Der Tiefe Angesicht

  • Aber manchmal spiegelt in meiner Seele
    Sich die Welt wie Wolken in stillster See,
    Klein aber scharf und ohne Trübung noch Fehle,
    Füllt mich, dehnt mich und tut mir vor Wonne weh.

    Hesse


    ~*~


    Er war ganz still. Begegnete einem Abend, der, gezeichnet von der Ruhe seines Tages, nun langsam in der Dämmerung verschwamm. Es war nicht die Weite des Meeres, es war nicht der offene Himmel, wohl aber die Regsamkeit der Stadt, deren Wellen in sich versanken, um stiller atmend der Nacht zu begegnen. Hauchten sich die Lichter der Stadt aus, würde das Wasser unter ihm bedeckend schwarz. Wollte er sie wirklich verstehen, die Trockenen, blieben sie ihm doch fremd.
    Schloss Mallalai die hellen Augen, konnte er den warmen Geruch des Hafenviertels wahrnehmen, wollten seine Ohren Stimmen hören, seine Vorstellung ihm die Tiefe als ungeheures Maul heucheln, das nach seinen baumelnden Füßen schnappte, ja, er neigte den Kopf, die Strömungen sogen ihm auch hier oben. Der Trockenen Nähe empfand er als zu bedrohlich, die Neugier für ihre Lebensart ließ ihn scheuen, wohl ihre Freundlichkeit hatte er begrüßt, wie er sie fürchtete. Das schlug ihm in Aufmerksamkeit wieder die Lider auf. Kleine Geschöpfe dort auf ihrer Insel, jetzt eben aus dieser erhöhten Sicht.


    Die Ferne eines Mastes der zerbrochenen Schiffe gab ihm Sicherheit, gefangener Kahn, wie die Wesen dort alle – welche Wehmut ihn erfassen wollte, denn fest verschlossen war das Tor hinaus. Die Freiheit lag ihm zwischen den Fingern, dem Meereswesen, die hauchzarte Haut. Wie ungestüm zogen ihn seine Sinne in die blaue Tiefe, will er einsinken in das Nass, das mit vielen Stimmen spricht, beschwörten ihn auch seine flatternden Kiemen ... den Strömungen folgen, mit den Fischen tanzen, nur eine davon zu hören ... eine Weile noch, warte doch. Dann erst will er springen ... hinab in das Wasser des Hafens, dem Ruf folgen, der ihn hinaus zog in das offene Meer.
    So lauschte er mit stillem Gesicht, ließ offenen Geistes die Dämmerung zu sich fließen, während er über nichts Bestimmtes sann.

    Crawling in my skin
    These wounds they will not heal
    Fear is how I fall
    Confusing what is real

    Einmal editiert, zuletzt von Saniya ()

  • Weit aufgerissene Augen, bebende Nüstern, schweissbedecktes Fell.
    Zitternd stand die braune Stute da, die Ohren angelegt. Ein einziges Bild der Angst.


    Eine junge Frau schiebt sich in ihr Blickfeld, redet beruhigend auf das zitternde Tier ein. Langsam, Schritt für Schritt, nähert sie sich der kleinen Stute, spricht in einem eigentümlichen Singsang mit ihr. Verwirrt sieht das Tier sie an, zögernd hebt sich ein Ohr und lauscht der dunklen, ungewöhnlich tiefen Stimme. Immer näher schiebt sich die Cath´shyrr, mit katzengleicher Geschmeidigkeit, wie es nur diejenigen ihres Volkes beherrschen. Nun hebt sich auch das zweite Ohr, die Angst weicht langsam aus den Augen des Tieres, an ihre Stelle tritt Neugierde. War da eben nicht ein Apfel zu sehen gewesen?
    Lächelnd blieb Yarea stehen, bot der Stute den Apfel auf der ausgestreckten Hand an. Zögernd trat die Stute einen winzigen Schritt vor und schnappte sich den Apfel. Sofort sprang sie wieder zurück, kaute schmatzend.
    Yarea zog sich zurück, heute hatte sie genug erreicht. Die Stunden die sie hier, mit den Pferden, verbringen konnte, taten ihr gut. Die Arbeit war hart, aber befriedigend.
    Vor dem Stall traf sie auf die Stallburschen, die augenscheinlich etwas planten.
    Neugierig trat sie zu ihnen. ´Das traut sich keiner von euch, da muss man schon ein echter Mann sein´ übertrieb Jerk wieder einmal masslos. „Ein solcher wie du, der heute schon wieder vom Pferd gefallen ist?“ spottete sie. Gelächter erklang, und Jerk sah sie ärgerlich an.
    ´Du traust dich doch auch nicht! ´ provozierte er die heissblütige Cath´shyrr.
    „Und ob ich das tue! Du wirst schon sehn!“ widersprach diese natürlich sofort und ging auf eine Wette ein, ohne vorher auch nur zu ahnen was da auf sie zukam. Erst nachdem sie und Jerk das Ganze mit einem Handschlag besiegelten, wobei der Wetteinsatz bei einer Stallschicht lag, kam ihr in den Sinn, dass sie noch nicht einmal wusste, was zu tun war.
    Als sie es dann erfuhr, konnte sie schon längst nicht mehr zurück.
    Wenig später, auf dem Weg in den Hafen, schalt sie sich selbst eine hirnlose Ziege. Hatte sie etwa den Verstand verloren? Nun musste sie von einer Planke der Schiffe im Hafen ins Wasser springen, noch dazu nachts.

  • Die Schemen an sich, krabbelten über die Schiffe, versenkten sich in ihre Finsternis. Wie es sein sollte, verließen die Händler den Hafen, anständige Bürger liefen nach Hause, während das Gesindel aus den Löchern kroch. Man sollte glauben, dass die Nacht unter dem Meer sicher sei.
    Wie immer trog der Schein, hier, wie auch anderswo.
    Doch noch war Abend, noch schimmerte ein wenig Licht.
    Zwischen den einzelnen, langsam grauer werdenden, Schatten der zerbrochenen Schiffe wisperte es vorgeblich, von Mallalai gehört und von anderen unbelauscht, während das warme, weiche Wasser dunkler schwappte. Die Stille kam unbemerkt, von ihm begrüßt, richtete er sich nur mehr auf, um genauer sehen zu können, was sich tat.
    Es geschah immer etwas, hier, wie auch anderswo.
    Mit seiner Bewegung knarrte das Holz, alles erschien ihm so klar dort im salzigen Wasser, dessen Bewusstsein zu ihm dringen konnte, so lockte nun der Mira’Tanar selbst, es zu sich.
    Der Hafen begann damit für ihn von innen heraus zu glitzern. Es war, als ob sich Staub in der Luft entzündete und samten niederging. Wie Nieselregen legte er eine feine Schicht über Wracke, die zerrissenen Segel und die Flechten, die begonnen hatten, diese Welt für sich zu erobern, wie winzige Sterne glitzerte er in Mallalais salzigem Atem, um dann sanft zu entschwinden. Die Luft war unwirklich wie zwischen Traum und Erwachen, nicht greifbar und schwer zu atmen, obwohl sie wie frisches Quellwasser die Lungen füllte.
    Und Mallalai lachte, befreit und offen, ließ er diesen hellen Klang über das Hafenbecken fließen. Was sollte schon sein?

  • Die Gassen leerten sich, die braven Bürger der Stadt legten sich zur Ruhe, oder verweilten zumindest in ihren Häusern. Keiner kam auf die Idee zu diesen Zeiten im Hafen herumzulungern. Nur jene, die ihre Waren und Dienste vor dem Licht des Tages geschützt wissen wollten, kamen nun hierher.
    Insgeheim beschlich die Cath´shyrr ein mulmiges Gefühl, ein Ziehen dass sich verstärkte, je länger die Schatten wurden. Doch gen Aussen blieb sie die Ruhe selbst, stolz aufgerichtet schritt sie durch die Strassen. Sie würde sich schon zu wehren wissen, sprach sie sich selbst Mut zu. Schliesslich sah sie noch in der Dunkelheit erstaunlich gut.
    Grosse Mühe unauffällig zu sein gab sie sich keine, wusste sie doch so, dass das mit der weissen Haarflut ein Ding der Unmöglichkeit war. Schon hallten ihre Schritte auf dem unebenen Kopfsteinpflaster des Hafenviertels, die Masten der Schiffe tauchten hinter den Fachwerkgebäuden und Lagerhallen auf. Sie beschleunigte ihre Schritte, wollte es hinter sich bringen. Ein Teil von ihr freute sich aber auch, auf den Nervenkitzel, das Gefühl des Fliegens vor dem Aufprall im Wasser.
    Sie entschied sich für einen grossen Handelsfrachter. Wenn schon, denn schon.
    Kurz hielt sie inne, hatte sie da nicht eben ein Geräusch vernommen? Doch um sie herum herrschte Stille. Kopfschüttelnd ging sie weiter. Die Reling lag hoch über dem Kopf der jungen Frau. Wieder beschlich sie ein unangenehmes Gefühl.
    Sie kletterte über die Brücke hinauf, stand auf dem Deck und sah sich um.

  • Im Ganzen erfühlt er in der Fülle sein Umfeld in weit größeren Ausmaßen, ebenso wie der Horizont der Augen sich verschiebt, dehnt sein Empfinden sich in Beträchtlichkeiten, die man als Trockener nie für wahr gehalten hätte. Es ist weniger ein Strecken von irgendwelchen greifbaren Fühlern, in Mallalais Vorstellung, sondern ein Erweitern seiner Haut, über deren samten schuppiger Empfindsamkeit Vibrationen sich wellen.
    Doch auch an Land blieb er ein empfindsames Geschöpf, das die fremde Anwesenheit, die sich unbeirrt näherte, bemerkte, lange bevor er sie sah. Seine glänzenden Augenlichter huschten suchend umher und der Wind stand ihm die Witterung zu, die ihm das Aroma nach den großen, landlebenden Tieren offenbarte.
    Ihre anmutigen Bewegungen, katzengleich, erinnerten ihn an eine Begegnung … war es im Korallenriff gewesen? Es ließ den Mira’Tanar milder werden, ein Zurückweichen, das nicht körperlicher Natur war, sondern ein Schließen, wie das der Lider, das Abwenden der Aggression, um zu beschwichtigen. Keine Vorstellung davon, was sie hier des Nachts auf einem zerrütteten Schiff suchen mochte.

  • Nervosität bemächtigte sich ihrer nun, sie konnte fühlen wie das Adrenalin durch ihren Körper schoss und ihn mit auf einen Höhenflug nahm. Erneut betrachtete sie ihre Umgebung, die Segel wogten traurig in der leichten Brise, als sei ihnen klar dass sie wohl nie mehr von Seewinden der Oberwelt gefüllt würden, als seien sie sich ihrer Verdammung bewusst.
    Die schweren Taue ächzten leise, schienen die Spannung nicht mehr zu ertragen.
    Traurigkeit, tief wie die wogende See über ihrem Kopf, erfüllte sie einige Momente lang.
    Nie hatte sie die Heimat ihres Volkes kennen gelernt, und das würde sie wohl auch nie.
    Die Cath´shyrr schüttelte leicht den Kopf, um die unliebsamen Gedanken zu vertreiben.
    Dann konzentrierte sie sich wieder auf die vor ihr liegende Aufgabe. Bedächtig schritt sie zur gegenüberliegenden Reling hinüber, weit unter schlugen die Wellen dumpf an den Bootsrumpf. Wieder fühlte sei ein unangenehmes Ziehen im Bauch, hatte sie da eben nicht etwas gehört? Vorsichtig drehte sie sich um, doch wiederum konnte sie nichts entdecken. Trotzdem blieb das Gefühl, beobachtet zu werden. Sie schalt sich selbst ein schüchternes Miezekätzchen, seid wann war sie so ängstlich, gar fast schon paranoid? Sie kehrte dem Schiff erneut den Rücken zu und starrte hinab in die Wellen.

  • Shiya, säuselte seine Erinnerung, erklang sanft der Name wie eine Welle in seinem Kopf. Mallalai hob das Kinn leicht, ja, eine Cath'shyrr. Wie sie anmutig hinüber zur gegenüberliegenden Reling schritt, die – in seinen Augen – Schönheit der Wellen erahnte, nur um erneut kurz inne zu halten. Fast trotzig erschien sie ihm, erfüllt von einem Gedanken, der ihm Unbehagen zuschrie.


    Auch er sah hinab – zahllos waren seine Eindrücke, die ihn lockten, dem Aroma in einem Sprung zu folgen, ein köstliches Seufzen in seiner Brust sich in seine Kehle graben wollte ... noch wollte er bleiben, aber ... aber er war ein Mira’Tanar, es ist des Meeres Lust, die seine Sinne anschwellen lässt, denn er will sich daran schmiegen und Mallalai stemmte sich eben jetzt dagegen – mit ganzer Kraft. Weil er glaubte, dass alle Geschöpfe heilig sind und schützenswert, wenn ihre Gedanken wie Licht waren, die das Dunkel erstürmen und erhellen konnten.
    Und diese Cath'shyrr machte den Eindruck, alle unsinnigen Ideen in ihrem Kopf wirbeln zu haben, die ihm nicht für diesen Hafen geeignet schienen.

  • Die Wellen, das Meer, schien in seinem eigenen Takt zu tanzen, so kam es der Cath´shyrr in diesem Moment vor. Noch immer ruhten ihre Augen auf dem dunklen, zugleich geheimnisvoll und bedrohlich wirkenden Wasser. Sollte sie wirklich?
    Natürlich! Sie musste, sonst würde sie verlieren, und wann, wann hatte sie je eine Wette verloren, eine Mutprobe ausgeschlagen? Sie lächelte, als sie sich an ihre Kindheit erinnerte, an ihre Streiche in Wiesenfeld, an die zahlreichen Mutproben, die sie sich mit ihren Kameraden ausgedacht hatte.
    Sie hob die Hand, um die widerspenstigen Haarsträhnen aus ihrem Gesicht zu verbannen, als sie erneut inne hielt. Unauffällig, so dachte sie, musterte sie aus den Augenwinkeln das Schiff, suchte nach Bewegungen, die ihr verraten würden dass sie sich doch nicht irrte. Sie nahm an, das Jerk ihr gefolgt war, um zu prüfen ob sie sich auch wirklich traute.
    Doch wieder entdeckte sie nichts. Langsam kletterte sie über die Reling, setzte sich darauf und liess die Beine schaukeln. Noch immer waren ihre Sinne gespannt, achteten auf ihre Umgebung und suchten den vermeintlichen Stallburschen.

  • Ohne zu zögern würde er behaupten, dass sie nicht auf die Reling kletterte, um ein Leben zu beenden. Und als ihr Kopf sich drehte, glaubte Mallalai zu wissen, dass sie in Erwartung auf jemanden war. Häuser erstreckten sich entlang des Hafenbeckens, wohin er auch sah, ein Flechtwerk aus Schatten und dem zarten Licht, aber kein Wesen kam ihrem Schiffswrack nah. Die Nacht zog ihn fester an seine Brust, in unbestechlicher Umarmung. Denn schnell war ein Schritt vertan, niemand wusste, wie es geschehen würde, geschah. Unvorsichtige Eile, Träumerei, nur einmal in einer Nacht, zu spät, vorbei. Hoffte er nur, ihr Körper wusste zu schwimmen. Schnell stob sein Blick zurück zu ihr, in Zuversicht, sie wusste, was sie tat.


    Dennoch, seine Arme stützten sich auf die schmalen Handballen, sein silbrig schimmernder Körper, ein Spiel aus dem Licht der Schuppen, war gespannt, bereit zu springen.

  • Tief atmete sie durch, die kalte Nachtluft schien ihr innerstes in einer Weise zu beruhigen die sie selbst nicht verstand. Noch ein letztes Mal blickte sie sich nach Jerk um, dann beschloss sie dass es ihr eigentlich gleichgültig sein konnte, ob er sich ihrer Tat versichern wollte.
    Ein weiteres Mal füllten sich ihre Lungen mit Luft, wie wäre es wohl zu ersticken? Die Cath´Shyrr hielt den Atem an, so lange ihr Körper es ihr erlaubte.
    Verärgert schüttelte sie den Kopf, die unliebsamen Gedanken zu vertreiben suchend.
    Ohne sich dieser Handlung richtig bewusst zu sein, sprang sie weit hinaus. Der Fall schien Minuten zu dauern, nicht bloss einige wenige Momente. Sie sah und hörte wie sie sich immer näher auf die Oberfläche zu bewegte. Tief tauchte der angespannte Körper der jungen Frau ins Wasser, das erstaunlich kalte Wasser. Yarea schlug die Augen auf und begann mit den Armen und Beinen zu rudern, um an die Oberfläche zu gelangen, die sie über sich erahnen konnte.
    Heftig nach Luft schnappend tauchte sie schliesslich auf, ein triumphierendes Funkeln in den Augen.

  • Und wie könnte Mallalai anders handeln, als ohne zu zögern zu springen? Wieder einmal türmten sich seine inneren Wellen zu einem verzweifelten Sturm. Als ihre Hände das Holz verließen, so taten es auch seine, als sie den freien Fall spürte, genoss auch er den seinen. Er spürte sie in das dunkle Nass eintauchen, als er sich streckte, mehr noch sie zu erreichen, bevor die Wellen über ihr zusammen schlugen.
    Jedoch zu spät, der Mast war hoch gewesen und seine Schnelligkeit überschätzt. Ein Strudel aus Wasserblasen trug sie wieder zur Oberfläche hinauf, als auch er daraus hervorbrach, schraubte er sich ein Stück höher entgegen der Leere, die sich nach der Fülle auftat.
    Seine Hände kamen ihr nicht nah, doch fuhren sie mit der Gewissheit nach vorne, ihr zu helfen – als es das Funklen ihrer Augen war, das durch seine Wirklichkeit stach. Seine Sinne versicherten ihm, dass sie schwamm. Tropfenartig fuhr seine feingliedrige Hand die Konturen des hellen Haares entlang, berührte jedoch nicht ein einziges, indes sich seine Kiemen hinter den Ohren unablässig öffneten und schlossen, noch in Erwartung des kühlen Nass.
    Er ist froh, dass er einer falschen Annahme erlag, meinte er mit solch trockener Stimme, die sein Aussehen strafte. Wie kommt es, dass es dich spät abends nach einem Bad im Hafen verlangt?

  • Das Adrenalin wich langsam aus ihrem Blute, die Cath´Shyrr begann mehr von ihrer unmittelbaren Umgebung wahrzunehmen. So auch den Meereselfen, der nur eine Armlänge von ihr entfernt schwamm. Yarea erschrak, doch zeigte sie dies nicht im Geringsten, sah den Fremden gleichgültig, ein Hauch Freundlichkeit in dem Lächeln auf ihrer Lippen, an.
    Sie fragte sich, wer wohl dieser Geheimnisvolle sein könnte, und wie er um alles in der Welt auf die Idee kam ihr nach zu springen. Denn dass hatte er ohne Zweifel getan, so hatten sie ihre Sinne wohl doch nicht getäuscht, war es doch wahrscheinlich er gewesen, den sie zu bemerken gemeint hatte. Langsam, mit ruhigen Bewegungen, hielt sich die junge Frau über Wasser und musterte ihn.
    „Abgesehen dass es Euch überhaupt nichts angeht, wieso sollte es mir nicht nach einem Bade gelegen gewesen sein?“ erwiderte die Cath´shyrr, lächelnd, ohne Hohn oder den Hauch einer Beleidigung in der Stimme, nur Neugierde und ein wenig Sarkasmus verriet ihr Antlitz.

  • Noch einmal sanft Luft einholen, die Verzauberung darin schmecken, wie sie nur eine junge Frau der Trockenen in sich trug. Der Samt ihres Körpers legte sich auf seine empfindlichen Sinne, hervorgerufen durch die Bewegungen, die sie dem Wasser verursachte. Ein Quell weiblicher Rundungen, in denen der Schalk sich bewegte, wie ihre Augen auf den seinen lagen. Grün sind sie, wusste er, unterdessen er winzige Sprenkel zählte, die prahlerisch darin prangten. Atmete er Leben in seine trunkene Welt, Welle um Welle brandete ihr Geruch, ihre Spöttelei in Strömen im zu, getragen von ihren Worten, nur um in ihm zu zerrinnen. Sein Blick wandte sich dem Wasser zu, hinab wurde er gezogen.
    Mallalai lächelte nicht. Es war ihm als Mira'Tanar nicht möglich im Angesicht einer fremden Rasse. Ihre Stimme riss ihn nach oben, schlug ihm die Augen auf, die auch einen begierigen Blick in ihr Gesicht warfen.


    Er mag deine Direktheit, sie wärmt mein Herz, seidigglatt war seine Stimme, sich bewusst, wie unhöflich er gehandelt - ja, wieso nicht? Weil es unwahrscheinlich war.
    Ein wenig Scham mischte sich auch darunter, unter die Gedanken, doch er wusste, Röte stand seiner silbern-blauen Haut nicht. Meine Hilfe wollte er dir entbieten, aber wie ich nun erkenne, du brauchst sie nicht. Sein Blick hob sich die Masten empor. Möchtest du an Land, könnte ich dir behilflich sein ... sie ziehen, einem der schlanken, fröhlichen Wale gleich. Wenn du dich traust. Der Mira-Tanar spielte mit seinen Mundwinkeln.

  • Jahrelang geübt, zog die junge Frau nun gekonnt eine der hellen Augenbrauen nach oben, eine Geste, die ihr nun schon so sehr zum Markenzeichen geworden war, dass man sich die Cath´shyrr ohne sie schon fast nicht mehr vorstellen konnte.
    "Ihr erkennt ganz richtig, ich verfüge über die Fähigkeit zu schwimmen, oder wenigstens mich über Wasser zu halten, falls es nötig sein sollte, ansonsten wäre ich ja wohl nicht mehr hier, sondern schon längst im Todeskampf am Grunde. Obwohl sich mir der Sinn eures Angebotes nicht ganz erschliesst, wäre ich nicht ich selbst, würde ich solch eine Chance nicht ergreifen, allein schon weil mich die Neugier dazu treibt, wie ihr das wohl anstellen mögt."
    Sie lachte leise, ein heller Klang, der sich mit dem Rauschen der Wellen verband und darin unterging.

  • Natürlich sah er die gehobene Braue, gewiss war er sich der Enthüllung ihrer Worte, es war ihm gleich, wenig noch war da, das Mallalai mit sich riss. Prahlerische Worte, niemals hätte er den Todeskampf zugelassen und dessen war er sich wohl bewusst, jedes Leben zählte ... jedes, das der schwarzen Seelen gar?
    Aye, deiner Neugier ist er bereits begegnet.


    Perlend wie ein Wassertropfen wagte er zögernd ihre Hand an seine bare Schulter zu legen, bevor er sich seitlich abwandte, um sich dem Ozean hinzugeben, der seine Sinne hinwegspülte, mit sich nahm ... tausendfaches Leben, der Tiefe Angesicht. Märchenhaftes Licht, ein Sternenhimmel unter der Leere in der Nacht.
    Sanfter Anzug, damit sie das Gefühl kennen lernen konnte, bedeckte er zuerst ihre Hand mit der seinen. Sein Gesicht schwand unter Wasser, Fülle innen wie außen, sein Körper tauchte ein wenig ab. Die Fülle verwischte die Leere, nahm ein, was ihm zustand, das Meereswesen öffnete die Kiemen weit.
    Wurde ein wenig schneller, langsamer dann, veränderte er den Wellenweg, um einen Bug zu umrunden, einen Ankerstrang. Beobachtete Mallalai, durch die sich bewegende Oberfläche, ihr Gesicht. Und in Geschwindigkeit sich verlierend nahm er sie mit sich.


    War sie so mutig, wie sie tat? Vertraue einem Mira’Tanar.
    Er zog sie unter Wasser, seine Hand riet ihr „bleib“, drückte die Finger fest an seine Schulter, indes seine Sinne einen Fischschwarm entdeckt hatten – jetzt! glitten sie durch die goldenen Streifen, die mutig an seine Haaren knabberten. Bevor sie der Atem verließ, wieder hinauf, die Wellen durchbrechen, die sie selbst schufen, jetzt erst kam er dem Ufer nah.

  • Erstaunt, aber nicht zögerlich, liess die junge Frau den Mira'Tanar gewähren, beobachtete staunend wie er abtauchte, elegant durch die Wogen glitt, als wäre nichts einfacher als einen ausgewachsenen Menschen hinter sich herzuziehen. Er ist ein Meereswesen erinnerte sie sich selbst daran, daraus folgernd, dass das wohl eine Normalität unter diesen war, diese Eleganz und Kraft, die in ihren Bewegungen lag.
    Völlig in diesen Anblick vertieft, bemerkte sie erst dass er seinen Griff um ihre Hand verstärkte, als sie schon unter Wasser waren. Leicht zuckte sie zusammen, schloss die Augen. Doch bald obsiegte ihre Neugierde, liess sie die Augenlieder heben und in die ihr fremde Welt unter dem Wasserspiegel blicken. Lächelnd beobachtete sie die Fische, die um sie herum tanzten, es schien nur einer winzigen Bewegung zu bedürfen um sie zu berühren, ihre schuppige Haut zu berühren. Doch kaum hatte sie den Gedanken gefasst, waren sie auch schon am Ende des Tauchganges angelangt, tauchten auf.
    Tief Atem holend sah sich die Cath'Shyrr um, bemerkte, dass sie sich nun erst dem Ufer näherten. Ein übermütiges Lächeln umspielte ihre Lippen.
    Auch wenn sie sich im Nachhinein eingestehen musste, dass in ihrer Handlung ein gewisser Leichtsinn steckte.

  • Mallalai schwamm langsam weiter, durchpflügte ebenmäßig das Wasser, Richtung der glitschigen Stufen, die hinauf in das Seeviertel führten. Sie hatte nicht gerufen, sich nicht beschwert, wie er geahnt: sie trug den Mut in sich.
    Seine Augen bewegten sich über blau beschemte Kuppel, graue Spalten, Kanten der Gemäuer; er wollte Himmel, Wolken und Sterne sehen. Er fragte sich, was anders war an den Treppen und Straßen, die der Tag zeigte, um sie jetzt in die Länge zu ziehen, in einem fort zu ziehen, in die Irre, in die Angst. Die Dunkelheit dahinter war real, er hoffte, die junge Cath’Shyrr fürchtete sie ebenso nicht.
    Vielleicht sollte er es doch ein wenig schlichter sehen – einfach nur ein Viertel bei Nacht, nichts, das sie sofort überschwemmen wollte. Nichts Geheimnisvolles lauerte dort … eine gute Art es zu betrachten.
    Mallalai verstand Erinnerungen, die ihn einnahmen, wie er in seinem kleinen Fleckchen Gegenwart stand, und um die Zukunft rang. Es war nicht Furcht, er konnte nur nicht vergeben.


    Lass mehr Vorsicht walten und eine Handvoll Misstrauen nimm mit, sprach er nach vorne. Seine Finger ergriffen unwillkürlich seinen Muschelanhänger, drehten ihn einen vergessenen Flossenschlag, bevor er sich so wand, dass ihre Hand von seiner Schulter glitt. Er drehte sich ihr zu. Schwarze Wasser können tückisch sein und der Hafen gefährlich für dich. Das Gefühl, wenn die Wellen über einem zusammenbrachen, wenn man nicht ahnen konnte, wohin sie den Körper zunächst schleudern würden.
    Aufregend und beängstigend zugleich. Er verstand sie.
    Dann griff er unter ihren Ellenbogen, zog sie nah die Stufen heran, bereit ihr Halt zu bieten, sollten sie zu bewachsen mit Algen sein.

  • Sanft glitt ihre Hand von der Schulter des Fremden, die sie durch die Fluten gezogen.
    Ein Lächeln legte sich auf die vollen Lippen, ein herausfordernder Blick traf ihr Gegenüber.
    "Vielen Dank für die Warnung, dessen bin ich mir bewusst." antwortete sie leichthin, schwamm zu den Stufen, auf denen ihre Füsse glitschigen Halt fanden.
    Vorsichtig wand sie ihren Arm aus dem Griff des Meereselfen, liess ihre Hand flüchtig über seinen Arm streifen, ein leises "Danke" auf den Lippen.
    Danach richtete sich die junge Frau auf, strich sich die nasse Haarflut aus dem Gesicht und sah sich um. Noch verweilte sie nicht lange in der Hauptstadt von Beleriar, doch traute sie es sich zu, den Weg zu ihrer Wohnstätte zu finden.
    Die Dunkelheit hatte sich nun vollends über die Stadt gelegt, einem schwarzen Mantel gleich, doch schien er für die Cath'shyrr aus dünnem Stoff geschneidert, noch immer sah sie vieles, was dem menschlichen Auge verborgen war. Sie liebte sie, die Nacht, und fürchtete sie zu gleichen Teilen. Einen Augenblick stand sie unschlüssig da, dann wandte sie sich noch einmal an ihre nächtliche Bekanntschaft.
    "Wie heisst ihr eigentlich?" eine Frage, gestellt bevor darüber nachgedacht, wie so oft.

  • Die Wärme des Tages hing noch hier nah am Land, der Staub des Pflasters wollte sich wieder auf seine Lippen legen und zwei Schläge seines Herzens lang fühlte er ihren Fingern nach, die seine schuppige Haut betörten. Sie hatte seine Hilfe nicht wirklich benötigt, doch gern hörte Mallalai der Worte Klang, wenn Freundlichkeit darin sang.
    Doch es war der Leere Nacht, die ihm heiß entgegen atmete und von verlorenen Nachtelfen flüsterte. Allein, der Mira’Tanar trug sein Herz nicht auf der Zunge, die er wohl dann schon längst verloren hätte, und antwortete der Cath’shyrr mit keinem Wort, denn alles war gesagt für ihn.


    Still blieb er nah, um mit Blicken von den anmutigen Bewegungen zu trinken, die voll des Vertrauens in sich waren und es wurde ihm leichter. War nicht jene Rasse flink auf leichten Füßen? Bloß wollte er sich weder ihren weichen, warmen Körper vorstellen, noch ihr pochendes Blut, die fliegenden Haare, während sie lief und Jägern entglitt. Es war zu spät, die Bilder waren bereits reif.
    Wir leben abgeschieden von der Welt, ihrer Vielfalt, hätte er gern laut gesagt. Du bist schön.
    Alle Dinge sind ohne Dauer, hätten die Yassalar geantwortet.
    Blieb, weil sie unschlüssig schien ihren Weg aufzunehmen, als wäre dennoch etwas ungesagt. Wenn die Schatten den ihren fressen würden, dann erst wollte auch er sich abwenden von der Kuppel, so dass er keinen Schatten mehr werfen würde auf den Boden dieser Stadt. Niemand darf an einem Punkt mit den Gedanken haften bleiben, so schließe man die Lücke zwischen absoluter Ruhe und dem Folgenden, unverwirrt durch Wirbel, wie faszinierend sie auch sein mögen. Sein Kinn drehte sich bereits, die Helle schloss sich in seinen Augen.
    Und in der Düsternis leuchtete dennoch ihr Gesicht, weil sie es ihm wieder zu sehen geben wollte. So war er nicht überrascht, weil er ihre Bewegung in den Augenwinkeln gehütet hatte und kam in Gedanken zurück.


    Mallalai Ciel’Anan Nai Saieen, schenkte er den seinen vollständigen Namen, flüssig der Ton, wie goldene Sonnenstrahlen, eintauchend in die Fülle, ohne den ihren zu wissen, wohl sollte es so sein. Er hatte sie berührt, ihre Leben sich gestreift, da er sich in das ihre gedrängt – die Momente verdienten einen Namen. Mallalai, erneut, erschien es ihm auf einmal selbst viel zu lang der vorherigen Worte. Gern hätte er entschuldigend gelächelt, doch dies konnte er nicht, schwankend zwischen Vertrauen, Mut und Achtsamkeit. Wünschest du Begleitung auf deinem Weg, so würde ich dir ein Geleit nicht abschlagen, damit du sicher dein Zuhause erreichst.
    Er kannte sie nicht, noch ihren Weg durch die Stadt, gewiss – blieb erneut nur der Wunsch sie zu schützen allein zurück.

  • Erneut erklang ihr Lachen, ein Leuchten in den Augen.
    "Mallalai" sie liess ihre Zunge den ungewohnten Klang auskosten, "den Rest werde ich mir wohl nicht merken können, ich hoffe, ihr könnt mir dies verzeihen" sagte sie leichthin, eine einsame Stimme, die sich in den weiten der Nacht verlor. Kurz kam ihr der Gedanke, dass sie wohl wie eine Verrückte erschien, den Unwissenden, die sie beobachten könnten. Stand sie doch da, am Rande der Mole, pitschnass, und sprach mit einem Wassergeist, in der Dunkelheit nicht sichtbar, nur hie und da schimmernd im fahlen Licht der Kuppel.
    Und doch fühlte sie sich seltsam wohl dabei, genoss das Neue, dass diese Begegnung mit sich brachte. So war sie auch erfreut, sein Angebot zu hören, auch wenn sie sich nicht sicher war, ob sie den Schutz wirklich nötig hätte. Doch sie besann sich, jugendlicher Leichtsinn könnte ihr im nächtlichen Hafenviertel schnell zum Verhängnis werden, und ein zusätzlicher Begleiter konnte nicht schaden. Und dieser besondere Begleiter weckte zudem ihre Neugier.
    "Ich bin erfreut dass zu hören, und geneigt anzunehmen, sollte dies euch nicht zu grosse Umstände bereiten"
    antwortete sie höflich, den Blick erwartungsvoll auf den Meereselfen gerichtet.
    Was für ein seltsamer Abend es doch war, dachte die Cath'Shyrr, und lächelte dabei. Die Stadt schien ihr alle Abenteuer zu bieten, die sie fortwährend suchte.

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