Amelie Goldstern`s Tanzschule

  • Aufmerksam hörte Amelie zu. Ein Waffenladen. Das erinnerte sie daran, dass sie sich schon unzählige Male vorgenommen hatte, sich einen kleinen Dolch oder etwas anderes dieser Art zuzulegen, was sie stets unauffällig mit sich tragen konnte. Scheinbar hatte sein Erscheinen an diesem Abend durchaus etwas Gutes.


    Nun wurde auch klar, was er mit seinen vorherigen Andeutungen gemeint hatte, als Amelie nicht darüber reden wollte. "Es tut mir leid ... Nein ... ich habe noch nie etwas von Eurem Waffenladen gehört", gab sie zu. Sie bemerkte seine Niedergeschlagenheit und konnte nachempfinden, wie es ihm wohl gehen musste. Sie selbst kannte die Enttäuschung, welche die vorangegangene Vorfreude auf die Selbständigkeit sehr schnell trübte.


    "Sicher verkauft ihr auch kleinere, unauffälligere Waffen?" Amelie wollte diese Gelegenheit beim Schopfe packen. In ihrem Beruf war es nicht angebracht, ungeschützt zu sein. Sie dachte an Brennans Worte: Pass auf Dich auf Amelie, hatte er gesagt, kurz bevor er ging. Und nicht immer wäre jemand zur Stelle, der sie aus pikanten Situationen "retten" konnte.

  • Darcas starrte Amelie eine weile fragend an. Was wollte eine Tanzschulstrainerin wohl mit einer Waffe. Aber wenn es ihr Wunsch war, er wäre wohl der letzte der einem potentiellen Kunden vom Kauf seiner Ware abriet. Ja ich besitze da einige, die sicherlich für euch geeignet wären. Vielleicht sogar ein paar zuviel. Nachdenklich wandte sich sein Gesicht in die Ecke des Raumes. Zum Teil lagen die Dinger etwas achtlos rum, zumindest hatte Liah dies schoneinmla ausgenutzt um einen Dolch am Körper zuverstecken. Ja ich habe das was passendes definitiv. Meine Angestellte hatte erst kürzlich eine kleine Waffe vor mir verborgen. Denke diese ist für euch geeignet. Kommt bei Gelegeheit doch in meinen Ladan, da könnt ihr euch dann alles in Ruhe ansehn. Ihr werdet auch sicherlich nciht gestört, allzu viele Kunden beehren meinen Laden ja nicht. Diesmal schien er es aber ehr mit Humor als mit Trübsinn zu nehmen, zumindest lächelte er etwas bei der erwähnung seiner schlechten Geschäfte. Nun der Abend ist noch jung und bisher ist ja kaum was passiert, wisst ihr einen schönen ort um sich die Zeit zu vertreiben?

  • Darcas machte den Anschein, als wunderte er sich über den Wunsch Amelies nach einer Waffe. "Manchmal kann es von Vorteil sein, wenn man sich zu verteidigen weiß. Zwar kann ich mich auch so recht gut wehren, doch zu wissen, jederzeit eine kleine Überraschung aus dem Ärmel ziehen zu können, ist doch sehr beruhigend", erklärte sie ihm. "Ich denke, ich werde mir Euren Laden mal ansehen", fügte Amelie mit einem Lächeln hinzu.


    Während seiner weiteren Worte warf Amelie einen Blick aus dem Fenster. Es dämmerte und das tägliche Treiben ging dem Ende entgegen. Ein schöner Ort, sich die Zeit zu vertreiben? Sie kannte genügend Orte, doch auf keinen davon hatte sie große Lust, also wandte sie sich an Darcas, während sie sprach: "Wie wäre es mit einem kleinen Spaziergang? Ihr könntet mir den Weg zu Eurem Laden zeigen".

  • Aufmerksam lauschte er ihren Worten. Ja ein Ass im Ärmel kann von nutzen sein, zumindest hatte Liah immer eins und sie tat wohl nie etwas ohne Grund. Bestätigend nickte er ihr zu.


    Darcas dachte kurz nach wie sie lang spazieren konnten. Doch eigentlich hatte er keine große Lust auf seinen Laden, hatte er doch diesen Spazierang, der ihn in die Tanzschule führte, unternommen, um eben von jenem Laden weg zu kommen. Oh in meinen Laden möchte ich jetzt nicht. Lasst uns lieber wohing gehen wo es gemütlicher ist. Was haltet ihr von dem Park? Nir'Alenar soll einen sehr schönen Park haben, so hörte ich zumindest, gesehen habe ich ihn noch nie. Er bot ihr seinen Arm zum Unterhaken an und geleitete sie raus auf die Straße.

  • Der Park ... Na schön. Warum nicht? Wie sie erst vor Kurzem feststellen musste, hatte er gerade in der Abenddämmerung etwas sehr romantisches. Also hakte sie sich bei ihm unter, während sie nach ihrer Haushälterin Ausschau hielt. "Adora? Ich bin unterwegs, komme aber später wieder nach Hause", rief sie, denn sie konnte die ältere Dame nirgends entdecken. Draußen angekommen, schloss sie die Tür und ging langsam neben Darcas her. "Ihr habt durchaus richtig gehört. Der Park ist sehr schön. Ich war dort und konnte mich davon überzeugen". Kurz zwinkerte sie dem Yassalar zu und war gespannt, was dieser Abend noch bieten würde. Hauptsächlich was seine Ausbildung zum Adligen anging, war es sicher lohnenswert, mehr in Erfahrung zu bringen.

  • Nach ihren Worten war er nun recht gespannt auf den Park. Wie dieser wohl in den Abendstunden aussehen dürfte, zumindest nicht hell erleuchtet. Mit Amelie im Arm, machte er sich auf den weg. Langsam lenkten ihn seine Schritte in die Richtung in der der Park liegen sollte. Doch eine Sache beschäftigte ihn. Mit ihrem Zwinkern konnte er nichts anfangen. Was sollte er wohl von dieser Reaktion halten? Für's erste aber legte er diesen gedanken fort, schließlich wollte er sich jetzt nicht von irgendwelchen, vlt sogar nebensächlichen Kleinigkeiten ablenken lassen. Während sie so schlenderten, redete er weiter. Es freut mich für euch. Meine Wege haben mich bisher noch nicht in den Park gebracht. Aber ich bin auch noch nicht allzu lange in der Stadt, erst seit ein paar Wochen. Er wusste gar nciht wieso er ihr das erzählte, doch sie hatte etwas vertrauenswürdiges an sich. Und auch etwas das ihn neugirig werden ließ. Wer war wohl diese Frau? Was hat euch eigentlich in die Stadt getrieben? Ihr wirkt mir nicht wie eine Person die schon immer in der Stadt lebt.

  • Amelie dachte nach. Wo sollte sie beginnen? Wenn sie so recht überlegte, war es einfach nur Zufall, wie sie in Nir'Alenar gelandet war. Es war ein kleines, unbedeutendes Gasthaus, in dem sie zum ersten mal tanzte. Einfach so - um sich ein paar zusätzliche Münzen zu verdienen. Daraufhin hatte ihr jemand von der Weide erzählt, wo sie dann auch gelandet ist. Aber sie hatte keine große Lust, ihm das alles zu erzählen also beschränkte sie sich auf das Wesentliche. "Wie Ihr wisst, bin ich Tänzerin. Und da sich die Rehe im Wald vielleicht durchaus an meinen Auftritten erfreuen, mir aber ganz sicher nichts dafür zahlen würden, habe ich nunmal mein Glück in der Stadt versucht". Dies sollte Darcas für den Anfang genügen. "Hier lang". Die Nymphe zog ihn iin eine Seitenstrasse, die zum Park führte.


    Innerlich brannte Amelie darauf, endlich zu erfahren, was es mit dieser Ausbildung zum Adligen auf sich hatte, doch riss sie sich zusammen, um nicht allzu neugierig zu wirken.

  • ... Morgaina stolperte zwei Schritte nach vorne und riss ihre Augen auf. Ihre ausgestreckte Hand berührte Stein und noch anderes Material. Langsam setzte der Sehsinn wieder ein und Morgaina zuckte zusammen. Das war nicht die Ruine, in der sie eben noch war, ehe sie die Auswirkungen eines Sonnenstichs erlebt hatte. Sie sah sich um, das Sehen fiel ihr noch immer etwas schwer. Sie befand sich in einer Gasse, die im Halbdunkel lag. Es war kurz nach Sonnenuntergang und Morgaina hätte gerne erfahren, wie dies zugegangen war. Eben noch war sie in der mittäglichen Wüste und mitten im Sandsturm, nun befand sie sich scheinbar in einer Ansiedlung. Sie senkte die Augen und sah das Kopfsteinpflaster. Wo war das Bodenmosaik geblieben? Ihre Brauen zogen sich zusammen. War dies hier gar nicht die Gegenwart, sondern hatte sie wieder einmal eine Vision? Ein Traum konnte es nicht sein, denn sie schlief nicht. Oder doch?
    Morgaina fasste den Entschluss, ihren momentanen Standort zu verlassen. Vielleicht fand sie irgendwo einen typischen Zielpunkt, um zu erkennen, wo sie war. Oder Leute, die sie fragen könnte. Wobei der Gedanke mit den Leuten war wohl nicht so gut. Man konnte nie wissen, welche Vorhaben diese Leute hatten. Und Morgaina wollte sich weder bestehlen, noch ermorden lassen.
    Sie hob den Kopf. Ein zarter Wind bewegte ihre weißen Locken und ein seltsamer Geruch traf ihre Nase. Es dauerte etwas, bis sie den Geruch, der nur ganz leicht in der Luft lag, erkannte. Irgendwo gab es Wasser. Etwas mehr als nur ein Rinnsal. Unwillkürlich verspürte Morgaina Durst. Sie griff in ihren Beutel, nachdem sie ihn sich nach vorne über den Bauch geschoben hatte und holte die Kaktusflasche hervor. Sie öffnete den Stopfen und hob die Flasche an den Mund. Doch nichts kam heraus. Kein einziger Tropfen benetzte ihre Lippen. Sie ließ die Hand sinken und schüttelte die Flasche neben ihrem rechten Ohr. Nicht das geringste Glucksen zeigte ihr an, dass noch etwas in der Flasche war. Wie war das möglich? Sie müsste doch noch etwa halb voll sein! Als sie die Kaktusflasche langsam sinken ließ erkannte sie an der unteren Flaschenhälfte einen dunklen Fleck. Sie sah genauer darauf und seufzte. Es war kein Wunder, dass die Flasche ohne Inhalt war. Da klaffte ein kleines Loch an der Flaschenseite. Es war Morgaina zuwider, die kaputte Trinkflasche einfach weg zu werfen, darum steckte sie diese wieder in den Beutel. Sie würde sicher in einem der Häuser hier zu Wasser kommen. Der nächste Gedanke, der sie in Verlegenheit brachte, war die Frage wo sie heute Nacht schlafen würde. Doch auch da würde sich etwas finden. Und wenn sie nur als Lohn für ein Lied etwas zu Trinken oder ein Nachtlager bekam.
    Während Morgaina ihren Gedanken nachhing war sie weiter gegangen. Nun kam sie an die Vorderseite des Gebäudes, in dessen Nähe sie plötzlich gestanden hatte. Verschlungene Ornamente befanden sich über der Eingangstür. Morgaina ahnte, dass es Schriftzeichen waren, doch sie hatte keine Übung im Lesen von geschriebenen Worten. Jedoch schien es ihr, dass sie früher, jene Zeit die im Dunkel ihres Gedächtnisses lag, die Bedeutung dieser Verschnörkelungen gekannt hatte.
    Da sie jetzt nicht mehr von der Hauswand geschützt war, traf sie nun der Abendwind direkter ins Gesicht. Der Wind und dieser Geruch. Nach Wasser, Salz und noch anderem. Zart und beinahe unerkennbar war dieser Geruch. Morgaina blieb stehen und hob das Gesicht dem Wind entgegen, schloß die Augen und genoss die Prise. Ihre weißen Locken wirbelten verspielt um ihre Schultern und die schmale, rote Strähne an der rechten Seite hob sich beinahe wie ein Spalt vom Kopf ab. Langsam kroch ein leichtes Lächeln über ihr Gesicht und füllte ihre Seele. Ihr Gesicht bekam dadurch ein beinahe unirdisches Leuchten.

  • ... Morgaina stolperte zwei Schritte nach vorne und riss ihre Augen auf. Ihre ausgestreckte Hand berührte Stein und noch anderes Material. Langsam setzte der Sehsinn wieder ein und Morgaina zuckte zusammen. Das war nicht die Ruine, in der sie eben noch war, ehe sie die Auswirkungen eines Sonnenstichs erlebt hatte. Sie sah sich um, das Sehen fiel ihr noch immer etwas schwer. Sie befand sich in einer Gasse, die im Halbdunkel lag. Es war kurz nach Sonnenuntergang und Morgaina hätte gerne erfahren, wie dies zugegangen war. Eben noch war sie in der mittäglichen Wüste und mitten im Sandsturm, nun befand sie sich scheinbar in einer Ansiedlung. Sie senkte die Augen und sah das Kopfsteinpflaster. Wo war das Bodenmosaik geblieben? Ihre Brauen zogen sich zusammen. War dies hier gar nicht die Gegenwart, sondern hatte sie wieder einmal eine Vision? Ein Traum konnte es nicht sein, denn sie schlief nicht. Oder doch?
    Morgaina fasste den Entschluss, ihren momentanen Standort zu verlassen. Vielleicht fand sie irgendwo einen typischen Zielpunkt, um zu erkennen, wo sie war. Oder Leute, die sie fragen könnte. Wobei der Gedanke mit den Leuten war wohl nicht so gut. Man konnte nie wissen, welche Vorhaben diese Leute hatten. Und Morgaina wollte sich weder bestehlen, noch ermorden lassen.
    Sie hob den Kopf. Ein zarter Wind bewegte ihre weißen Locken und ein seltsamer Geruch traf ihre Nase. Es dauerte etwas, bis sie den Geruch, der nur ganz leicht in der Luft lag, erkannte. Irgendwo gab es Wasser. Etwas mehr als nur ein Rinnsal. Unwillkürlich verspürte Morgaina Durst. Sie griff in ihren Beutel, nachdem sie ihn sich nach vorne über den Bauch geschoben hatte und holte die Kaktusflasche hervor. Sie öffnete den Stopfen und hob die Flasche an den Mund. Doch nichts kam heraus. Kein einziger Tropfen benetzte ihre Lippen. Sie ließ die Hand sinken und schüttelte die Flasche neben ihrem rechten Ohr. Nicht das geringste Glucksen zeigte ihr an, dass noch etwas in der Flasche war. Wie war das möglich? Sie müsste doch noch etwa halb voll sein! Als sie die Kaktusflasche langsam sinken ließ erkannte sie an der unteren Flaschenhälfte einen dunklen Fleck. Sie sah genauer darauf und seufzte. Es war kein Wunder, dass die Flasche ohne Inhalt war. Da klaffte ein kleines Loch an der Flaschenseite. Es war Morgaina zuwider, die kaputte Trinkflasche einfach weg zu werfen, darum steckte sie diese wieder in den Beutel. Sie würde sicher in einem der Häuser hier zu Wasser kommen. Der nächste Gedanke, der sie in Verlegenheit brachte, war die Frage wo sie heute Nacht schlafen würde. Doch auch da würde sich etwas finden. Und wenn sie nur als Lohn für ein Lied etwas zu Trinken oder ein Nachtlager bekam.
    Während Morgaina ihren Gedanken nachhing war sie weiter gegangen. Nun kam sie an die Vorderseite des Gebäudes, in dessen Nähe sie plötzlich gestanden hatte. Verschlungene Ornamente befanden sich über der Eingangstür. Morgaina ahnte, dass es Schriftzeichen waren, doch sie hatte keine Übung im Lesen von geschriebenen Worten. Jedoch schien es ihr, dass sie früher, jene Zeit die im Dunkel ihres Gedächtnisses lag, die Bedeutung dieser Verschnörkelungen gekannt hatte.
    Da sie jetzt nicht mehr von der Hauswand geschützt war, traf sie nun der Abendwind direkter ins Gesicht. Der Wind und dieser Geruch. Nach Wasser, Salz und noch anderem. Zart und beinahe unerkennbar war dieser Geruch. Morgaina blieb stehen und hob das Gesicht dem Wind entgegen, schloß die Augen und genoss die Prise. Ihre weißen Locken wirbelten verspielt um ihre Schultern und die schmale, rote Strähne an der rechten Seite hob sich beinahe wie ein Spalt vom Kopf ab. Langsam kroch ein leichtes Lächeln über ihr Gesicht und füllte ihre Seele. Ihr Gesicht bekam dadurch ein beinahe unirdisches Leuchten.

  • Es dauerte nur wenige Augenblicke, dass sich Morgaina so gehen ließ. Als ihr einfiel, dass sie sich noch vor ganz kurzem mitten in einer Wüste befunden hatte, den Sandsturm inmitten einer Ruine abgewartet und sich schließlich durch unbekannte Kräfte in einer schmalen, abendlichen Gasse wieder gefunden hatte, erlosch dieses Hochgefühl der Freiheit in ihr. Sie senkte den Kopf und überdachte nun ihre weiteren Schritte.
    Da gab es zum einen das Problem, dass ihr Wasservorrat zu ende war. Abrupt und unwiderruflich. Mit der kaputten Kaktusflasche konnte sie nichts mehr anfangen. Das weitere Problem wäre, wo würde sie heute Nacht hier - wo immer dieses HIER auch war - ihren Kopf zur Nachtruhe legen. Und ein nochmaliges Problem, das größte eigentlich, war dass sie keinerlei Barschaft hatte. Wenn ihre Familie einmal im Jahreskreis in die größere Marktstadt kam, dann wurden die Dinge, die man benötigte, getauscht gegen jene Sachen, die jemand anderes brauchte. Also benötigte die Mutter wieder Salz oder neue Töpfe, tauschte sie diese Dinge indem sie frischen Käse oder bunte geknüpfte oder gewebte Teppiche gab. Doch Morgaina konnte sich nicht vorstellen, dass jemand hier ihren Beutel oder dessen Inhalt eintauschen wollte. Sie würden sicher andere Mittel benötigen. Vielleicht konnte sie bei freundlichen Menschen ein Nachtlager finden. Aber sie wusste, nichts geht ohne Gegenleistung. Das einzige, das sie konnte, war heilen und all die kleinen Dinge, die man eben so in einem Nomadenleben benötigte.


    Morgaina war so in ihre Gedanken eingesponnen, dass ihr nicht auffiel, dass es dunkler geworden war. Sie zuckte zusammen, als aus einem der Fenster des Hauses neben ihr Licht fiel. Kurz huschte ein Schatten dahinter vorbei, dann stand Morgaina verwirrt da.
    Ihr von den Geräuschen der Wüstennacht geeichtes Ohr fing nun weit entferntes Lachen auf und auch kleinere Musikfetzen. Irgendwo schlug eine Tür zu. Schritte näherten sich und Morgaina zog sich unwillkürlich in den anonymen Schatten des Gebäudes zurück. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Wenn sie heute noch ein Schlaflager finden wollte, musste sie wohl oder übel die Gasse verlassen und zu suchen beginnen. Doch sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie den Mut aufbrachte, die relative Sicherheit dieser kleinen Gasse aufzugeben, um schließlich an einem Tor anzuklopfen und um ein Lager zu bitten.
    Morgaina begann zu frieren und so nahm sie sich den Beutel vom Rücken, öffnete ihn und holte mit sicherem Griff den Umhang heraus. Mit einer routinierten Schlenkerbewegung ihrer Hand verschloß sie den Beutel wieder und zog sich den Mantel an. Nachdem sie ihn verschlossen hatte, hängte sie sich den Beutel wieder an seinen bereits angestammten Platz. Sie zog sich unwillkürlich weiter in die Dunkelheit zurück, als sich abermals Schritte näherten und eine dunkle Gestalt etwas schwankend vorbei ging. Mit einem raschen Griff streifte sich Morgaina die Kapuze ihres Mantel über ihr in der Dunkelheit bläulich schimmerndes, weißes Haar und nahm allen Mut zusammen, der noch in ihr schlummerte. Es half nichts, wenn sie weiter hier ausharrte. Was, wenn vom rückwärtigen Ende dieser Gasse jemand kam? Wahrscheinlich gab es auch hier Stadtwächter, die alles kontrollierten und sie aufgreifen würden. Dann hätte sie zwar einen Platz, wo sie ihren Kopf hinlegen konnte, doch das war nicht so nach Morgainas Geschmack.
    In ihrem Inneren reifte der Entschluss, sie würde diese Gasse, die ihr bisher als Zuflucht gedient hatte, verlassen und den noch immer hörbaren Musiokfetzen nachgehen. Vielleicht konnte sie dort auch erfahren, wo sie heute ausruhen konnte. Und auch etwas zu trinken bekommen. Sie biss sich auf die Unterlippe, atmete einmal tief durch und verließ das schützende Dunkel der kleinen Gasse. Sie lenkte ihre Schritte in die Richtung, aus der die Musik kam.

  • In Abständen von etwa zehn Schritten stand immer wieder eine Laterne, deren flackerndes Licht nur einen kleinen Kreis beleuchtete. Morgaina hielt den Kopf gesenkt, denn sie musste sich auf ihre Füße konzentrieren. Sie kam wieder in den Lichtkreis einer der Laternen und blieb kurz stehen. Sie musste plötzlich an ihre Eltern denken. Ob sie ahnten, was mit ihrer Ziehtochter Morgaina passiert war? Oder nahmen sie vielmehr an, dass sie bereits auf dem Weg ihres Schicksals war? Nun, dies könnte auch eine Spielart ihres Schicksals sein. Morgaina ging weiter, verließ den Lichtkreis und blieb erneut stehen. Ob sie hier an diesem unbekannten Ort auch ihre Träume hatte? Ob sie hier auch von der unbekannten Frau im roten Kleid träumen würde?
    Morgaina setzte sich erneut in Bewegung. Wenn sie noch lange hier stand, würde sie nie ihren größer werdenden Durst löschen können und auch mit diesen Träumen würde es nichts werden. Denn das Kopfsteinpflaster unter ihren Füßen lud wenig zum Ruhen ein.
    Die Musik war etwas lauter geworden und Morgaina steuerte darauf zu. Doch dann verließ sie der Mut und sie kehrte um. Irgendwo, tief in ihr drinnen, verspottete sie eine Stimme als Kaninchen. Doch sie machte sich nichts daraus. Besser einmal vorsichtig und ein Kaninchen, als waghalsig und vielleicht in einer gefährlichen Situation. Morgaina zuckte zusammen und biss sich auf die Lippen, als aus einem der Häuser eine Frau trat, die Tür versperrte und in ihre Richtung ging. Sie spürte leichte Panik in sich hoch steigen. Aber die Frau nickte ihr nur zu und ging rasch an ihr vorbei. Morgaina atmete auf. Schließlich fasste sie sich ein Herz, wandte sich um und beschleunigte ihre Schritte, um der Frau zu folgen. Diese musste es sehr eilig haben, denn es dauerte etwas, bis Morgaina sie wenigstens soweit eingeholt hatte, dass sie ihren Gedanken in Worte fassen konnte.
    "Verzeiht, edle Frau! Wo finde ich hier eine Herberge?"
    Als Antwort wedelte die Frau mit der Hand in eine unbestimmbare Richtung und entschwand in eine Seitengasse.
    "Danke schön!" rief Morgaina noch nach, doch ob die Frau sie gehört hatte, wusste Morgaina nicht. Sie sah sich um und erkannte, dass sie die Wahl zwischen zwei Wegen hatte, die in etwa der Richtung der winkenden Geste der abendlichen Passantin lag. Sie entschloss sich den linken Weg zu nehmen. Sollte dieser sie nicht ans Ziel führen, konnte sie noch immer umkehren und den anderen versuchen. Und wenn dies die ganze Nacht dauern würde, dann hätte sie diese wenigstens herum gebracht, an diesem fremden Ort. Während Morgaina nach links ging, dachte sie darüber nach, warum sie sich hier so wenig fürchtete, wo sie doch sonst nur als Nomadin mit der Familie in der Wüste oder der Oase zugebracht hatte. Sie konnte sich nicht erinnern, je in einer größeren Ansiedlung gewesen zu sein. schön, da gab es das alljährliche Gebetsfest, aber das zählte nicht. Denn alle, die dann zusammen kamen, verließen den Platz auch wieder nach drei Tagen und gingen ihrer eigenen Wege.

  • Morgaina seufzte beinahe unhörbar. Um diese Zeit waren die Tiere bereits versorgt und der Vater saß neben Mutter, die immer wieder kleinere Handarbeiten fand, womit sie sich beschäftigen konnte. Ob sie jetzt jemand hatten, der die ganzen Tiere versorgen konnte? Ob sie wenigstens einen kleinen Gedanken an ihre Ziehtochter verschwenden würde?


    Morgaina war stehen geblieben. Tränen waren in ihre Augen getreten. Sie hatte so ein starkes Gefühl in sich, das sie noch nie verspürt hatte. Sie hatte Sehnsucht nach den Menschen, die sie schon so lange kannte und liebte. Beinahe unbewußt griff sie sich an die Narbe auf ihrer Stirn. Dort hatte sie der Dolch des Angreifers getroffen. Und nur ihren starken Knochen verdankte sie es, dass sie jetzt nicht tot war. Oder irgend einem Gott, der sie beschützte. Der Wind hatte etwas nachgelassen und die nur schwach erleuchtete Häuserfront lag vor ihr. Sie hob den Kopf und sah zum dunklen Himmel auf. Ein seltsam verschwommen abzeichnender Mond stand dort oben. Und die Sterne, die sie erkennen konnte, glitzerten nicht so farbenfroh, wie sie es in der Oase taten. Es war, als wäre dort oben ein Spinnwebvorhang vorgezogen worden.


    Morgaina ging wieder weiter. Die Musik war nun nicht mehr zu hören, auch die Geräusche, die ein einbrechender Abend und die daran folgende Nacht so mit sich brachten, ließen sich nur gedämpft wahr nehmen. Morgainas Blick wurde von einem kleinen, etwas abseits stehenden Haus angezogen. Hinter einem der Fenster flackerte Licht und da sie müde war und durstig, beschloss sie dort um ein Nachtlager zu bitten. Sie dachte nicht darüber nach, was sein würde, sollte sie dort nichts bekam. Noch nicht!
    Morgaina beschleunigte etwas und nach sechs Schritten war sie vor der dunklen Tür angekommen. Zwei Stufen führten hinauf und Morgaina betrat sie. Sie schluckte und hob die rechte Hand. Zaghaft klopfte sie mit den Knöcheln ihrer Finger an das Holz. Gleich darauf trat sie eine Stufe hinunter und wartete darauf, dass sie gehört worden war. Doch es blieb alles ruhig. Abermals stieg sie die eine Stufe hoch, klopfte erneut an, diesmal etwas lauter und wiederholte den Schritt nach unten. Aber noch immer schien sie niemand gehört zu haben. Morgaina biss die Zähne zusammen und betrat abermals die eine Stufe. Ihr Klopfen war nun laut und sie erschrak. Sofort sah sie sich um, in Erwartung einer scheltenden Stimme, die sie von der Tür scheuchen würde. Da sie doch so ungebürlichen Lärm veranstaltete. Doch niemand kam, sie zu verjagen oder dem Grund des harten Klopfens zu erfahren. Ja nicht einmal als sie ein weiteres Mal klopfte, rührte sich etwas. Die Türe blieb wie ein abweisendes Auge geschlossen. Die Strasse lag verwaist im Lampenlicht da. Morgaina seufzte und bemerkte erst jetzt, dass ihr eine Träne über die Wange lief. Dies hieß wohl, dass sie diese Nacht unter freiem Himmel verbringen würde. Mit brennendem Durst in der Kehle und den Eingeweiden.
    Morgaina wandte sich um, stieg die beiden Stufen hinunter und blieb kurz stehen. Sie wandte den Kopf, schob sich die Kapuze ihres Mantels etwas beiseite und wandte den Kopf. Hatte sie nicht eben etwas gehört? Vielleicht war doch jemand zu Hause und schloß jetzt erst die Türe auf!

  • Morgaina wusste nicht, was sie nun tun sollte. Der kurze Augenblick, wo sie glaubte etwas gehört zu haben, war vorbei gegangen. Niemand hatte die Tür geöffnet, niemand war hier zu Hause. Tief in sich fühlte sie Müdigkeit aufsteigen und auch Trauer. Irgend etwas hatte sie von ihrem bisherigen Weg weg genommen und in dieser unbekannten Stadt abgesetzt. Sie hatte in ihrem kurzen Leben bereits viel erlebt, da würde sie nicht vor dieser kleinen Hürde, die Suche einer Unterkunft, nicht halt machen. Morgaina nickte und fühlte in sich wieder neuen Mut und eisernen Willen erwachen. Fand sie hier keine Unterkunft, würde sie weiter suchen. Morgaina warf noch einen letzten Blick auf das Gebäude, dann drehte sie ihm den Rücken zu und machte sich erneut auf die Suche. Sie strebte das nächste Haus an, vielleicht hatte sie da mehr Glück.

  • Morgaina hatte das Ziel ihrer Schritte erreicht. Sie blieb vor dem Tor aus Schmiedeeisen stehen und trotz der Dunkelheit erkannte sie die kunstvollen Ornamente und bewunderte die Feinheit dieser Arbeit. Der Duft von Blumen erreichte sie und sie schloß die Augen, hob den Kopf und sog diesen betörenden Geruch tief in sich hinein. Sie probierte, ob das Tor offen war und hatte Glück. Entweder versperrte man hier nichts oder der Besitzer war besonders gastfreundlich. Sie betrat den Garten, der sich hinter dem Tor anschloß und selbst jetzt, wo die Laternen mit ihrem Licht nicht mehr hierher reichten, konnte sie all die Blumenrabatte im Mondlicht ausmachen. Der Besitzer dieses Wundergarten hatte sicher viel Mühe und Zeit darauf verwandt, diese Sinn- und Geruchsoase zu kreiren. Sollte sie heute kein geeignetes Nachtlager mehr finden, würde sie sich hier im Garten ein kleines Plätzchen suchen. Vielleicht im rückwärtigen Teil. Neben dem Haus.
    Morgaina öffnete wieder die Augen und ging weiter. Das erste, das ihr ins müde Auge fiel, war ein großer, goldener Türknauf. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Sie hob entschlossen die Hand und ... klopfte zweimal neben dem Knauf an die Tür. Dass sie den Knauf berührte, dazu war sie noch nicht müde oder verzweifelt genug. Sollte der Besitzer zu Hause sein, war Morgaina schon auf ihn gespannt.

  • Voll guter Laune über die Geschehnisse des Abends war Amelie auf dem Weg nach Hause, die beiden geheimnisvollen Fläschchen, die ihr noch an diesem Abend überreicht wurden, sicher in einem samtenen Beutel verstaut, der quer über die zarten Schultern hing. In Gedanken noch in das Gespräch mit der Priesterin vertieft, schlenderte die Nymphe leichten Fußes durch die Stadt und genoß die nächtliche Frische, die eine leichte Brise auslöste.


    Kurz überlegte sie, ob sie tatsächlich schon nach Hause gehen solle oder lieber noch einem ganz bestimmten Menschen noch einen Besuch abstatten solle, um sogleich das Geschenkt, welches ihr von der Priesterin überreicht wurde, zu probieren. Allerdings war sie müde und der Augenblick würde sicher noch kommen, denn Amelie war sich gewiss, dass sie die Gunst Shirashais für sich gewonnen hatte. So ging die Nymphe frohen Mutes weiter ihres Weges, bog in die letzte Gasse ein, die sie schließlich zu ihrem Zuhause führen würde.


    Doch die Schritte der Tänzerin verlangsamten sich, als sie schon fast an ihrer Villa angekommen war und im Schatten eine Bewegung wahrnahm. Langsam und darauf bedacht, kein unnötiges Geräusch von sich zu geben, schlich sie auf das Tor zu. Es war offen. Wer um alles in der Welt sollte sie um diese Uhrzeit wohl besuchen wollen? Der einzige Mensch, dem sie dies zutrauen würde, würde nach ihrem letzten Zusammentreffen sicher nicht im Geringsten an einen Überraschungsbesuch denken. Kurz verfluchte sich Amelie selbst dafür, dass sie dieses Tor stets offen ließ und ging weiter, hinein in den Garten, hielt sich im Schatten der Bäume bedeckt und lugte hinter einem dicken Stamm hervor, in Richtung Haustür. Da stand jemand. Der Gestalt nach eine Frau.


    Gerade war Amelie dabei, im Dunkel nach einem starken Ast Ausschau zu halten, mit dem sie sich zur Not gegen die vermeintliche Einbrecherin wehren konnte, doch kaum hatte sie ein mehr oder minder brauchbares Objekt im Auge, da blickte sie verwundert auf, als sie ein Klopfen vernahm. Dies gehörte nicht zur üblichen Vorgehensweise von Einbrechern und die Nymphe ließ den Ast sogleich wieder außer Acht. Doch was wollte eine Fremde mitten im Dunkel der Nacht von ihr?


    Um dieses Rätsel zu lösen, musste sie sich wohl oder übel aus ihrem Versteck bewegen, also schlich sie leise von hinten auf die Fremde zu und musterte diese mit wachen Augen. Erst nach kurzem Zögern erklang die Stimme der Nymphe im Rücken der Frau. "Ich wünsche einen guten Abend. Was führt Euch zu mir um diese Zeit?"

  • Morgaina zuckte zusammen, als so unvermittelt hinter ihr eine Stimme aufklang. Sie wirbelte erschrocken herum, dabei rutschte die Kapuze ihres Mantels herunter und legte ihr weißes Haar mit der roten Strähne frei. Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie schluckte. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie sich auf ihre Erziehung besann, einen kleinen Knicks machte und den Mund öffnete. Doch ausser einem leisen 'Kicks' kam nicht viel heraus. Sie schluckte, dann begann sie noch einmal.


    "Verzeiht, meine Dame, mein ungebürliches Eindringen in Euer Heim und diesen wunderbaren Garten, aber ich wollte den Eigentümer um ein Nachtlager bitten. Ich bin erst ganz kurz hier und ...!" Morgaina verstummte. Dieser Blick! Er ging ihr tief bis in die Seele. Sie senkte die Augen, als sie ihre Worte überdachte. Es musste sich seltsam anhören, dass sie nun da stand und um ein Nachtlager bat. Diese Frau vor ihr würde sie sicher nicht als Übernachtungsgast gebrauchen können. Morgaina griff nach ihrer Kapuze, stülpte sie sich wieder über den Kopf und knickste erneut. Die Signale, die diese Frau aussandte, verwirrten Morgaina und machten sie verlegen. Obwohl sie es nicht wollte, füllten sich ihre Augen mit Tränen, die sie, ohne sie weg zu wischen, einfach laufen ließ.
    "Es tut mir leid, Ich möchte Euch nicht belästigen. Ich werde schon irgendwo ein kleines Plätzchen finden. Ich ... es tut mir leid, wenn ich Euch beleidigt haben sollte!"


    Morgaina hob den Blick und versenkte ihn unbewusst in den der anderen. Kurz dachte sie daran, dass sie keine Zahlungsmittel besaß, wenn sie ein Gästehaus aufsuchen müsste, aber sie konnte singen und tanzen und auch werktätliche Arbeit verrichten. Doch die Nacht war weiter fortgeschritten und Morgaina war wirklich müde. Andererseits fesselte sie der Anblick dieser Frau. Unwillkürlich wurde sie an ihre Traumgestalt - die Frau im roten Kleid - erinnert.

  • Während die dunklen Augen fest auf die Fremde gerichtet waren, legte sich Amelies Stirn in Falten. Warum erschrak sie so? War schlechtes Gewissen die Ursache? Oder war es, weil sie sich so heimlich angeschlichen hatte? Was auch immer der Grund war, Amelie kam nicht dazu, weiter nachzudenken, denn sogleich durchbrach die Stimme der Frau die nächtliche Ruhe.


    Ein Nachtlager? Sah ihre Tanzschule etwa aus wie ein Gasthaus? Ungläubig begutachtete sie ihr Gegenüber, als der Klang der Stimme verstummte. Doch in dem Moment, als Amelie den Mund öffnete, um etwas zu erwidern, was der Erklärung des Unterschiedes zwischen einem Gasthaus und einer Tanzschule gleich kommen sollte, fuhr die andere fort, plötzlich gar nicht mehr davon überzeugt, hier ein Nachtlager zu finden.


    Die Nymphe begann, ihren Beutel öffnen und ihn daraufhin einige Augenblicke lang zu durchforsten, darauf bedacht, das Geschenk Shiarées nicht zu zerstören, bis sie schließlich ein weißes Taschentuch zum Vorschein brachte.Als sie wieder aufsah, begegnete Amelies Blick dem ihren und sie fragte sich, was diese Frau so besonderes - oder auch erschreckendes - an ihr fand.


    Die Hand, in der das weiße Tuch ruhte, erhob sich. "Hier. Trocknet Eure Tränen". Die sanfte Stimme Amelies erklang, während sie das Tuch in die Hand der Fremden legte. Kurz zögerte sie, doch dann stellte sie eine Frage. Eine Frage, deren Antwort die Unsicherheit ihres Gegenübers erklären würde, so hoffte sie. "Was ist Euch widerfahren?"

  • Morgaina nahm das Tuch und wischte sich die Tränen vom Gesicht. Mitten in der Bewegung hielt sie inne und es kam ihr erst jetzt zu Bewußtsein, dass sie sich unmöglich aufgeführt hatte, bisher. Sie ließ die Hand mit dem Tuch sinken, entschuldigte sich mit leiser und zittriger Stimme und knüllte das Tuch mit den Fingern zusammen. Als sie die Frau, die sichtbar die Bewohnerin des Hauses war, fragte, was ihr widerfahren sei, wusste Morgaina nicht wo sie beginnen sollte. Sie hielt den Blick gesenkt und atmete einmal tief durch. Es war sehr unhöflich, seine eigenen Sorgen vor Fremden auszubreiten, doch sie war gefragt worden. Und auf eine höfliche Frage sollte eine ebensolche Antwort erfolgen.
    Morgaina nickte und begann mit leiser Stimme zu erzählen. Von den Träumen, die immer öfters kamen und in denen sich ein Teil ihrer im Dunkel des Vergessens liegenden Vergangenheit spiegelte. Vom Tod der Sippe und dem Traum mit der Frau im roten Kleid. Von ihrer Pflicht, jetzt in ihrem fünfzehnten Lebensjahr einen Beduinensohn zum Gatten zu erwählen und ihrem unbändigen Sinn auf Rache. Dass sie diesen Mörder finden wollte um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Sie erzählte, wie sie den Sandsturm in der Ruine abgewartet hatte und von dem Mosaik am Boden des Hauses. Von dem glitzernden Feld, das sie ergriffen und hier wieder ausgespien hatte.
    Zuletzt hatte Morgaina nur noch geflüstert. Ihre Finger kneteten und drückten das Tuch ohne dass sie einen Gedanken daran verschwendete. Als Morgaina verstummte, spürte sie kalte Schauer über ihren Rücken laufen. Sie wusste nicht, kamen sie davon, dass es kühler geworden war oder davon, dass sie sich nun einen Teil von der Seele gesprochen hatte.
    Da ihr Gegenüber nichts sagte, hob sie den Blick und wurde sich erst jetzt bewußt, dass sie ihr ganzes ihr bekanntes Leben vor den Ohren einer Fremden ausgebreitet hatte und diese sicherlich damit belästigt hatte.
    Morgaina war immer stolz darauf, dass sie sich erwachsen fühlte und auch so benahm, doch jetzt in diesem Augenblick kam sie sich klein und wie ein Kind vor. Sie fühlte sich verletzlich, wie schon lange nicht mehr. Was sollte diese freundliche, aber fremde Frau von ihr denken, wenn Morgaina ihre Lebensgeschichte als Last auf deren Schultern warf? Morgainas Blick fiel auf ihre das Tuch bereits heftig zerknitternden Finger und errötete. Sie streckte die Hand mit dem Tuch aus und hauchte tödlich verlegen:
    "Verzeiht bitte, ich verhalte mich sehr ungebührlich!"

  • Aufmerksam widmete sich die Nymphe der Erzählung. Sie selbst war bereits auf Beleriar geboren und konnte sich kaum vorstellen, wie es war, vorher ein Leben auf Niel Anor geführt zu haben, kannte sie die Welt da oben schließlich nur aus Geschichten, die ihr andere erzählt hatten. Geschichten ihrer Großmutter unter anderem, denn diese hatte den Untergang der Insel am eigenen Leib erfahren dürfen und erzählte Tochter und Enkelin nur allzu gerne und auch oft die Geschichten, als sie damals im Silberwald gelebt hatte und von freien Lichtungen aus den klaren, blauen Himmel betrachten konnte, der des Nachts von unzähligen Sternen überzogen war, bis zu jenem Tag, an dem Beleriar auf immer unter dem Meeresspiegel versinken sollte.


    Amelie fragte sich, ob auch ihr Gegenüber diese Geschichte kannte, denn falls nicht, musste diese Erfahrung recht beängstigend sein, was wohl auch die vorherige Reaktion erklärte. "Ihr seid nun auf Beleriar gelandet", erklärte sie ihr geduldig. Es schien ganz so, als hätte diese Frau eines der berüchtigten Portale gefunden, wenn auch ungewollt. Also wusste sie sicher auch, wo auf dieser Insel das Portal zu finden war. Mit gewinnendem Lächeln auf den Lippen wandte sie sich wieder an die nächtliche Besucherin. "Oh nein überhaupt nicht. Bitte kommt doch herein und ich mache Euch einen Tee."

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