Die Seherin nickte, schloss die Augen.
So soll es sein.
Sie verschränkte wieder die Finger ineinander, machte diese Geste, die sie so überlegt und gefasst wirken ließ. Sie machte sich bereit dazu, atmete sich ruhig, sammelte sich.
Bald erschien es so also sei sie zur Statue erstarrt, als ob sie ein Gegenstand aus Stein geworden wäre, zum ewigen Stillstand erstarrt.
In ihrem Inneren jedoch arbeitete sie die Verbindung heraus, die Verbindung zwischen ihr und der Halbvalisar. Sie war stark genug um ohne eine physische Berührung auszukommen.
Von außen betrachtet mochte es eine bizarre Art von Meditation vermuten lassen, aufmerksam betrachtet, mit den Augen wie mit dem Herzen mochte einem auffallen, dass Silene sich entfernte, dass ihre Präsenz in den Hintergrund trat, obgleich sie körperlich nach wie vor anwesend war.
Schließlich war sie bereit dazu, dem Chaos im Inneren der Fragenden entgegenzutreten, es selbst zu erleben. Der Anteil von ihr, der sie selbst ausmachte, trat zurück, verschwand fast vollständig hinter dem neuen Bewusstsein, dem sie Raum machte.
Noch immer rührte sie sich nicht.
Dann endlich, völlig unerwartet und doch erahnt, löste sich eine Hand aus der sammelnden Geste und griff in den Beutel. Erst als ihre weiße Hand im dunklen Samt des Beutels verschwudnen war, ffneten sich Silenes Augen.
Brodelnd war das Durcheinander in Silenes Kopf, es war so ungewohnt - sonst herrschte nur Klarheit in Silenes Gedanken. Nun, Ta'sharas Geist mit dieser teilend war es ein wirres Geflecht.
Nicht nur in ihrem Inneren wurde es bemerkbar, auch die beiden Außenstehenden konnten es nun lesen, in ihren Augen, die sie aufschlug, stand es geschrieben. Von weißen Wimpern geisterhaft umrahmt strahlte das kalte Blau stärker als sonst, wie zersplittertes Glas funkelten sie wirr.
Der erste Stein, den Silene zog passte sich zwischen Ta'sharas ersten und zweiten. Der nächste Stein füllte den Platz zwischen Ta'sharas zweiten und dritten Stein... so entstand nun eine zweite Reihe von Orakelsteinen, um ein Glied kürzer.
Den letzten Stein behielt Silene in ihrer Hand, verborgen vor ihr, verborgen vor Ta'shara.
Nun sieh.
Das fremde Chaos war immer noch hier, in Silenes Kopf, real als sei es ein Teil von ihr. Fast gewaltsam schickte sie es zurück, drängte es zurück in seine Schranken, leugnete Silene es, auf dass es von ihr weichen sollte.
Es klang ein hohler Nachklang dessen, was in Ta'sharas Seele war, in ihr, doch war Silene wieder sie selbst.
Ihr Blick klebte auf den Steinen.
Sie wusste es jetzt.
"Es ist der Kodex, der Euch lenkt, Euch Halt gibt, den Ihr braucht... doch nimmt er Euch zugliech die Feiheit das zu Erlangen, wonach Ihr selbst und Euer Schicksal gleichermaßen sehnt. Es ist Euch nicht möglich, dem Toben Eures Inneren den Raum zu geben, den es benötigt um sich ordnen zu können, solange ihr ihm Einhalt gebietet. Wunden muss man bluten lassen, damit sie sich reinigen ... hindert man sie, kann sie nicht heilen."
Silenes Blick legte sich kristallklar und kalt auf Brennans Gestalt, sah in die grundlosen schwarzen Seen die er anstatt siener Augen trug.
"Dort ist jemand, der Euch den nötigen Halt geben könnte, um Euren drängenden Gefühlen freien Raum zu lassen. Er muss das Gefäß sein, in dass ihr die überschäumenden Gewalten Euer Seele gießen könnt ... um sie geläutert, geklärt wieder aufnehmen zu können.
Doch - ich sage dies, weil ich es sah - ist es irrational jemandem wie ihm zu vertrauen."
Die Seherin verstummte und senkte ihren Blick auf ihre Hände herab. Sie wusste, dass das Aufgeben des Kodex ein fast unmögliches Vorhaben war - Ta'shara würde sich dem Schwarzäugigen schutzlos ausliefern müssen. Und er sich ihr. Sie wusste bei Lilliande und Yanariel nicht, was gefährlich war.
Es schien, dass die Valisar noch etwas zu sagen hatte, noch etwas bereithielt. Die Hand, welche den letzten Stein umklammerte öffnete sich zwischen den Anwesenden, gab gliech einer Blüte, die ihre Pracht entfaltet, einen schwarzen Stein preis, der wie ein schwarzer Blutstropfen auf der weißen Handfläche ruhte.
"Es ist möglich.", sagte sie schließlich und sah zu Ta'shara auf, begegnete dem verwandten Blick. Ihre Augen hatten gesehen, was sie gesehen hatte, ihr Kopf das gedacht, was Ta'shara im Begrif war zu denken. "Es ist möglich."