"Bitte, erzähl uns noch eine Geschichte!", krähten die Kinder, die sich um Layia versammelt hatten, im Chor. Díe Kleinsten waren vielleicht 7 oder 8 Jahresläufe alt, die Ältesten, die sich wie selbstverständlich um die jüngeren kümmerten, waren 16, 17.
"Bitte, Layia, erzähl!", bettelte die kleine Halbcath'shyrr, die sich so eng an Layia gepresst hatte, dass diese ihre Rippen spüren konnte und fühlte wie sie zitterte.
Layias Herz krampfte sich zusammen. Es tat so weh, die bettelnden, kleinen Gesichter, die so weich sein sollten, zu sehen, die Wangenknochen, die aus ihnen herausstachen zu sehen. Ihre Augen aber strahlten sie an. Layia schluckte. Die Kinder sollten heute Nacht nicht weinen.
"Na gut.", sagte sie und lachte, obwohl ihr Herz schwer war, wie ein ganzes Gebirge samt Gletscher und Schneekappen.
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...und Ihr braucht nicht so aufzubegehren, ich habe das Wort Bastard nicht leichtfertig gewählt. Ihr mögt ein behütetes Zuhause gehabt haben, aber die meisten Kinder, die stehlen sind von ihren Eltern unerwünscht, Unfälle, Vergewaltigungen und was Ihr Euch sonst noch so denken könnt...
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Layia presste sich so fest an die kalte, feuchte Mauer, dass sie die einzelnen Steine spüren konnte. Die Muer bot ihrem Rücken den nötigen Halt, den sie sich selbst nicht geben konnte. Ihr wurde ganz schlecht bei diesen Erinnerungen.
Ihre Nacht war nicht besonders erholsam gewesen. Es war zu spät gewordern und so war sie nicht, wie eigentlich angedacht, in den Wald zurückgekehrt um dort zu schlafen, sondern hatte Zuflucht auf einem Baum im Park gesucht.
Sie hatte ja nicht ahnen können, dass sie dort eine Angriffsfläche für allerlei Nachtschwärmer sein würde, die sich gerne an ihr vergriffen hätten. Nach einer erschöpfenden Verfolgungsjagd - ein Glück, dass sie besser klettern konnte als diese Vandalen- hatte sie sich schließlich in einer Böschung an der Stadtmauer niedergelassen. Nicht weiter schlimm, aber auch nicht bequem.
Welch ein Wahnsinn..., sprachen ihre Gedanken und Layia schüttelte entschlossen den Kopf. Vergesse.
Die Halb-Tua'Tanai stieß sich von der Mauer ab und warf sich ins Gedränge des Marktplatzes, wo sie innerhalb weniger Augenblicke mit der Menge verschmolz. Nur durch den Birkenstab mit den seltsamen Zeichen darauf konnte man sie ausfindig machen.
Sie kämpfte sich am Rande des Platzes bis zu einem der großen Lindenbäume vor. Dieser Tag bot eigentlich gute Chancen ein guter Tag zu werden.
An der großen, einzel stehenden Linde angekommen, ließ sie ihre Tasche zu Boden gleiten, setzte sich daneben und packte ihre Flöte aus. Während sie das Instrument mit den Fingern wärmte, sondierte sie ihre Umwelt.
Sie saß etwas erhöht in dem von Steinen umgrenzten Erdhügel, in dessen Mitte die Linde wuchs, eingefasst von frühlingsgrünem Gras. Von hier aus konnte sie die Köpfe der Leute zwar nicht überblicken, aber der Klang würde sich einigermaßen gut ausbreite können. Es war eine der ruhigeren Ecken des Marktplatzes, hier kamen viele Leute nur vorbei um zum nächsten, großeren Stand zu gelangen.
Um so besser für Layia, die auf die ein oder andere im Vorbeigehen geworfene Münze hoffte.