Die Höhle der Liebe

  • Dadane war wie vor den kopf gestoßen.


    "Ich...Tom, wo sind wir hier, was ist das? Oder vielleicht", langsam begannen sich ihre grauen Zellen zu reaktivieren.


    "Wer bist du? du bist nicht Tom, und er dort hinten ist auch nicht Tom, Tom ist ein Mensch, er ist nicht so groß wie ich. Und was soll das alles hier?"


    Sie hatte die Hand des falschen Tom los gelassen und stand wie vom Donner gerührt im eingang zu dieser exotischen Spielwiese. Ihr wurde unbehaglich zumute. Was sollte das alles, warum sah sie hier solche Dinge. Sie wusste, dass Tom im Bordell arbeitete, aber wie hatte es bisher immer in den Hintergrund gedrängt. Bisher...

    Häßlichkeit schändet nicht die Seele,
    aber eine schöne Seele adelt den Leib.


    Es ist nicht der Tod, den wir fürchten sollten,
    das wirklich Tragische wäre ein Leben, das nicht gelebt würde.


    Willst du das Licht sehen, ertrage den Schatten,
    denn beides gehört zu Dir.

  • Zärtlich strich das Abbild Shirashais Brennan über das Haar. Mit warmer Stimme sprach sie zu ihm: "Auf immer mein."
    Dann verzogen sich die sinnlichen Lippen zu einem breiten Lachen und gaben Brennan so keine Möglichkeit mehr, seine Göttin zu küssen. Doch etwas anderes, als dieses Lachen sorgte dafür, dass Brennan Shirashai weiter ins Gesicht blickte.


    Ihre Augen!
    Shirashai weinte!
    Doch die Flüssigkeit, die aus ihren Augenwinkeln trat, war nicht durchsichtig, wie die Tränen eines Normalsterblichen. Schwarz wie die Nacht waren die Tränen und breit wie ein Fluss quollen sie aus der Göttin hervor.
    Ein reißender Fluss, der reißend wurde und alles andere mit sich zog. Die Augen der Göttin wurden ausgespült, der schwarze Tränenfluß verzog ihr Lachen zu einer abscheulichen Grimasse und floß immer mehr der Hand entgegen, die Brennan noch an Shirashais Wange liegen hatte.


    °Oo.oO°


    "Ihr seht aus, als würde euch die Höhle nicht das zeigen, was ihr sehen wollt." Eine Hand legte sich auf Ta'sharas Schulter und übte leichten Druck auf sie aus, so dass sie ihren Anblick von den Kissen nehmen und auf den Mann, der schräg neben ihr stand richten mußte.


    "Halo." Stellte er sich vor. "Mir gehört dieser Jahrmarkt." Seine Stimme hatte einen Unterton die merken ließ, wie unnötig diese zusätzliche Bemerkung eigentlich war. Natürlich gehörte ihm der Jahrmarkt. Wem sonst sollte er gehören, wenn nicht diesem Mann, der durch sein ruhiges und gleichzeitig erschreckendes Auftreten der menschlich gewordene Jahrmarkt zu sein schien. Harmlos wirkend und doch geheimnisvoll.


    "Möchtet ihr, dass ich euch zum Ausgang bringe?" Warm war seine Stimme und fragend hielt er Ta'shara den Arm zum Unterhaken hin.


    °Oo.oO°


    "Dadane, warum sollte ich nicht Tom sein? Hast du nicht gewünscht, mich zu sehen?" Der "falsche" Tom sah die Zwergin aus großen Augen an und schenkte ihr ein warmes Lächeln.
    "Geht es dir gut? Möchtest du dich ein wenig setzen? Schau, hier ist es doch schön. Störe dich nicht an den anderen Leuten. Ich könnte dir etwas vorlesen, während du dich ein wenig ausruhst." Tom deutete auf ein Kissenlager, auf dem ein großes Buch lag. Hatte das vorhin auch schon dort gelegen?


    Noch bevor Dadane etwas antworten konnte, sah sie hinter Tom ein Pärchen Hand in Hand herlaufen. Die Frau war groß und hatte langes, goldenes Haar. Sie lächelte den Mann an ihrer Seite an. Den Mann, der Toms Gesichtzüge hatte.

  • Brennan sah seiner "Göttin" fassungslos ins Gesicht. Die Hand, die soeben noch zärtlich an ihrer Wange geruht hatte, glitt langsam hinab und landete auf Brennans Schoß. Etwas in ihm wollte ihr die schwarzen Tränen fortwischen, doch ihr Lachen und die die leerengewaschenen Augen Shirashais riefen eine ganz andere Reaktion in dem Vogelhändler wach.


    Brennan rannte fort.


    Er stand auf, schrie und nahm die Beine in die Hand.
    Nein, eigentlich war er nicht ängstlich und bestimmt kein feiges Huhn, aber das was er soeben gesehen hatte, war nicht natürlich und so ganz anders als jenes, was er bisher von seiner Göttin gesehen hatte.


    Dies war nicht Shirashai, soviel stand fest. Und für einen faulen Zauber war dies alles zu perfekt. Zu perfekt auf Brennans Sehnsüchte abgestimmt. Zu nah dran an seinen Träumen.
    Hier waren irgendwelche Kräfte am Werk, die tatsächlich soetwas wie Furcht in dem Jünger der Shirashai wachriefen.


    So lief Brennan heraus, achtete nicht auf das, was noch um ihn herum geschah und erreichte endlich den Eingang der "Höhle".
    Atemlos blieb er vor dem herzförmigen Eingang stehen und sah zurück. Hatte er noch vor wenigen Minuten mit Ta'shara hier gestanden und gelacht? Es schien ihm so weit weg. Wo war Ta'shara überhaupt? Brennan sank in die Knie. Die "Höhle" schien eher eine "Hölle" zu werden.

  • Ta'shara drehte sich um und sah dem Mann, der sie angesprochen hatte, direkt in die Augen. Ihr Blick war eiskalt und drückte aus, was ihr Mund nicht sagte: Nehmt augenblicklich Eure Hand dort fort!


    "So. Der Besitzer des Jahrmarktes also", antwortete sie, musterte Halo kühl und nannte ihren Namen. "Was ich sehen will? Wie soll diese Höhle wissen, was ich sehen will?"
    Ta'shara würde dies wirklich interessieren, woher 'die Jahrmarktsattraktion' ihre Informationen nahm. Die einzige Sehnsucht, die sie kannte, war die nach den verlorenen Gefühlen. Das hat diese Höhle bislang nicht erkannt. Stattdessen hatte sie versucht, ihr weiszumachen, Brennan sei ihre Sehnsucht. Und die Statue mit seinem Antlitz? Wie der Sand der Zeit war sie ihr durch die Finger geronnen und verdarb noch jetzt ihr Auge und ihre Sicht. War es mit Gefühlen am Ende nicht ebenso!!!??? Sie vergingen und machten blind und taub.
    Die Halbvalisar zog ihre eigenen Schlüsse. Diese Höhle zeigte tatsächlich, was man sehen wollte, oder besser, sie zeigte die Oberflächlichkeit der Dinge, die man sich wünschte.
    Aber sie tat auch mehr. Öffnete die Augen... kratzte unter der Oberfläche und offenbarte, was man selbst längst wusste. Was hat Brennan gesehen?


    Sie wollte zu ihm und so nahm sie das Angebot Halos an, sie aus der Höhle zu führen. Seinen Arm schlug sie aus, dennoch spielte nun ein Lächeln um ihre Lippen.
    Dies jedoch verflog, sobald sie ins Freie getreten waren. Vor dem herzförmigen Eingang kniete Brennan. Furcht stand in seinen Augen.

  • "Mit ihm seid ihr also gekommen." Halso Worte waren nicht als Frage, sondern als Feststellung formuliert. Sein Blick blieb nur kurz auf Brennan liegen, wanderte dann sofort wieder zu der Valisar neben sich.
    "Nicht selten werden starke Frauen von schwachen Männern in die Höhle der Liebe geführt. Doch den meisten öffnet sie die Augen über den, der in ihrem Schatten steht. Bedauerlich.." War dort Verachtung in Halos Worten zu hören? Wie echtes Bedauern klang es kaum.


    "Wenn ihr es wirklich wünscht, Ta'shara.." Woher kannte er ihren Namen? ".. dann zeige ich euch, woher die Höhle ihr Wissen bezieht. Wieso die Höhle euch zeigen kann, wer ihr seid, wer neben euch steht und zu wem ihr gehört. Aber.." Halos Blick wurde eindringlich, die hochgewachsene Gestalt wirkte fast schon bedrohlich und nur das sachte Lächeln auf seinen Lippen stand dazu gänzlich im Widerspruch.
    "Aber ihr müßt ihn zurück lassen. Kommt mit mir und ich zeige euch mein Geheimnis. Lasst diesen Wurm hier. Allein in seinem Kummer und mit seiner Furcht."

  • "Ich bin mir nicht sicher, was ich möchte, ich weiß nicht was das alles hier soll. Warum bist du nicht der Tom den ich kenne und warum sehen alle anderen aus wie du? Was ist das hier für fauler Zauber, das geht doch nicht mit rechten Dingen zu."


    Dadane ging mit entsetztem, ungläubigem Gesichtsausdruck richtung Tür und wußte nichts mit der Situation anzufangen. Das war auf keinen Fall dass, was sie sich unter der Höhle der Liebe vorgestellt hatte. Aber was war es dann?

    Häßlichkeit schändet nicht die Seele,
    aber eine schöne Seele adelt den Leib.


    Es ist nicht der Tod, den wir fürchten sollten,
    das wirklich Tragische wäre ein Leben, das nicht gelebt würde.


    Willst du das Licht sehen, ertrage den Schatten,
    denn beides gehört zu Dir.

  • Brennan blieb in der Hocke. Sein Blick fuhr zu Halo und Ta'shara auf und er schien etwas sagen zu wollen - doch blieb es ihm im Halse stecken. Die eben gemachte Erfahrung füllte ihn mit einem Gefühl aus, dass er so nicht kannte, nicht kennen wollte.
    Der Vogelhändler senkte den Kopf und vergrub das Gesicht zwischen seinen Händen. Es viel ihm schwer, so Ta'sharas Blick ausgesetzt zu sein, doch er brachte es nicht fertig, aufzustehen und ihr sein Lächeln zu schenken. Noch nicht.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!