Geschäftstreffen
Mileïs hatte sich wie immer große mühe mit ihrer Garderobe gegeben. Doch wie es dem etwas strengerem Anlass entsprach, trug sie heute keines ihrer seidenen Elfenkleider. Nein, ungewöhnlicherweise war ihr Kleid aus Menschenstoff – schwarzem Samt um genau zu sein.
Trotz diesem Umstand wirkte die junge Halbelfe irgendwie fehl am Platz. Zum einen war außer einer hünenhaften Hafenarbeiterin weit und breit keine andere Frau in Sicht, zum anderen sah man Mileïs deutlich an, dass sie der gehobenen Schicht entstammte. Und so kam es, dass sämtliche Hafenarbeiter einen großen Bogen um die Dame machten und ihr schonmal den ein oder anderen spöttischen Blick zuwarfen.
Doch was kümmert es mich? dachte Mileïs und lächelte innerlich. Ihr Gesicht allerdings blieb unbewegt, während sie aufmerksam den Ausführungen ihres Kapitäns lauschte. Er war der Grund, warum sie sich im Seeviertel herumtrieb – wobei herumtrieb kaum das richtige Wort war.
Sie hatte den Mann vor einigen Monaten angeheuert, damit er als Kapitän auf ihrem Neuerwerb fungierte – dem stattlichen Handelsschiff >Sirroname<. Mileïs musste der Versuchung widerstehen zu lächeln, bei der Erinnerung was sie alles mit ihrem Erbe angefangen hatte.
Zwar hatte sie sich einige Jahre nicht um ihr Vermögen kümmern können – die Jahre, die sie in der Schule der Kurtisanen verbracht hatte. Sie bereute kein einziges, doch sobald ihre Lehre abgeschlossen war, hatte sie sich dem Ausbau von ihres Vaters Hinterlassenschaft gekümmert, welche im großen und ganzen aus einem kleinen Vermögen, einem hübschen Landhaus und einem ordentlichen – wenn auch in der letzten Zeit etwas vernachlässigtem – Handelsnetz bestand.
Natürlich hatte er sich nicht mit den reichen Großhändlern messen können, doch zu Wohlstand hatte es gereicht.
Normalerweise begnügte Mileïs sich damit im Hintergrund die Fäden zu ziehen und einen Verwalter vorzuschicken, doch in dieser Sache wollte sie sich ein eigenes Urteil bilden. Die >Sirroname< sollte nämlich auf eine Reise gehen, welche nicht ohne Risikos war – aber dafür auch umso mehr Gewinn einbringen würde, wenn sie gelang.
Es war das "wenn", das Mileïs störte. Doch bis jetzt hatten Kapitän, Schiff und Mannschaft einen guten Eindruck gemacht und sie glaubte das Wagnis eingehen zu können. Warum auch nicht? Mileïs war reich genug um den Schaden wieder ausgleichen zu können, der bei einem Verlust entstehen würde. Nicht schnell und auch nicht ohne Probleme, doch sie könnte es schaffen.
Wie sagt noch das alte Sprichwort? "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!" Entschlossen reichte sie dem Kapitän die Hand und verabschiedete sich huldvoll von der Mannschaft. Nun waren sie doch ein wenig beeindruckt und Mileïs sah es mit Genugtuung.
Ihre Zofe Miriël – wenn Zofe denn das richtige Wort war – folgte der Halbelfe wie ein Schatten. Ein Schatten für eine Tochter des Schattens! dachte Mileïs und nun fiel es ihr wirklich schwer nicht zu lachen.
So oder so schlenderte Mileïs, mit ihrem Verwalter und Miriël, im Schlepptau langsam über die Hafenanlagen.