Die Höhle der Liebe

  • Ein wenig Abseits der Händlerstände und des Jahrmarkt-Einganges kann man die Höhle sehen.
    Nein, sie gehört nicht zu den Attraktionen des Jahrmarktes, deren optische Erscheinung alleine ausreicht um den Vorgeschmack auf ihr Inneres zu wecken. Tatsächlich ist die Höhle der Liebe schon ein wenig in die Jahre gekommen.
    Farbe blättert vom Eingang, der wie ein großes, rotes Herz geschwungen ist, ab und wer genau hinsieht, wird bemerken, dass das "h" von "Höhle" ein wenig herabhängt.


    Dennoch lohnt sich ein Besuch dieser Attraktion, glaubt mir. Verspricht die Höhle doch, dem, der sie betritt, die wahre Liebe zu zeigen. Darum wird sie wohl auch gerne von Pärchen betreten. Gemeinsam führen euch die ersten Schritte in den dunklen Bauch der "Höhle" - doch solltet ihr euch immer bewußt sein, dass sie euch vielleicht nicht gemeinsam wieder hinaus führen wird.
    So lasst nicht Leichtsinn oder Mut entscheiden ob ihr sie betretet. Neugierde, Hoffnung und der Wunsch auf Erfüllung durch die wahre Liebe sollen eure Schritte leiten, eure Gedanken lenken und eure Blicke richten auf das was ihr in der Liebeshöhle sehen, fühlen und erleben werdet.

  • Das war nun wirklich der Gipfel!!!
    Allein die Tatsache, dass sie auf Brennan gehört hat und es diesem Jahrmarkt gestattete, sich den ein oder anderen Gedanken von ihr zu erzwingen, war schon bedenklich. Der Umstand, dass sie nun mit Brennan diesen Jahrmarkt besuchte, war besorgniserregend. Aber nicht genug damit.
    Nein!
    Sie, Ta'shara, stand nun auch noch tatsächlich vor dem möchtegernroten Herzeingang dieser Höhle der Liebe!! Kitschiger ging es nun wirklich nicht mehr. Missbilligend glitt ihr Blick über die bröckelnde Fassade hin zu Brennan. Mit hochgezogenen Brauen sah sie den Mann an. Was denkt der sich nur dabei, sie ausgerechnet hierher zu führen? Es gab ansehnlichere Plätze an diesem, für ihr Empfinden völlig überflüssigen Ort! Er wusste doch schließlich, mit wem er es zu tun hatte. Wusste um ihren ausgeprägten Sinn für Schönheit und Eleganz und ihr Unverständnis für solch romantischen - wieder ging ihr Blick hin zu dem Höhleneingang - ... zerstörten, romantischen Zierrat! Ta'shara rümpfte die Nase und sah wieder zu Brennan.


    "Auf der Suche nach Liebe muss man offenbar überall mit Bedacht vorgehen!", merkte sie, mit Blick auf das hängende 'h' , an. Ihre Befürchtung, dass eben jener Buchstabe schon gleich ihr Haupt zierte, war unüberhörbar.

  • "Ich finde es hat seinen ganz eigenen Charme." Lachte Brennan und sah Ta'shara an. Er freute sich, dass sie beschlossen hatte, den Jahrmarkt mit ihm zu besuchen. Er selbst wußte nicht wirklich, was ihn hier zu erwarten hatte und als er das hölzerne Eingangsschild des Jahrmarktes sah, war er kurz davor gewesen, wieder kehrt zu machen.
    Runtergekommen und trostlos - das wären die Worte gewesen, die er wohl als erstes für eine Beschreibung gewählt hätte.


    Nach den ersten Schritten im Jahrmarkt selbst, hatte sich dieses Gefühl aber gewandelt und war genau zu dem gewesen, was er Ta'shara gerade gesagt hatte. Der Markt hatte seinen ganz eigenen Charme. Ein wenig heruntergekommen, aber dadurch nur noch geheimnisvoller. Ein wenig trostlos, dadurch aber dieses seltsame "Gefühl" verbreitend. Gefühl. Mit warmen Blick sah Brennan Ta'shara an. Für sie war das, was er hier spürte wohl nicht greifbar. Wahrscheinlich konnte sie nicht einmal nachvollziehen, warum er sie hier her geführt hatte.


    "So ein Jahrmarkt macht Spaß." Hatte er ihr gesagt. "Vielleicht kann ich dir ja ein wenig zeigen warum." Er wußte, es war eine Herausforderung, aber denen stellte er sich nunmal gerne.


    Und so standen sie jetzt hier, vor der "Höhle der Liebe". Der Händler lachte und legte seinen Arm um Ta'shara.
    "Wenn ich ehrlich sein soll, war ich in so einer Attraktion auch noch nie. Ich hab also keine Ahnung, was uns erwartet." Sprach er und sah hinauf zu der schiefhängenden Beschriftung. Das war auch der Grund gewesen, warum er diese Attraktion als erstes gewählt hatte. Neugierde.
    "Wollen wir es heraus finden?" Seine Augen glitzerten schelmisch, als er Ta'sharas Hand nahm und sie weiter in Richtung des Einganges führte. Ein wenig kam er sich vor, wie ein Kind, dass zum ersten Mal einen Jahrmarkt besuchte.

  • Brennans Hand in der ihren weckte eine Art Vertrautheit. Ihr gefiel die Wärme, die von ihr ausging, auch wenn sie nicht sagen könnte, dass ihr kalt war. Wieder wanderte ihr Blick zu dem maroden Eingang und der schiefen Beschriftung. Eigener Charme. Aha.
    Nun denn. Seis drum. Sie waren hier, das 'h' schien zu halten, was es nicht versprach und in Brennans Augen standen mit einem Mal Freude und der scheinbar unumstößliche Wunsch, ihr zu zeigen, was es bedeutete Spaß zu haben.


    'Spaß haben' gehörte zwar definitiv nicht zu den vorrangigen Zielen in Ta'sharas Leben. Wohl aber strebte sie nach den wahren, tiefen Gefühlen, die ihresgleichen einst besessen, und die zu empfinden Narions Fluch sie unfähig gemacht hatte. Zum ersten Mal, seit sie den alten Jahrmarkt betreten hatten, zeigte sich ein zaghaftes Lächeln in Ta'sharas Gesicht. Hindirigiert zwar, zeugte es aber dennoch von ihrer Bereitschaft, Brennan zu folgen. Vielleicht würde die Höhle ja halten, was sie versprach: zu offenbaren, was die wahre Liebe ist. Dies zu wissen konnte für eine Valisar letztlich nur von Vorteil sein.

  • Mutig schritt Brennan voran. Als er nach rechts sah, viel ihm soetwas wie ein Seil auf, dass lose auf dem Boden lag. Ob damit früher einmal die Warteschlangen abgegrenzt wurden? Er schmunzelte. Heute sah es eher so als, als würde die Höhle nicht allzu oft besucht.


    Als sie durch das Herz schritten wurden sie zunächst von Dunkelheit umhüllt. Ein Zustand, gegen den Brennan nichts hatte. Dunkelheit war nicht böse. Sie hielt einem nur davon ab, das Böse zu sehen, was die Helligkeit schamlos offenbarte.
    Er kniff die Augen zusammen und bemerkte, wie er eine Art Vorhang durchschritt, irgendetwas, dass die Höhle von der Aussenwelt abschirmte. Da hinter wurde es heller.


    "Na dann, Höhle der Liebe, zeig, was du zu bieten hast." Murmelte er und schritt weiter.

  • Gleichzeitig mit Brennan setzte auch Ta'shara einen Fuß vor den anderen. Den Teil der Beschriftung, von dem sie annahm, dass sie jeden Moment herunterfallen würde, zunächst nicht aus den Augen lassend, folgte ihr Blick kurz darauf Brennans. Nur einen winzigen Moment lang überlegte sie, ob sie ein Seil würde gebrauchen können, als sie sich auch schon danach bückte. Alles hier erschien ihr heruntergekommen und baufällig. Hinter dem Herzeingang war nichts als Dunkelheit zu erkennen. Ta'shara rechnete mit allem und nichts darin, und ein Seil war ein Seil. Sie steckte es ein und trat an Brennans Hand unmittelbar hinter ihm durch den Eingang.
    Augenblicklich war es dunkel. So vollkommen, dass man glauben konnte, außer dieser Dunkelheit würde nichts mehr existieren. Ta'shara fühlte sich an den Tempel der Shirashai erinnert. Doch im Gegensatz zu dort nahm sie außer Brennan und sich selbst keine weitere Präsenz wahr. Nichts. Selbst die Göttin der Dunkelheit schien den Weg hierher noch nicht gefunden zu haben. Einerseits ein wenig seltsam, da dies doch ihr Refugium war. Andererseits, überlegte sie, war dies ein Ort der Liebe. Der wahren Liebe, wenn man der Beschreibung draußen Glauben schenkte. Etwas, von dem Shirashai, Ta'sharas Meinung nach, noch viel weniger Ahnung hatte, als sie selbst.


    Noch in ihren Überlegungen bemerkte die junge Valisar einen Hauch, der sie streifte. Leicht, wie dünnes Gewebe. Spinnenweben, dachte sie. Es hätte wohl an ein Wunder gegrenzt, hätten diese Tiere nicht längst die Höhle in Besitz genommen. Automatisch hob sie ihre Hand zum Gesicht, um das Spinnennetz zu entfernen. Doch da war nichts. Nur ein Schatten, der in eben jenem Moment lautlos zur Seite glitt. Ta'shara kniff die Augen zusammen, doch der Moment war schon vorbei. So trat sie nun neben Brennan und blickte wieder nach vorne. Wo ein Schatten, da auch Licht.
    Die junge Valisar war nicht erstaunt, dass das Innere der Höhle bis auf eine Bank und einige, mit alten staubigen Laken abgedeckten Möbeln und Einrichtungsgegenständen, leer war. Unter zweien der Tücher ließ sich die Form von lebensgroßen Statuen erahnen. Scheinbar hatte der Raum hier zuletzt dem Jahrmarkt als Abstellkammer gedient.
    Abwartend blickte sie zu Brennan. "Gar so viel offenbar nicht...", gab sie ihm auf seine gemurmelte Frage hin zur Antwort.

  • "Was hast du ge.." Brennan drehte sich zu Ta'shara um und blickte sie erstaunt an. Das hieß - eigentlich blickte erstaunt an den Platz, an dem sie gerade gestanden hatte. "Tash?" Fragte er und runzelte die Stirn.
    Wo war sie in so kurzer Zeit hin? Er drehte sich nach rechts und links, doch nirgendwo war die hübsche Valisar.


    Was Brennan statt dessen sah, gefiel ihm weniger. "Kitsch." Murmelte er. Die Decke über ihm war mit einem hellblauen Himmel verziert, rechts und links des Weges standen Baumstämme, an denen Blätter aus Papier hafteten und in denen offensichtlich Lichtmuscheln angebracht waren, die alles in ein diffuses Licht tauchten.
    Eine rote Bank blickte auf einen aufgemalten Horizont.


    Ta'shara konnte nicht weit weg sein. Und sich hier zu verstecken sah ihr gar nicht ähnlich. "Tash?" Fragte Brennan erneut? "Wo bist du?" War sie ihm doch nicht ins Innere gefolgt? Aber hatte er nicht gerade noch geglaubt, ihre Hand zu spüren? Der Dunkeläugige drehte sich verzweifelnd im Kreis.

  • Weg. Von jetzt auf gleich, weg. Gerade noch hatte sie ihnn da stehn sehen und einen Wimperschlag weiter war er verschwunden. Ta'shara zog die Brauen zusammen und durchforstete mit ihren Blicken nachdenklich den Raum, doch außer dem, was sie schon zuvor entdeckt hatte, konnte sie nichts erkennen.


    "Brennan?"
    'Brennan...Brennan ..Brennan...Brennan... Brennan...'
    Verwundert über das Echo drehte sie sich im Kreis. So groß war doch dieser Lagerraum gerade gar nicht gewesen. Und nun erschien er ihr tatsächlich um einiges größer. Die Statuen weiter weg... die altersschwachen Lichtmuscheln höher an der Decke. Und was war das da hinten? Das da an der Wand? Das hing eben noch nicht da. Falsch Ta'shara. Du hast es nur nicht bemerkt, was nicht weiter verwunderlich ist, bei diesem diffusen Licht. Bei näherer Betrachtung sah es aus, wie eine, mit einem Vorhang verdeckte Tür. Das war natürlich die Erklärung... Brennan war da hindurch gegangen, als sie einen Moment abgelenkt gewesen war. abgelenkt wodurch?, fragte eine hartnäckige kleine Stimme. Ta'shara überhörte sie. Während sie sich dem Vorhang näherte, rief sie ein weiteres Mal nach Brennan, etwas lauter diesmal, damit er sie auch hörte.
    "BRENNAN"


    Und tatsächlich erhielt sie Anwort.
    Im gleichen Moment, da ihre Hand den Vorhang zur Seite schob, hörte sie wie von weiter Ferne Brennans Stimme. Doch klang sie keineswegs nach einer Antwort. Eher so, als würde auch er sie suchen. Ta'shara schob den Vorhang endgültig zur Seite und erblickte ein Bild dahinter. Nur ein Bild.
    Sie wollte sich schon abwenden um woanders weiter zu suchen, als etwas an dem Bild ihre Aufmerksamkeit erregte. Auch wenn die Farben für ihren Geschmack maßlos übertrieben waren und furchtbar kitschig wirkten, erinnerte es sie doch frappierend an den Park mit den Bänken. rote Bänke?? Interessiert betrachtete Ta'shara das Gemälde noch eingehender. Sie kratzte mit dem Nagel ein wenig an der Farbe, aber es blieb dabei. Rot. Da war wohl eher ein Dilettant am Werke. Ta'shara entdeckte nun auch auch einen Farbklecks, der völlig deplatziert wirkte. Wieder ging sie ein bisschen näher und strich darüber. Warum sie das tat, konnte sie nicht einmal genau sagen. Dieses Gemälde war eine einzige Beleidigung fürs Auge und doch hielt es sie wider aller Vernunft in der Betrachtung. Dieser Fleck...


    ... Ta'shara schloss die Augen. Ihr war, als hätte sie diesen Fleck schon einmal 'gesehen'... sie versuchte sich zu konzentrieren... tief in sich drin gab es diese Stelle, diese dunkle Stelle, die doch licht sein sollte... ja.... es war diese Stelle, die Brennan berührt hatte. Nachdenklich öffnete die junge Valisar wieder die Augen und ihr Finger strich fasziniert über diesen einen Fleck, bis er unter der Kühle ihrer Haut Gestalt annahm.
    Eine kleine unscheinbare Gestalt, mehr eine Kontur, als das Abbild eines Menschen und doch spürte Ta'shara auf ganz merkwürdige Weise, dass sie diesen Farbkleks kannte.


    Abrupt drehte sie sich weg von dem Gemälde und sah sich in der Höhle um. Sie brauchte ein Laken, ein Tuch, irgendwas, um das Bild darin einzuwickeln. Sie würde es mitnehmen. Das musste sie Brennan unbedingt zeigen.

  • Fast als habe irgendetwas Ta'sharas Gedanken hören können, regte sich plötzlich etwas in der Höhle.
    Mit einem Ruck fiel von einer der zwei Statuen, die in der Mitte der Höhle standen, das Laken hinab.
    Doch sollte Ta'sharas Aufmerksamkeit schon in wenigen Sekunden viel mehr der Statue gelten, als dem gesuchten Laken.
    Denn die Statue hatte Gesichtszüge, die ihr bekannt vorkamen. Nein, vertraut. Es waren ihre eigenen..


    In der Zwischenzeit fand Brennan weder Ta'shara noch sonst irgendetwas in dem Raum, in dem er gerade war. Jedoch führte ein aufgemalter Weg ihn zur anderen Richtung hinaus. Und wenn sich seine Augen nicht ganz täuschten, hatte er dort hinten auch gerade eine Schatten gesehen. Oder war es schwarzes Haar gewesen?

  • "Tash?" Brennan kniff die Augen zusammen und schaute dem "Schatten" hinterher. Wo wollte die Valisar hin?
    Der Händler sah sich noch einmal in dem Raum um und beschloss, dass es hier nichts gab, was ihn davon abhalten konnte, die schöne Valisar zu suchen. Er wandte sich von der roten Bank ab und folgte dem Weg.


    "Tash? Wo bist du hin?" Wollte sie Verstecken spielen? Ernst kniff der Händler die Lippen aufeinander. Nein, das sah ihr nicht ähnlich. Jedem, aber nicht einer Valisar. Hatte er etwas falsch gemacht? Selbst wenn, Ta'shara hätte es ihm schamlos ins Gesicht gesagt. Irgendetwas stimmte hier nicht.


    Der Händler ging schneller und erreichte den nächsten Raum.

  • Dadane hatte ihre Schmiede heute etwas früher geschlossen um sich den Jahrmarkt anzusehen und die Zwergin die sie nun einmal war fühlte ein Stich im Herzen, dass der Jahrmarkt so heruntergekommen war. Sie hatte immer einen Hang zu ordnung und hielt alles in ihrer Gegenwart reparert und sauber und ausserdem schon fast pedantisch geordnet. Sie konnte sich vorstellen, wie der Jahrmarkt wohl aussehen würde, wenn alles hier poliert und schön wäre, aber naja, das angebot an sich war nicht schlecht.


    Dadane schlenderte hierhin und dahin und konnte sich nicht entscheiden irgendwo stehen zu bleiben, bis sie die Höhle entdeckte. Sie hatte zwar das dringende bedürfniss den hängenden Buchstaben zu reparieren, aber sie wunderte sich auch, was es mit der Höhle der Liebe auf sich hatte.


    "Warum nicht?" fragte sie sich und betrat die Höhle, in Gedanken ganz fest an ihre Schwärmerei Tom denkend.

    Häßlichkeit schändet nicht die Seele,
    aber eine schöne Seele adelt den Leib.


    Es ist nicht der Tod, den wir fürchten sollten,
    das wirklich Tragische wäre ein Leben, das nicht gelebt würde.


    Willst du das Licht sehen, ertrage den Schatten,
    denn beides gehört zu Dir.

  • Das leise Rascheln herabfallenden Stoffes lenkte Ta'sharas Blick in die Mitte der Höhle: die Statuen. Von einer war ein Tuch herabgeglitten. Ausgezeichnet! Da hatte sie ja ihr gewünschtes Laken; groß genug, um das Bild darin einzuschlagen. Die junge Valisar durchquerte die Höhle. Sie verschwendete keinen Augenblick, darüber nachzudenken, wie das Tuch nun von der Statue hat gleiten können oder warum gerade jetzt, da sie danach suchte. Vermutlich war es vor langer Zeit schon nachlässig darüber geworfen worden und mit den Jahren mehr und mehr verrutscht.


    Bei den Skulpturen angekommen, bückte sich nach dem Laken. Dieser Fleck auf dem Bild beschäftigte sie noch immer und so gönnte sie der aufgedeckten Statue nicht mehr, als einen flüchtigen Blick, während sie sich wieder aufrichtete. Selbst in dem vorherrschenden Unlicht konnte sie die laienhafte Machart erkennen: grobe Strukturen, nachlässig gearbeitete Gliedmaßen und ... irritiert verharrte die junge Frau, den Blick auf das Antlitz der Skulptur gerichtet. Vergessen das Tuch, vergessen das Bild.
    Die Augen, die ihr entgegenblickten waren ihre eigenen, das Gesicht ihr eigenes. Oder erschien es ihr in dem diffusen Licht nur so? Ta'shara ging näher und stellte sich auf die Zehenspitzen, um das Antlitz der Statue genauer betrachten zu können. Doch so nah davor erkannte sie eher weniger.


    So entfernte sie sich wieder ein paar Schritt, musterte die Skulptur mal aus dieser mal aus jener Blickrichtung und kam am Ende überein, dass dies ein androgynes Gesicht war. Im Gegensatz zum Rest der Statue äußerst geschickt gefertigt, denn man konnte in diesen Zügen jedes Gesicht erkennen, das man erkennen wollte. Eine ausgeklügelte Idee gerade für Päärchen, die hier doch gewiss gegenseitige Bestätigung erfahren wollten. Die Frage blieb, warum sie sich selbst sah? Ihr Blick wanderte nachdenklich zu der zweiten Skulptur.

  • Der nächste Raum, den Brennan betrat, war einem exotischem Zelt nachempfunden. Kissen lagen in allen Ecken, lange Himmel waren unter der Decke gespannt und exotisch anmutende Lampen versprühten durch ihr gedämpftes Licht eine ganz eigene Atmosphäre.


    Die Schwarhaarige, die Brennan verfolgt hatte, hatte sich auf einen der Kissenberge niedergelassen. Ihr Gesicht wurde durch einen blasslilanen Schleier verhüllt, doch winkte sie ihm zu und deutete ihm an, sich neben ihr nieder zu lassen.


    Währenddessen hörte Ta'shara von draußen, dass sich eine weitere Person der Höhle näherte.
    Den Blick jedoch ganz auf die zweite Statue fixiert, bekam sie kaum mit, wie die Schritte plötzlich zu dem Zeitpunkt verstummten, als sie eigentlich die Höhle hätten betreten müssen.
    Stattdessen bemerkte sie etwas anderes - das Laken, dass die zweite Statue verdeckte, fing an zu rutschen. Zunächst nur zögerlich, aber doch stetig legte es immer mehr der Skulptur frei. Und auch diesmal hatte die Valisar ein Gefühl des Erkennens. Die Augen, die sie ansahen schienen ihr nur zu bekannt - Brennan.


    "Alleine?" Dadane stand in dem Raum mit den künstlichen Bäumen, den roten Bänken und dem aufgemalten Horizont. Sie hatte die Höhle gerade erst betreten, als sich schon jemand vor sie schob. Sie glaubte kaum ihren Augen zu trauen, aber es war Tom. "Willst du diesen Ort wirklich alleine betreten oder darf ich dich begleiten?" Er lächelte sie mit seinen perfekten Zähnen an.
    Sein Hemd war bis zum Nabel aufgeschnürt und offenbarte ein trainierte, behaarte Brust und als Tom nach Dadanes Hand griff, fragte sie sich einen Augenblick, warum sie Tom wohl größer in Erinnerung gehabt hatte.

  • Brennan schritt in den Raum und stutzte. Er fühlte sich in diesem Ambiente durchaus wohl, stellte er fest. Die leichte Exotik und die gemütlichen Kissen lösten ein Gefühl der Neugierde und gleichzeitigem Wohlfühlens aus.
    Nur Ta'shara - warum hatte sie sich umgezogen? War das überhaupt Ta'shara?


    "Oh, ich verstehe." Murmelte der Händler und lächelte.
    "Ich sehe, was ich gerne sehen würde. Nur wieviel ist davon wahr?"


    Mit langen Schritten ging er auf die Schwarzhaarige zu und neigte sich zu ihr hinunter. Nein, das war mit Sicherheit nicht Ta'shara. Ta'shara strahlte viel mehr Kühle aus.
    Der Dunkeläugige lächelte und strich ihr über die verhüllte Wange.


    "Nun, meine Schönheit? Wer bist du und was willst du mir zeigen?"

  • Sie hörte sich nähernde Schritte und drehte sich, in der Erwartung jeden Augenblick Brennan zu sehen, zum Eingang. Womöglich hatte er die Höhle bereits verlassen und wollte nun wieder hinein, um sie zu erschrecken oder sonst was zu tun. Das sähe ihm zumindest ähnlich! Dass die Schrittlänge eigentlich nicht zu Brennan passte, registrierte sie zwar, doch dachte sie nicht weiter drüber nach, denn die Schritte verstummten abrupt und Ta'shara blieb alleine. Sie schüttelte den Kopf. Das war albern und sie würde jetzt gehen. Nein. Sie würde erst das Bild einschlagen und dann würde sie gehen.
    Doch dazu kam es nicht. Winzig zunächst, und hätte Ta'shara direkt dorthin gesehen, wäre die Bewegung kaum aufgefallen, so verhalten war sie. Doch einmal entdeckt, konnte die Valisar sich nicht mehr abwenden, noch verhindern, was geschah, obwohl es nur eines einzigen Handstreiches bedurft hätte. Fasziniert betrachtete sie die zweite Statue und verfolgte den Weg des Staublakens, bis es neben dem anderen auf dem Boden zu liegen kam.


    Netter Telekinesezauber, dachte sie und überlegte, hinter welcher Wand wohl der verantwortliche Magier saß. Im Vergleich zu dem magischen Schutzschild, der ihre Welt im wahrsten Sinne des Wortes vor dem Untergang bewahrte, und neben Feuerbällen werfenden Zauberlehrlingen, mutete dies hier, wie alles an dieser Kammer, eher stümperhaft an und war wenig dazu angetan, einer Valisar das Gruseln zu lehren oder gar die wahre Liebe. Pflichtbewusst betrachtete sie nun die zweite Statue und seufzte. Brennan. Wie vorhersehbar.
    Die Valisar in ihr lachte freudlos. Da standen sie nun. Wie beordert und nicht abgeholt in diesem Abstellraum der Liebe... Ta'shara stutzte. Das Wort brachte sie zum Grübeln. Etwas in ihr klang nach, während sie erneut abwechselnd die beiden Statuen musterte. Abstellraum. Hatte sie sowas womöglich auch? Dieser eine Fleck, der sich schon einmal so seltsam angefühlt hatte. Hatte sie da vielleicht Dinge abgestellt...? Als Kind? Dinge, für die in ihrer Welt kein Platz war? 'Vielleicht ist das hier dieser Ort', flüsterte eine winzige Stimme in ihr und Ta'sharas Herz schlug laut und aufgeregt. Und es tat gut; auf ganz besondere Weise gut.
    Sie ging zu dem Bildnis mit Brennans Gesicht. Ganz nah. Mit einem raschen Blick zur Seite vergewisserte sie sich, dass sich nicht doch noch jemand im Raum befand, ehe sie ihre Lippen auf den kalten, rauen Marmormund legte.

  • was macht Tom hier?


    "Ha..Hallo, was, bist du auch hier?" Blöde frage, natürlich bist du hier, sonst könnte ich dich ja nicht sehen. Du magst mit mir in die 'Höle der Liebe' gehen?"


    Dadanes Herz klopfte bis in ihren Hals, sie wußte gar nicht wie ihr geschah, Tom, hier! Es musste ihr Glückstag sein, kurz dachte sie darüber nach, dass Tom nicht ihre Größe hatte, doch der Gedanke wurde von etwas in den Hintergrund gedrängt...


    "Komm, lass uns erforschen, was die Höhle für uns bereithält."


    Dadane hielt die Hand fest, als ob sie Angst hätte, wenn sie sie zu locker ließe, würde er wieder verschwinden, und ging vorraus in die Höle, Tom hinter sich.

    Häßlichkeit schändet nicht die Seele,
    aber eine schöne Seele adelt den Leib.


    Es ist nicht der Tod, den wir fürchten sollten,
    das wirklich Tragische wäre ein Leben, das nicht gelebt würde.


    Willst du das Licht sehen, ertrage den Schatten,
    denn beides gehört zu Dir.

  • "Komm zu mir." Seltsam vertraut kam Brennan die Stimme der Fremden vor. Sie griff nach seiner Hand und zog ihn näher zu sich, zog ihn hinab auf die Kissen.
    Ihre Hand wanderte von seiner hinauf zu seinem Arm, seiner Schulter um dann an seinem Nacken liegen zu bleiben. Langsam näherte sie sich und übte gleichzeitig einen solchen Druck auf seinen Nacken aus, dass Brennan gar nichts anderes übrig blieb, als ihr entgegenzukommen und den Kuss anzunehmen, dem sie ihm gab.


    Kühl und sanft spürte er die Seide des verhüllenden Schleiers auf seinen Lippen.


    Zu gleicher Zeit fühlte sich ein anderer Kuss in der "Höhle der Liebe" ähnlich kühl und doch ganz anders an. Die Lippen der Statue waren nicht sanft. Der Stein war rau und sandig, nichts erinnerte an die Weichheit menschlicher Lippen.
    Und doch bewirkte Ta'sharas Kuss etwas. Es begann zu rieseln. Zunächst rann Sand vom Haupte der Brennanstatue, dann begann sich der ganze Kopf in grobkörnigen Sand aufzulösen und immer mehr wurde das vertraute Gesicht zerstört. Ihm folgte Torso und Beine und als die Statue schon nicht mehr als Statue zu erkennen war, bebte plötzlich die gesamte Höhle und die Valisar konnte Risse in der Statue sehen, auf der sie eben noch meinte, ihr eigenes Ebenbild gesehen zu haben.


    °Oo.oO°


    "Natürlich mag ich mit dir gehen." Tom schenkte ihr ein geradezu hinreißendes Lächeln und führte die Zwergin weiter in die Höhle hinein. Dadane konnte schon bald feststellen, dass sie hier offenbar nicht die einzigen waren. Von überall hörte sie Gelächter und Gekicher und ab und an schien auch ein aus tiefstem Herzen kommendes Seufzen sich mit den Geräuschen zu vermischen.


    Der erste Raum, den sie betraten, war mit Kissen ausgelegt und von der Decke fallende Stoffhimmel gaben dem ganzen Ambiente einen äußerst exotischen Touch.
    In einer Ecke konnte Dadane zwei Personen sehen, die sich voller Leidenschaft küssten. Als der Mann sich zu ihnen umdrehte, viel der Zwergin sofort die extreme Ähnlichkeit zu ihrem eigenen Begleiter auf. Der Mann sah aus wie Tom! Und begierig liebkoste er die verhüllte Frau neben ihm.

  • Welch zarter Kuss! Brennan genoss die warmen Lippen, die er noch durch den Stoff schmecken zu schien. Und unsagbares Verlangen wurde in ihm geweckt. Ein Verlangen nach mehr - und mit weniger Stoff.


    Er löste sich von der Maskierten und fuhr mit der Hand ihren Hals hinauf, strich zärtlich die Wange und riss dann mit einem kräftigen Ruck den Schleier vom Gesicht.


    Was er dann sah, brachte den Vogelhändler geradezu aus der Fassung.


    "Göttin!" Brennan senkte das Haupt in Ehrfurcht und spürte doch ihren warmen Körper neben sich. Ein Körper, der ihn nicht das erste Mal in Versuchung führte. Und wieder gab Brennan sich der Versuchung hin. Er hob das Kinn und suchte ihre Lippen, nur um diese mit einem langem, leidenschaftlichen Kuss zu versiegeln.
    "Shirashai, wie lange habe ich mich nach dir gesehnt." Seufzte er zwischen den einzelnen Küssen.

  • Mit halbgeschlossenen Lidern wich Ta'shara zurück, doch konnte sie nicht verhindern, dass dennoch etwas von dem Sand in ihre Augen geriet. Unwirsch fuhr sie mit dem Handrücken daüber und verrieb die Körner nur noch mehr. Zu was Unnützem hat sie sich da auch hinreißen lassen?!
    Nun wackelte diese ganze Höhle auch noch! Erschrocken sah die Valisar sich um und rief nach Brennan... Sie sollten diese altersschwache Attraktion verlassen. Das alles hier schien doch um vieles baufälliger, als sie zunächst angenommen hatte. Am Ende fiel die ganze Konstruktion noch über ihren Köpfen zusammen und begrub sie unter sich. Nicht auszudenken. Ta'shara raffte das Laken auf, schlug das Bild hinein und klemmte es sich unter den Arm. Der versandeten Statue und jener mit ihren eigenen Gesichtszügen schenkte sie keinen Quent Aufmerksamkeit mehr. Sie wollte hier raus.


    Doch fand sie den Eingang nicht, durch den sie eben noch gemeinsam mit Brennan die Höhle betreten hatte. Noch immer bebte der Raum. Ihre Statue zersprang. Wie die Träume jener, die lieben, dachte sie und fand endlich eine Tür, um die Höhle zu verlassen. Wieder rief sie nach Brennan. Einmal... zweimal.
    Der dritte Ruf blieb ein Gedanke... Sie hatte ihn gefunden. Ta'shara stand da, wie vom Donner gerührt. Sie merkte nicht einmal, dass in dem Gemach, in dem sie nun stand, alles ruhig war. Kein Beben, kein Bersten von Stein. Wie in einer lauen Brise bewegten sich sacht einige Tücher, hinter denen man die Umrisse von Menschen erkennen konnte. Menschen und auch andere Wesen in inniger, liebevoller Umarmung; einander zugetan, lachend, scherzend. Und Brennan mitten unter ihnen. Die junge Valisar konnte den Blick nicht von dem Vogelhändler nehmen und der Frau in seinem Arm.
    Unter ihren Lidern scheuerte der Sand. Wieder rieb sie sich über die Augen und Tränen lösten sich aus Ta'sharas langen Wimpern.

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