Der Park

  • Brennan lachte.
    "Freut euch nicht zu früh, Teuerste. Auch ich bewege mich eher in Händler, als in Adelskreisen und kann euch nicht wirklich etwas versprechen. Aber einige der "oberen" Schicht sind gute Kunden von mir und sollte demnächst jemand nach einer Tänzerin für eine Gesellschaft suchen, werde ich euch gerne empfehlen."


    Starr war Brennans Blick auf den See gerichtet, als er leise flüsternd hinzusetzte.
    "Allerdings solltet ihr euch bewußt sein, dass so manches Bauernvolk mehr Anstand und Ehre besitzt, als die höheren Herren. Wer nicht aus ihren Kreisen stammt, wird gerne auch so behandelt und eh ihr euch versehen könnt, seit ihr die Meträsse eines dicken Fettsacks, bis die nächste schöne Tänzerin euch ablöst..." Der Händler winkte ab und lachte.
    "Ach was, gebt nichts auf meine Schwarzmalerei. Wahrscheinlich sind vieles nicht mehr als Gerüchte."


    Er zwinkerte Amelie zu und wußte doch nicht, ob sie es in der nähernden Dunkelheit sehen konnte. "Und es wäre wohl keinem zu verübeln, wenn er von euch und eurem Tanz angetan ist." Setzte er schmeichelnd, aber mit fester Stimme hinzu.

  • Amelie wusste, dass es keine Schwarzmalerei von Brennan war. Wenn sie bisher auch recht selten bei Adligen aufgetreten war, hatte sie durchaus die Erfahrung gemacht, vor der Brennan sie in diesem Moment gewarnt hatte. Jedoch die Vorstellung, dass Kira sich in Grund und Boden ärgern würde, wenn sie davon erfuhr, dass jemand Amelie beim Adel empfehlen würde, gefiel ihr außerordentlich und ein schiefes Lächeln legte sich auf ihre Lippen.


    Mit den Angewohnheiten der Adligen würde sie schon irgendwie fertig werden. "Ich weiß aus Erfahrung, dass es keine Schwarzmalerei ist, was Ihr gerade sagtet", entgegnete Amelie und fügte noch hinzu: "Doch wäre ich bereit, so einiges dafür zu geben. Eine Tänzerin kann sich nichts besseres wünschen."


    Ein frischer Wind kam auf und Amelie zog sich fröstelnd ihren Seidenschal über die Schulter. Während sie mit verschränkten Armen auf den Mondenteich blickte, sagte sie nachdenklich: "Hoffentlich mischt sich Kira dann nicht schon wieder ein." Es wollte sie einfach nicht loslassen, dass Kira es tatsächlich geschafft hatte, ihr einen Auftritt auszuspannen. Was hatte sie den Herrschaften nur erzählt, dass diese sie Amelie vorzogen?

  • "Diese Kira scheint euch sehr getroffen zu haben." Sprach Brennan und obwohl er schmunzelte, versuchte er seiner Stimme den nötigen Ernst und auch eine Spur Bedauern mit zu geben.


    "Eine andere Tänzerin?" Fragte er neugierig und bemerkte Amelies Frösteln. Er zog sich die schwarze Weste aus und reichte sie der jungen Frau. Sie würde vielleicht nicht viel helfen, aber durch Brennans Körperwärme war sie durchaus noch warm.


    "Ihr solltet euch nicht über sie ärgern. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich jemand mit eurem Tanz messen kann. Vielleicht hatte sie einfach nur die richtigen Kontakte." Mutmaßte Brennan. "In Nir'alenar sind Kontakte oftmals das Wichtigste. Wenn ihr der richtigen Gilde angehört, Freund eines einflußreichen Wirtes seid oder in den richtigen Tempeln eure Gebete betet, stehen euch oft alle Türe offen.."

  • Amelie bemerkte sein Schmunzeln. "Ich weiß nicht, ob Euch das klar ist. Aber ich meine das toternst!" Während sie versuchte, Brennan das klarzumachen, fuchtelte sie aufgebracht mit dem Zeigefinger vor ihm herum. Was verstand ein Mann schon von solchen Problemen?


    Doch Amelie beruhigte sich sogleich wieder, als Brennan ihr seine Weste reichte. Dankbar legte sie sich das Kleidungsstück um die Schultern. Die Weste war viel zu groß für Amelie und hüllte den zarten Körper der Nymphe herrlich warm ein. Brennans Worte schwirrten in ihrem Kopf, während er noch weitersprach: Nicht über sie ärgern - wie stellt er sich das vor ... Natürlich kann sich niemand mit meinem Tanz messen ... Kontakte? Pah. Die werde ich auch bald haben ... die richtigen Tempel ... "Die richtigen Tempel?", platzte es aus ihr heraus. Amelie glaubte, sich verhört zu haben. "Was bitte schön soll ich in einem Tempel? Mir haben sich bisher auch ohne Gebete alle Türen geöffnet ... nunja ... fast alle ... "


    Früher hatte Amelie oft gebetet. Doch niemand hatte diese Gebete erhört. Nach einiger Zeit hatte sie also aufgegeben, an die Götter zu glauben, die ihr doch nie geholfen haben. "Wo bitte schön sind die Götter, wenn man sie wirklich braucht?" Amelie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Doch etwas in Brennans Stimme strahlte eine Überzeugung aus, die sie ins Grübeln geraten ließ. Die Tänzerin schluckte ihre Empörung herunter und beruhigte sich wieder. "Ich habe mit der Zeit den Glauben an die Götter verloren", erklärte sie Brennan, diesesmal mit ruhigerer Stimme.

  • Auch während Amelies Stimme hitzig wurde, blieb Brennan doch ruhig und gelassen neben ihr sitzen.
    Es war nicht das erste Mal, dass er jemanden über die Götter schimpfen hörte und er wußte, dass so manches Wort gerecht war. Dennoch war es für ihn, der Shirashai schon körperlich erlebt hatte, schwierig vorzustellen, dass man den Glauben an die Götter verlieren konnte.


    Beruhigend legte er die Hand auf Amelies Knie.
    "Viele Götter mischen sich nicht in die Belange ihrer Jünger ein, egal wie stark sie beten, egal in welcher Notlage sie stecken. Doch kommt es auch immer ein wenig darauf an, ob man den Gott gefunden hat, der tatsächlich zu einem passt. Den Gott, der euch vom Wesen her am Nächsten ist." Er lachte leise auf. "Ich höre mich schon an wie ein Prediger. Dabei sind es oftmals nicht die Götter, die euch in einer Notlage helfen, sondern die Kontakte, die ihr in einem Tempel schmiedet."


    Brennan hob die Hand von Amelies Knie und strich sich über das Kinn. "Wisst ihr, wenn ihr Alaria anbetet, ist die Chance groß, viele Gleichgesinnte in ihren Tempeln zu treffen, die auch das Wasser lieben." Wieder hörte man ein leises Lachen. "Ein sehr einfacher Vergleich, ich weiß. Aber ich glaube, ihr versteht, was ich meine..."

  • "Wollt Ihr damit sagen, dass ich zu den falschen Göttern gebetet habe?" Nachdenklich runzelte Amelie die Stirn, während sie Brennan mit ihren braunen Augen ansah. Die Nymphe war sich vor Jahren noch so sicher, dass die einzigen Göttinnen, die zu ihr passen konnten, Lilliande und Yanariel sein mussten. Sie standen für Liebe und Schönheit. Doch genau diese beiden waren es, die sie zutiefst enttäuscht haben. Zwar war sich Amelie sicher, dass sie mit besonderer Schönheit gesegnet war, aber was die Liebe anging, hatten sie die Nymphe gänzlich im Stich gelassen.


    "Ich denke nicht, dass irgendeine Gottheit besser zu mir passen könnte, als Lilliande und Yanariel", grübelte Amelie leise vor sich hin. "Und ausgerechnet sie waren es, die mich nicht beachtet haben." Der Tänzerin wäre nie in den Sinn gekommen, dass ihre ausgeprägte Eitelkeit einen Teil dazu beigetragen hatte. Doch etwas anderes musste sie sich eingestehen: "Vielleicht ist mein Herz nicht rein genug ... ", sie dachte an ihre Wut gegenüber ihrer Konkurentin - dachte daran, welche tückischen Rachepläne sie an diesem Abend bereits geschmiedet hatte.


    Kurz betrachtete sie ihr Knie, auf dem seine Hand nun nicht mehr ruhte und hob dann den Blick, um direkt in Brennans Augen sehen zu können. "Ich sollte mich damit abfinden, dass die Götter nichts von mir wissen wollen." Ihre Augen wirkten traurig. Amelie kam sich in diesem Moment so hoffnungslos verloren vor.

  • Brennan blieb für einige Momente still. Sollte ihm hier tatsächlich eine Suchende in die Arme gefallen sein? Hatte er nicht angenommen, jemanden wie Amelie könnte man nicht zu einem anderen Glauben bekehren? Er hatte sich offensichtlich getäuscht. Nicht, dass ihm dies unrecht war, aber das ermöglichte eine ganz neue Vorgehensweise.


    Brennan legte nun seinen Arm um die schöne Tänzerin und augenblicklich konnte sie seine Wärme an ihren Schulter spüren.
    "Es gibt keine falschen Götter. Nur jene, die einem nicht so nah stehen, wie man sich wünscht."
    Nun mußte der Händler seine Worte mit Bedacht wählen.
    "Lilliande & Yanariel.. Schönheit und Liebe. Doch betet man sie immer zu zweit an. Amelie, ihr seit keine Frau, die zwischen Liebe und Schönheit stehen sollte. Ihr solltet alles wollen - und nur eine Gottheit anbeten, so wie man auch nur euch alleine verehren sollte und nicht noch eine Kira neben euch. Ihr solltet verführen und verehrt werden gleichzeitig und nicht anderen die Liebe gönnen, die ihr selbst sucht." Die warme Stimme hatte einen Unterton, der einem Shirashai-Jünger wahrlich gerecht wurde. Verführend seuselte er ihr die Worte ins Ohr ohne wirklich zu erwähnen, von welcher Gottheit er sprach oder was er mit seinen Worten bezweckte.


    Erst einige Zeit später stellte er Amelie eine entscheidende Frage. "Sag, meine Schönheit, warst du schonmal in einem Tempel der Shirashai?"

  • Dass Brennan seinen Arm um ihre Schultern legte, stärkte Amelie innerlich. Sie richtete sich gerade auf, während seine Worte sie in ihren Bann zogen. Aufmerksam hörte sie ihm zu und ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen, da sie feststellen musste, dass es tatsächlich jemanden gab, der sie verstand. Brennan schien sich sehr gut vorstellen zu können, wie es im Inneren von Amelies Herzen aussah. Ob ihm wohl bewusst war, wie recht er mit seinen Worten hatte? Was er sagte, gab das wider, was Amelie sich lange schon gedacht hatte.


    Es war nun gänzlich Still im Park. Nicht ein Laut war zu hören, nachdem Brennan aufgehört hatte, zu reden. Ohne es selbst zu bemerken, war die Nymphe ein Stück näher an ihn heran gerückt. Während sie den nachtschwarzen See betrachtete, ging ihr ein Satz nicht mehr aus dem Kopf: Ihr solltet verführen und verehrt werden gleichzeitig und nicht anderen die Liebe gönnen, die ihr selbst sucht Dieser Gedanke gefiel Amelie außerordentlich gut.


    Wie von weit her hörte sie Brennans Stimme. Doch es war nicht der Widerhall seiner Worte in ihrem Kopf. Nein. Er hatte ihr eine Frage gestellt. Doch nur ein Wort davon schaffte es, weiter in Amelies Gedankenwelt vorzudringen. "Shirashai?", entgegnete sie lediglich und ärgerte sich in diesem Moment über sich selbst, da sie es als unhöflich empfand, Brennan nicht weiter zuzuhören.

  • Zufrieden atmete Ta'shara die laue Abendluft. Sie hatte sich schnell an das Leben in Brennans Haus gewöhnt, an die ständige Gegenwart der Vögel, die damit verbundene Arbeit und auch an den Nachtelfen Sicil. Dennoch verlor sie ihr eigenes Schaffen nicht aus den Augen. Klar und berechnend folgte sie ihrer Berufung, übte sich in den Praktiken der Diebeskunst und hatte erst drei Nächte zuvor einen reichen Kaufmann um ein paar prächtige Dekorationen gebracht. Eigentlich mehr ein 'Versehen', das ihr gar nicht hätte unterlaufen dürfen, denn bedürftig in dem Sinne war sie nicht. Sie wollte nur in Übung bleiben und hatte deshalb den Bruch verübt. Auf leisen Sohlen war sie durch das schlafende Haus geschlichen, hatte vom Keller bis zum Dachboden etliche Räume durchstreift und war schon wieder auf dem Weg nach draußen, als ihr Blick in der oberen Diele auf zwei kostbare, reichlich verzierte Muschelschalen fiel. Sie erinnerte sich einer Anfrage... länger schon zurückliegend, aber noch immer präsent. Diese beiden Schalen entsprachen genau jener Beschreibung. Blitzschnell kalkulierte sie das Risiko, diese unbehelligt aus dem Haus zu schaffen, einzulagern und an den Mann bringen zu können. In diesem Fall, eher an den Fisch. Denn sie vermied es tunlichst, auf dieser kleinen Insel kurz nach einem Diebstahl solch einzigartige Ware öffentlich zu verhökern. Und als 'öffentlich' bezeichnete sie in ihren Überlegungen auch die Diebesgilde, der sie bislang erfolgreich aus dem Weg gehen konnte.


    So hatte der kürzlich praktizierte Diebeszug Ta'shara nun an den Mondenteich im Park geführt. Neben dem Hafen ein Ort, an dem Meereswesen nach Nir'alenar gelangen konnten. Der Hafen war eine der anderen Möglichkeiten, doch ihr eigener Kontakt mied den Hafen als Umschlagsort. Er hatte seine Gründe, sie wusste darum und akzeptierte dies, auch wenn der Park eine denkbar schlechtere Wahl war für Geschäfte in der Art, wie Ta'shara sie hin und wieder betrieb. Denn die Parkwachen, die hier regelmäßig nach dem Rechten schauten, machten ihre Tauschgeschäfte nicht eben einfacher. Andererseits vermutete hier auch kaum jemand ihren Umschlagplatz in der Nähe und sie war stets auf alle Risiken bedacht, vermied jede Regelmäßigkeit und passte ebenso in das Bild des nächtlichen Parks, wie das Pärchen, das auf der gegenüberliegenden Seeseite auf einer Bank saß.


    Ta'sharas Blicke wanderten über die leise sich kräuselnde Wasserfläche. Yass'lân würde sich nicht zeigen. Nicht, ehe sie wieder gegangen war. Aber im Schutze der Dunkelheit würde er bis knapp unter die Wasseroberfläche heranschwimmen, die in wasserfester Tinte auf Leder geschriebene Nachricht nehmen, die sie zwischen den Zehen stecken hatte und zwei... nein drei Tage später und eine bestimmte Anzahl von Stunden, die sie noch errechnen würde, an anderer Stelle des Sees wieder auftauchen und ihr die Ware abnehmen. Yass'lân und sie hatten eine Art losen Pakt; eine Verbindung, die einzig und allein auf Kalkül basierte, auf kalter Berechnung beiderseits und auch nur deshalb funktionieren konnte.
    Ta'shara kannte die Zeiten, in denen Yass'lân sich im See aufhielt oder im Dessibar, jenem Arm des Silberflusses, der den Mondenteich speiste; in Hörweite also, wenn man bedachte, dass die Valisar sich über ein ganz bestimmtes Klangmuster unter Wasser bemerkbar machte.
    Sie raffte ihre Röcke, setzte sich auf den Steg am Seeufer und ließ ihre nackten Beine im Wasser baumeln. Der Beginn ihrer Kontaktaufnahme. Fünf Minuten etwa vergingen, ehe sie direkt unter sich einen flinken Schatten ausmachen konnte, dunkler noch als das tiefe Wasser. Sie spürte eine ungewöhnlich sachte Berührung an ihrem Fuß, als der Yassalar die Nachricht entnahm und wieder davon schwamm.


    Noch ein paar Minuten blieb Ta'shara sitzen, blickte in das dunkle Wasser und erhob sich endlich. Ihr war kühl geworden und sie entschied, um den See herum zurück zu gehen.

  • Brennan hatte nicht bemerkt, dass Amelies Gedanken abgeschweift waren. Er dachte die Nachfrage geschehe vielmehr aus Ablehnung. Es gab immer wieder Personen, die meinten, sie müssten sich von einer solchen Göttin ausdrücklich distanzieren, wenn sie einen rechtschaffenden Eindruck hinterlassen wollten.


    Der Blick des Händlers glitt auf den See hinaus. Gerade so, als wären seine vorherigen Worte ja auch nur beiläufig gewählt gewesen.
    "Shirashai, ja, warum nicht? Oder glaubt ihr etwadie Ammenmärchen, die man sich von blutrünstigen Messen in ihren Tempeln erzählt?"


    Er stutzte. Nicht wegen dem, was er gesagt hatte, viel mehr wegen dem, was er sah. Oder was er meinte zu sehen. Dort saß eine Gestalt. Er hatte sie vorher gar nicht bemerkt.


    Brennan versuchte den Faden wieder zu finden und sah Amelie nun direkt in das Gesicht. "Märchen, die besorgte Eriadne-Mütter ihren Kindern erzählen, weil sie Angst haben, diese könnten in den Schatten spielen." Der Dunkeläugige schüttelte den Kopf und wieder glitt sein Blick zurück zum See.


    Eine junge Frau. In der immer stärker zunehmenden Dunkelheit hob sich ihr schwarzes Haar nur noch schwach von der Umgebung ab. Ta'shara. Sie war noch viel zu weit fort, als das Brennan sie hätte erkennen können und das war ihm durchaus selbst bewußt.
    Jetzt sehe ich ihr Bild schon hier, während ich mit einer schönen Frau Arm in Arm über Shirashai rede. ging es durch Brennans Kopf. Brennan Targo, diese Frau und ihr Schicksal scheinen es dir mehr angetang zu haben, als du dir selbst eingestehst...


    "Wo.. wo war ich?" Der Händler beschloss, seine Aufmerksamkeit wieder auf Amelie zu richten und zog die junge Frau auch noch über das letzte Stück Bank, was sie trennte. Warm fühlte er ihren Körper neben sich und ein seichtes Lächeln legte sich auf seine Züge.

  • Amelie störte sich daran, dass sie den Rest der Frage, die Brennan ihr gestellt hatte, nicht mitbekommen hatte. Doch ganz offensichtlich hatte er gar nicht bemerkt, dass sie ihm nicht richtig zugehört hatte, also entspannte sie sich wieder. "Ich glaube nur, was ich selbst mit eigenen Augen sehen kann", entgegnete sie ihm. "Bitte. Erzählt mir mehr." Amelie war gespannt darauf, was Brennan ihr über Shirashai verkünden konnte. Sie sah ihn erwartungsvoll an. Doch je länger ihre Augen auf ihm ruhten, bemerkte sie, dass wohl etwas seine Aufmerksamkeit erregte.


    Sie folgte seinem Blick und bei genauerem Hinsehen erkannte die Nymphe auf der anderen Seite des Sees die Silhouette einer Frau. Erst einmal dachte sie sich nichts weiter dabei. Doch als ihr Blick sich von der anderen Seeseite abwandte und sich abermals auf Brennan richtete, runzelte sie die Stirn. Er schien gänzlich abgelenkt worden zu sein. Doch noch ehe sie sich Gedanken darum machen konnte, was wohl der Grund für diese Ablenkung war, galt seine Aufmerksamkeit wieder ihr. "Ihr ward bei ... " in diesem Moment zog Brennan sie noch näher an sich heran und Amelie verschlug es die Worte. Ihr Herz schlug vor Aufregung wieder schneller, wie es das schon so oft in Brennans Anwesenheit getan hatte. "... Märchen". Das letzte Wort war lediglich als Flüstern wahrzunehmen. Sie lächelte ihn verzaubert an, während sie darauf hoffte, dass er ihr endlich mehr über Shirashai erzählen würde.

  • "Märchen." Wiederholte Brennan Amelie und sein warmer Atem streifte ihre Wange.
    Auch seine Stimme war leiser geworden und in verschwörerischem Ton sprach er weiter.


    "Shirashais Tempel ist wie aus dem Märchen. Ein Palast der Nacht mit tausenden von Diamanten in den Wänden eingelassen, die glitzern und funkeln wie Sterne. Und nun stell dir vor, du mitten in diesem Raum voller Wunder. Eingehüllt in ein schwarzes Kleid aus feiner Seide, Diamanten in deinem Haar und ein jeder der dich bewundert und sich wünscht, dass du für ihn tanzt."


    Langsam glitt Brennans Hand wieder auf Amelies Knie. Die dunklen Augen sahen Amelie tief an und doch sah er im Augenwinkel immer zu der Person am See.

  • Es fiel der Nymphe nicht schwer, sich Shirashais Tempel bildlich vorzustellen. Mit verklärtem Blick und einem träumerischen Lächeln auf den Lippen stellte sie sich vor, wie sie durch den Tempel tanzte und ihre Zuschauer reihenweise in ihren Bann zog. Mit der Hand strich sich Amelie die Haare über die linke Schulter, drehte eine Locke immer und immer wieder um den Zeigefinger, während sie verzückt daran dachte, wie schön sie doch aussähe, würden viele kleine funkelnde Diamanten ihre Locken zieren.


    Die Hand, die nun wieder auf Amelies Knie ruhte, brachte sie langsam zurück in die Realität. Amelie stieß einen leisen Seufzer aus. "Wirklich schade, dass dies für mich wohl nur ein Märchen bleiben wird ... ". Kaum hatte sie das gesagt, griff sie nach seiner Hand und verschränkte ihre Finger in die seinen. "Ich habe in meinem Leben viel zu oft über die Götter geschimpft und geflucht. In ihrem Tempel wäre ich sicher nicht gewünscht." Sehnsüchtig glitt ihr Blick über den stillen See.

  • Sie war noch dabei, die genaue Stunde zu errechnen, zu der sie Yass'lân erneut begegnen würde, als sie den See schon gut an die Hälfte umrundet hatte. Das Gehen hatte sie wieder erwärmt und das Nachdenken sie von der Kühle abgelenkt. Und dann hatte sie es. Fünfvorhalbelf. Ta'shara blickte zufrieden auf und entdeckte nur wenige Meter entfernt auf einer der Parkbänke Brennan .
    Brennan? Die junge Valisar kniff die Augen zusammen. Doch ja. Brennan Targo im Beisein einer Dame, um die er den Arm gelegt hatte. Augenblicklich erkannte Ta'shara die Situation: offenbar hatte der Vogelhändler noch etwas vor an diesem Abend und Ta'shara würde ihm gewiss nicht im Wege stehen. Dennoch sah sie keinen Grund, kehrt zu machen oder gar so zu tun, als hätte sie ihn nicht bemerkt. Erfreut lächelnd also ging sie auf die beiden zu.


    "Guten Abend, Brennan. Wie schön, dich hier zu treffen." Sie beugte sich zu ihm, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, ganz so, wie man es unter Verwandten oder sehr guten Freunden zu tun pflegte und wandte sich alsdann freundlich der Dame zu. Eine sehr hübsche Nymphe. Ta'shara hatte ein Auge für Schönheit und wusste diese durchaus zu honorieren.
    "Auch Euch einen Guten Abend."
    Kurz blickte sie zu Brennan. "Ich bin Ta'shara Yerir. Brennan ist so freundlich und gewährt mir zur Zeit seine Gastfreundschaft."

  • "Nicht gewünscht?" Brennan lachte. "Shirashai würde wohl mit Freuden hören, dass du nicht blind den Göttern folgst. Und deine Schönheit würde gewiss ihr Wohlwollen auf sich ziehen. Wenn Shirashai einem nicht wiederstehen kann, dann sind es attraktive Personen." Sacht strich seine Hand über ihre Schulter, als Brennan sah, dass die Person vom See auf sie zu kam.


    Ta'shara! Er hatte sich doch nicht geirrt. Brennans Hand rutschte von Amelies Knie, doch wirkte er nicht verlegen oder "ertappt". Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen und er begrüßte die Valisar so, wie sie ihn begrüßt hatte. Immernoch klopfte sein Herz lauter, wenn die schöne Valisar auftauchte.


    Brennan wollte Ta'shara vorstellen, doch ihm fehlten die Worte. Was war die Valisar für ihn? Eine Geliebte? Nein, auch wenn sie sich manchesmal geküsst hatten wie Liebende, war dort doch keine Liebe zwischen ihnen. Eine einfache Mitbwohnerin? Nein, Ta'shara war jetzt schon mehr. Eine Freundin? Obwohl Ta'shara eine Diebin war, vertraute Brennan ihr. Also kam dies wohl tatsächlich der Wahrheit am nächsten, auch wenn dies keine normale Freundschaft war.


    Doch bevor der dunkeläugige Händler die Valisar vorstellen konnte, hatte sie es bereits selbst erledigt und Brennan atmete erleichtert auf.
    Ganz Gentleman übernahm er bei Amelie jedoch die Rolle des Vorstellenden.
    "Ta'shara! Wie schön dich zu sehen. Ich hätte nicht angenommen, dass du dich um diese Zeit hier herumtreibst. Darf ich vorstellen? Amelie? Sie ist Tänzerin und neugierig auf Shirashai." Brennans dunkle Augen funkelten als er den Namen der Göttin erwähnte. Mit Sicherheit hätte er nicht jedem so freimütig von dem Gesprächsthema zwischen ihm und der Nymphe erzählt. Aber mittlerweile wußte er, dass Ta'shara seinen Glauben genauso respektierte, wie jeden anderen Glauben - oder ihm genauso gleichgültig gegenüberstand.


    Wieder strich Brennans Hand sanft über Amelies Schulter.

  • Gerade wollte sie Brennan antworten, da kam eine Frau auf die beiden zu. Es entging der Nymphe nicht, dass ausgerechnet in diesem Moment Brennans Hand von ihrem Knie verschwand. Amelie runzelte die Stirn, als die Fremde dann auch noch wie selbstversändlich auf ihn zutrat und ihn auf die Wange küsste. Wer war sie nur? Und warum tauchte sie ausgerechnet jetzt auf?


    Zumindest die erste Frage sollte ihr im nächsten Moment beantwortet werden. Scheinbar war sie einfach nur eine gute Freundin. Doch dieser Gedanke beruhigte die Nymphe keineswegs, war sie es schließlich, die Brennans Umarmung genoss. Jedoch beschloss Amelie ruhig zu bleiben. Wenn Ta'shara und Brennan wirklich so gute Freunde waren, dann wäre es ein leichtes, es sich mit Brennan zu verscherzen, würde Amelie nun anfangen, Ta'shara unhöflich gegenüber zu treten.


    Die beiden merkten nichts von der aufkommenden Unruhe, die Amelie gerade dabei war, zu verdrängen. Sie wollte die Höflichkeit wahren und streckte Ta'shara zum Gruss die Hand entgegen, während sie sich sogar zu einem Lächeln zwang. Doch Brennan war schneller und hatte Amelie bereits vorgestellt.


    Doch was Brennan vor Ta'shara`s Auftauchen gesagt hatte, ließ Amelie keine Ruhe. Wieder sah sie ihn an. "Meint Ihr, sie würde mich empfangen wollen?"

  • Ta'shara lachte. Ein leises, perlendes Lachen und nur wer sie kannte, hörte, wie sie dabei schluckte; wie die Perlen kalt zu Boden fielen und nicht etwa wie bunte Blubber in der Luft tanzten und das Aug erfreuten.
    "Warum nicht? Dies ist ein unaufdringlicher, ruhiger Ort. Und ich bevorzuge solche Orte, um meine Gedanken zu ordnen. Kurz, ich komme öfter hier her", erwiderte sie ruhig.
    Ihr Blick ging wieder zu der Frau, als Brennan diese vorstellte. "Amelie. Erfreut, Euch kennen zu lernen." Ta'shara erwiderte lächelnd den Händedruck, während sie dem Mann kurz an sah.
    "Ihr hofft also Shirashai begegnen zu können?" Sicil vor Augen und dessen Blutstein in einer ihrer geheimen Gewandtaschen wissend, ruhte Ta'sharas Blick nun auf der Nymphe. "Gewiss eine interessante Erfahrung, die Euch da erwarten mag", meinte sie dann und sah wieder zu Brennan. Das Leuchten in seinen Augen war ihr nicht entgangen. "Eine Erfahrung, die wir gerne teilen können, wenn Ihr nichts dagegen habt. Auch ich wollte unlängst in den Tempel..."


    Ihre Gründe offenbarte sie nicht. Brennan wusste, dass sie keinen Wunsch hatte, mit dem sie an die Göttin herantreten wollte. Das sollte genügen. Ta'shara wollte ihr Wissen erweitern. Sie wollte lernen, analysieren und ihre Schlüsse ziehen. Niedere Wünsche, wie manche Menschen sie an die Götter richteten, waren ihr fremd.
    "Brennan, was meinst du? Es ist Nacht, hier draußen wird es kühl... eine sich bietende Gelegenheit sollte man ergreifen."

  • Vorbei war es mit der Zweisamkeit. Aber was sollte es schon? Amelie hatte sich vorgenommen, freundlich gegenüber Ta'shara zu sein und das wollte sie auch weiterhin umsetzen. Und doch fiel es der Nymphe schwer, sich zu beherrschen. Natürlich hab ich was dagegen!, doch davon ließ sie sich erst einmal nichts anmerken. Erst, als die Fremde Brennan vorschlug, die Gelegenheit zu ergreifen und gemeinsam den Tempel aufzusuchen, sprang Amelie auf und sah Ta'shara an. Am liebsten hätte die Nymphe ihr an den Kopf geworfen, dass sie keinen großen Wert auf ihre Begleitung legte. Dann sah sie jedoch zu Brennan Reiß Dich zusammen, Amelie!


    Es kam ihr zu Gute, dass sie vorher so begeistert war, also ergriff sie noch rechtzeitig die Gelegenheit, damit niemand bemerken konnte, wie aufgebracht sie doch war. Ein freudiges Lächeln, das keineswegs aufgesetzt wirkte, war zu erkennen, während sie sprach. "Worauf warten wir dann noch?" Diese Frage war an Brennan gerichtet und ohne eine Antwort abzuwarten, ergriff sie seine Hände und zog ihn von der Bank.


    In der Tat hatte sich Amelies Laune in diesem Moment verbessert. Sie war stolz darauf, dass sie im letzten Moment die Notbremse gezogen hatte und so die beiden nichts von ihrem Ärger mitbekommen haben. Dass sie so plötzlich von der Bank aufgesprungen ist, fügte sich geradezu perfekt in die Situation ein. Eindringlich musterte sie Ta'shara, als sie genau vor ihr stand. Hoffentlich sah Amelies Blick, nachdem sie aufgesprungen war, nicht allzu vorwurfsvoll aus.

  • Ein wenig erstaunt hob Brennan die Braue. Sicher, er hatte versprochen, Ta'shara den Palast der Nacht zu zeigen. Das es sein Ziel war, Amelie neugierig auf den Tempel der Shirashai zu machen, ließ sich auch nicht bestreiten. Jedoch hatte er nicht angenommen, dass die beiden Frauen so schnell darauf versessen waren, die Wirkungsstätte der Shirashai Jünger kennenzulernen.


    Als Amelie aufstand, erhob auch Brennan sich. Sacht legte der Händler beiden Damen jeweils eine Hand auf die Schulter und setzte sein Lausbubenlächeln auf.
    "Wenn die Damen es wünschen, so sei es mir Befehl." Antwortete er und deutete in die Richtung, in die sie zu gehen hatten.
    "Es ist nicht allzuweit von hier. Allerdings kann ich nicht versprechen, dass Shirashai sich heute abend persönlich zeigt. Sie ist da... sehr eigen." Das Lächeln verschwand nicht und Brennan setzte sich in Bewegung.
    "Ab und an tritt sich auch nicht körperlich vor ihren Anhängern in Erscheinung, sondern macht sich unsere Hohepriesterin Sharinoe zunutze." Ein Umstand der denen, die Shirashai noch nie in wahrer Gestalt gesehen hatten, kaum auffallen dürfte, war sie doch fast ein Ebenbild der Göttin.


    Brennan musterte seine beiden Begleiterinnen. "Ihr seid hübsch und solltet euch nicht erschrecken, wenn einer der Priester euch für Gläubige hält. Und ihr solltet euch nicht wundern, wenn.. ihr einige der Jünger recht freizügig herumlaufen seht." Brennan grinste und sah fragend von Amelie zu Ta'shara.
    "Kann ich euch noch irgendwelche Fragen beantworten, bevor wir den Tempel erreichen? Glaubt mir, wenn ihr erstmal dort seid, werdet ihr mich an eurer Seite erstmal vergessen."

  • Ein seltsamer Duft ging mit einem Mal von der Nymphe aus. Ta'shara konnte ihn nicht zuordnen, in ihr jedoch löste er eine Empfindung aus, die sie entfernt an das erinnerte, was sie in Gegenwart der erlösten Valisar gespürt hatte. Eifersucht?! Sehnsucht? Irritiert blickte die junge Halbvalisar zu Brennan und schüttelte dann den Kopf. Nein. Das musste wohl etwas anderes sein. Und vor allem nicht aus ihr heraus herrühren. Dennoch blieb ein Rest Vorsicht, der sich noch einmal verstärkte, als die Nymphe sie so derart eindringlich betrachtete. Wie unhöflich! kam es Ta'shara in den Sinn, doch ignorierte sie Amelies Blick. Andere Wesen ließen sich oftmals Schlimmeres einfallen. Dennoch mahnte Amelies Haltung sie zur Vorsicht.


    Und auch Brennan gegenüber wahrte Ta'shara nun Abstand, indem sie sich augenblicklich seiner Berührung entzog. Irgendetwas war anders. Vielleicht lag es an der fremden Frau, vielleicht an dem Vorhaben zum Tempel zu gehen, vielleicht war der Grund auch bei ihr zu suchen. Was auch immer... solange Ta'shara nicht dahinter kam, distanzierte sie sich. Ihre Aufmerksamkeit galt dennoch weiterhin Brennans Erklärungen.
    "Freizügig? Willst du damit andeuten, dass man im Tempel der Göttin auch auf 'diese' Art Ehre erweist?"
    Ihre kühler Blick versenkte sich in Brennans dunklen Augen. Ihm musste bewusst sein, dass, sollte einer der Anwesenden sie auf diese Weise 'begehren', sie dies nicht würde ablehnen können. Sie hatte es ihm erklärt. Sie war eine Valisar und letztlich in ihrem ganzen Dasein einzig bestrebt, in Liebe ihre Erlösung zu finden und den Fluch Narions zu brechen. Mit ihm hatte sie das Lager nur noch nicht geteilt, weil er sie nicht begehrte.

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