Corandir im Jahr 1442
Ausnahmsweise, weil heute ein besonderer Tag war, hatte sich der junge Tua’Tanai von seiner Mutter Perlen in die Haare flechten lassen. Es war dabei allerdings irgendwie mehr darum gegangen, dass sich seine Mutter beruhigen konnte. Sicherlich war er selber auch Aufgeregt, aber die Sorge, die seine Mutter umtrieb, die konnte er nicht so ganz verstehen. Denn erstens war er ein guter Kletterer und zweitens konnte er sich immer noch in sein Achak verwandeln, sollte er fallen. Er nahm zwar durchaus nicht an, dass die ganze Sache ein Kinderspiel werden würde, aber ihm machte viel mehr die Situation sorgen, wenn er oben angekommen war. Was war, wenn keiner der Greifenwelpen ihn haben wollte? Das war nämlich ein Punkt, den er auch durch spontanes umdenken nicht würde ändern können.
Und so merkte man Owatu doch auch eine gewisse Angespanntheit an, die ihm sonst eher seltener zueigen war. Aber seinen beiden Kameraden Tsuu, ebenfalls ein Tua’Tanai, allerdings ein Baummader und Vaneriel, seines Zeichens ein junger Lichtelf mit hellen fast weißen Haaren, waren auch sichtlich aufgeregt. Sie hatten sich erst in der Ausbildung kennen gelernt, aber für alle drei stand fest, dass sie einmal Greifenreiter werden wollten.
Noch galt es aber die Zeit irgendwie tot zu schlagen, bis der General offiziell die Prüfung ausrief und sie sich zum Greifenhorst aufmachen durften. Zugegebenermaßen gab es bei den Kharad-Spielen genügend Wettbewerbe zu bestreiten, die für Ablenkung sorgen konnten, aber selbst Vaneriel hatte sich gestern schon nicht so wirklich aufs Bogenschießen konzentrieren können und so waren die Drei jetzt bei einer der vielen Bierschänken gelandet. Hauptsächlich war das Tsuus Idee gewesen und Owatu war eher weniger begeistert davon, weil er seinen Kopf eigentlich ehr ungern benebeln wollte. Aber einen Humpen von dem Gerstensaft könnte vielleicht auch dafür sorgen, dass er wenig über das Was-ist-wenn nachdachte.
„Schau mal da drüben, die sehen so aus, als wollten sie heute zu den Einhornreiterinnen.“ meinte Vaneriel plötzlich und lenkte mit einem Fingerzeig den Blick der Kumpanen auf ein paar junge Frauen. Hauptsächlich Nymphen und Elfen, wie Owatu schien, aber so ganz genau schaute er auch nicht hin. Die Interessierten ihn heute so gar nicht. Ja sie mochten sicherlich schön sein. Aber danach stand ihm der Sinn heute gewiss nicht. Er war sich noch nichtmal sicher, ob er mit so einer überhaupt etwas anfangen konnte.
Für den Mader und den Elfen, schien das aber eine ganz klare Sache zu sein und genau die Ablenkung, die sie die ganze Zeit gesucht hatten. Und ihre Gesichter sprachen Bände.
„Komm, lass uns zu ihnen herüber gehen.“ sagte Tsuu und setze sich auch schon, ohne weiteres abzuwarten, in Bewegung.
Innerlich setzte Owatu, griff aber auch nach seinem Humpen und folgte den beiden, die schon ein seltsames Paar bildeten. Tsuu hatte, wie er selber, nur einen Lendenschurz und weiche Stiefel an, seine langen braunen Haare waren von Perlen und Federn geschmückt und auch den Oberarm schmückte ein Armband aus Zähnen und Federn nur die Tattoos, die der Maler trug waren lediglich an seinen Knöcheln und den Handgelenken, zu mehr hatte er sich nie überreden lassen. Der Lichtelf hingegen hatte auch heute wieder ein enganliegendes, in braun und grau gehaltenes Gewand an, hohe Stiefel und eine Hose aus weichem Leder. Seine silbrigen Haare glänzten im Sonnenlicht.
„Ich grüße euch ihr Holden.“ eröffnete Tsuu, das Gespräch, mit einer gewissen Schalkhaftigkeit in der Stimme und vermutlich auch in seinem Gesicht - Owatu brauchte noch zwei Schritte, bis er auch bei den Frauen angelangt war.