Gedächtnis rufen. Ta'shara kannte wohl keine Scham und würde ihn mit Sicherheit nicht hinausschicken. Dennoch überlegte er, ob es sich schickte, hier zu bleiben, doch seine Neugierde gewann überhand und er nahm neben Ta'shara Platz.


    Still musterte der Vogelhändler Silene. Offensichtlich waren alle Valisar mit einer unglaublichen Schönheit gesegnet. Wenn Ta'shara nur eine Halbvalisar war, konnte man dann Unterschiede zwischen ihr und Silene bemerken? Oder würde auch die Wahrsagerin so perfekt Gefühle nachspielen können, wie er es bei Ta'shara beobachtet hatte?


    Brennan beschloß zunächst nichts weiter zu sagen und seiner Begleiterin den Vortritt zu lassen. Zunächst wollte er nur als stiller Beobachter tätig werden..

  • Sie spürte sein Zögern und sah ihn kurz an. 'Bleib!' Ihr Blick bat und befahl zugleich. Er war Teil meiner Selbst? … dieses 'Experimentes' geworden, seit er ihr die Nacht zuvor auf dem Ball begegnet war. Sie hatte die Kontrolle verloren. Wegen ihm? Das wusste sie nicht, aber irgendeine Rolle spielten er und Shirashai in ihrem Leben und sie würde herausfinden, welche. Deswegen war sie hier. Das wurde ihr in diesem Moment klar.


    "Meine Vergangenheit ist mir bekannt. Meine Erinnerungen zugegen. Meine Zukunft? Sie wird sich ergeben, so oder so." erwiderte Ta’shara kühl. In der Nacht hatte sie noch anders darüber gedacht, aber da war auch dieses Chaos noch deutlich zugegen. Jetzt spürte sie, dass es nur eines gab, das sie wissen musste. Mit leicht geneigtem Kopf betrachtete sie die Wahrsagerin. Wieder ein unergründliches Lächeln. Hast du je empfunden, was mich die Nacht heimgesucht? Ihre Hand lag noch immer auf der kühlen Marmorplatte. Sie setzte sich aufrecht und legte in schlangengleicher Anmut die andere Hand dazu.
    "Was mich interessiert, ist das, was gerade geschieht."


    In knappen Sätzen erklärte sie der Valisar die Umstände, die sie hergeführt haben. Sie erwähnte den Wein und ließ das Chaos der nächtlichen Attacke erneut lebendig werden. Doch war sie nun nicht unvorbereitet. Sie hielt das Untier im Zaum, ließ es nicht erneut vom Grund ihrer Seele nach oben brechen ans Licht. Es wäre … nicht gut.
    "Was hat das zu bedeuten?"

  • Silene bedachte Ta'shara mit einem langen, bedeutsamen Blick, ließ deren Worte auf sich wirken. Gedanken krochen zäh durch ihren Kopf; die Tatsache, dass das, was die Halbvalisar erlebt hatte nichts Neues für sie war, änderte daran nichts.
    Es machte ihr Denken, wenn es dies überhaupt in irgendeiner Weise beeinflusste, nur noch träger.


    Widerwillig formten sich Worte, Gesten, we gefangen in einem Spinnennetz - hoffnungslos darin verwickelt, sich windend ... es mit jeder Bewegung schlimmer machend.
    Woraus das Netz bestand?
    Eigene Sehnsucht, eigenes Leid, eigene Erinnerungen ... all das verknüpfte sich miteinander.
    Silene mahnte sich zur Orndung, beschwor ihre Richtlinien herrauf und besann sich auf ihr Dasein. Ich habe meinen Weg gefunden.
    Die Seherin atmete tief ein, ließ die weihrauchgeschwängerte Luft für einen Moment in ihrer Lunge verweilen und hauchte sie dann sacht und leise aus. Ein unterschwelliges Seufzen?


    "Es war klug, damit zu mir zu kommen.", bemerkte die Valisar dann nedlich und zerbrach die Stille im Zelt. "Doch wo die Vernunft alleine regiert", sie legte eine Hand auf ihr Herz "kann man kein Mitgefühl, keinen Trost erfahren."
    Ihre Hand löste sich wieder von ihrer Brust, senkte sich wie iene fallende Feder auf die tischplatte. Die Kühle des Steins kroch auch in ihre Adern, unter ihre Haut. Sie war wie ein Tuch, das Farbe aufsaugte, sie wehrte sich nicht gegen die aufsteigende Kälte, hieß sie im gleichen Grade willkommen wie Ta'shara.


    "Aber das war es auch nicht, das Euch hierher führte, habe ich Recht? Es ist die Frage nach dem was dort geschieht ... in Eurem Inneren... in Eurem Selbst." Ich weiß ..., sprachen Silenes Augen.
    Sie zog den schwarzen Beutel herbei, öffnete ihn geschickt mit einer einzigen Bewegung und bot ihn Ta'shara an. "Lasst uns die Reise beginnen."


    "Sechs Steine halten Antworten bereit.", Silenes Hand bot sich offen an, "Reicht mir Eure Hand und zieht sie."

    Nur sechs Steine, nur sechs.
    Es war ein anderes Legemuster, dass sie hier gedachte anzuwenden. Anders als bei den anderen Methoden sahen die Steine hier weit ins Innere hinein.
    Die Kerzen flackerten auf, als Silene Brennan mit einem Blick streifte. Ein seltsamer Weggefährte für eine Valisar, selbst wenn sie es nur zur Hälfte war. Er verbarg Dinge, die Silene nicht sehen konnte. Nicht sehen sollte?
    Doch nun stand Ta'shara im Vordergrund, des Schwarzäugigen würde sie sich später annehmen.

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  • Ein wenig fasziniert war Brennan schon von der Konversation zwischen den zwei Valisar. Sie schienen - er wußte nicht genau wie er das ausdrücken sollte - weniger Worte zu benötigen um das Gleiche zu sagen.
    Der Vogelhändler fragte sich ob das an den fehlenden Gefühlen lag. War alles wirklich so einfach in Worte zu kleiden, wenn kein Gefühl und keine Emotion störte? Wußte das Gegenüber dann immer, was man auszudrücken gedachte? Keine Missverständnisse mehr? Welch einfach Welt..


    Brennan beschäftigte sich ein wenig mit dem Gedanken, während er Silene und Ta'shara weiter beobachtete. Er respektierte die Arbeit von Wahrsagern, hatten sie doch eine ganz besondere Gabe von den Göttern geschenkt bekommen, die den meisten verwehrt blieb. Doch gleichzeitig hatte er schon von vielen Scharlatanen gehört, die diese Gabe nur vortäuschten um an das Geld unschuldiger Bürger zu bekommen.


    Wieder glitt Brennans Blick auf Ta'shara. Eine Diebin. Warum sollte Silene also nicht genauso einem zweifelhaften Gewerbe nachgehen? Offensichtlich war es dafür nur von Vorteil, wenn man keine Gefühle besaß.


    Als die Valisar der Halbvalisar den Beutel mit den Steinen reichte, drängte Brennan den Gedanken bei Seite. Silene machte einen recht glaubwürdigen Eindruck, Gefühle hin oder her. Und schließlich war auch er neugierig, was mit Ta'shara geschah. Neugierig, was Ta'shara wohl ziehen würde, beugte er sich vor.

  • "Ich suche nicht Trost, noch Mitgefühl! So wenig, wie Ihr." Schon in dem Moment, als sie den Blick der Valisar auf sich spürte, war ihr klar, dass diese Frau wusste, wovon Ta‘shara sprach. Doch war diese geblieben, zu dem der Fluch sie einst machte. Ta’shara wusste nicht recht, ob ihr das nun zu Gute kommen würde oder eher sich ins Gegenteil verkehrte. Noch zu gut erinnerte sie sich ihrer eigenen quälenden Eifersucht, als sie die Erlöste auf dem Ball erspürte.


    "Sechs an der Zahl", echote die Halbvalisar und war sich dessen kaum bewusst. Ihr Blick ging zu Brennan. Ein Paar eisblauer Augen verschmolz für einen winzigen Augenblick mit der tiefen Schwärze der Seinen und einen Moment lang schien es, als wolle Ta'shara sich daran festhalten. Denn sie spürte, wie sie in eine Art Bann geriet. Ein unangenehmes Gefühl, das sie nicht zulassen wollte, hieß es doch ein weiteres Mal Kontrolle zu verlieren.
    Ihre Frage hing in der Luft. sechs Steine…sechs Antworten? Gleich einem scharfen Schwert würden sie Wichtiges von Nichtigem trennen. Sechs… Ta'shara hatte keine Angst vor den Antworten, doch spürte sie deutlich Gefahr. Unsichtbar, lauernd.
    Ihre Hand wanderte nach vorne… ihre Finger ertasteten den ersten Stein.

  • Silenes Blick wanderte von Ta'sharas Händen zu ihrem Gesicht. Das junge Gesicht war perfekt, es kündete von der märchenhaften Schönheit ihrer Mutter, doch war etwas darin, dass nicht zum Bild der Valisar passte. Was hatte ihr Vater einst verspürt, als er erkannt hatte, welch hartes Schicksal seine Tochter erfuhr? Wusste er es?
    Wie hatte ihre Mutter sie erzogen, was hatte die Valisar sie gelehrt? Den Kodex, der das Leben verdarb?
    Es war Ashaironiblut, dass durch ihren kalten Körper floss.
    Ob der Fluch sie weniger stark trifft?, überlegte Silene und versuchte in Ta'sharas Augen die Warheit zu lesen. Es war keine Angst in diesen eisblauen Augen, soviel stand fest, dafür waren ihre Augen nicht weit genug geöffnet, ihre Pupillen zu schmal.
    Es war dieselbe Warnung, die Silene vorhin empfangen hatte und nun wiederkehrte um wieder Fragen aufzuwerfen.
    Warum zögerst du?, fragte Silenes Blick, der ebenso eisig war wie Ta'sharas. Die Halbvalisar würde ihn verstehen.


    Der Mensch war derweil still geworden, umgeben von den wohl kältesten Geschöpfen die es gab, sie versunken in ein Zwiegespräch aus Blicken waren, welche er mit größter Wahrscheinlichkeit nicht deuten konnte.
    Zwischen Ta'shara und Silene existierte ein Band, das stark war, noch war sie stärker als die zarte, junge Verbindung die zwischen den zwei Fragenden zu wachsen begonnen hatte.
    Das Band, das aus geteiltem Schicksal bestand. Aus wortlosem Verständis.


    Hierin lag womöglich auch die Gefahr. Silenes Verstand arbeitete auf Hochtouresn, analytisch erörterte sie Gemeinsamkeiten und Zeit, sie sie vielleicht von ihrem Weg ablenken könnten ... sie blenden könnten. Sie vielleicht von ihrer Bestimmung abbrachten?
    Sie war nicht misstrauisch vorsichtig, dazu war sie schließlich gar nicht fähig, doch war Silene eine absolute Realistin.


    Die Hand der Halbvalisar war nicht ganz so kühl wie ihre eigene, doch auch Ta'sharas Haut strahlte diese wärmeraubende Kühle aus, die Silene zueigen war.
    Es war nicht, als berühre sie ienen fremden Körper... es war, als gäbe sie sich selbst die Hand.
    Silene schloss die Augen und nickte sacht.


    Zögere nicht.

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  • Die kühle Berührung war es, die Ta'shara den letzten Anstoß gab. Zögere nicht!
    Fast war es, als hätte Silene die Worte laut ausgesprochen. Ein kurzes Aufblitzen in den Augen der Halbvalisar signalisierte der Wahrsagerin, dass auch Ta'shara die Verbindung spürte. Brennans Anwesenheit geriet zur Nebensache; kaum noch nahm sie ihn wahr. Und doch war sie sich seiner Nähe auf unbestimmte Weise bewusst.


    Die junge Halbvalisar griff zu und zog die Steine. Langsam. Als wäre es wichtig, sich ihnen zu öffnen, sich deren Gegenwart und Bedeutung bewusst zu werden. Was für ein Unsinn! maßregelte eine weit entfernte Stimme sie. Mutter?
    Einen nach dem anderen.
    Der Reihe nach legte sie sie vor Silene auf den Tisch. Als sie die Berührung zum letzten Stein verlor, war es, wie ein Erwachen. Benommen betrachtete Ta'shara die Runen. Nichts. Nichts, was ihr bekannt wäre. Nichts, was sie verstehen würde.
    Sie blickte zu Brennan. Es waren nur Steine, oder nicht?

  • Ja, es waren nur Steine, doch sie hatten etwas damit befragt, das sich nicht daran aufhielt, dass seine Antworten auf Steine geschrieben waren. Es war wie immer, es war reine Routine gewesen, bevor die Halbvalisar sie angesehen hatte, ihre Augen ihr entgegengeblitzt haben, die Verbindung bestätigt hatten.


    Jetzt war es anders.
    Sie schob das Säckchen beiseite, faltete ihre Hände zusammen, die langen, weißen Finger ineinander verschränkend und dachte nach. Ihr Hand nahm immer noch die Berührung mit Ta'sharas Haut war, ihr Geist mahnte sie leise zu Vorsicht.
    Ich weiß., sagte die Seherin sich selbst und begann die Steine der Reihe nach zu mustern.


    Die blühende Ranke, der Rausch und der Webstuhl in Wechselbeziehungen, wieder die Elster und das Sonnenrad. Eine schwierige Aufgabe für Silene, deren Zusammenhänge zu erläutern.
    Lange schwieg sie, sah starr die Steine an, die Hände ineinander verschränkt. Es war keine Bewegung an ihr zu erkennen, außer dem schwachen, gleichmäßigen Heben und Senken ihres Brustkorbes.
    Schließlich entfaltete sie ihre Hände, straffte ihre Schultern und sah Ta'shara direkt in die Augen.


    "Es ist ein sicheres Streben, ein treuer Weg den ihr geht, Ta'shara. Ich erkenne zwar den Zweifel, doch im Grunde seit ihr Euch dem bewusst, was ihr wollt. Es ist mit Qual verbunden. Mit Leid.", sagte Silene, getragen und langsam. Fast erschien es, als sei sie einfühlsam, als wolle sie versuchen ihr Gegenüber nicht zu erschrecken. "Es sind starke Omen, die ich sehe, es ist die Zeit des Sammelns, Zeit sich bereit zu machen.
    Es muss für Euch verwirrend sein, was in Eurem Inneren geschieht, doch es folgt einer ganz bestimmten Ordnung."


    Silene strich über einen der Steine am Ende der Reihe. Wo war die Erlösung, die sich die Halbvalisar wünschte, wo war sie? In den Steinen stand sie nicht.
    Mochten die Götter es ihr nicht zeigen, oder lag es an ihr selbst?


    "Euer Wille ist stark, Euer Selbstvertrauen groß... doch wagt ihr nicht die alten, erlernten Muster zu durchstoßen, alte, bindende Seile zu durchtrennen. Ihr seid auf dem Weg, ich kann es genau sehen, ein Weg der Euch wachsen lässt.
    Selbst wenn Ihr ihn wieder verlassen werdet."


    Da ihr Blick wieder auf die Steine gesunken war, erhob sie ihn wieder zu Ta'sharas gesicht, sah zu Brennan hinüber und wieder zurück zu ihr. Noch mehr, dass es dich zu wissen verlangt? Noch tiefer soll ich graben? Willst du das Innere sehen?

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  • Will ich das?
    Ta'shara wusste um ihr Inneres. Wusste um diese wilden Fluten. Noch kein Tag war vergangen, seit sie sie zurückgedrängt hatte! '...doch wagt Ihr nicht, alte bindende Seiten zu durchtrennen...'
    Da war Chaos, das einer Ordnung folgt. Aber wie kann das sein? Ihr Leben ist Chao, wenn sie sich nicht den geordneten Werten des Kodex überlässt. Und doch zweifelst du...


    Brennan. War er Chaos oder Ordnung? Oder beides?
    Ta'sharas Aug streifte flüchtig den Menschen und richtete sich erneut auf Silene. "Zeigt mir Sehende, was sich in mir verbirgt"
    Ta'shara fragte dies, obwohl sie ahnte, dass sie damit womöglich einen Weg beschritt, an dessen Beginn ein Tor hinter ihr ins Schloss fiele, das ihr eine Rückkehr unmöglich machen würde.

  • Schweigend verfolgte Brennan das unbekannte Ritual. Er wußte die Worte Silenes nicht wirklich zu deuten, aber dies tat er damit ab, dass er wohl auch kaum empfinden konnte, was Ta'shara gerade empfand.


    Der Vogelhändler lehnte sich zurück, blickte abwechselnd Ta'shara und Silene an und versuchte dennoch den Worten die gesprochen wurden zu folgen. Doch es war schwer. Tatsächlich kommunizierten die beiden Valisar auf einer Ebene, die für Brennan nicht zugänglich war.
    Aber Brennan ließ sich nicht anmerken und war gespannt, was Silene wohl auf Ta'sharas letzte Frage antworten würde.

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