Fressen Schlangen Fische?

  • Er war in seinen Umhang gehüllt, welches seinen silbrig-blauen Körper vor ungewollten Blicken verbarg. Seiner jedoch ruhte auf dem blickdichten, weißen Zelt, dessen Eingang von zarten Vorhängen geschützt war. Schloss er die hellen Augen, konnte er den Weihrauch riechen, den Duft der Kerzen, seine Vorstellungskraft bahnte ihm den Weg hinein ... der dreibeinige Tisch mit der marmornen Platte, Licht wie im Meer.
    Mallalais Blick klärte sich, ruhig sah er auf Silenes Zelt. Hatte er nicht versprochen wieder einzukehren und nun stand er hier, wagte kaum den Schritt zu tun. Die Gefühle waren wirr in ihm, so mischten sich das Erinnern an die Geborgenheit mit der Zufriedenheit, welche er in Silenes Nähe empfunden hatte, doch die Bewunderung für ihre Weitsicht ließ ihn scheuen, ihre Offenheit hatte er begrüßt, wie er sie fürchtete.


    Seine Arme falteten sich vor seiner Brust, als der Mira'Tanar entschied, dass es nicht der heutige Tag sein würde, an dem er der Seherin wieder begegnen sollte. Die Kälte in seinen Augen hätte mit der ihren bei Weitem konkurrieren können.

    Crawling in my skin
    These wounds they will not heal
    Fear is how I fall
    Confusing what is real

    Einmal editiert, zuletzt von Shiai ()

  • Geblendet von der plötzlichen Helligkeit blieb Losifa in einiger Entfernung stehen, nachdem sie aus dem Zelt getreten war. Als sie sich nach Momenten der Verwirrung an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatte, fiel ihr zufälliger Blick auf eine Gestalt, die regungslos etwas abseits stand und das Zelt, aus dem sie gekommen war, zu beobachten schien. Sie meinte etwas Silbriges kurz aufblitzen zu sehen, doch der weite Umhang versperrte die Sicht auf die Person, die sich darin eingehüllt hatte.


    Vollkommen eingenommen von der Tatsache, dass es nichts Überflüssiges auf der Welt gab, überlegte sie, ob sie ihn ansprechen sollte. Warum stand er so tatenlos dort, an einem Marktplatz, und überließ andere der Hast und Eile des Tages? Und weshalb war er so bedacht darauf, seinen Körper zu verhüllen? Würde es nicht aufdringlich erscheinen, sich dieser abweisenden Gestalt zu nähern?

  • Natürlich sah er die Gestalt, die in jenen Momenten aus dem Zelt trat. So wie sie den Kopf hielt, schien das helle Licht sie zu blenden. Eine Kundin, die die Weitseher-Welt verließ ... was hatte sie wissen wollen, wenn sie sich die Zeit nahm zu fragen, was erhoffte sie sich, um ihre Zukunft zu planen, die Vergangenheit zu hinterfragen oder gar die Gegenwart besser verstehen zu können? Nach welchem Wissen hatte es sie verlangt, das sie sich nicht selbst hatte geben können?
    Seine Stimmung war nicht die beste, hatte er es sich doch eben selbst versagt zu Silene zu gehen. Tief in seinen Erinnerung merkte es auf, dass sie ihm bekannt war. Er hatte sie bereits gesehen als er das Zelt verlassen hatte.


    Mallalai fühlte ihren Blick, hatte sie ihn doch in dem Gewirr der Leiber entdecken können. Wie sie sich gegenseitig musterten, still standen. Deshalb zog er die Kapuze von seinem Kopf, zog die Schultern gerade. Aus welchen anderen Gründen auch immer er es noch hatte tun müssen, sollte sie sehen, wer sie im Augenblick gefangen hatte. Sein Mundwinkel verzog sich leicht, man hätte es kaum ein Lächeln nennen können, eher spottend, herausfordernd. Kein Gedanke wurde daran verschwendet, was möglicherweise folgen könnte, das Spiel zählte, das Gefühl des Atemzuges, das Interessante erkennen und einfach darauf einzugehen. Einfach nur so.
    Bist du mutig genug dem Moment zu begegnen, was auch immer du erfahren haben magst? Oder zögern deine Schritte nun? Stolperst du gar? Silenes Worte konnten die Sicht der Welt verändern, wogen sie doch schwer. Was wäre gewesen, hätte man sie nicht gehört?
    Die Trockenen konnten ihn nicht mehr schrecken, wie Mallalai erkannte, der junge Mira'Tanar, der damals aus dem Brunnen geklettert war, hatte vieles seinem Wissen hinzugefügt. Er genoss es sogar, sich seinen Überlegungen über diese Fremde hinzugeben.

  • Es war, als hätte er, der so still dort im Gedränge stand, plötzlich eine gehörige Portion an herausfordernden Signalen zusammengerafft und sie allesamt in seinen Gesichtsausdruck, seine Haltung und seine Bewegung gelegt, als er die verhüllende Kapuze ablegte und den Blick seiner hell glitzernden Augen gezielt auf sie richtete. Auf sie, die Schlange, die in ihrer jetzigen Situation leicht nervös hin und her zuckte, einen Weg suchte, den sie mit Feuereifer einschlagen und verteidigen konnte. Diese Zielstrebigkeit und Entschiedenheit warf sie buchstäblich um.


    Beinahe. Kurz schienen sich ihre Pupillen zu senkrechten Schlitzen zu verengen, bevor sie sich ebenfalls aufrichtete. Auch aus der Entfernung erkannte sie, dass dieser vorlaute (was keinesfalls ein angemessener Ausdruck war) Jemand dort drüben einiges zu bieten hatte - und das nicht nur, wenn es um Blicke ging.


    Irgendetwas veranlasste sie aber vorerst, innezuhalten, ihre hervorragenden Augen zu bemühen und das, was er nun von sich preisgegeben hatte, zu mustern. Denn es war wahrlich nicht wenig, die so noch verstärkte intensive Aura beeindruckte sie umso mehr, je eingehender sie sich darauf konzentrierte. Unwillkürlich wollte sich ein abenteuerlustiges Grinsen auf ihre Lippen stehlen, doch sie unterdrückte es und fühlte stattdessen nach ihren Eckzähnen. Noch schienen sie menschlich, normal und ungefährlich, doch schließlich verfügte auch sie über ausreichende Waffen und Kenntnis, wenn sie wollte. Schlangenzähne waren gewiss nicht zu verachten.


    Längst hatte sie die Herausforderung, wenn es eine war, angenommen. Wenn es keine war, versprach es zumindest ein wenig Unterhaltung und brachte sie vielleicht auf ihrem Weg in dieser Stadt weiter.

  • Es war klar und deutlich, es ließ keinen Raum für weitschweifende Überlegungen, ihr intensiver Blick raste durch die Menge und griff nach ihm, wie er atemlos dort an der Ecke stand. Wer hatte wen in seinem Netz gefangen? Sie hätten gar allein sein können. Sie barg Gefahr in sich, soviel war sicher, so harmlos sie schien, so überdeutlich war der Schatten hinter ihr. Mallalai stöhnte kurz. Es gab all zu viele Wesen in dieser Stadt, als dass er alle hätte erkennen können und nicht alle waren gefahrlos.
    Ein einfacher Schritt brachte ihn in den Schatten zwischen den Häusern, gerade rechtzeitig, bevor ein wahrer Schauer über seine schuppige Haut rann und ein Grinsen sich über sein ernstes Gesicht stülpte. Er presste seinen Rücken gegen die harte Häuserwand. Sein Kinn hob sich hochmütig, doch seine Kiemen flatterten. Das Gefühl, wenn die Wellen über einem zusammenbrachen, wenn man nicht ahnen konnte, wohin sie den Körper zunächst schleudern würden. Aufregend und beängstigend zugleich. Das Meer ... ein kurzer Blick in jene Richtung, es war immer bei ihm. Die Brandung rauschte in seinen Ohren.


    War es ein stummes Duell oder lediglich herablassendes Starren? War es ein Heranziehen der Blicke, so dann der Körper folgen sollte oder würden sie sich trennen, einfach so verschiedene Wege gehen? Auf jeden Fall genoss Mallalai es ganz und gar. Ein wenig in die Sonne nur, ein Schimmer des Lichts auf seinem Gesicht, ein Funkeln wie das Glitzern der Sonnenstrahlen auf dem Meereskamm als er wieder vor trat, der raue Stein löste sich zuletzt von seinen Fingern. War sie noch da oder hatte sie sich abgewand?

  • Als ihr Gegenüber - denn sie standen sich gegenüber, trotz der anderen Leute zwischen ihnen, die jedoch momentan unwichtig erschienen - mit einem schnellen Schritt in den Schatten einer Gasse trat, befielen Losifa Zweifel. Hatte sie sich zu sehr aufgeregt, es mit ihren stummen Botschaften zu weit getrieben? Sie meinte, sich selbst mehr oder minder gut zu kennen, doch um ihre Ausstrahlung wusste sie in dieser Situation nicht. Hatte sie ihn etwa erschreckt?


    Doch schließlich war es bis jetzt nicht mehr als ein Spiel gewesen, oder? Vielleicht könnte es noch mehr werden, vielleicht hatte sie aber jetzt schon übertrieben? Misstrauisch verengten sich ihre Augen, zwei Falten erschienen auf ihrer weißen Stirn. Etwas nervös strich sie sich die Haare zurück, um ihre Hände zu beschäftigen. Sollte sie einfach hier stehen bleiben und warten?


    Nun, es gab nur einen Weg, herauszufinden, was sie möglicherweise bewirkt hatte. Entschlossen setzte sie sich in Bewegung, steuerte auf die Ecke zu, hinter der er verschwunden war. Vielleicht war sie manchmal etwas rücksichtslos, doch sie konnte es auf jeden Fall wiedergutmachen, schoss es ihr durch den Kopf. Selbstsicher brachte sie den letzten Schritt um die Ecke hinter sich.

  • "Unvorsichtig!" zischte Mallalai als die dunkle Gestalt in die Schatten trat, um sich heller davon abzuheben, gleichzeitig, als er erkannte, dass es sich um die Frau handelte, die eben aus dem Zelt getreten war. Seine Waffen saßen einfach zu locker, um ihn einfach so zu überraschen. Doch sie hatte es in ihrer Eile getan, zielstrebigen Schrittes hatte sie sein Herz zum Klopfen gebracht. Es ärgerte ihn. Nicht nur, weil sie ihn hatte überraschen können, weil er diesen Schritt nicht hatte vorher gesehen, sondern auch weil sie ihn in ihrer Andersartigkeit in Aufregung versetzte.
    Seine schimmernde Hand hielt er immer noch abwehrend vor sich, während er sich verlegen eingestand, dass er sich geschmeichelt fühlte. Ein schlechter Anfang. Langsam ließ er sie sinken. Er schwieg in der Musterung ihrer giftig grünen Augen, die intensiv aus dem blassen Gesicht strahlten. In den Augenwinkeln sah er das Gewimmel auf der Straße, niemand nahm Notiz, niemand war stehen geblieben.


    "Wie kann es sein, dass mich eine Seeschlange an Land umwindet?" fragte er schließlich. "Es ist hier kaum tief genug, um mich in den Schlamm zu ziehen." Eines seiner Messer wollte zwischen ihnen zum Vorschein kommen, doch er drehte die Klinge so, dass sie sich lautlos in die Manschette zurückzog. "Gefährliche Strömung, in der sie sich bewegt." Seine Miene war ausgesucht höflich.

  • Trotz der offensichtlich aufgesetzten Höflichkeit schien etwas an ihm nicht in Ordnung zu sein, ein kleines Detail, das auf den ersten Blick unwichtig erschien. War da etwa Gefahr, spürte sie Misstrauen? Auf jeden Fall sollte sie vorsichtig sein, jetzt, wo sie selbst die schützende Distanz mit ein paar schnellen, unüberlegten Schritten hinter sich gebracht hatte. Außerdem standen sie beide in einer dunklen Gasse ... Unwillig wischte sie aufkommende Fantasien beiseite und konzentrierte sich aufs Wesentliche. Ein falsches Wort, eine Bewegung ...


    Konnte man Haut, die so glatt und kalt aussah, überhaupt fassen und dauerhaft festhalten? Etwas Schlüpfrigkeit schien ihrem Gegenüber innezuwohnen, doch war sie nicht im Grunde eine Schlange? Sie schaffte es, sich aus allem herauszuwinden, zweifeln wollte sie nicht. In gewisser Weise hatten seine Worte sie überrascht, waren sie doch trotz des Ausdrucks plötzlich messerscharf und drohend gekommen ... Vorsicht.


    "Ich wollte nicht unhöflich sein", brachte sie schließlich heraus. "... wie kommt Ihr auf eine Seeschlange?"

  • Mallalai blickte über ihre Schulter hinweg auf die Mauer auf der anderen Straßenseite. Der Boden unter seinen Füßen fühlte sich wieder fest an, das Gefühl des Moments war vergangen, alles war wieder an seinem Platz. Das Licht blieb hell und niemand wollte ihn verschlingen. Etwas in ihrer Stimme ließ ihn sich ihr wieder zuwenden. Sie roch nach Silenes Weihrauch, Mallalai saugte ihren Geruch ein.
    Nun stand er vor der Fremden, die ihn beschämte, indem sie sich entschuldigte, obwohl er es doch war, der unüberlegt gehandelt hätte. Seine Gefühle hatten seinen Verstand überwältigt, so schnell sie sich auch wieder beruhigt haben mochten. Wer würde schon zu ihm kommen, wenn er wüsste, was ihn zu erwarten hätte? Wie konnte er ihr die Neugier abstreiten, die er selbst empfand?


    "Seeschlangen gleiten in ihren Bewegungen, wohin sie sich auch wenden, ihr Kopf ruckt dann ein wenig, wenn sie ihr Opfer erwählt haben", erklärte er seine Wortwahl. "Kaum ein Lebewesen, außer vielleicht den Yassalar, ist gegen ihr Gift imun und wird ihr erliegen." Seine Hand glitt ohne eine Berührung über ihre Schulter, mehr würde er sich nicht wagen, aber es war seine Art die Dinge zu erfahren. "Sein Vergleich war die Wahl des Augenblickes."

  • Sie war versucht, mit dem Blick seiner Handbewegung zu folgen, und stutzte angenehm überrascht bei der Erklärung. Beinahe jeder erkannte ihr besonderes Patentier nach wenigen Augenblicken, die er mit ihr verbrachte. Doch sie mit einer Seeschlange zu vergleichen ... wahrscheinlich lag es daran, dass ihr Gegenüber ein Meereswesen war, aufgewachsen zwischen den ihr unbekannten Wundern der Unterwasserwelt. Allerdings glaubte sie sich zu erinnern, dass die Mira'Tanar im Krieg mit den grausamen Yassalar standen, die er eben beiläufig erwähnt hatte. War er einer von jenen, musste er nicht auch Erfahrungen gemacht haben? Die er lieber nicht erlebt hätte? Fürs erste war es entschieden zu unhöflich, danach zu fragen, doch interessieren würde es sie ...


    Abwartend stand sie da. Sollte sie vielleicht etwas erwidern? Wartete er darauf? Oder fühlte sie sich nur ungewöhnlich nervös, innerlich tausend Fragen zu stellen, aber nach außen hin ruhig zu erscheinen. Sie musste doch irgendetwas sagen, oder? Schließlich hatte sie einen Geistesblitz. "Was habt Ihr hier getan? Wart Ihr nicht vor mir bei der Seherin?"

  • Von dem Wechsel ihrer eben gestellten Frage, das Nichteingehen auf seine Erklärung, verwirrte Mallalai kurz, zeigte es sich im leichten Heben seiner zarten Braue. War es denn so, dass er ihr zu nahe getreten war? Der Vergleich war treffend, so sicher wie er Wasser atmen konnte. Doch so fügte er sich ihrer Frage, wollte er sie keineswegs vertreiben.


    "Die Seherin ... Silene", sagte er, obwohl sich seine Gedanken mehr beschäftigten, ob er ihrer aufdringlichen Frage nachgehen sollte. "Aye, die Steine sahen, sprachen mit ihm, bevor sie sich Euch zuwandten." Seine Hand sank langsam, lag bereits leicht auf seinem Schenkel, als er ihrer Neugier nachgab, doch wissend, dass auch er der seinen bald folgen würde: "Wohl wissend, dass er das Zelt heute nicht betreten würde, gab er seinem Verlangen nach, dass seine Füße mich zu ihr trugen, meine Gedanken sie führten."


    Als er an Silenes Worte dachte, kam es ihm auf einmal seltsam vor, dass es nur dieser eine Beutel war, ein und dieselben Steine darin, die allwissend beraten konnten, je nachdem, wie sie sich legten. "Fragt Ihr Euch in diesen Momenten danach, ob es wahr sein kann, was die Zeichen deuteten? Wähltet Ihr jene Steine, die schon zuvor vor ihm lagen?" Seine Finger bewegten sich leicht, um nach ihrer Hand zu greifen, doch es blieb fragend, andeutend, ob es diese Hand gewesen war, die in den Beutel gegriffen hatte.

  • Die etwas eigentümliche Sprechweise fiel ihr sofort auf und verwirrte sie kurz, doch war das nicht ihr Problem. Sie blieb ebenfalls ruhig, als sie die kleine Bewegung seiner Hand registrierte, einen winzigen Lufthauch spürte, als sie unvollendet blieb. Ihre Finger zuckten, wollten die andere Hand ermutigen. Doch sie wahrte den Schein, und tief in ihrem Herzen fragte sie sich, wohin dieses Spiel, wenn es noch eines war, wohl führen würde.


    Die gesprochenen Worte ließen sie aufhören. Ja, woher nahm sie die Gewissheit, dass die Steine die Wahrheit sprachen? Denn gewiss war es, daran bestand für sie kein Zweifel. Vielleicht lag es an der Präsenz der Natur in ihnen, der sie jederzeit bedingungslos vertraute. Vielleicht gaben ihr die Götter ihren Glauben. "Die Steine haben für jeden, der sich ihrer bedient, eine andere Bedeutung. Ich glaube nicht, dass sie immer dieselben bleiben. Habt Ihr daran gedacht?"


    Und daran würde sie nicht zweifeln. Seit sie nach Nir'alenar gekommen war, hatte sie genug gezweifelt. Der Mira'Tanar hatte ihr unwissentlich ihre Sicherheit, mit der sie sich im Wald bewegte, zurückgegeben. Bei Gelegenheit musste sie ihm dafür angemessen danken.

  • Ihre Antwort war so sicher, dass er kaum einen Zweifel in ihrer Stimme fand, der ihn so umklammert hielt. Mallalai biss sich auf die Lippen ... eine andere Bedeutung ... sie würden ihn tiefer auf den Grund ziehen, wenn er die Bedeutung nicht loswurde, denn hier im hellen Licht verblassten Worte, kam die Unruhe wieder auf, konnte all das nicht mehr wahr sein, an Lebendigkeit gewinnen. Langsam vergrub er das erst kurz zuvor Gehörte in den Tiefen seines Selbst, denn wenn da die Hoffnung blieb, die unerfüllt blieb ... kaum zu denken ... sie wog so schwer. Gab es jemanden in den Weiten, der mehr dachte als er bei sich?


    "Es gibt vieles, an das er kaum zu denken wagt, einige Überlegungen, von denen er sich kaum zu trennen erdreistet, weniges, das hinter seiner Stirn lauert", seine Zunge gab ein unbefriedigtes Schnalzen von sich. "Wenn ich sie wieder erwähle, wiederholt die Seherin ihre Deutung, eine andere würde den Sinn auf einem anderen Pfad auslegen, aber ziehen seine Finger immer andere Zeichen, dann könnte es auch das Gegenteil bedeuten, sehr wage."


    Mallalai schwieg erstaunt und nicht wenig erschrocken. Hatte er gerade sein Gegenüber verwirrt, in dem er ausgesprochen hatte, was ihn bewegte? Mehr sich selbst ... Unmut machte sich breit, fast hätte er sich mehr Raum verschafft ... aber ihre Nähe, die Seeschlange, jenes Geheimnis war noch nicht gelüftet. Die Neugier brannte wie zuvor.

  • Leicht verwirrt blickte sie ihn an, fuhr sein elegantes Gesicht nach, als würde sich die Bedeutung des eben Gesagten irgendwo verstecken. Es machte sie nachdenklich, seine nach außen hin stille, wankelmütige Art und die offensichtlich herausgerutschten Gedanken ... und machte sie auf seltsame Weise ein wenig trübsinnig. "Ob es wirklich so etwas Seltsames gibt, über das man sich Gedanken machen muss ...", murmelte sie leise, mehr zu sich selbst, jedoch wohl wissend, dass sie laut genug sprach.


    Plötzlich, mit jäher Heftigkeit, wurde ihr bewusst, dass sie sich direkt vor ihm aufgebaut hatte, nachdem sie um die Ecke gerauscht war. Sich sicher, dass ihre Wangen sich leicht rötlich färbten, trat sie schnell mit einer Halbdrehung von ihm weg, um sich daneben an die kühle Hauswand zu lehnen. Gerade waren sich ihre Gesichter die ganze Zeit nahe gewesen ... hatten Meereswesen eine andere Auffassung von Zudringlichkeit? Nun berührten sich ihre Schultern fast. Unweigerlich spürte sie irgendetwas Unerklärliches, verschränkte die Arme, als wäre ihr kalt und schielte ihn scheu von der Seite an.

  • Mallalai konnte mit ihr fühlen, als sie sich nach murmelnden Worten abwandte, wegdrehte, um sich neben ihn an die Wand zu pressen. Rückendeckung war immer ratsam. Fließend gar in ihren Bewegungen, er hätte es unter Wasser kaum besser machen können. Etwas an ihrem Wesen schien ihn zu bedrohen, auch wenn es nur unterschwellig zu erfühlen war, eine blasse Ahnung. Unauffällig suchte er ihren Schatten, um sich zu vergewissern, dass er ihre Gestalt aufwies.
    Weshalb suchte sie seine Nähe? War sie sich dessen ebenso unsicher, wie er sich nicht einfach abwenden konnte? Die Situation war so seltsam verdreht, dass sein Atem stockte, er die Steine der gegenüberliegenden Wand musterte. Ja, sogar seine Augen in die Spalten zu stopfen schien, um dort vielleicht passende Worte dafür finden zu können.
    Dann plötzlich drehte er den Kopf, sah sie direkt an, wobei er ihren zaghaften Blick entdeckte, ebenso ihre abwehrende Haltung oder war es die Kälte in der engen Gasse?


    "Ist es die Kälte der Wand, die Euch zu schaffen macht oder die Gegenwart des Mira'Tanar, die selbst mir im Moment unheimlich erscheint?" fragte er sie spottend. Seine Lider senkten sich zu einem Spalt. "Als einzigst meinen Mantel bieten könnte, um Euch Wärme zu spenden, denn mehr, außer vielleicht eines Lendenschurzes, habe ich nicht, um es Euch zu überlassen." Mallalai war es ernst, er meinte, was er zu ihr sprach. Scham würde er nicht empfinden.

  • Wohl hörte sie den Spott in seiner Stimme, und wollte schon leicht gereizt, aber mit einem sarkastischen Grinsen im Gesicht auffahren, doch sie tat es nicht. Würde sie es tun, es würde nicht in diese Situation passen und sie vollkommen zerstören. Dann ... keinen Schimmer, wie es dann weitergehen könnte. Lieber blieb sie ruhig. Und die Ruhe in den Worten darauf erschreckte sie ein wenig, nur ein kleines bisschen, doch das war genug, um das Rosa ihrer Wangen nicht ganz verschwinden zu lassen.


    Leicht überrascht wurde ihr bewusst, dass sie sich benahm wie ein Mädchen, das zum ersten Mal verliebt war. Doch irgendetwas rief dieses Meereswesen in ihr wach, und sie war unwissend, wie sie sich verhalten sollte.


    Schließlich rang sie sich zu einer Antwort durch. Es schien, als würde jedes Wort, das sie sagte, nur durch blitzschnelle Gedanken und große Überwindung hervorkommen. "Es ist nicht das Wetter, das mich frösteln macht." Trotzdem rückte sie etwas näher, um ihre Schulter an seine Seite zu lehnen. Wenn er ihr schon seinen Mantel anbot, durfte sie sich wohl auch das erlauben. Wärme breitete sich aus. Vielleicht sollte sie überrascht sein, dass ein Meereswesen Wärme ausstrahlte.

  • Ein Körper, der näher an den seinen rückte, er merkte die Nähe wohl, selten, dass es geschah. Worte, die in seiner Auffassung, Absichten unterstrichen, die kaum in sein Verstehen zu drängen vermochten. Kurz versteifte sich Mallalai, war es anscheinend nicht der Mantel, den sie wollte. Er blinzelte verwirrt, seine Finger griffen nach der Perle, drehten sie, hin und her gerissen in seinen Annahmen. Welch ein Wesen verbirgt sich in deinem Schatten?


    Ein Landbewohner war ihm nie freiwillig so nahe gekommen. Nachtgesicht, wisperte es seidig durch seine Sinne, allein ein Spiel mit der Dunkelelfe ... war es ein Spiel gewesen? Ein leises, dunkles Lachen, kaum als solches zu erkennen, entschlüpfte seinen Lippen, dass er es kaum zu verhindern wusste, ging es seinen Worten voraus. Seine Augen wurden in seinen Überlegungen ein wenig trübe.


    "In der Nähe der Klippen sind die Strömungen tückisch, unerfahren wird man sie schwer einschätzen können. Ohne Gegenwehr ist man dem Wasser ausgeliefert, oft ist es auch dafür zu spät, man schlägt um sich und wird kaum von der Stelle kommen."
    Sein Zeigefinger, durch eine hauchdünne Haut mit dem Daumen verbunden, berührte ihre Schulter, die der seinen so nahe war. So warm, wie konnte sie frösteln?
    "Wenn nun die Strömung den Körper erfasst, dann wird sie ihn gegen die Felsen schlagen, immer wieder, bis er bricht." Er fasste nach dem dunklen Haar, drehte es.


    Grazil drehte sich nun diesmal der Elfenkörper, so dass beide Hände an der Mauer neben ihrem Gesicht ruhten, fest pressten, seine Gestalt ihren Blick bremste, an sich zog, er auf ihren Scheitel sah. "Fragt sich der Augenblick, wer ist die Strömung, wer der Fels?" fragte er rau.

  • Plötzlich überrascht verfolgte sie die Bewegungen, betrachtete die Hand mit den Fingern und halb durchsichtigen Häuten dazwischen, wie sie eine schwarze Strähne nahmen, und dann fand sie sich beinahe in derselben Position wieder, die er vor kurzem unfreiwillig eingenommen hatte. Auch sie lehnte plötzlich nicht mehr aus freien Stücken an der harten Steinwand, auf beiden Seiten Sperren, direkt auf Augenhöhe: Er war etwas größer als sie, was in dieser Stellung nur allzu deutlich auffiel.


    Ihr Ich, das nur bei besonders seltenen Gelegenheiten an die Oberfläche trat, doch dann nie, ohne Spuren zu hinterlassen, lauschte fasziniert den Worten, die so geheimnisvoll durch die wenige Luft zwischen ihnen schwebten, als wären sie ihr durch einen Zauber verschlossen. Dennoch versuchte sie automatisch, den Sinn zu erfassen. War es ihr vielleicht einmal gelungen? Sicher konnte sie nie sein, das wusste sie.


    Fast ängstlich wagte sie es auf einmal nicht mehr, zu ihm aufzusehen. Gesprochenes an seine Brust gehaucht. "Ich glaube, wir sind uns nicht sicher ..." Das wir klang fremd, so fremd wie seine Sprechweise. Plötzlich fiel ihr etwas auf, eine Kleinigkeit. Jedoch - ihr war sie wichtig. "Aber ich glaube, wir sollten uns zumindest dem Anschein nach ein wenig näher kommen, zu diesem Zweck ... habt Ihr einen Namen?" Weich, unsicher kamen sie, die Worte. Seltsam, in den vergangenen Momenten hatte sich ihr das Gefühl eingeschlichen, dass dieser Mira'Tanar vielleicht einfach nur Mira'Tanar hieß. Schon diese Bezeichnung schmiegte sich passend an ihn, ja, zügellos und fließend war er, ohnegleichen, wie das Wasser.

  • Wellen, die über ein Gesicht laufen konnten? So fremd erschien es ihm, als hätte er sie soeben erst erblickt, doch schon war es die blasse Haut, die dunklen Augen. Ein laut ausgesprochenes wir? Wie sicher er sich war, dass sie von sich selbst sprach, nicht ihn mit einbezog. Gab es da mehr?
    Wie seltsam diese Begegnung doch war, wie anders als man erwarten könnte. Seine Kiemen öffneten sich unbemerkt, schlossen sich ebenso. So war sie wohl das Wasser, die Strömung, wandelbar wie sie schien, er hingegen so beständig, so festgesurrt in seinem eingeschlossenen Wahn. So mochte man hoffen, dass niemand zwischen sie geriet.


    Seine Nase senkte sich in ihr Haar, atmete ein. Vemochte er den Sinn ihrer Worte nicht ganz zu verstehen, denn dem Anschein nach, zu diesem Zweck? Brauchte es einen Anschein zu dem Zweck, den sie verfolgte? Ihr Treffen unweigerlich eine Bestimmung? Für wen? Das Meer bewegte sich, nicht nur dem Eindruck nach, so wie es ihre Körper ebenso taten. Der Sinn? Nach diesem suchte er noch.


    "Mallalai", flüsterte er in die Strähnen hinein, unvermindert der Druck seiner Hände an dem Stein der Wand. Du bringst das Meer an Land ... quälende Erinnerung. "Wie wird er dich nennen?" Deinen Schatten? Die Frage lag ihm auf der Zunge, doch er hielt sie zurück.

  • Ein Meermann und eine Tua'Tanai an einer Steinmauer, sie mit dem Rücken angelehnt, er, größer als sie, über sie gebeugt, seltsame Worte murmelnd, die nur sie verstand, und ihr - nicht in böser Absicht - den Weg versperrte. Wie wirkten sie beide wohl auf die anderen, die Leute, die nur eine Ecke entfernt geschäftig vorbeihuschten oder gemütlich schlenderten. Kaum jemand warf einen Blick in die dunkle Gasse, und natürlich kam niemand näher, um zu sehen, was die zwei dort Seltsames trieben. Noch immer war sich Losifa nicht sicher, wie sie die Gesetze der Sittsamkeit in der Gegenwart dieses Wesens auslegen sollte, wo die Grenzen lagen. Die hatten sich nämlich verschoben und ließen sie abwechselnd verlegen, beschämt und selbstsicher, distanziert handeln.


    Und der Hauch in ihrem Haar ... Mallalai ... wahrlich ein Hauch, kaum spürbar und fremd, seltsam, undurchschaubar. Was in Mallalais Kopf vorging, verstand nur Mallalai selbst. Es gab wenige Wesen, denen Losifa begegnet war und die sie nicht durchschauen hatte können. Mit Abstand das Außergewöhnlichste ...


    Doch schon Namen schufen eine Verbindung und ein Vertrauensverhältnis, legten den Grundstein für eine Brücke, um die Distanz zu überbrücken. Falls es eine Brücke geben sollte, und sie jemals gebaut wurde. Und so hauchte in selbiger Manier wieder gegen seine Brust: ihren Namen, Losifa, und ihre giftgrünen Augen blitzten auf, weil sie an ihr Patentier dachte. Name und Patentier waren bei den Tua'Tanai verbunden wie ... nun, wie die Schwimmhäute und das Wasser der Mira'Tanar vermutlich.

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